Musikpoet für Generationen

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Tandem
Musikpoet für Generationen
Bob Dylan wird 75
Von Christiane Rebmann
Sprecher: Peter Binder
Sendung: 13.05.2016
Redaktion: Bettina Stender
Produktion: SWR 2016
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Musikpoet für Generationen
Bob Dylan wird 75
Autorin: Christiane Rebmann
Sprecher: Christiane Rebmann, Peter Binder
O-Ton
Ich habe das, was ich tue, nicht gewählt. Es hat mich gewählt. Wenn ich hätte
wählen können, wäre ich etwas anderes geworden. Vielleicht Wissenschaftler,
Ingenieur oder Arzt. Das sind die Menschen, zu denen ich aufschaue. Zu
Entertainern sehe ich nicht auf. Sie haben für mich überhaupt keine Bedeutung.
Kaum ein Künstler hat die Musikszene in den letzten fünf Dekaden so beeinflusst wie
der US Folkrock-Musiker Bob Dylan. Mit Meisterwerken wie „Blowin„ in the Wind“
oder „The times they are a-changin“ lieferte er unter anderem den Soundtrack für das
Lja, eben der Hippiegeneration der 1960er Jahre. Die Bewunderer seiner poetischen,
oft philosophisch oder politisch ausgerichteten Songs finden sich unter
Musikerkollegen aller Altersklassen, auch die ganz jungen unter ihnen nennen Bob
Dylan ihr Vorbild.
Musikpoet für Generationen – Bob Dylan wird 75. Eine Sendung von und mit
Christiane Rebmann
1. Song: Blowin in the wind
Blowin in the wind von 1962, aus Dylans Anfangszeit - wie auch die meisten seiner
erfolgreichsten Songs aus den 60er Jahren stammen. Mit mehr als 100 Millionen
abgesetzter Alben gehört er zu den best verkaufenden Künstlern aller Zeiten. Er hat
so gut wie alle Auszeichnungen bekommen, die es für Musiker gibt, unter anderem
elf Grammys. Er wurde in die Rock‟n‟Roll Hall of Fame aufgenommen und erhielt vor
vier Jahren aus der Hand von Barack Obama die Freiheitsmedaille des Präsidenten.
Robert Allen Zimmermann kam am 24.Mai 1941 zur Welt. Seine Eltern stammten von
deutsch ukrainisch jüdischen Immigranten ab. Er wuchs in Hibbing im US
Bundesstaat Minnesota auf. Seine Kindheit wurde von der Polio-Erkrankung seines
Vaters überschattet. Als Junge verbrachte Dylan viel Zeit vor dem Radio. Er hörte
Country und Blues Sender. Und er sah schon als Kind viele Filme, weil seinem
Großvater das größte Kino der Stadt gehörte. An der High School gründete Dylan
diverse Rock‟n„ Roll Bands. Als Musik-Student an der University of Minnesota
schloss er sich dem Folk Circuit an, weil er dieses Genre für ernsthafter hielt als den
Rock„n„Roll und weil man im Folk eher von Verzweiflung, Trauer und Erfahrungen mit
dem Übernatürlichen erzählen konnte. Er benannte sich in Bob Dylan um, nach
seinem Lieblingsschriftsteller Dylan Thomas. Er sang nicht nur, sondern begleitete
sich auch auf der Gitarre, am Klavier und an der Orgel, und er spielte
Mundharmonika.
Nach einem Jahr brach er sein Studium ab und zog nach New York. Er wollte seinem
großen Idol Woody Guthrie nahe sein. Ihm sollte er später den „Song to Woody“
widmen, der 1962 auf seinem ersten Album „Bob Dylan“ erschien.
2
O-Ton
Ich bin froh, dass ich diesen Song geschrieben habe. Und ich bin froh, dass ich
diesen Song zum Singen habe. Denn Woody war einfach ein phänomenaler
Performer. Es gibt diese Filmaufnahmen von ihm als Sänger, und da wird klar, dass
er in einer Reihe mit Charlie Parker, Hank Williams und all den anderen aus dieser
Klasse steht.
2. Song: Song to woody
Aber auch der schwarze Bluesmusiker Robert Johnson gehörte zu seinen Vorbildern.
O-Ton
Ich hörte ihn zum ersten Mal, nachdem mir John Hammond, der Mann, der mich für
die Plattenfirma entdeckt hatte, ein Album von ihm geschenkt hatte. Das war, bevor
die Platte erschien. Niemand hatte zu der Zeit etwas von Robert Johnson gehört,
außer vielleicht einem Dutzend Menschen in ganz Amerika. Das muss 1961
gewesen sein.
3. Song: Robert Johnson / Come on in my kitchen
Als Bob Dylan in der Folkszene auftauchte, wurde diese Musik als eine mächtige
Waffe gesehen, mit der man glaubte, die Welt verändern zu können. Dylan
hinterfragte als Anwalt der Unterdrückten in seinen Songs das politische System und
das soziale Machtgefüge. Seine Lieder liefen deshalb unter der Bezeichnung
Protestsongs. Prominente Kollegen wie die Beatles waren beeindruckt von dieser Art
Musik, die die Sorgen der jungen, friedensbewegten Generation zusammenzufassen
schien.
Manchen seiner Kompositionen werden prophetische Qualitäten zugeschrieben.
Literaturkritiker verglichen ihn mit seinem Vorbild Arthur Rimbaud. Den Song „A Hard
Rain is gonna fall“ mit Textzeilen wie „I saw guns and sharp swords in the hands of
young children“ oder „Where the pellets of poison are flooding their waters“ schrieb
Dylan im Sommer 1962, kurz bevor die Kubakrise die Welt an den Rand eines dritten
Weltkriegs brachte.
4. Song: A hard rain is gonna fall
Er habe immer auf seine Zeit reagiert, sie aber gleichzeitig auch reflektiert, sagt er.
O-Ton
Ich glaube, in welcher Zeit du geboren und aufgewachsen bist, hat einen immensen
Einfluss auf deinen weiteren Lebensweg. Das Leben war früher ganz anders als
heute, wie wir in den Büchern nachlesen können. Die Werte haben sich verändert.
Heute leben wir in einer Zeit der Angst. Ich denke, man sollte sich nicht zu sehr
darauf einlassen.
Mitte der 60er Jahre steckte Bob Dylan in einer Krise. Er war von den Puristen der
Folkszene angegriffen worden, weil er statt der akustischen neuerdings E Gitarre
spielte und sich der Rockmusik zuwandte. Außerdem war er von den
3
ununterbrochenen Tourneen, für die er sich inzwischen ein exzellentes Musikerteam
mit dem Namen The Band zusammengestellt hatte, erschöpft. Der ausufernde
Alkohol- und Drogenkonsum tat ein Übriges. Er fühlte sich ausgebrannt.
Nach einem Motorradunfall 1965 in der Nähe seines Hauses in Woodstock, New
York, zog er sich zurück.
Mit wenigen Ausnahmen - unter anderem einem Auftritt bei George Harrisons
Concert for Bangladesh im Jahr 1971 – hielt er viele Jahre Abstinenz von der Live
Bühne.
O-Ton
Offensichtlich hatte ich damals keine Lust mehr, rauszugehen und zu spielen. Ich
hatte nicht das Gefühl, Teil jener Kultur zu sein.
Doch Alben nahm er weiter auf. Songs zu schreiben fiel ihm nach wie vor leicht.
Seine Kompositionen entstanden und entstehen selten unter Druck.
O-Ton
Ich notiere mir die Ideen, die mir in den Kopf kommen. Und wenn ich diese Notizen
dann später wiederfinde, kann es sein, dass ich eine Melodie dazu komponiere. Ich
werfe all das raus, was nicht passt. Ich singe den Song und spiele Gitarre dazu. Ich
nehme das auf, was man gemeinhin als Demo bezeichnet. Wenn ich einen Song
schreibe, unterscheidet sich das nicht sehr von der Situation in einem Konzert. Ich
singe. Der einzige Unterschied ist, dass in diesem Fall dabei neue Lieder entstehen.
5. Song: Lay Lady Lay
Oft sagen ihm die Songs, wie er mit ihnen umzugehen habe, erklärt er. Das sei zum
Beispiel bei dem Jazz beeinflussten Stück „Po Boy“ von seinem sehr erfolgreichen
Album „Love and Theft“ der Fall gewesen, das ein wenig wie eine Aufnahme aus den
1920er Jahren klingt.
O-Ton
Dieser Song spielt sich quasi selbst. Ich musste ihn so singen, weil das ein Song ist,
der auch ohne Text auskäme. Seine Stärke ist die Akkordstruktur. Er kommt fast
ohne Instrumentierung aus. Da reicht eine minimalistische Gitarrenbegleitung. Darauf
habe ich auch im Text Rücksicht genommen und nicht zuviel emotionale Rhetorik
reingebracht.
6. Song: Po Boy / Love and Theft
Im Laufe seiner Karriere hat Bob Dylan vielen Kollegen zu Hits verholfen. So
erreichte die US Folkrock Band The Byrds 1965 mit seinem Song „Mr. Tambourine
Man“ unter anderem in den USA und in Großbritannien Platz Eins und war damit
wesentlich erfolgreicher als er selbst. Er kommentiert dieses Phänomen mit einer
gewissen Bitterkeit.
4
O-Ton
Es ist kein Zufall, dass andere Sänger größere Erfolge mit meinen Songs hatten als
ich selbst. Sie erkannten, dass in den Songs eine bestimmte Struktur steckte. Aber
mir wurde meist nicht erlaubt, diese Struktur weiter zu entwickeln. Weil ich mit
schlampigen Produzenten arbeitete, mit Blendern, mit Versagern. Auf der Bühne
hatte ich dann immer die Chance, das zu korrigieren. Ein Song braucht eine Struktur,
ein Rückgrat, einen Code. Das gibt ihm Stabilität. Und dann kann man ihn mit Texten
umkleiden.
7. Song: Mr. Tambourine Man / Byrds
Er beschwert sich, dass sich viele seiner Produzenten nicht sorgfältig genug mit den
Songs selbst auseinandersetzten. „Ich war immer zu sehr damit beschäftigt, die
Texte in den richtigen Rahmen zu setzen, die Zeilen hin und her zu schieben, die
Tonart oder das Tempo zu verändern, eine andere Synkopierung zu verwenden. Um
die Struktur habe ich mich nie gekümmert. Dummerweise haben sich die Menschen
um mich herum auch nicht darum geschert. All diese Leute, die behaupteten, meine
Musik und meine Songs zu kennen, sie hatten keine Ahnung.“
Dass vor allem seine Stimme nicht immer optimal aufgenommen wurde, schiebt er
auch seinen Produzenten zu.
So nahm er beispielsweise 2001 sein Album “Love and Theft” noch mal komplett neu
auf, und zwar unter eigener Regie, unter dem Pseudonym Jack Frost, weil ihm die
ursprüngliche Version nicht gefallen hatte.
O-Ton
Wenn man mit Produzenten arbeitet, treiben sie das Ganze in die eine oder in die
andere Richtung. Jedenfalls wenn du nicht gleich von Anfang an sehr bestimmt
angibst, in welche Richtung es gehen sollte. Deshalb sind viele meiner Platten das
Ergebnis eines Kompromisses. Kein Wunder also, dass die Leute sagen: „Oh, dieser
Song klingt ja ganz anders als auf der CD.“ Natürlich klingt er nicht so, weil er nicht
so gedacht war.
8. Song: Mississippi / Love and theft
Die Produzenten, die mit ihm arbeiteten, wurden oft Opfer des Dylan Mythos, meint
er.
O-Ton
Normalerweise, wenn ein Produzent auf mich losgelassen wurde, dachte der: „Gut,
das hier ist eine Bob Dylan Platte. Das sind Bob Dylan Songs.” Er war gleich
innerlich festgelegt. Diese Produzenten machten sich gar keine Gedanken darüber,
wie eine CD von mir klingen könnte. Einer dieser Kollegen nahm ein ganzes Album
mit mir auf und merkte erst am Ende, dass er die falschen Mikrofone vor mir
aufgebaut hatte.
5
O-Ton
Am besten kommt man mit meiner Stimme und meiner Art zu singen klar, wenn man
ein antiquiertes Aufnahmegerät verwendet. Am besten nimmt man mich analog auf.
Je einfacher, desto besser.
9. Song: Love Sick / Time out of mind
“Love Sick” aus “Time out of mind” von 1997. (Nach einer Baisse war Bob Dylan
wieder erfolgreich.)
Als er 1997 die Songs zu diesem Album schrieb, hatte er zum ersten Mal bei der
Arbeit das Publikum vor Augen, für das er später auftreten würde, erinnert er sich. Er
habe diese Lieder nicht komponiert, weil er ein Album machen musste, sondern weil
er Material wollte, mit dem er live ein Publikum fesseln konnte. Bei seinen Auftritten
liegen ihm vor allem die Zuschauer am Herzen, die ihn nicht so gut kennen.
O-Ton
Normalerweise spiele ich eher für die Menschen in den hinteren Reihen. Ich
kümmere mich nicht so sehr um die Leute, die ganz vorn stehen. Weil das diejenigen
sind, die schon zu vielen meiner Shows gekommen sind. Sie sind sowieso immer da.
Und sie finden das, was sie da vorne hören, eh meistens irgendwie gut. Deshalb
konzentrieren wir uns nicht darauf, diese Menschen zu erreichen. Wir wenden uns an
die Menschen, die das erste Mal zu einem Bob Dylan Konzert gekommen sind.
10. Song: Just like a woman / Live at Budokan
1988 hatte Bob Dylan das begonnen, was er the neverending tour nannte. Er
absolviert seitdem mit meist über 100 Konzerten jährlich ein größeres Tour-Pensum
als die meisten seiner gleichaltrigen Kollegen. Auch dieses Jahr ist er schon wieder
mit seiner Band unterwegs. Er fühle sich überall zuhause, sagt er. Dennoch: Hat er
eine Vorstellung, wie lange er das noch so machen wird?
O-Ton
Ich kann es wirklich nicht sagen. Vielleicht bis ich eines Tages die Nase voll habe.
Wenn die Zuschauerzahlen schrumpfen. Ich selbst schrumpfe ja auch. Aber ich
nehme an, dass ich eines Tages keine Lust mehr haben werde.
Mein altes Publikum stirbt langsam aus. Die Menschen aus meiner Altersgruppe
werden gebrechlich. Die jüngeren sind mit ihrer Familie beschäftigt und interessieren
sich nicht mehr so für die leichte Unterhaltung.
11. Song: Like a Rolling Stone / Live at Budokan
Viele seiner Kollegen klagen, dass ihre Energie nachlässt und hören deshalb auf. Ein
Argument, für das er kein Verständnis hat.
O-Ton
Das mit der Energie ist Fiktion. Du lernst einfach, wie du bestimmte Dinge am besten
tust und zu welcher Zeit. Es gibt Strategien, Listen, Codes, Spiel-Techniken. Wenn
du weißt, wie du diese Dinge richtig einsetzt, kannst du auch die Energie und die
Emotionen abrufen, die du brauchst.
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Wichtiger Bestandteil seines Live Repertoires sind die alten Stücke. Er hat kein
Problem damit, sie auch heute noch zu singen.
O-Ton
Meine Songs kann man alle singen. Sie sind immer noch aktuell. Ein Song muss ja
nicht erst gestern vom Himmel gefallen sein, um aktuell zu sein.
Seine Songs sind zeitlos, auch wenn er ihre künstlerische Bedeutung nicht
überbewerten möchte, wie er mit einem seiner eigenwilligen Vergleiche betont.
Wir leben sozusagen im Eisenzeitalter, sagt er, das Bronzezeitalter liegt lange hinter
uns.
O-Ton
Wir können es noch fühlen, wenn wir in einer dieser historischen europäischen
Städte herumlaufen. Die Menschen sind doch heute gar nicht mehr in der Lage, so
etwas zu bauen wie das, was zum Beispiel in Rom herumsteht. Da wird einfach klar,
dass es vor uns Menschen gegeben hat, die auf einer viel höheren Ebene waren als
jeder von uns heutzutage. Wir könnten diese Art von Gebäuden nicht mal entwerfen.
Wir Amerikaner schon gar nicht.
12. Song: The Times they are a changin
Seit vielen Jahren liegt die als Dylanologen bekannte Anhängerschaft dem
schwedischen Nobelpreiskommitee in den Ohren und drängt, es sei längst an der
Zeit, dass ihr Held endlich mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wird. Er selbst
wiegelt ab.
O-Ton
Ich habe davon gehört. In wessen Gesellschaft würde mich das bringen?
Hemmingway, Faulkner, diese Typen haben doch auch für das Time Magazine
geschrieben, oder? Ich bin mir nicht sicher, dass ich in diese Kategorie gehöre.
13. Song: It’s alright Ma, I’m only bleeding
O-Ton
Ich setze mich nicht extra hin und schreibe. Ich habe Zeilen, die in Songs fließen. Sie
haben eine bestimmte Struktur, und sie müssen sich einem bestimmten Idiom
anpassen. Sie haben keine freie Form. Und es hat überhaupt keinen Sinn zu
versuchen, sie ideologisch zu verbrämen. Das kann man mit einem Song nicht tun.
Dass Literaturkritiker seine Texte mit den Werken von W.B. Yeats oder Anton
Tschechow vergleichen, amüsiert ihn.
O-Ton
Ich sitze nicht da und meditiere über jeder einzelnen Zeile.
Ich finde es merkwürdig, wenn Leute meine Texte analysieren. Ich weiß nicht, was
irgendjemand in meinem Zeug finden könnte. Ich meine, was ist das für eine
Analyse? Freudianische Analyse, deutscher Idealismus, oder vielleicht freudianisch
marxistisch?
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„Ich habe Probleme, das zu lesen, was andere über mich schreiben“, sagt er. „Es ist
immer so, als würden sie über jemand anderen berichten. Mit mir und der
Entstehungsgeschichte meiner Musik hat das meist nicht viel zu tun“.
Er findet es schwierig, in dieser von den Medien dominierten Zeit kreativ zu sein.
Seine Vorbilder Arthur Rimbaud und William Blake hatten es leichter, meint er.
O-Ton
Als Rimbaud oder William Blake ihre Werke schrieben, da gab es wahrscheinlich
noch überhaupt keine Medien, höchstens Bulletins. Du konntest alles aufschreiben,
was dir so in den Kopf kam.
Die Omnipräsenz der Medien hat der Dichtkunst geschadet, findet er.
O-Ton
Absolut. Weil heutzutage sogar die Literatur für ein Publikum geschrieben wird. Es ist
ja nicht jeder ein Kafka. Die Leute setzen sich nicht hin und schreiben etwas auf, von
dem sie wollen, dass es niemand liest. Die meisten setzen sich hin und schreiben
etwas auf, von dem sie wollen, dass die Leute es sehen. Sie wollen die Reaktion. Sie
wollen Akzeptanz.
Die Medien erledigen das jetzt für uns alle. Du kannst nirgends so schreckliche Dinge
sehen, wie in den Medien, vor allem in den News. Dort werden den Menschen Dinge
gezeigt, Gedanken ausgesprochen, die sie nicht zu denken gewagt hätten, die sie
immer unterdrückt haben. All diese Dinge sind ständig in den Medien, und sie lassen
sich nicht mehr unterdrücken. Was soll denn ein Schreiber noch tun, wenn jede Idee
in den Medien ausposaunt wird, bevor er sie nur ansatzweise weiterentwickeln
konnte. Worüber soll er dann noch schreiben?
14. Song: Traveling Wilburys / Handle with Care
Aufgenommen in Bob Dylans Haus im kalifornischen Malibu: „Handle with Care“, der
Song, mit dem Bob Dylan, George Harrison, Tom Petty, Jeff Lynne und Roy Orbison
1988 ihre gemeinsame relativ erfolgreiche Karriere als Traveling Wilburys starteten.
O-Ton
Die Wilburys, das war ein großartiges Unternehmen. Ich war selbst überrascht, dass
ich da als Teil einer Band mitgemacht habe.
Das Debüt entstand aus einer Laune heraus. In andere Aktionen wurde er quasi
hineingedrängt, erinnert er sich. Die Entstehungsgeschichte seines Buches
„Tarantula“, des ersten von einer Reihe von eigenen Werken, sei typisch für das, was
sich in den früheren Jahren seiner Karriere abspielte, erklärt er.
O-Ton
Damals haben sich die Dinge verselbständigt. Eigentlich hatte ich nie vorgehabt, ein
Buch zu schrieben. Ich glaube, es lief so, dass mein damaliger Manager gefragt
wurde: „Bob schreibt doch all diese Songs, schreibt er auch noch was anderes? Was
hat er denn sonst noch zu bieten?“ Und dann hat mein Manager wohl geantwortet:
„Er schreibt natürlich auch Bücher.“ Und dann sagte der Typ: „Die würden wir gerne
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veröffentlichen.“ Ich glaube, das war einer dieser typischen Abläufe. Ich musste dann
das Buch schreiben. Es war nie etwas, das ich bewusst angestrebt hatte. Mein
Manager hat oft solche Dinge getan. Er hat mich mal als Schauspieler an eine
Fernsehsendung verkauft. Obwohl ich doch von Schauspielerei keine Ahnung hatte.
Bis zu meinem Auftritt hatte ich gedacht, dass ich nur singen sollte.
15. Song: Sara
Bob Dylan irritierte seine Anhänger immer wieder, so zum Beispiel, als er 1979 zum
christlichen Glauben konvertierte. Er verkündete, er sei nun Anhänger der
Erweckungsbewegung und nahm in der Folge einige christlich inspirierte Alben auf.
Er überraschte aber auch mit profaneren Aktionen wie der Teilnahme an Werbespots
für Firmen, mit denen man ihn nicht unbedingt in Verbindung gebracht hätte. So trat
er 2004 in einem TV Clip für eine US Edel-Dessous Firma zwischen leicht
bekleideten Models auf.
Das erstaunte auch, weil sein Verhältnis zu Frauen als schwierig gilt. Von 1965 bis
77 war er mit dem Model Sara Lowndes verheiratet. Mit ihr hat er neben ihrer Tochter
aus ihrer ersten Ehe, die er adoptierte, vier Kinder. Erst vor wenigen Jahren stellte
sich heraus, dass er von 1986 bis 92 mit seiner farbigen Backgroundsängerin
Carolyn Dennis verheiratet war. Über die Existenz seiner Tochter aus dieser Ehe
hatte er sich auch ausgeschwiegen. Es gibt Spekulationen, dass er bis zu fünf Mal
verheiratet gewesen ist und dass aus diesen und weiteren Verbindungen noch mehr
Kinder stammen.
Offensichtlich war er ganz erfolgreich in seinen Bemühungen, sein Privatleben
geheim zu halten.
Sein Verhältnis zum Ruhm ist ambivalent. Auch wenn er sich gern gelassen zu dem
Thema äußert.
O-Ton
95 Prozent meines Lebens beeinträchtigt er mich nicht. Und mit den restlichen fünf
Prozent müssen wir, die wir uns mit dem Ruhm eingelassen haben, lernen, damit auf
irgendeine Art klarzukommen. Mein Trick ist: Ich versuche, so höflich wie möglich zu
sein.
Ich weiß, was ich getan habe, um so berühmt zu werden. Ich nehme an, dass der
Ruhm Vorteile haben kann. Aber da ich mich nicht wirklich in der Welt der Reichen
und Berühmten bewege, fühle ich mich auch nicht als Teil dieser Kultur.
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