Denkmalschutz für moderne Klassiker

EXTRA
BAUINNUNG WIEN
Samstag I 7. Mai 2016
ENTGELTLICHE KOOPERATION
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Denkmalschutz für moderne Klassiker
THOMA LEDL/CC BY-SA 4.0
Nachkriegsbauten. Sie sind fester Bestandteil des Wiener Stadtbildes und daher erhaltenswert
nen. Um den Ursprungszustand aber so gut wie möglich
wiederherzustellen,
griffen wir in die Trickkiste“, so der Experte. Das Linoleum wurde 1:1 abfotografiert und auf eine Art Fototapete gedruckt. Durch eine
Verglasung geschützt ziert
diese Folie nun die Pfeiler.
G
anz
besonders
stolz war man damals – bei der
Wiedereröffnung
der
Staatsoper und der Opernpassage im Jahr 1955. Stolz
istauchFriedrichDahm,Abteilungsleiter des Bundesdenkmalamtes
(BDA),
mehr als 60 Jahre danach.
Denn die Jahrzehnte gingen nicht spurlos an der
Opernpassage vorüber und
so musste sie zwischen
2011–2013 restauriert werden. „Durch den vorhandenen
U-Bahn-Abgang
herrschten strenge Vorschriften vor allem im
Brandschutz“, sagt Dahm.
So wurde bei der Restaurierung unerlaubtes und
schnell entflammbares Linoleum auf den Pfeilern gefunden. „Das mussten wir
aufgrund der feuerpolizeilichen Vorschriften entfer-
Historisches Erbe
Um Wien weiterhin als eine
gelungene und sehenswerte Mischung aus Tradition
und Moderne präsentieren
zu können, bedarf es der Erhaltung historischer Gebäude. Dazu heißt es in einem
Bericht des BDA: „Der Denkmalschutz trägt dazu bei,
das bauliche und archäologische Erbe als Dokumente
unserer Geschichte zu bewahren. Denkmalschutz sichert maßgebliche Elemente unserer kulturellen Lebenswelt.“ Diese Gebäude
sindjedochnichtnuroptisch
zu sanieren, sondern müssen auch die technischen
und ökologischen Ansprüchen der heutigen Zeit erfüllen. Mit Bewilligung des
BDA sind auch bei denkmalgeschützten Objekten bauliche Veränderungen in einemgewissenRahmenmöglich.
Grau & hässlich?
Eine besondere Stellung im
Denkmalschutz
nehmen
Zwischen- und Nachkriegsbauten ein. Vor allem die
Bauten der 50er haben es
schwer, weil sie – im Unterschiedzuden30ern–dasnötige Alter noch nicht ganz erreicht haben, das es für zeitgeschichtliche Wertschätzung braucht. Andererseits
sind die verantwortlichen
Architekten, die ihr Werk
schützenkönnten,längstgestorben. Denkt man zudem
an Gebäude wie das ORFZentrum am Küniglberg
oder das 21er Haus erschließt sich für so manchen die Ästhetik der Nachkriegsarchitektur nicht.
Abgesehen vom Erscheinungsbild sind Zwischenund
Nachkriegsgebäude
energetisch ineffizient. Vor
der Energiekrise der 70er
wurden nämlich an Wärmedämmung kaum Gedanken
verschwendet.
Hinzu
kommt die schlechte Betonqualität. „Das Material war
damals
bauphysikalisch
nichtsogut“,soDahm.Fazit:
Vor allem bei öffentlichen
Gebäuden wie Schulen, die
stark genutzt werden, entsteht rasch intensiver Sanierungsbedarf. Dank auf Sa-
BDA, WIEN, AUFN. BETTINA NEUBAUER-PREGL
Die Sanierung der Wiener Opernpassage war aufgrund der hohen Brandschutzbestimmungen, Auflagen und Vorschriften eine Herausforderung für die Baumeister
Der Milchpavillon im Volksgarten: Ein Beispiel für ein Nachkriegsgebäude unter Denkmalschutz
nierung solcher Gebäude
spezialisierte Baumeister,
werdenalldiesedenkmalgeschützten Objekte den heutigen Wohn- und Arbeitsansprüchen gerecht, ohne Veränderung des Erscheinungsbildes. Jahrelange Erfahrung, von Generation zu
Generation weitergegeben
undeinganzbesonderesGespür für die Bausubstanz le-
gen den ehemaligen Glanz
dieser Objekte wieder
frei.Gelungen ist das zum
Beispiel beim Gänsehäufel,
dem Karlsplatz oder der
Wiener Stadthalle. Auch
das 21er Haus zählt dazu.
Österreich ist in puncto
Restaurierungspraxis sehr
gut aufgestellt und kann auf
internationalemNiveauhervorragendmithalten.Exper-
te Dahm dazu: „Wir haben
ein einmaliges Denkmalschutzgesetz, das durch
kompetente und spezialisierteBaumeisterumgesetzt
wird.“
BDA, WIEN, AUFN. BETTINA NEUBAUER-PREGL
Eine ganz besondere Werkstätte
Nachhaltig. Baudenkmalpflege im Kloster Kartause Mauerbach
Am Westende des Mauerbachtales im sogenannten
Allerheiligental liegt das
1314 von dem Habsburger
Friedrich dem Schönen gestiftete
Kartäuserkloster,
das zu den großen und bedeutenden Baudenkmälern
Niederösterreichs zählt.
Schulungen gesichert
Das Besondere an dem Kloster ist seine heutige Funktion. Mit seinem weitläufigen
Baukomplex dient es dem
österreichischen Bundesdenkmalamt als ideales
Trainingsgelände für die
Fortbildung auf dem vielfäl-
tigen Gebiet der Baudenkmalpflege. Die Kartause
Mauerbach sichert damit
die Weiterbildung aller am
Altbau beschäftigten Berufsgruppen und verbindet
die Grundlagen der Denkmalpflege mit der erforderlichen Praxis am Bau. Die
Aufgaben der Werkstätte
sind:
– Erforschung und Erprobung
von Konservierungs- und
Restaurierungsmethoden
und -technologien
– Erfassung und Beurteilung
von in der Denkmalpflege
verwendeten Baumaterialien, sonstiger Mittel, Methoden, Sanierungsverfahren
und Ersatzmaterialien
– Wahrnehmung didaktischer
Aufgaben, insbesondere Veranstaltungen zur Aus- und
Weiterbildung in der Baudenkmalpflege für Restauratoren, Architekten, Beamte der Bauverwaltungen
Für Interessierte gibt es
regelmäßige Ausstellungen
in der Kartause Mauerbach,
die die Aspekte der Baudenkmalpflege präsentieren. Infos unter:
www.bda.at/events
Das 21er Haus ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Sanierung trotz Denkmalschutzes