Strukturstörungen von Zahnschmelz und Dentin 1

Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde
Diagnostik, Ätiologie und
therapeutische
Konsequenzen von dentalen
Strukturstörungen
Prof. R. Heinrich-Weltzien
Gliederung
 Definition
 Dentale Strukturstörungen und ihre Ätiologie
 Exogen
 Endogen/systemisch
 Genetisch
 Klinische Charakteristika & Diagnostik
 Behandlung dentaler Strukturstörungen
Definition
Strukturanomalien der Zahnhartsubstanz
sind mikroskopisch manifeste, irreversible
Störungen der Schmelz- und/oder
Dentinbildung, die klinisch und röntgenologisch
durch quantitative und qualitative
morphologische Stigmata charakterisiert sind
Künzel 1979
Genese
Strukturfehler der Zahnhartsubstanz
können sich nur während der Entwicklung der
klinischen Zahnkrone entwickeln – niemals
posteruptiv!
Enges Zeitfenster der Entstehung:
 Peri-/postnatal - Milchzähne bis zum 1. LJ
 Postnatal - bleibende Zähne bis zum 7.-8. LJ
Zahnentwicklung - Milchzähne
Heinrich-Weltzien, 2008
Zahnentwicklung - bleibende Zähne
>11 Jahre
11 Jahre
8 Jahre
5 Jahre
3 Jahre
1½ Jahre
1 Jahr
6 Monate
Geburt
Geburt
6 Monate
1 Jahr
1½ Jahre
3 Jahre
5 Jahre
8 Jahre
11 Jahre
>11 Jahre
van Waes, 2001
Ätiologie – Diagnostische Faustregel
Exogen bedingte Strukturfehler
 durch exogene Einflüsse auf einzelne
Zahnkeime bzw. Zahnkeimgruppen ausgelöst
 DD-Kriterium: Solitäres, asymmetrisches,
überwiegend unilaterales Auftreten an
einzelnen Zähnen bzw. Zahngruppen
Ätiologie – Diagnostische Faustregel
Endogen bedingte Strukturfehler
 durch Stoffwechselstörungen während der
Sekretions- und/oder Mineralisationsperiode
der Zahnhartsubstanzen ausgelöst
 DD-Kriterium: Zahngruppen, die zeitgleich
mineralisieren
Ätiologie – Diagnostische Faustregel
Genetisch bedingte Strukturfehler
 erblich ausgelöste Strukturstörung
 DD-Kriterium: generalisiertes/lokalisiertes
(seit genetischer Diagnostik) Vorkommen in
der ersten und zweiten Dentition
Klinisches Erscheinungsbild
Makroskopisch sichtbare Schmelzdefekte
unterschiedlicher Ausprägung
 Opazität - begrenzte/diffuse Veränderung der
Schmelztransluzenz ohne Veränderung der
Zahnform
 Schmelzhypoplasie - rillen-/grübchenförmige
bis flächenhafte Schmelzdefekte mit/ohne
Veränderungen der Zahnform
 Kombination von Opazität und Hypoplasie
Befalls- und Intensitätsgrad variieren nach
Zeitpunkt, -dauer und Schwere von Störungen
der Ameloblastenfunktion
Klinisches Erscheinungsbild
Diffuse/abgegrenzte
Opazität
 Milde Störung in der
Phase der
Schmelzmineralisation
 Ästhetisch störend
aufgrund der Veränderung
der Schmelztransluzenz –
weiße/gelbe/braune Farbe
 Keine erhöhte Kariesanfälligkeit bei glatter
Schmelzoberfläche
Slayton et al. 2001
Klinisches Erscheinungsbild
Schmelzhypoplasie (SH)
 Erhöhte Kariesanfälligkeit
bei Schmelzeinbruch
 Erhöhte Abnutzung des
Zahnes im Bereich der
Hypoplasie möglich
 Erhöhte Sensibilität des
Zahnes möglich
Slayton et al. 2001
Diagnostik und Erfassung
Developmental Defects of Enamel – DDE-Index
 Epidemiologischer Index
 Erfassung von Opazitäten, Hypoplasien und
Kombinationen (jeweils 3-4 Subcodes)
 Index sehr zeitaufwendig
FDI 1982
Enamel Defect Index – EDI
 Epidemiologisch/klinischer Index
 Erfassung von Opazitäten, Hypoplasien und
posteruptiver Schmelzeinbrüche
Elcock et al. 2006
Exogen bedingte Strukturfehler
Exogen bedingte Strukturfehler
Ursachen
 Apikale Parodontitiden/osteolytische Prozesse
an Milchzähnen
 Traumata im Milchgebiss
 Strahlenphysikalische Schäden
Exogen bedingte Strukturfehler
Apikale Parodontitiden im Milchgebiss
TURNER-Zahn
 Entstehung nach Auflösung
der Knochenlamelle um
den Zahnkeim
 Variiert in Abhängigkeit von
Schwere der Entzündung
sowie der topografischen
Beziehungen der
Milchzahnwurzeln zu den
permanenten Zahnkeimen
Turner 1912
Exogen bedingte Strukturfehler
Apikale Parodontitiden im Milchgebiss
Exogen bedingte Strukturfehler
Apikale Parodontitiden im Milchgebiss
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge apikaler Parodontitiden im Milchgebiss
Exogen bedingte Strukturfehler
Traumata im Milchgebiss
Intrusionen oder Luxationen im frühen Kindesalter
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge von Traumata im Milchgebiss von 1,5 J
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge von Traumata im Milchgebiss von 1,5 J
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge von Traumata im Milchgebiss von 1,5 J
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge von Traumata im Milchgebiss von 1,5 J
Exogen bedingte Strukturfehler
Folge von Traumata im Milchgebiss von 1,5 J
Exogen bedingte Strukturfehler
Folgen von Traumata im Milchgebiss
Zahnverformung
Eruptionsstörungen
Schmelzhypoplasie
0
2
4
6
Jahre
Sennhenn-Kirchner & Jacobs 2006
Exogen bedingte Strukturfehler
Strahlenphysikalische Schäden
 z.B. Radiotherapie bei Leukämie, Hämangiome
 Strukturschäden in Form von Aplasien,
Hypoplasien oder Wurzelverkürzungen
Exogen bedingte Strukturfehler
Strahlenphysikalische Schäden
Exogen bedingte Strukturfehler
Strahlenphysikalische Schäden
Endogen bedingte Strukturfehler
Endogen bedingte Strukturfehler
Ursachen
Medikamente
 Fluoride, Tetracyclin, Minocyclin, Cibrofloxacin
Störungen des Ca-P-Stoffwechsel
 Schwangerschaftskomplikationen, Frühgeburt
 Sauerstoffmangel unter der Geburt – Neonatallinie
 Allgemeinerkrankungen und Infektionen
Stoffwechselstörungen
 Hypovitaminosen A, D, C
 Vitamin D Hypervitaminose
Hormonelle Störungen
 -Hypothyreoidismus, Hypoparathyreoidismus
Endogen bedingte Strukturfehler
Ursachen für Strukturfehler im Milchgebiss
 Risiko-Schwangerschaft
 Chronische oder akute Unterernährung von
Mutter und Kind
 Perinatale Intubation
 Erhöhte Blei-Werte im Blut
 Postnatale Maserninfektion
 Infantile Cerebralparese
 Syndromale Erkrankungen
Slayton et al. 2001
Endogen bedingte Strukturfehler
Endogen bedingte Strukturfehler
Allgemeinerkrankung - Rh-Inkompatibilität
Endogen bedingte Strukturfehler
Allgemeinerkrankung - MIDAS Syndrom/Frühgeburt
Endogen bedingte Strukturfehler
Medikamente
Medikamente
Zahnverfärbung
Tetracyclin
Gelb bis braun/grau
Minocyclin
Grün-grau/blau-grau
Cibrofloxacin
Grünlich
Fluorid
Weiß bis braun
Tredwin et al. 2005
Endogen bedingte Strukturfehler
Medikamente - Tetracyclin
Endogen bedingte Strukturfehler
Dentalfluorose
Nachweis des Zusammenhanges zwischen F-Gehalt im
Trinkwasser und Kariesbefall sowie dem Auftreten von
Schmelzflecken – erstmals in den USA beobachtet
(Dean 1942)
Schweregrad
Fluoridgehalt im Trinkwasser
Leichte
Trinkwasserkonsum von >1,8 ppm F
Mittlere
Trinkwasserkonsum von >3 ppm F
Schwere
Trinkwasserkonsum von 4-10 ppm F
Künzel 1979
Endogen bedingte Strukturfehler
Dentalfluorose
Entstehung nur während der Schmelzbildung
Empfehlung der Fluorid-Leitlinie der DGZMK
<6 Jahren - tägl. Fluorid-Gesamtaufnahme von
0,05-0,07 mgF/kg KG nicht überschreiten
DGZMK 2013
Endogen bedingte Strukturfehler
Dentalfluorose
Milchzähne
Schneidezähne
Eckzähne
Molaren
Bleibende Zähne
Schneidezähne
Eckzähne
Prämolaren
1. Molaren
2. Molaren
3
6
Mon.
G
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Alter in Jahren
Mineralisation
Prä-eruptive Phase
11
12
13
Endogen bedingte Strukturfehler
Leichte Dentalfluorose
Mittlere Dentalfluorose
Endogen bedingte Strukturfehler
Schwere Dentalfluorose
Endogen bedingte Strukturfehler
Diabetes Typ I bis 9. Lebensmonat
Endogen bedingte Strukturfehler
Molaren-Inzisivi-Hypomineralisation - MIH
MIH - Definition
 Terminologie MIH seit 2003
 Systemisch bedingte Strukturstörung
EAPD 2010
 Kinder und Jugendliche mit mindestens 1
hypomineralisiertem 1. bleibenden Molaren
und/oder Inzisivus
EAPD 2010
 Charakteristikum: begrenzte Opazitäten an den
Zähnen beider Dentitionen
Heitmüller et al. 2011, Kühnisch et al. 2011a, 2011b
MIH – Prävalenz in Deutschland
 In Gesamtstichprobe von 2.395 Achtjährigen:
MIH-Prävalenz von 10,1%; regionale Unterschiede




14,6% in Düsseldorf
4,3 % in Greifswald
14,0 % in Hamburg
6% in Heidelberg
Petrou et al. 2014
 Münchner Kohorten von 10-Jährigen:
 GINI-Geburtskohorte: 9,4%
 LISA-Geburtskohorte: 8,0%
Kühnisch et al. 2014
 Gießner 6- bis 12-Jährigen: 5,9%
Preusser et al. 2007
 Dresdner 10- bis 17-Jährigen: 5,6%
Dietrich et al. 2003
MIH – Ursachen
 Frühgeburt und Sauerstoffmangel unter der Geburt
 Dioxin oder polychloriertes Biphenyl (PCB) in der
Muttermilch und Stillen >9 Monate
 Umwelteinflüsse
 Kein Zusammenhang zur internen F-Aufnahme
 Häufige respiratorische Erkrankungen und
Antibiosen mit Amoxicillin - in den ersten 4 LJ
 Infektionserkrankungen mit hohem Fieber in ersten 3 LJ
z.B. Diphtherie, Scharlach, Mumps, Masern
 Störungen des Ca-Ph-Stoffwechsels: Zöliakie,
Unterernährung, Hypoparathyreoidismus,
Absorptionsstörungen, Vitamin D-Hypovitaminose
MIH – Diagnostik
EAPD 2003
MIH – Diagnostik
Kontroverse
Ergebnisse und
Diskussion zur
Kariesanfälligkeit von
MIH Zähnen
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Ursachen
 Erbbedingte Fehlleistungen der schmelzund/oder dentinbildenden Zellen
 Treten meist isoliert auf
 Können auch mit systemischen Erkrankungen
oder Syndromen assoziiert sein
 Erbgang
 Autosomal dominant (AD)
 Autosomal rezessiv (AR)
 Geschlechtsgebunden (X-chromosomal)
Genetisch bedingte Strukturstörungen
 Schmelzbildungsfehler
 Amelogenesis imperfecta (AI)
 Dentinbildungsfehler
 Dentinogenesis imperfecta (DI)
 (Schmelz- und Dentinbildungsfehler)
 CAPDEPONTsche Erkrankung
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Amelogenesis imperfecta (AI) genetisch bedingte,
nicht syndrom-assoziierte Dysplasie des
Zahnschmelzes mit genetisch heterogener Ursache
Hu et al. 2007; Kim et al. 2006
 Inzidenz: 1:718-800 (Nordschweden) bis 1:16.000
(USA)
Kirchmann & Zipprich 2007; Schroeder 1997
 Diagnose ist oftmals mit Unsicherheiten verbunden:


Phänotypische Vielfalt der Erkrankung
Ähnlichkeiten zu anderen Krankheitsbildern
53
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Amelogenesis imperfecta (AI)
 Chemisch, quantitativ und/oder qualitativ fehlgebildeter
Schmelz bei normaler Dentinstruktur
 Genetische Störung der Schmelzmatrixproteine







Amelogenin (AMELIX; Xp22.3-p22.1)
Enamelin (ENAM; 4q21)
Ameloblastin (AMBN; 4q21)
Tuftelin (TUFT1; 1q21)
Amelotin (AMELOTIN 4q13)
Dentin-Siaolophosphorprotein (DSPP; 4q21.3)
Enzyme z.B. Kallikrein (KLK4; 19q13.3-q13.4) und
Matrixmetalloproteinase (MMP20; 11q22.3-q23)
Crawford et al. 2007
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Amelogenese – Funktionelle Phasen
 Präsekretorische Phase: Stadium 1-3
 Sekretorische Phase: Stadium 4 und 5
 Maturationsphase: Stadium 7
55
Hu et al. 2007
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klinische Manifestation
 Hypoplasie (60-73%)
 Hypomaturation (20-40%)
 Hypokalzifikation (7%)
Chaudhary et al. 2009
Heinrich-Weltzien et al. 2015
56
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der AI nach Wright 1993
Klinisches
Erscheinungsbild
AI-Typen

- Typ I Hypoplasie des
Schmelzes
- Typ II Hypomaturation
des Schmelzes
- Typ III Hypokalzifikation
des Schmelzes













- Type IV Hypomaturation/

Röntgenologisches
Erscheinungsbild
Schmelzdicke
Größe der Kronen variieren in
Abhängigkeit von der
Schmelzdicke
Fehlender Approximalkontakt bei
kleinen Zähnen
Zahnoberfläche ist rau
Zahnfarbe variiert von normal bis
opaque weiß oder gelblichbräunlich

Zahnoberfläche ist weich und rau
Zahnfarbe variiert von kremig
opaque bis gelb/braun
Häufige dentale Hypersensitivität
Häufig offener Biss


Zahnoberfläche ist weich und rau
Zahnfarbe variiert von weiß bis
gelb/braun
Häufige dentale Hypersensitivität
Häufig offener Biss
Häufig starke
Zahnsteinablagerung


Größe der Kronen variieren in
Abhängigkeit von der
Schmelzdicke
Fehlender Approximalkontakt bei



Genetik
Variiert in Dicke von
normal bis dünn
oder fehlend
Es imponieren
Furchen, Rillen,
Grübchen

Schmelz hat normale bis
leicht reduzierte Opazität
AD, AR oder
Xchromosomal
Normale Dicke
Schmelz
abradiert/attritiert
sehr leicht

Röntgenopazität
entspricht dem des
Dentins oder ist nur
geringfügig stärker
Nicht durchgebrochene
Zähnen zeigen normale
Morphologie
AD, AR oder
Xchromosomal
Normale Dicke
Schmelz
abradiert/attritiert
sehr leicht

Reduzierte Dicke
Hypomineralisierte
Areale und
Grübchen




Röntgenopazität
entspricht dem des
Dentins oder ist nur
geringfügig geringer
Nicht durchgebrochene
Zähnen zeigen normale
Morphologie
Normale Röntgenopazität
bis geringfügig höher als
die vom Dentin
Große Pulpenkammern
AD, AR
AD
57
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der AI nach Wright 1993
Typ I – Hypoplastischer Typ (AI1)
 Störung der Sekretionsphase
führt zu dünner Schmelzschicht
 Variables Erscheinungsbild
 Attritionsbedingte
Schmelzverluste
Lokalisierte Form
 Differenzierung in lokalisiert und
generalisierte Form
El-Sayed et al. 2011; Hu et al. 2007
Generalisierte Form
58
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der AI nach Wright 1993
Typ II – Hypomaturationstyp (AI2)
 Retention von SMP führt zu
unreifem Schmelz reduzierter
Härte
 Betroffene Gene: MMP20, KLK4,
WDR72 und AMELX
Crawford et al. 2007
 Attrition
 Abnorme Schmelztransparenz mit
matter Oberfläche
Kim et al. 2008, Kang et al. 2009
Wright 2007
Generalisierte Form
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der AI nach Wright 1993
Typ III – Hypokalzifikationstyp (AI3)
 Weicher „käseartiger“ Schmelz
 Rascher posteruptiver
Schmelzverlust
 Hypersensitivität auf thermische
Reize
Crawford et al. 2007
Urzua et al. 2011
Kim et al. 2008
Lee et al. 2008
Wright 2007
Generalisierte Form
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der AI nach Wright 1993
Typ IV – Hypoplastisch-Hypomaturationstyp mit
Taurodontismus (AI4)
 Mutation in der Homeodomäne des DLX3- Gens
 Kombination aus Hypoplasie und Hypomaturation in
Verbindung mit Taurodontismus
 Dünner, harter, gelb-brauner Schmelz
 Verkleinerte Zahnkronen, fehlende Approximalkontakte
 Attrition spielt keine Rolle
Dong et al. 2005
Urzua et al. 2011
Genetisch bedingte Strukturstörungen
AI-Diagnostik - klinische Symptome
 Verzögerter Zahndurchbruch
 Frontal offener Biss (Prävalenz 50% bei XAI und ADAI)
 Pulpale Kalzifikationen
 Interradikuläre Dentindysplasie
 Kronen- und Wurzelresorptionen
 Zementapposition
 Verkürzte Wurzeln
 Taurodontismus
Crawford et al. 2007
Hunter et al. 2007
Genetisch bedingte Strukturstörungen
AI-DD: exogene & endogene Strukturstörungen
4 Grundsatzfragen:
 Hat noch jemand in der Familie eine vergleichbare
Erkrankung?
 Sind alle Zähne in gleicher Weise betroffen?
 Besteht ein chronologischer Zusammenhang?
 Liegen Grundleiden, metabolische Erkranken oder
frühere Medikationen vor, die Einfluss auf die
Schmelzbildung hatten?
Häufigste DD – Dentalfluorose, wenn alle Zähne betroffen
sind
Crawford et al. 2007
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Mit Schmelzbildungsstörungen einhergehende
genetisch bedingte Erkrankungen/Syndrome
 u.a. Marfan-Syndrom
 Epidermolysis bullosa
Wright & Gantt 1983
 Mucopolysaccharidosen
 Tricho-Dento-Osseo-Syndrom
Price et al. 1999
Dong et al. 2005
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Erkrankung - MARFAN Syndrom
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Erkrankung - Epidermolysis bullosa
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Nicht-syndromale AI verursachende Kandidatengene in der genetischen Datenbank
OMIM - Online Mendelenian Inheritance of Man – Stand 2015
OMIM Phänotyp
Erkrankungsnummer
Kandidatengene/
(Chrom. Lokalisation)
Autosomal-dominante Vererbung
ENAM
104500
(4q21)
DLX3
104510
(17q21.3-q22)
FAM83H
130900
(8q24.3)
Autosomal-rezessive Vererbung
ENAM
204650
(4q21)
KLK4
204700
(19q13.4)
MMP20
612529
(11q22.3-q23)
613211
614253
614832
615887
WDR72
(15.q21.3)
FAM20A
(17q24.2)
C4orf26
(4q21.1)
SLC24A4
(14q32)
Beschreibung des Schmelz-Phänotyps
Lokalisierte oder generalisiert hypoplastische AI, Taurodontismus ist möglich
Hypoplastischer und hypomaturierter Schmelz
Lokalisierter oder generalisierter hypokalzifizierter Schmelz
Generalisierte hypoplastische AI
Normale hypomineralisierte Schmelzdicke von orange brauner Färbung
Normale hypomineralisierte Schmelzdicke von orange brauner Färbung
Hypomaturationsform der AI mit kremig opakem Schmelz beim Zahndurchbruch.
Verfärbung und Verlust der Zahnhartsubstanz posteruptiv.
Generalisierte hypoplastische AI mit Störung der Zahneruption und Gigivahypertrophie
Hypomaturationsform der AI
Hypomaturationsform der AI
X-gebundene Vererbung
301201
AMELX
(Xq22-q28)
Schmelzhypoplasie oder Schmelzhypomaturation
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Dentinogenesis imperfecta (DI) & Dentindysplasie (DD)
genetisch bedingte qualitative Dentinbildungsstörungen
 DI-Inzidenz: 1:6.000 bis 1:8.000 in kaukasischen Populationen –
häufigste autosomal-dominante Erkrankung
 DD-Inzidenz: 1:100.000
 Mutationen im Dentin-Sialo-Phospho-Protein (DSPP) Gen
 Assoziation mit syndromalen Erkrankungen:



Ehlers-Danlos-Syndrom
Goldblatt-Syndrom
Schimke-Syndrom
 Klassifikation von Shields (1983)
 3 Typen der DI
 2 Typen der DD
Wang et al. 2012; Barron et al. 2008; Schalkwijk et al. 2010
Genetisch bedingte Strukturstörungen
DSPP
 Hauptbestandteil der nicht kollagenen Dentin-Proteine
 Spaltung in durch Proteasen in Dentin-Sialoprotein (DSP) DentinPhosphoprotein (DPP), und Dentin-Glyco-Protein (DGP)
 Kontrollieren Initiation und Wachstum der Apatitkristallite
 DSPP Mutationen betreffen am häufigsten das DSP gefolgt vom
DPP
 Lokalisation auf Chromosom 4q21.3
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der DI nach Shields 1983
Dentinstrukturstörung
Klinisches Erscheinungsbild
DI Typ I (DI-I)
OMIM 166240
 Dentaler Phänotyp der Osteogenesis imperfecta (OI)
 Mutationen im COL1A1 oder COL1A2 Genen
 Klinisch-röntgenologische Merkmale ähnlich der DI-II
DI Typ II (DI-II)
OMIM 125490
 Zähne beider Dentitionen haben bernsteinfarbene bis graublaue
Transparenz und ausgeprägte Attritionen
 Bauchige Zahnkrone, verkürzte Zahnwurzeln
 Kontinuierliche Pulpaobliteration
DI Typ III (DI-III)
OMIM 125500
 Erstbeobachtung in Brandywine (Maryland, Washington DC) in
Inzestpopulation (Kaukasier, indianische, afrikanischen
Amerikaner
 Zähne sind in Form, Farbe variabler als bei DI-I und DI-II
 Multiple Pulpafreilegungen bei Milchzähnen
 Normale Pulpakonfiguration bis Pulpaobliteration
 Muschelzähne (Shell teeth) - früher Zahnverlust
70
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Klassifikation der DI nach Shields 1983
Dentinstrukturstörung
Klinisches Erscheinungsbild
DD Typ I (DD-I)
OMIM 125400
 Normale Form, Größe und Farbe der klinischen Krone der Milchund bleibenden Zähne
 Röntgenologisch: kurze Wurzeln mit konischer apikalen
Konstriktion, prä-eruptive Pulpaobliterationen der bleibenden
Zähne mit sichelförmiger Restpulpa, vollständige
Pulpaobliteration der Milchzähne
 Zahlreiche apikale Aufhellungen an kariesfreien Zähnen
 Früher Zahnverlust
DD Typ II (DD-II)
OMIM 125420
 Merkmale im Milchgebiss ähneln der DI-II: bernsteinfarbene bis
graublaue Transparenz, ausgeprägte Attritionen, verkürzte
Wurzeln, Pulpaobliteration
 Bleibende Zähne entweder nicht betroffen oder milde
radiographische Anomalien (Dentikel, Pulpaobliteration)
71
Genetisch bedingte Strukturstörungen
DI und DD Diagnostik
Primäre klinisch-röntgenologische Diagnostik, ergänzend
4 Grundsatzfragen:
 Hat noch jemand in der Familie eine vergleichbare Erkrankung?
 Sind alle Zähne in gleicher Weise betroffen?
 Bei Erstvorstellung des Patienten mit bleibenden Gebiss – Frage
nach Veränderungen im Milchgebiss
 Liegen syndromale Erkrankungen vor? – Internistische bzw.
kinderärztliche Abklärung im Verdachtsfall
Häufigste DD – Amelogenesis imperfecta (Hypokalzifikationstyp); aber
auch: endogene Strukturstörungen, Hypophosphatasie, Histiozytose
X, zystische Neutropenie, Papillon-Lefèvre-Syndrom
72
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Autosomal-dominanter Erbgang – DI-II
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Autosomal-dominanter Erbgang – DI-II
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Autosomal-dominanter Erbgang – DI-II
Genetisch bedingte Strukturstörungen
Genetisch nicht abgeklärte DI-II oder DD-II
Genetisch bedingte Strukturstörungen
DI und DD verursachende Genmutationen OMIM – Stand 2015
Gen
DSPP
COL1A1
COL1A2
COL2A1
Klarname
DENTIN
SIALOPHOSPHOPROTEIN
COLLAGEN,
TYPE I, ALPHA-1
COLLAGEN,
TYPE I, ALPHA-2
COLLAGEN,
TYPE II, ALPHA-1
OMIM*
OMIM#
Chrom.
ErbLokalisation gang
125485 125420/125490/
4q22.1
AD
610968
17q21.33
AD
166220/259420
7q21.3
AD
125500
120150 166200/166220/
120160
120140
184260
12q13.11
AD
Phänotyp
Mutationen
gesamt
DD Typ II und
DI Typ II und III
OI/DI Typ I
OI/DI Typ I
GoldblattSyndrom
Keine klare Phänotyp-Genotyp-Korrelation
42
772
400
423
Behandlung exogen bedingter
Strukturstörungen
 Abhängig von der Schwere der Schmelzhypoplasie
des betroffenen Zahnes und möglicher Symptome
 Versorgung hypoplastischer Zähne im Front- und
Seitenzahngebiet
 Präventive Betreuung – Fluoride, Fissurenversiegelung
 Konservatives Vorgehen: Composite Restauration
 Abklärung von Zahnextraktionen mit dem Kieferorthopäden
Behandlung endogen bedingter
Strukturstörungen
 Abhängig von der Schwere der Schmelzhypoplasie des
betroffenen Zahnes und möglicher Symptome




Präventive Betreuung – Fluoride, Fissurenversiegelung
Konservatives Vorgehen: Composite Restauration
Versorgung der Molaren mit konfektionierten Kronen
Abklärung von Zahnextraktionen mit dem Kieferorthopäden
Behandlung endogen bedingter
Strukturstörungen
Hypoplastische Molaren
 Präventive Betreuung – Fissurenversieglung
 Konservatives Vorgehen: Composite-Restauration,
direkte/indirekte Composite-Veneers
 Versorgung mit konfektionierten Kronen
 Extraktionstherapie mit Kieferorthopäden abklären
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
 Engmaschiges Recall
 Primat präventiver Betreuungsprinzipien
 Patienten mit AI bedürfen jedoch früher und häufig
auch einer radikaleren invasiven Behandlung
 Behandlung im Kindesalter semipermanent =
transitorische Phase
 Interdisziplinäre Betreuung in der Regel erforderlich
 (Kinder)Zahnarzt
 Kieferorthopäde
 Kieferchirurg
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Milchgebiss
 Konservierende Versorgung der Milchfrontzähne mit
Composite-Restaurationen, Polycarbonatkronen
 Versorgung der Milchmolaren mit konfektionierten
Kronen zum Erhalt der vertikalen Dimension
 Sanierung in Allgemeinanästhesie bei kleinen
Kindern und bei großem Behandlungsumfang
erforderlich
 Bei geringerem Behandlungsumfang ist Sanierung
unter Lokalanästhesie oder Sedierung abzuwägen
 KfO-Behandlung bei vorliegendem offenen Biss
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Milchgebiss
3-jähriger Patient
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Milchgebiss
3-jähriger Patient – Alter 4 und 9 Jahren
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Bleibendes Gebiss
 Hypersensitivität & ästhetische Aspekte stehen beim
Durchbruch der bleibenden Zähne im Vordergrund
 Mundhygiene durch Hypersensitivität und
Oberflächenstruktur der Zähne häufig unzulänglich
– erhöhtes Kariesrisiko!
 Starker Zahnsteinbefall erfordert regelmäßige PZR
mit Lokalanästhesie
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Bleibendes Gebiss
 Adhäsive Composite-Restauration (Veneers) so
Substanz schonend wie möglich
 Vorzug der direkten adhäsiven Restauration bei
hypoplastischer AI
 Beim Hypomaturations- & Hypokalzifikaionstyp adhäsive
Restauration erst nach Schmelzentfernung
 Effektive Behandlung der Hypersensitivität
 Stetige Anpassung der Composite-Restaurationen/
Veneers mit weiterem Zahndurchbruch erforderlich
 Versorgung der Molaren mit konfektionierten Kronen zum
Erhalt der vertikalen Dimension
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Bleibendes Gebiss
13-jähriger Patient
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Bleibendes Gebiss
 KFO-Behandlung in der Regel nötig
 Behandlung des offenen Bisses
 Extrusion der Zähne bei Persistenz des Zahndurchbruchs
 Verankerung der Bracketts auf Composite-Veneers
 Nach Abschluss der KfO-Behandlung und Alter des Patienten
>18 Jahre – Indikation zur definitiven Kronenversorgung
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - AI
Bleibendes Gebiss
23-jährige Patientin
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - DI
Milchgebiss
 Engmaschiges Recall
 Therapie ist vielfach eine klinische Herausforderung
 Kronenversorgung in der Regel Therapie der Wahl zur
Vorbeugung apikaler Parodontitiden
 Konsequente und vorausschauende Therapieentscheidungen notwendig
 Interdisziplinäre Betreuungskonzepte empfehlenswert
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - DI
Milchgebiss
3-jähriger Patient
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - DI
Bleibendes Gebiss
30-jährige Patientin
Behandlung genetisch bedingter
Strukturstörungen - DI
Bleibendes Gebiss
30-jährige Patientin
Take home message
 Sorgfältige klinische Anamnese und Diagnostik
 Grundkenntnisse der Zahnentwickelung
 Interdisziplinäre Zusammenarbeit von
 Zahnärzten, Kieferorthopäden, Kieferchirurgen
 Genetikern
 Interdisziplinäre Betreuungskonzepte erforderlich
 Zahnärztliche präventiv-orientierte Betreuung sollte im
Milchgebiss beginnen – AI und DI
 Definitive zahnärztliche Versorgung der AI und DI im
Erwachsenenalter
 Molekulargenetische Diagnosesicherung bei AI und DI zur
Abschätzung der Wiederholungswahrscheinlichkeit bei
weiterem Kinderwunsch
Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
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