Paper of the Month 04/2016 Centrum für Schlaganfallforschung Berlin und Klinik für Neurologie der Charité Spinal cord injury-induced immune deficiency syndrome enhances infection susceptibility dependent on lesion level. Benedikt Brommer*, Odilo Engel*, Marcel A. Kopp*, Ralf Watzlawick, Susanne Müller, Harald Prüss, Yuying Chen, Michael J. DeVivo, Felix W. Finkenstaedt, Ulrich Dirnagl, Thomas Liebscher, Andreas Meisel, Jan M. Schwab. Brain. 2016 139:692-707. Infektionen sind die Hauptursache für Morbidität und Mortalität nach akuter Rückenmarkverletzung. Lange wurde angenommen, dass eine stark erhöhte Infektionsrate allein durch motorische Einschränkungen, wie z. B. Störungen der Atemmuskulatur, verursacht wird. Als zusätzlicher Faktor wurde eine neurogene Immundefizienz (Spinal Cord Injury – Immune Deficiency Syndrome, SCI-IDS) postuliert. So zerstört eine Rückenmarkverletzung neben sensiblen und motorischen Bahnen auch das ausbalancierte Zusammenspiel zwischen Immunsystem und ZNS. Diese Arbeit zeigt nun erstmals einen kausalen, neurogenen Zusammenhang zwischen einer Rückenmarkverletzung und Infektionsanfälligkeit. Im Mausmodell wurde eine Abhängigkeit von der Läsionshöhe entlang des thorakalen Rückenmarks dargestellt. Nur hochthorakale Verletzungen mit präganglionär sympathischer Denervierung von relevanten Immunorganen wie der Milz (Dezentrialisierung) gehen mit erhöhter Anfälligkeit für pulmonale Infektionen einher. Hingegen vermindert eine postganglionäre Milz-Denervation gar die Infektionsanfälligkeit nach hochthorakaler Verletzung. Dies deutet darauf hin, dass vor allem eine präganglionär sympathisch vermittelte autonome Dysfunktion maßgeblich ist. So ermöglicht der Wegfall supraspinaler sympathischer Kontrolle intermittierende Episoden von spinal generiertem erhöhtem Sympathikotonus (autonome Dysreflexie), der auf die Milz einwirkt und zur Apoptose von Immunzellen führen kann. Klinische Daten aus einer prospektiven multizentrischen Kohortenstudie bestätigen, dass die Pneumonierate nach akuter Rückenmarkverletzung bei hochthorakal Verletzten mit motorisch kompletter Läsion signifikant höher liegt als bei niedrigthorakalen Läsionen. Adjustiert für unterstützende Beatmung und Verletzungsschwere ist die thorakale Läsionshöhe ein Risikofaktor für Infektionen. Zusammengefasst ist die präganglionäre Kontrollstörung der sympathischen Milzinnervation ein zugrundeliegender Pathomechanismus des SCI-IDS und funktionell relevant für die Entwicklung von Infektionen. Benedikt Brommer Benedikt Brommer ist Biochemiker und Fellow am Boston Childrens Hospital/ Harvard Medical School und ehemaliger Doktorand der AG Schwab in der Experimentellen Neurologie. Aktuell ist er von der Wings for Life Stiftung gefördert. Odilo Engel Odilo Engel ist Tierarzt und hat als Doktorand in der Experimentellen Neurologie, AG Meisel, an der Kommunikation zwischen Nervensystem und Immunsystem geforscht. Zur Zeit arbeitet er in der Forschung und Entwicklung für Tierarzneimittel bei Boehringer Ingelheim. Marcel Kopp Marcel Kopp ist Studienarzt und Fellow der AG-Schwab in der Experimentellen Neurologie. Die Analyse der klinischen Daten erfolgte in Kooperation mit der National Spinal Cord Injury Database, University of Alabama at Birmingham, USA. Jan Schwab Jan Schwab ist AG Leiter der Experimentellen Neurologie, William E. Hunt & Charlotte M. Curtis Chair und Direktor Spinal Cord Injury Medicine an der Ohio State University – Wexner Medical Center, Columbus, USA.
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