Aktuelle Ausgabe - PKF Deutschland

Wirtschaftsprüfung &
Beratung
PKF themen
Servicedienstleistungen
gemeinnütziger Einrichtungen
Umsatzsteuerliches Optimierungspotenzial aufgrund neuer Rechtsprechung
NON-PROFIT-ORGANISATIONEN | MAI 2016
Themen | Non-Profit-Organisationen
EDITORIAL
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
neben der seit einigen Monaten beinahe allgegenwärtigen Thematik der Flüchtlingshilfe, zu der Sie Informationen über erweiterte Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung ab S. 10 finden, dürfen andere Bereiche
nicht vernachlässigt werden. Deshalb haben wir als
Brennpunktthema die umsatzsteuerliche Organschaft
gewählt, denn sie hat für gemeinnützige Einrichtungen,
die „Servicedienstleistungen“ (z. B. Gebäudereinigung,
Wäscherei, Gastronomie und kaufmännische Dienstleistungen) auf Tochtergesellschaften ausgegliedert
haben, hohe wirtschaftliche Bedeutung. Hier wurde auf
der Basis in 2015 ergangener EuGH-Rechtsprechung
durch die Münchener Finanzrichter am BFH eine Reihe
von wichtigen Zweifelsfragen geklärt.
Anschließend stellen wir ab S. 9 einen Überblick der
geänderten Anforderungen der Finanzverwaltung an die
Gemeinnützigkeit zur Verfügung: Lesen Sie dort, was neu
oder anders Eingang in den AEAO gefunden hat, so z. B.
hinsichtlich der Eigengesellschaften von jPöR oder der
Wohlfahrtspflege. Im Detail finden sich sowohl Verschärfungen als auch Vereinfachungen in der Anwendung der
Regeln zur Gemeinnützigkeit. Es folgen weitere Themen,
die schon länger regelmäßig Ihre Aufmerksamkeit erfordern – so die Steuerfreiheit von Pflegeleistungen und die
Verlustberücksichtigung bei Übungsleitern. Ferner dürfte
vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auch
das Thema Flüchtlinge zum Dauerbrenner werden: Hinsichtlich der Leistungen im Rahmen der Flüchtlingshilfe
ist die Erweiterung der Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung zu beachten, die das BMF mit einem Schreiben vom 9.2.2016 bekanntgegeben hat. Bereits mit
Schreiben vom 20.11.2014 waren Billigkeitsregelungen
speziell zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern festgelegt worden, während
das neue Schreiben aus 2016 allgemein für Leistungen
gemeinnütziger Einrichtungen im Zusammenhang mit
der Flüchtlingshilfe gilt.
Eine informative Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Team von PKF
2 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
INHALT
In dieser Ausgabe lesen Sie:
»
»
BRENNPUNKT
Neuerungen bei der umsatzsteuerlichen Organschaft: BFH klärt Zweifelsfragen ........................... S. 3
STEUERRECHT
Anforderungen an die Gemeinnützigkeit aus Sicht
der Finanzverwaltung: Aktuelle Änderungen des
AEAO im Überblick ................................................ S. 9
» Leistungen im Rahmen der Flüchtlingshilfe:
Erweiterung der Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung ........................................................... S. 10
» Steuerfreiheit von Pflegeleistungen
gem. § 4 Nr. 16 UStG: Noch unklare Auswirkungen neuer BFH-Rechtsprechung .............. S. 12
» Verlustberücksichtigung bei Übungsleitern ......... S. 14
»
KURZ NOTIERT
Spendenabzug nur bei formgerechten
Zuwendungsbestätigungen ................................. S. 15
» Kapitaleinkünfte aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemeinnütziger Einrichtungen ............. S. 15
» E-Bilanz für gemeinnützige Körperschaften:
Ende der Übergangsregelung ............................. S. 16
» Brennpunkt
BRENNPUNKT
Neuerungen bei der umsatzsteuerlichen
Organschaft
Die umsatzsteuerliche Organschaft ist für Non-Profit-Unternehmen mit ihren „Servicegesellschaften“
von erheblicher Bedeutung. Nachdem der EuGH im Juli 2015 die deutschen Regeln für nicht EUrichtlinienkonform erklärt hatte, liegt nun die Umsetzung durch den BFH vor: Mit mehreren Urteilen
wurde eine Reihe von Zweifelsfragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft geklärt.
BFH klärt Zweifelsfragen
1. Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft
Eine umsatzsteuerliche Organschaft liegt nach der nationalen Regelung (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) vor, wenn eine
juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Den Begriff der juristischen Person haben
Finanzverwaltung und Rechtsprechung in der Vergangenheit so interpretiert, dass davon nur Kapitalgesellschaften erfasst sind.
Liegen die Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen
Organschaft vor, sind Organträger und Organgesellschaft als ein Unternehmen zu behandeln, so dass die
Umsätze innerhalb des Organkreises nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Die umsatzsteuerliche Organschaft hat daher für gemeinnützige Einrichtungen, die aus Kostengründen „Servicedienstleistungen“ (z. B. Gebäudereinigung, Wäscherei,
Gastronomie und kaufmännische Dienstleistungen) auf
Tochtergesellschaften ausgegliedert haben, hohe wirtschaftliche Vorteile. Ohne das Vorliegen der umsatzsteuerlichen Organschaft wären die Servicedienstleistungen
der Tochtergesellschaft umsatzsteuerpflichtig.
Hinweis: Die gemeinnützigen Einrichtungen sind
regelmäßig nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug
berechtigt, so dass eine effektive Belastung dieser Leistungen mit Umsatzsteuer entstünde.
2. Neue Rahmenbedingungen des EuGH
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) drei Fragen zur Vorabentscheidung
zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt, deren
Rahmenbedingungen auch für gemeinnützige Körperschaften gelten:
Dürfen auch Personengesellschaften als Organgesellschaften einbezogen werden?
Wie sind geschäftsleitende Holdinggesellschaften zu
behandeln?
Wie müssen die organisatorische, wirtschaftliche und
finanzielle Eingliederung ausgeprägt sein, die das deutsche UStG zur Voraussetzung einer Organschaft macht?
Diese Vorlagefragen beantwortete der EuGH mit Urteil
vom 16.7.2015 in der verbundenen Rechtssache „Larentina + Minerva“ (Az.: C-108/14 und C-109/14). Der EuGH
kam zu dem Ergebnis, dass die nationalen Regelungen
den unionsrechtlichen Bestimmungen entgegenstehen,
soweit die Möglichkeit, eine Mehrwertsteuergruppe zu
bilden, nur juristischen Personen eingeräumt wird, die
mit dem Organträger dieser Gruppe durch ein Unterordnungsverhältnis verbunden sind. Eine Ausnahme sei
allerdings geboten, wenn die Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften dazu diene
und geeignet sei, missbräuchliche Praktiken oder Verhaltensweisen zu verhindern und eine Steuerhinterziehung oder -umgehung zu vermeiden. Eine solche
Überprüfung bleibe dem BFH als vorlegendem Gericht
vorbehalten.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 3
Themen | Non-Profit-Organisationen
Speiseversorgung in Altenhilfeeinrichtung als nichtsteuerbare Leistung
Zwischenergebnis: Damit wurde durch
den EuGH klargestellt, dass die in letzter Zeit
zunehmend strengere Auffassung des BFH und
der Finanzverwaltung zur umsatzsteuerlichen
Organschaft aufgegeben werden muss (vgl. zur
EuGH-Auffassung im Einzelnen den Beitrag in
den PKF-Themen NPO, Dezember 2015).
3. Neuordnung der umsatzsteuerlichen
Konzernbesteuerung als Reaktion des BFH
Auf der Basis der neuen EuGH-Rechtsprechung hat der BFH nun mehrere Urteile zu
Zweifelsfragen bei der umsatzsteuerlichen
Organschaft veröffentlicht:
Zu den organschaftlichen Eingliederungsvorschriften wurde im Urteil vom 2.12.2015
(Az.: V R 15/14) Stellung genommen.
Im Urteil vom 2.12.2015 (Az.: V R 67/14) bestätigte der BFH seine bisherige Auffassung,
dass eine juristische Person des öffentlichen
Rechts (jPöR) im Rahmen ihrer hoheitlichen
4 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
Tätigkeiten nicht an einer umsatzsteuerlichen
Organschaft teilnehmen kann.
Ferner fallen hierunter die Entscheidungen
vom 2.12.2015 (Az.: V R 25/13) und vom
19.1.2016 (Az.: XI R 38/12), in denen der
BFH unter bestimmten Voraussetzungen
auch national eine umsatzsteuerliche Organschaft zu Personengesellschaften in der
Rechtsform einer GmbH & Co. KG zulässt.
3.1 Anforderungen an die Eingliederungsvoraussetzungen
In dem Urteilsfall des BFH vom 2.12.2015
(Az.: V R 15/14) war streitig, ob die klagende
GmbH als Organgesellschaft mit der Speiseversorgung in der von der A-GmbH & Co. KG
betriebenen Altenhilfeeinrichtung nichtsteuerbare Leistungen an diese erbracht hat. Gesellschafter der GmbH waren jeweils zu 50 % D
und B. D war darüber hinaus alleinige Kommanditistin der A-GmbH & Co. KG und Alleingesellschafterin der V-GmbH, die Komplementärin der A-GmbH & Co. KG war.
» Brennpunkt
Der BFH führt aus, dass die Voraussetzungen
der Organschaft rechtssicher bestimmbar
sein müssen, da die Wirkungen der Organschaft auch ohne Antrag oder Grundlagenbescheid eintreten und sich die Verlagerung der Steuerschuld auf den Organträger
finanziell belastend auswirken kann. Dementsprechend erfordere die finanzielle Eingliederung eine Mehrheitsbeteiligung des
Organträgers an der juristischen Person.
Diese könne sich entweder aus einer unmittelbaren Beteiligung oder mittelbar aus einer
über eine Tochtergesellschaft gehaltenen
Beteiligung ergeben.
Die Eingliederung i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2
UStG setze Durchgriffsmöglichkeiten voraus,
aufgrund derer der Organträger – ähnlich wie
bei unselbständigen Betriebsabteilungen im
Unternehmen – die für die Abgabe von Steueranmeldungen und Steuererklärungen notwendigen Informationsansprüche wie auch die zur
Erfüllung von Steueransprüchen notwendigen
Ausgleichsansprüche gegen die Organgesellschaft durchsetzen könne.
Die A-GmbH & Co. KG hat im Streitfall keine
eigene Mehrheitsbeteiligung an der GmbH in
ihrem Gesamthandsvermögen, sondern ist
nur über ihre gemeinsame Gesellschafterin
D mit der Klägerin verbunden. Ohne eigene
Mehrheitsbeteiligung ist – so der BFH – die
Person des Organträgers im Verhältnis zwischen der GmbH und ihrer Schwester-GmbH
& Co. KG nicht eindeutig bestimmbar mit der
Folge, dass die Speiseversorgung im Pflegeheim durch die GmbH an die A-GmbH & Co.
KG umsatzsteuerbar ist und nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.
Zwischenergebnis: Der BFH lehnt somit
Organschaften, die nicht auf einem Überbzw. Unterordnungsverhältnis beruhen, ab
und schließt weiterhin eine Organschaft aus,
wenn der Organträger eine Schwestergesellschaft der Organgesellschaft ist.
Der BFH lehnt weiterhin eine Organschaft
zwischen Schwestergesellschaften ab.
Zur organisatorischen Eingliederung bekräftigt der BFH seine frühere Rechtsprechung. Die
organisatorische Eingliederung setzt danach
voraus, dass der Organträger die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit
der Beherrschung der Tochtergesellschaft in
der laufenden Geschäftsführung wahrnimmt,
wobei er die Organgesellschaft durch die Art
und Weise der Geschäftsführung beherrschen
muss. Hiervon sei etwa dann auszugehen,
wenn bei zwei GmbH eine Personenidentität in
den Geschäftsführungsorganen besteht. Sind
für die Organ-GmbH z. B. mehrere einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt,
reicht es aus, dass zumindest einer von ihnen
auch Geschäftsführer der Organträger-GmbH
ist, der Organträger über ein umfassendes
Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Organ-GmbH verfügt und zur
Bestellung und Abberufung aller Geschäftsführer berechtigt ist. Nicht ausreichend ist
demgegenüber, dass eine vom Organträger
abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist.
Soweit der BFH in einem Einzelfall auf eine
„institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung“ abgestellt hat, folge
hieraus nichts anderes, als dass im Regelfall eine personelle Verflechtung über die
Geschäftsführung der juristischen Personen bestehen müsse. Weisungsrechte,
Berichtspflichten oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters sind nach Ansicht des BFH
nicht ausreichend.
Der XI. BFH-Senat teilt eine solche enge
Betrachtungsweise wohl nicht. Er ließ die
Frage aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG aber offen und verwies
lediglich auf den Schlussantrag des Generalanwalts, der ein starres Über- und Unterordnungsverhältnis als kritisch ansieht.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 5
Themen | Non-Profit-Organisationen
Empfehlung: Die Auffassung der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten. Bei „organschaftlichen“ gemeinnützigen Gruppen kann
möglicherweise Handlungsbedarf bestehen,
wenn diese Umsätze zwischen Schwestergesellschaften realisieren und/oder keine Personenidentität bei der Geschäftsführung vorliegt.
Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung
an ihrer Auslegung festhält, dass dann, wenn
keine Personenidentität bei der Geschäftsführung vorliegt, auch eine organisatorische
Eingliederung durch schriftlich fixierte Vereinbarung (z. B. Geschäftsführerordnung,
Konzernrichtlinie) oder Beherrschungsverträge begründet wird. In Konzernstrukturen ist
etwas anderes lebensfremd.
3.2 Keine Organschaft mit Nichtunternehmern (Hoheitsträgern)
Eine jPöR kann
durchaus als Unternehmerin an einer
umsatzsteuerlichen
Organschaft teilnehmen.
Im Urteil vom 2.12.2015 (Az.: V R 67/14) stellte
der BFH klar, dass eine jPöR im Rahmen ihrer
hoheitlichen Tätigkeiten nicht an einer umsatzsteuerlichen Organschaft teilnehmen kann.
Wie der erkennende Senat zugleich aber
betont, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass
eine jPöR per se von einer Organschaft ausgeschlossen ist. Übt die jPöR nämlich Tätigkeiten
aus oder bewirkt Umsätze, die sie zwecks Vermeidung größerer Wettbewerbsverzerrungen
nur als Unternehmerin und damit als Steuerpflichtige erbringen kann (i. d. R. im Rahmen eines BgA), kann sie durchaus an einer
umsatzsteuerlichen Organschaft teilnehmen.
In dem Streitfall, über den der BFH zu befinden hatte, ging es um die Klärung der Frage,
ob die von einer kommunalen Eigengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH
gegenüber ihrer Trägerkörperschaft getätigten Umsätze (Kostenersatz) aus der Personalgestellung nichtärztlichen Personals im
Rahmen der öffentlich-rechtlichen Sicherstellung eines ärztlichen Notdienstes für
die Bereitschaftspraxen der Umsatzsteuer
unterliegt. Der BFH bejahte die Steuerbarkeit der Leistungen, weil nach ständiger
6 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
BFH-Rechtsprechung auch Leistungen der
Umsatzbesteuerung unterliegen, die gegen
Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen. Gemäß EuGH-Rechtsprechung stellen
auch „Zahlungen zur Deckung der Betriebskosten” ein steuerbares Entgelt dar.
Nach der im Urteil vom 29.10.2015 (Rs. C-174/14,
Saudaçor) vom EuGH vertretenen Ansicht kann
auch eine Kapitalgesellschaft (im Streitfall eine
Aktiengesellschaft) als Einrichtung des öffentlichen Rechts angesehen werden, für die Art.
13 Abs. 1 MwStSystRL gilt, weil das Umsatzsteuerrecht rechtsformneutral angelegt ist.
Dies erfordere aber, dass die Gesellschaft
„im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt”.
Hierfür müssten unzweifelhaft Tätigkeiten vorliegen, die von den Einrichtungen des öffentlichen Rechts „im Rahmen der ihnen eigenen
rechtlichen Regelung“ ausgeübt werden. Nicht
dazu gehören Tätigkeiten, die sie unter den
gleichen rechtlichen Bedingungen wie private
Wirtschaftsteilnehmer ausübt.
Zwischenergebnis: Die Grundsätze der
BFH-Entscheidung gelten auch für gemeinnützige Körperschaften. Eine Organschaft
mit dem nichtunternehmerischen Bereich
des Organträgers kann nicht begründet werden. Die Servicedienstleistungen der Tochtergesellschaften werden i. d. R. für den unternehmerischen Bereich (z. B. für das Krankenhaus
und die Pflegeeinrichtung) erbracht, so dass
die Entscheidung in der Praxis allerdings eher
von untergeordneter Bedeutung ist.
3.3 Organschaft mit Tochterpersonengesellschaften
In Abänderung seiner bisherigen Rechtsauffassung entschied der V. BFH-Senat, dass unter
bestimmten Voraussetzungen eine GmbH & Co.
KG als „juristische Person“ i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2
Satz 1 UStG als Organgesellschaft Teil eines
umsatzsteuerlichen Organkreises sein kann.
Auch der XI. BFH-Senat kommt zu diesem
Ergebnis, weicht in seiner Begründung aber
» Brennpunkt
von der Entscheidung des V. BFH-Senats ab. Nachfolgend werden die wesentlichen Rechtsausführungen des
V. BFH-Senats wiedergegeben:
(1) Begriff der juristischen Person: Mangels eigenständiger steuerrechtlicher Begriffsbildung ist das
zivil- und gesellschaftsrechtliche Verständnis der juristischen Person maßgeblich. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verwendet mit der „juristischen Person“ eine im Zivilrecht
geläufige Terminologie und nimmt den darin ausgedrückten Tatbestand auf. Juristische Personen können nur Körperschaften mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit sein, wie etwa eine GmbH oder eine AG.
Nicht zu den juristischen Personen gehören Personenhandelsgesellschaften wie OHG oder KG. Diese können
zwar unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, begründen diese aber nicht aufgrund einer eigenen Rechtspersönlichkeit.
(2) Rechtsprechungsänderung zur Personengesellschaft: Trotz des vom nationalen Gesetzgeber
grundsätzlich vorgesehenen Ausschlusses der Personengesellschaft aus dem Kreis der eingliederungsfähigen Personen kann die Personengesellschaft ausnahmsweise auf der Grundlage einer teleologischen
Erweiterung von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wie eine juristische Person als eingegliedert angesehen werden
(= Änderung der Rechtsprechung). Unter Berücksichtigung dieser Erfordernisse besteht für den nationalen Gesetzgeber eine hinreichende unionsrechtliche
Grundlage, die Regelung zur Organschaft im Grundsatz auf die Eingliederungskriterien juristischer Personen zu beschränken.
(3) Finanzielle Eingliederung: Erforderlich für die ausnahmsweise Einbeziehung einer Personengesellschaft
als Organgesellschaft in eine umsatzsteuerliche Organschaft ist, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer
In der Sozialwirtschaft sind durch die umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Tochterpersonengesellschaft wirtschaftliche Vorteile realisierbar.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 7
Themen | Non-Profit-Organisationen
juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt
voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in
das Unternehmen des Organträgers finanziell
eingegliedert sind, so dass die erforderliche
Durchgriffsmöglichkeit selbst bei – der stets
möglichen – Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.
Nach Ansicht des V. BFH-Senats ist für die
Möglichkeit der Einbeziehung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft in
die umsatzsteuerliche Organschaft keine
Gesetzesänderung erforderlich. Vielmehr
stehe der aktuelle Gesetzeswortlaut des § 2
UStG der Einbindung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft nicht entgegen.
Zwischenergebnis: Die Organschaft mit
Personengesellschaften ist für gemeinnützige
Gruppen weniger interessant, solange die
Steuerbefreiung für gemeinnützige Körperschaften in Deutschland an das Bestehen
einer „juristischen Person“, also die Gründung einer Kapitalgesellschaft, einer Stiftung
8 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
oder eines eingetragenen Vereins geknüpft
ist. In der Sozialwirtschaft bestehen jedoch
Konstellationen, in denen durch die umsatzsteuerliche Organschaft mit einer Tochterpersonengesellschaft nun wirtschaftliche
Vorteile erreicht werden können, so z. B. bei
Servicedienstleistungen einer Holding für ihre
Seniorenresidenz-Tochter personen gesellschaften. Bei der Organisation und Ausgliederung wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe
und / oder Servicedienstleistungen kann die
neue BFH-Rechtsprechung daher zusätzliche
Gestaltungsoptionen schaffen.
4. Zusammenfassende Empfehlung
Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung die Neuordnung der umsatzsteuerlichen
Organschaft durch die BFH-Rechtsprechung
umsetzt. Gleichwohl sollten alle Non-ProfitUnternehmen mit Servicegesellschaften und
Beteiligungen an Personengesellschaften
und Unternehmen in der Sozialwirtschaft prüfen, inwieweit sie von der geänderten Rechtsprechung bereits betroffen sind und ob sich
zusätzliche umsatzsteuerliche Optimierungsmöglichkeiten oder Risiken ergeben.
» Steuerrecht
STEUERRECHT
Anforderungen an die Gemeinnützigkeit
aus Sicht der Finanzverwaltung
Aktuelle Änderungen des AEAO im
Überblick
Am 26.1.2016 hat das BMF eine Aktualisierung
des AEAO veröffentlicht. Ein großer Teil der
Aktualisierung betrifft die Regeln zur Gemeinnützigkeit in der AO. Neben einigen redaktionellen Modernisierungen haben hauptsächlich aktuelle BFH-Urteile Eingang in den AEAO
gefunden. Die wichtigsten Neuerungen finden
Sie nachfolgend im Überblick, einzelne Änderungen werden wir in den nächsten Themenheften vertieft erläutern.
1. Änderungen im Überblick
1.1 Eigengesellschaft einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts (jPöR)
Im Abschn. zu § 55 Nr. 2 AO erkennt das
BMF an, dass eine Eigengesellschaft einer
jPöR auch dann nicht vordergründig Eigeninteressen ihres Gesellschafters verfolgt,
wenn sie öffentliche Pflichtaufgaben dieses Gesellschafters erfüllt. Voraussetzung
für eine Anerkennung der Gemeinnützigkeit
ist, dass ein kostendeckendes Entgelt für die
Leistung vereinbart wird und grundsätzlich
ein marktüblicher Gewinnaufschlag enthalten
ist. Allerdings erkennt das BMF an, dass bei
steuerbegünstigten Einrichtungen aufgrund
fehlender Gewinnorientierung ein Verzicht auf
einen Gewinnaufschlag marktüblich und damit
unschädlich ist.
1.2 Eigene Tätigkeit der Hilfsperson
Im dritten Absatz der Nr. 2 zu § 57 AO wird
ergänzt, dass die eigene Steuerbegünstigung
der Hilfsperson in neuer Auslegung zusätzlich voraussetzt, dass die Hilfsperson ihren
Beitrag im Außenverhältnis selbständig und
eigenverantwortlich erbringt. Dadurch werden
Einrichtungen, die im Auftrag anderer gemeinnütziger Körperschaften tätig werden, selbst
steuerlich begünstigt.
Gestrichen werden die Ausführungen im bisherigen letzten Absatz zur eigenen unmittelbaren Tätigkeit der „Hilfsperson“, wenn die
Tätigkeit dem Auftraggeber nicht die Gemeinnützigkeit vermittelt.
1.3 Gewinnausschüttungen in den
Gesamthaushalt einer jPöR
Die Finanzverwaltung revidiert ihre
Auffassung zur
Gemeinnützigkeit
einer Hilfsperson.
Gewinnausschüttungen in den Gesamthaushalt einer jPöR stellen grundsätzlich eine Mittelfehlverwendung bzw. einen Verstoß gegen das
Verbot von Gewinnausschüttungen dar, jedenfalls wenn die jPöR nicht ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Dieser Grundsatz
gilt aber nicht, wenn die Gewinnausschüttung
nachweislich für steuerbegünstigte Zwecke der
Empfängerkörperschaft verwendet wird.
1.4 Zahngold
Neu im AEAO geregelt wird die Sammlung
und Verwertung von Zahngold durch steuerbegünstigte Körperschaften (Nr. 11 zu § 64
AO). Es soll kein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen, wenn die
steuerbegünstigte Körperschaft das Zahngold im Namen und für Rechnung der Spender verwertet und erst der Verwertungserlös
der steuerbegünstigten Körperschaft zugewendet wird.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 9
Themen | Non-Profit-Organisationen
Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Tätigkeit der
steuerbegünstigten Körperschaft darauf beschränkt,
das Zahngold bei der Scheideanstalt einzureichen. Diese
Ausnahme kommt nicht zur Anwendung, wenn das Zahngold anonym gesammelt wird.
1.5 Wohlfahrtspflege
Die Änderungen der Nrn. 2-8 zu § 66 AO betreffen folgende Aspekte:
(1) Ausführung des Erwerbs wegen: Die Wohlfahrtspflege wird des Erwerbs wegen ausgeführt, wenn damit
Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen. In einem gewissen Umfang kann
die Erzielung von Gewinnen jedoch geboten und damit zu
akzeptieren sein. Dies gilt beispielsweise zum Investitionsausgleich oder zur Finanzierung betrieblicher Investitionen.
(2) Leistungserbringung: Es wird jetzt klar gestellt, dass
es auf die Vertragsbeziehungen zu den notleidenden
Menschen nicht ankommt. Entscheidend ist, dass die
Leistungen faktisch unmittelbar gegenüber den notleidenden Menschen erbracht werden.
(3) Leistungen an Dritte: Wenn neben Leistungen an
notleidende Menschen noch andere Leistungen an einen
Dritten erbracht werden, sind solche Leistungen nur dann
einem Zweckbetrieb zuzurechnen, wenn sie der Organisation oder Verwaltung des eigentlichen wohltätigen
Zwecks dienen.
(4) Kindertagesstätten: Die Versorgung von Kindern in
Kindertagesstätten ist ausdrücklich als Zweckbetrieb der
Wohlfahrtspflege aufgenommen worden.
(5) Krankentransporte: Entgegen der bisherigen ausführlichen Regelung zu Krankentransporten wird in der
Neufassung nur noch negativ abgegrenzt: Die reine Beförderung von Personen in Pkw, Taxen oder Mietwagen, die
ein Arzt verordnet, stellt für sich keinen Zweckbetrieb dar.
2. Fazit
Im Detail finden sich also sowohl Verschärfungen als
auch Vereinfachungen in der Anwendung der Regeln zur
Gemeinnützigkeit. Wir werden die Entwicklung weiter
beobachten und Sie wie gewohnt auch über Erfahrungen
mit der konkreten Umsetzung dieser Neuerungen unterrichten.
Leistungen im Rahmen der Flüchtlingshilfe
Erweiterung der Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung
Bereits mit Schreiben vom 20.11.2014 hatte das Bundesfinanzministerium (BMF) Billigkeitsregelungen zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern festgelegt, die im Rahmen der Flüchtlingshilfe in den
Veranlagungszeiträumen 2014 bis 2018 anzuwenden sind.
Mit einem zweiten Schreiben vom 9.2.2016 hat das BMF
nun ergänzende Billigkeitsmaßnahmen bekanntgegeben.
1. Adressaten
Das Schreiben aus 2014 bezieht sich insbesondere
auf die Unterbringung in Zweckbetrieben steuerbegünstigter Körperschaften, in Einrichtungen von juris10 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
tischen Personen des öffentlichen Rechts sowie in
Wohnungen von Vermietungsgenossenschaften und
-vereinen i. S. von § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG. Das neue
Schreiben aus 2016 gilt allgemein für Leistungen
gemeinnütziger Einrichtungen im Zusammenhang mit
der Flüchtlingshilfe.
2. Billigkeitsmaßnahmen
Die Finanzverwaltung regelt folgende Erleichterungen:
(1) Zuordnung von Einnahmen einer steuerbegünstigten
Körperschaft aus deren Beteiligung an der Unterbringung, Betreuung, Versorgung oder Verpflegung von
Flüchtlingen zum Zweckbetrieb.
» Steuerrecht
Inanspruchnahme von Umsatzsteuerbefreiungen auch im Jugendherbergswesen sowie für Leistungen zwecks Kinder- und Jugendhilfe
(2) Anwendbarkeit von Umsatzsteuerermäßigungen und
-befreiungen, die auch bereits für vergleichbare Leistungen der jeweiligen Einrichtung an andere Leistungsempfänger gelten.
Beispielhaft werden folgende Umsatzsteuerbefreiungen
aufgezählt:
Leistungen der Einrichtungen der Wohlfahrtspflege
(§ 4 Nr. 18 UStG),
die Beherbergung und Beköstigung von Jugendlichen
(§ 4 Nr. 23 UStG),
das Jugendherbergswesen (§ 4 Nr. 24 UStG) sowie
Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe
(§ 4 Nr. 25 UStG).
Voraussetzung ist jeweils, dass die Entgelte für diese
Leistungen aus öffentlichen Kassen oder von anderen
steuerbegünstigten Körperschaften gezahlt werden.
Für die Anwendung der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG
ist es unschädlich, wenn die Flüchtlinge nicht in der Satzung
ausdrücklich als begünstigter Personenkreis genannt sind.
Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG umfasst auch
Personalgestellungsleistungen zwischen begünstigten Einrichtungen untereinander sowie die Lieferung von Speisen
und Getränken, sofern auch bisher steuerfreie Mahlzeitendienste durch die Einrichtung erbracht wurden. Ebenso
kann der Kostenersatz durch Gebietskörperschaften an
steuerbegünstigte Einrichtungen für den Bezug von Einrichtungsgegenständen und sonstigen Leistungen (wie
das Renovieren von Wohnungen) umsatzsteuerfrei sein.
Bedingung ist aber, dass die Zahlungen im Rahmen eines
Gesamtvertrags z. B. über die Errichtung und den Betrieb
einer Flüchtlingsunterkunft erfolgen und die weiteren
Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18
UStG vorliegen.
Hinweis: Ohne Vorliegen eines Gesamtbetreibervertrags handelt es sich grundsätzlich um steuerpflichtige Leistungen. Es kann aber der ermäßigte Steuersatz
für Zweckbetriebe zur Anwendung kommen.
3. Anwendungsbestimmungen
Eine Berufung auf die Steuerbefreiung entsprechend den
Billigkeitsregelungen kann nur für alle gleichartigen Leistungen einheitlich erfolgen. Der Vorsteuerabzug nach
§ 15 UStG ist für die damit im Zusammenhang stehenden
Eingangsleistungen systembedingt ausgeschlossen.
Die Billigkeitsregelungen gelten für die Veranlagungszeiträume 2014 bis 2018.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 11
Themen | Non-Profit-Organisationen
Steuerfreiheit von Pflegeleistungen gem. § 4 Nr. 16 UStG
Noch unklare Auswirkungen neuer BFH-Rechtsprechung
Gem. § 4 Nr. 16 UStG sind Leistungen steuerfrei, die mit
der Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch
hilfsbedürftiger Personen eng zusammenhängen, sofern
sie von bestimmten umsatzsteuerlichen Unternehmern
erbracht werden. Nach einer neuen BFH-Entscheidung
sind aber auch Gestaltungen zulässig, die den Vorsteuerabzug ermöglichen.
1. Abgrenzung der Pflegeeinrichtungen und -tätigkeiten
Als eng mit dem Betrieb verbundene Leistungen gelten nach Verwaltungsauffassung solche, die für die
Einrichtungen notwendig sind, beim laufenden Betrieb
vorkommen und mit diesem unmittelbar oder mittelbar
zusammenhängen. Hierzu gehören u. a. sowohl die (teil)
stationäre und ambulante Betreuung und Pflege von
Patienten sowie die Lieferung der notwendigen Medikamente und Hilfsmittel als auch Bürotätigkeiten. Nicht zu
den eng verbundenen Umsätzen gehören insbesondere
die entgeltliche Abgabe von Speisen und Getränken an
Besucher, die Telefongestellung an hilfsbedürftige Personen, die Vermietung von Fernsehgeräten und die Verpflegung von Begleitpersonen sowie die Lieferung und
Überlassung von medizinischen Pflegemitteln und Pflegehilfsmitteln.
Die Einrichtungen, die unter die Befreiungsvorschrift fallen, sind einerseits juristische Personen des öffentlichen
Rechts, zum anderen aber auch private Einrichtungen,
mit denen entweder ein Vertrag nach dem Sozialgesetzbuch besteht,
deren Leistungen nach bestimmten Vorschriften des
Sozialgesetzbuchs anerkannt sind oder
die Leistungen bzw. Aufgaben nach ähnlichen Vorschriften erbringen.
Zudem fallen auch Einrichtungen unter die Steuerbefreiung, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die
12 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 25 % der
Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung
oder ähnlichen Verwaltungsorganen ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden.
2. Neue Rechtsprechung zur Frage der Steuerfreiheit von Pflegeleistungen
2.1 Sachverhalt
Der BFH hat mit Urteil vom 18.8.2015 (Az.: V R 13/14) über
folgenden Fall entschieden: Als Mitglied eines eingetragenen Vereins erbrachte eine Pflegekraft für diesen in den
Jahren 2007 und 2008 gegen Entgelt Pflegeleistungen.
Sie verfügte nicht über eine Ausbildung als Kranken- oder
Altenpflegerin. Es bestand allerdings eine Qualitätsvereinbarung zwischen dem Verein und ihr. Zwischen der
Pflegekraft und der Pflegekasse bestanden keine vertraglichen Beziehungen. Unstrittig war, dass die Leistungen des Vereins an die Pflegekassen steuerfrei waren.
Im Streitfall war die Frage zu klären, ob die Leistungen
der Klägerin für den Verein ebenfalls als umsatzsteuerfrei
anzusehen sind.
2.2 Entscheidung des BFH
Der BFH stellt in seinem Urteil klar, dass die Leistungen der Pflegekraft zwar nach nationalem Recht steuerpflichtig sind, da die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift nicht vorliegen. Allerdings sind die Tatbestände
des Europäischen Rechts diesbezüglich weitreichender
und wurden bis jetzt noch nicht ausreichend in nationales
Recht umgesetzt. So sind nach der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie „eng mit der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen, die von Einrichtungen mit sozialem Charakter bewirkt werden“, von der
Steuer zu befreien.
Die leistungsbezogene Voraussetzung war im vorliegenden Fall eindeutig, da die Pflegeleistung einen sozialen Charakter aufweist. Die personenbezogene Voraussetzung liegt hier laut BFH ebenfalls vor, da es ausreicht,
wenn die Pflegekraft die reine Möglichkeit hat, Pflegeleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu erbringen. Ein
Abschluss in einem Pflegeberuf ist hierfür nicht erforder-
» Steuerrecht
lich, da die Nachweise über Fortbildungen und
die Qualitätsvereinbarungen mit dem Verein
bereits genügen.
Hinweis: Eine direkte vertragliche Vereinbarung zwischen der Pflegekraft und der Pflegekasse muss nicht bestehen. Die Mitgliedschaft in einem Verein zur Erbringung von
Pflegeleistungen, dessen Kosten größtenteils
von den Pflegekassen erstattet werden, ist
Nach der Rechtsprechung des BFH hätte der
Unternehmer ein Wahlrecht, ob er seine Leistungen steuerfrei oder steuerpflichtig behandeln möchte, da nach dem Unionsrecht kein
Zwang zur Steuerbefreiung existiert. Dies hätte
u. a. für den Steuerpflichtigen Vorteile, wenn er
einen Vorsteuerabzug geltend machen möchte.
Sofern die Hürden für die Anerkennung als
geeignete Pflegekraft niedrig sind und z. B.
Pflegenotstand in Deutschland bringt hohes Gemeinwohlinteresse an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen mit sich.
ausreichend. Es handelt sich gewissermaßen
um durchgeleitete Kosten, die indirekt von den
Pflegekassen erstattet werden.
3. Zusammenfassende Schlussfolgerungen
Pflegekräfte, die bislang nicht unter die
Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG gefallen sind, benötigen der Rechtsprechung des
BFH folgend in Zukunft keine direkte, vertragliche Beziehung mit den Pflegekassen
mehr, damit sie steuerfreie Umsätze erbringen können.
so wie im Urteilsfall kein Berufsabschluss als
Krankenschwester notwendig ist, würde dies
zu einer großflächigen Steuerfreistellung führen. Vor allem diesbezüglich sollte aber noch
die Reaktion der Finanzverwaltung auf das
Urteil abgewartet werden.
Hinweis: Insbesondere verwies der BFH
auf den hohen Pflegenotstand in Deutschland
und betonte das daraus resultierende große
Gemeinwohlinteresse an der Erbringung
steuerfreier Pflegeleistungen.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 13
Themen | Non-Profit-Organisationen
Thüringer Finanzrichter akzeptieren Verluste aus Übungsleitertätigkeit
Verlustberücksichtigung bei Übungsleitern
Nach FG-Entscheidung nun offene BFH-Verfahren
In welchem Umfang Betriebsausgaben im Zusammenhang mit einer nebenberuflichen Übungsleitertätigkeit
im Rahmen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26 EStG
abziehbar sind, hatte kürzlich das Finanzgericht Thüringen zu entscheiden: Es ließ einen Verlustabzug entgegen der finanzbehördlichen Auffassung zu.
1. Gesetzlicher Rahmen
Einnahmen für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten,
z. B. die Tätigkeit als Übungsleiter, sind gem. § 3 Nr. 26
Satz 1 EStG unter bestimmten Voraussetzungen bis zu
einem Höchstbetrag von 2.400 € (bis 2012: 2.100 €) pro
Jahr steuerfrei.
Übersteigen die Einnahmen für eine nebenberufliche
Tätigkeit den steuerfreien Betrag, so ist ein Abzug von
Aufwendungen, die mit dieser Tätigkeit in unmittelbarem
wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, entsprechend
§ 3 Nr. 26 Satz 2 EStG in der Höhe möglich, in der sie den
Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen.
14 | PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016
2. Urteilsfall
In dem vom FG Thüringen zu entscheidenden Fall (Urteil
vom 30.9.2015) ging es um einen Sachverhalt des Jahres 2012, in dem die Einnahmen aus einer nebenberuflichen Übungsleitertätigkeit mit 1.200 € unter dem
Freibetrag lagen, während die Aufwendungen 4.062 €
betrugen.
Im Gegensatz zur Finanzverwaltung ließ das FG einen
Betriebsausgabenabzug i. H. von 1.962 € (4.062 € abzgl.
Freibetrag 2.100 €) und somit die Geltendmachung
eines Verlustes in dieser Höhe zu.
Empfehlung: Die Finanzbehörde hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt (BFH-Az.: III R 23/15). Es
empfiehlt sich, in gleichgelagerten Fällen die Veranlagung offen zu halten. Zu beachten ist hierbei noch ein
weiteres aktuelles Revisionsverfahren (BFH-Az.: VIII R
28/15), in dem es um die Frage geht, ob die Steuerbefreiung bei zwei unterschiedlichen Nebentätigkeiten
zwei Mal zu gewähren ist. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.
» Kurz Notiert
KURZ NOTIERT
Spendenabzug nur bei formgerechten
Zuwendungsbestätigungen
Zuwendungsbestätigungen müssen je nach Gegenstand der Zuwendung bestimmte Vorgaben der
Finanzverwaltung erfüllen, die in den Einkommensteuerrichtlinien und verschiedenen BMF-Schreiben
zusammengefasst sind. Beispielsweise sind Sachzuwendungen in anderer Weise zu bestätigen als Geldzuwendungen. Immer wieder ist in der Praxis zu beobachten, dass Zuwendungsbestätigungen verwendet
werden, die nicht den aktuellen Vorgaben der Finanzverwaltung entsprechen.
Insbesondere für kleine NPO, die auf Zuwendungsbestätigungen mit individuellen Zusätzen (die in sehr
engen Grenzen möglich sind) keinen Wert legen, bietet
es sich an, das jeweils für den Einzelfall gültige Formular über das Formularcenter der Finanzverwaltung
herunterzuladen (www.formulare-bfinv.de). Zurzeit
werden dort die aktuellen Formulare für Zuwendungsbestätigungen in achtzehn verschiedenen Fallkonstellationen vorgehalten.
Formgerechte Spendenbestätigungen auch bei Sachzuwendungen
erforderlich
Kapitaleinkünfte aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemeinnütziger Einrichtungen
Kürzlich wurden in einem koordinierten Ländererlass
(BMF-Schreiben vom 16.12.2015) Auslegungsfragen zu §
20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 4 EStG behandelt. Unter
anderem wird klarstellend ausgeführt, dass beim Gewinn
eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbe-
triebs von einer steuerbefreiten gemeinnützigen Einrichtung (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG) vom Kapitalertragsteuerabzug Abstand genommen wird und auf die Vorlage einer
Bescheinigung nach § 44a Abs. 7 Satz 2 EStG verzichtet
werden kann.
PKF Themen Non-Profit-Organisationen | Mai 2016 | 15
Themen | Non-Profit-Organisationen
Für steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe
steuerbegünstigter Körperschaften und Vereine bestand
eine verlängerte Übergangsfrist zur Abgabe der sog.
E-Bilanz. Demnach waren die Inhalte der Bilanz und
der GuV erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem
31.12.2014 beginnen, durch Datenfernüber tragung an
das Finanzamt zu übermitteln. Bei mit dem Kalenderjahr
identischen Wirtschaftsjahren gilt somit die elektronische
Übermittlung erstmals für Bilanzen zum 31.12.2015.
Hinweis: Die Körperschaft ist nur für den steuerpflichtigen Teilbereich verpflichtet, einen Datensatz
zu übermitteln. Sollten nur eine Gesamtbilanz und
eine Gesamt-GuV aufgestellt und der steuerpflichtige
Gewinn in einer Nebenrechnung ermittelt worden sein,
ist nur das Ergebnis der Nebenrechnung im Berichtsteil
„Steuerliche Gewinnermittlung für besondere Fälle“ zu
nennen.
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E-Bilanz für gemeinnützige Körperschaften:
Ende der Übergangsregelung