Predigt vom 8. Mai - Hoffnungskirche zu Pankow

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 08.05.2016 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Eph 3,14-21)
von Vikarin Josephine Furian
Liebe Gemeinde,
es ist zum Niederknien. Überwältigend. Es umfasst Himmel und Erde und hat doch seinen
Ort in uns Menschen. Das ist fett. Bäm! Die Fülle Gottes. Da reichen selbst die größten
Wörter nicht. So geht es dem Beter. Erfüllt von der Gottesfülle, kniet er nieder. Er betet. Für
uns – so hörten wir es in der Epistellesung, dem heutigen Predigttext. Für uns betet er, damit
auch wir voll werden von Gottes Fülle. Für uns sind seine Wünsche, dass wir erfüllt leben.
Und wie gepackt von dieser Fülle, strömen die Wünsche in großen Worten aus ihm heraus.
Fülle – Ehre – Liebe – Kraft – Weite – so ist das bei seinem Gott. Daran sollt ihr teilhaben
können. Denn Gott ist eine, die euch an ihr teilhaben lässt. Gott will euch ausfüllen mit ihrer
Fülle. In ihr könnt ihr Wurzeln schlagen. Das ist es, was ihn überwältigt, deshalb beugt er die
Knie - so steht es im Brief an die Epheser, Kapitel 3:
Deshalb beuge ich meine Knie vor der schöpferischen Kraft, (15) die jedes Volk im Himmel und auf
Erden benannt hat. (16) Gott möge euch entsprechend dem Reichtum seiner Ehre geben, dass ihr
mit Kraft durch Gottes Geist im Innern gestärkt werdet, (17) dass Christus durch den Glauben in
euren Herzen wohne, in Liebe verwurzelt und begründet, (18) so dass ihr imstande seid, mit allen
Heiligen zu begreifen, was die Länge und Breite und Höhe und Tiefe ist, und die Liebe Christi zu
erkennen, die die Erkenntnis übersteigt, so dass ihr mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt werdet.“
Heute ist Tag der Befreiung. 71 Jahre sind es her, seit dem Ende des Nationalsozialismus. Und
es ist gut daran zu erinnern. Denn immer wieder neu braucht es Kraft um für den Frieden
einzutreten und Hoffnungsträgerinnen zu werden. Gestern Nachmittag waren Viele – auch
aus unseren Kirchengemeinden – auf der Straße um für den Frieden der Stadt zu
demonstrieren. Es braucht Beharrlichkeit: Gegen den Rechtspopulismus immer wieder neu
auf die Nächstenliebe zu setzen.
Deshalb beuge ich meine Knie vor der schöpferischen Kraft, dass ihr mit Kraft durch Gottes Geist
im Innern gestärkt werdet. - so der Beter. Dass er sie erbittet, zeigt, dass er Kraft als ein
Gottesgeschenk versteht, nicht als Charaktereigenschaft oder zu erbringende Leistung.
Heute gedenken wir auch dem Ende des II. Weltkrieges. In einer Zeit, in der auch bei uns in
Berlin die gefühlte Unsicherheit zunimmt. Frieden, dieses Wort, ist kraftlos geworden. Es ist
schwierig zu glauben, dass die großen Wünsche des Beters tragen, wenn der Boden
schwankt. Es ist nicht leicht dem Strom der Fülle zu trauen, wenn die Erfahrung von
unbestimmter Bedrohtheit zunimmt. Und so ist es gut, mit Kraft durch Gottes Geist im Innern
gestärkt zu werden.
Im Inneren. Es ist nicht die Kraft von Überwachungskameras und Militärs. Es ist nicht die
Kraft der Grenzen. Innere Stärke könnte heißen: zu den inneren Überzeugungen zu stehen.
Beharrlich zu bleiben, bei dem, worauf ich hoffe. Mit Kraft im Innern den behaupteten
Unabänderlichkeiten zu widersprechen. Seid kräftig in eurer Sehnsucht nach erfülltem Leben!
Seid kräftig in eurer Sehnsucht nach dem Leben in Fülle für alle.
So betet er für uns.
Deshalb beuge ich meine Knie vor der schöpferischen Kraft, dass Christus in euren Herzen wohne
und ihr in Liebe verwurzelt und begründet seid.
Worin bin ich verwurzelt? Was trägt mich, wenn der Boden schwankt? Für den Beter ist es
Christus. Seine Liebe gibt ihm Halt. „Zieh ein zu deinen Toren, sei meines Herzens Gast, so
dichtet Paul Gerhard. Und auch ich möchte da mitsingen: „Zieh ein, lass mich empfinden
und schmecken deine Kraft.“ (Paul Gerhard, Zieh ein zu dienen Toren) Christus, die Liebe, soll
meine Wurzel sein. Nicht die Nation, nicht die finanzielle Sicherheit. Nein, in der Liebe
möchte ich verwurzelt und begründet sein.
Das Gebet kommt zu seinem Ziel:
Deshalb beuge ich meine Knie vor der schöpferischen Kraft, damit ihr erfüllt werdet mit der
ganzen Fülle Gottes.
Die Fülle kann eine berauschende Erkenntnis sein. Gemeinsam mit Anderen eine Ahnung von
der kosmischen, liebenden Fülle haben. Das wünscht uns der Beter: Mit allen Heiligen zu
begreifen, was die Länge und Breite und Höhe und Tiefe ist, und die Liebe Christi zu erkennen, die
die Erkenntnis übersteigt. Die Liebe erkennen, ihre Fülle, die Himmel und Erde umfasst. Diese
kosmische Fülle, die doch ihren Ort in uns Menschen hat. Das ist fett. Das wünscht uns der
Beter.
Einen Eindruck davon, wie sich die Fülle anfühlen kann, habe ich im Kinderbuch „Ronja
Räubertochter“ bekommen.
„Und hier war sie nun und hatte sich kopfüber in den Frühling gestürzt. So herrlich war es
um sie herum, ja, auch sie selber war ganz erfüllt von seiner Herrlichkeit, und sie schrie wie
ein Vogel, laut und gellend, bis sie es Birk erklären musste. „Ich muss einen Frühlingsschrei
schreien, sonst zerspringe ich. Hör doch! Du hörst doch wohl den Frühling!“ Eine Weile
standen sie schweigend da und lauschten dem Zwitschern und Rauschen, dem Brausen und
Singen und Plätschern in ihrem Wald. Alle Bäume und alle Wasser und alle grünen Büsche
waren voller Leben, von überall her erscholl das starke, wilde Lied des Frühlings. „Hier stehe
ich und spüre, wie der Winter aus mir herausrinnt“, sagte Ronja. „Bald bin ich so leicht, dass
ich fliegen kann.“ (Astrid Lindgren, Ronja Räubertochter, 106)
Solch eine Erfahrung von Fülle, von einem erfüllten Leben, wünscht uns der Beter.
Deshalb beuge ich meine Knie vor der schöpferischen Kraft, damit ihr erfüllt werdet mit der
ganzen Fülle Gottes.
Selbst können wir uns nicht die Erfüllung machen. Wir können erfüllt werden. In Psalm 23
heißt es: Gott bereitet uns einen Tisch. Nicht wir bereiten einen Tisch, nein: Sie bereitet uns
einen Tisch. Das Haupt will sie uns mit Öl salben und uns voll einschenken. Voll – da ist sie
wieder, die Fülle. In der Bibel gibt es viele Bilder dafür, dass Gott uns an ihrer Fülle teilhaben
lassen will. Der gedeckte Tisch in Psalm 23. Das Manna, das vom Himmel kommt und alle
sättigt. Der Wein bei der Hochzeit, der nicht ausgeht. Und Jesu Wort: „Ich bin gekommen,
dass sie das Leben haben, dass sie es in Fülle haben!“ (Joh 10,10)
Lassen wir es uns von diesem Beter sagen lassen: Ihr seid dazu bestimmt, Platz zu nehmen an
dem gedeckten Tisch, den Gott uns bereitet hat. Ihr sollt erfüllt werden von der Fülle Gottes.
In Gottes Liebe könnt ihr Wurzeln schlagen. Das ist überwältigend – zum Niederknien.
Und der da niederkniete, beendet sein Gebet:
(20) Gott, die über alles hinaus überströmend mehr zu tun vermag als das, was wir mit der in uns
wirkenden Kraft bitten oder denken, (21) sei Ehre in der Versammlung und in Christus Jesus bis in
alle Geschlechter der ewigreichen Ewigkeit. Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.