Mitteilung – zur Kenntnisnahme

Drucksache 17/2885
02.05.2016
17. Wahlperiode
Mitteilung – zur Kenntnisnahme –
Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität
Drucksache 17/2600 (II.B.46)
Abgeordnetenhaus von Berlin
17. Wahlperiode
Seite 2
Drucksache 17/2885
Der Senat von Berlin
JustV III C 2 / III C 4 – 4034
Telefon: 9013 (913) - 3047/- 3046
An das
Abgeordnetenhaus von Berlin
über Senatskanzlei - G Sen -
Mitteilung
- zur Kenntnisnahme über Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität
- Drucksachen Nr.17/2600 (II.B.46) ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor:
Das Abgeordnetenhaus hat in seiner 73. Sitzung am 10. Dezember 2015 Folgendes beschlossen:
„Der Senat wird aufgefordert, die Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität in
den Senatsverwaltungen besser zu vernetzen und eine engere und intensivere Zusammenarbeit der Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, sowie der Finanzermittler- und
Steuerfahndung zu organisieren. Der Senat erstellt hierzu ein Konzept, welches dem Abgeordnetenhaus bis zum 1. Mai 2016 vorzulegen ist. Darüber hinaus wird der Senat gebeten, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die rechtlichen Voraussetzungen für
Kontrollen schon bei ersten Verdachtsfällen (Beweislastumkehr) vollzogen werden.“
Hierzu wird berichtet:
A. Aktueller Stand der Maßnahmen gegen die organisierte Kriminalität
I. Allgemeines
Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist ein wichtiges Anliegen und wird
von den damit befassten Senatsverwaltungen sehr ernst genommen. Das Bedrohungspotenzial der Organisierten Kriminalität besteht vor allem in ihrem Facettenreichtum, der Konspiration sowie der hohen Schadensträchtigkeit und erfordert
deshalb eine konsequente Reaktion der Strafverfolgungsbehörden sowie der weiteren mit dieser Kriminalität befassten Behörden. In Berlin entfaltet die Bekämpfung
der organisierten Kriminalität besondere Relevanz, weil insbesondere die Großstadtlage ein besonders hohes Maß an Anonymität mit der Folge geringer sozialer
Kontrolle bietet. Durch die besondere geografische Lage Berlins in der Mitte Europas einerseits und der Nähe zu den ehemaligen Ostblockstaaten andererseits wer-
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den zudem Fluchtwege, Geldtransfers, Drogenhandelsrouten und Waffenbeschaffung begünstigt.
Der Fokus der bestehenden Bekämpfungsstrategien im Land Berlin liegt daher darauf, durch gezielte Maßnahmen und Konzepte die besonderen Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität - insbesondere die bestehenden kriminellen
Strukturen - konsequent zu zerschlagen und deren Wiederaufbau oder das Entstehen neuer Strukturen frühzeitig zu erkennen, um unmittelbar darauf reagieren zu
können.
II. Begriffserklärung
Nach der gemeinsamen Richtlinie der Senatsverwaltungen für Inneres und Sport
sowie für Justiz und Verbraucherschutz über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung von Organisierter Kriminalität (OKRichtlinie) wird Organisierte Kriminalität wie folgt definiert:
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter
Mittel oder
c) unter dem Bemühen, auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder
Wirtschaft Einfluss zu nehmen,
zusammenwirken“.
III. Organisierte Kriminalität in Berlin und Hauptaktivitätsfelder
Die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sind vielgestaltig. Neben
strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen (häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität, Sprache, Sitten, sozialen und familiären Hintergrund) finden sich - auf der Basis eines Systems persönlicher und geschäftlicher
kriminell nutzbarer, insbesondere grenzüberschreitender Verbindungen - Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander,
deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt
wird.
Organisierte Kriminalität zeichnet sich regelmäßig durch solche Straftaten aus, die
den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet sind, das Sicherheitsgefühl der
Bevölkerung nachdrücklich zu beeinträchtigen, wobei es sich auch um Straftaten
handeln kann, die von der Öffentlichkeit nicht augenfällig wahrgenommen werden.
Diese Straftaten verursachen allerdings oftmals einen erheblichen wirtschaftlichen
Schaden für die Allgemeinheit und stellen deshalb ebenfalls eine wesentliche Bedrohung dar. Der Organisierten Kriminalität sind insbesondere solche Deliktsbereiche zuzuordnen, die besonders einträglich sind, auch wenn sie einen hohen logistischen und organisatorischen Aufwand erfordern.
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Zu nennen sind besonders folgende Bereiche:
• Produktion, Schmuggel und Verbreitung von Betäubungsmitteln,
• Rotlichtkriminalität (illegales Glückspiel, Waffenhandel, Schutzgelderpressung,
Menschenhandel u. a.),
• organisierter KfZ-Diebstahl und organisierte KfZ-Verschiebung,
• organisierte Eigentumskriminalität (Wohnungseinbruchs- und Gewerbeeinbruchsdiebstahl),
• Steuer- und Zolldelikte,
• Wirtschaftsdelikte/Geldwäsche und
• Organisierte Internetkriminalität (Cybercrime).
IV. Ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität
1. Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei in Berlin
a) Grundlagen der Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei im Phänomenbereich
der Organisierten Kriminalität ist verbindlich in der „gemeinsamen Richtlinie
der Senatsverwaltungen für Inneres und Sport und Justiz und Verbraucherschutz über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der
Verfolgung von Organisierter Kriminalität“ geregelt.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten sind bei der Staatsanwaltschaft Berlin insgesamt vier Spezialabteilungen mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität befasst. In der Abteilung 251 werden schwerpunktmäßig Fälle der Rockerkriminalität, der Kriminalität von Angehörigen bestimmter arabischer Großfamilien, des banden- und serienmäßigen Wohnungseinbruchs und schwere
Waffen- und Geldfälschungsdelikte bearbeitet. Die Abteilung 254 ist für die
Bekämpfung organisierter Rauschgiftdelikte sowie die Vermögensabschöpfung für den gesamten Bereich der Organisierten Kriminalität zuständig. Die
Abteilung 255 bearbeitet schwerpunktmäßig Fälle des Menschenhandels, der
Schleusungskriminalität, der Kraftfahrzeugverschiebung und des serienmäßigen Geschäftseinbruchs. Die Abteilung 257 ist für die Verfolgung der organisierten Internetkriminalität zuständig. Organisierte Kriminalität wird darüber
hinaus im Einzelfall auch in anderen Bereichen der Staatsanwaltschaft, etwa
der Abteilung 234 (Tötungsdelikte) oder (Wirtschafts-) Hauptabteilung 4
(Geldwäsche, Bestechungsdelikte) bearbeitet.
Da einzelne organisiert-kriminelle Betätigungsfelder und Phänomene nicht allein die Zuständigkeit einer einzelnen OK-Abteilung, sondern mehrere Abteilungen berühren können, verfolgt die Staatsanwaltschaft bei derartigen Verfahren einen ganzheitlichen Ansatz, der einen engmaschigen turnusmäßigen
Informationsaustausch aller mit Organisierter Kriminalität befassten Abteilungen innerhalb der Staatsanwaltschaft einschließt. Bei der Staatsanwaltschaft
Berlin ist zudem ein Staatsanwalt als OK-Beauftragter bestellt, der die Aufgabe hat, in enger und ständiger Zusammenarbeit mit dem für die Bekämpfung
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von Organisierter Kriminalität befassten Kommissariaten im Landeskriminalamt (LKA) die Entwicklung der Organisierten Kriminalität zu beobachten, zu
analysieren und Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden zu koordinieren.
Bei der Generalstaatsanwaltschaft sind die verfahrensübergreifenden Aufgaben des OK-Beauftragten einem OK-Koordinator übertragen, der auch die
Aufgabe hat, den Erfahrungs- und Informationsaustausch auf überörtlicher
Ebene mit der Polizei sowie weiteren Behörden vorzubereiten und durchzuführen.
Bei der Berliner Polizei sind im LKA 2 (Betrug und Cybercrime), im LKA 3
(Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt- und Verbraucherschutzdelikte)
und im LKA 4 (Organisierte Kriminalität, Banden und qualifizierte Eigentumsdelikte, Rauschgiftdelikte) ebenfalls spezialisierte Dienststellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eingerichtet, die täterorientiert und deliktsübergreifend ermitteln. Zu deren Aufgaben zählt, neben der engen Abstimmung mit der für das jeweilige Verfahren zuständigen Staatsanwaltschaft und
der Durchführung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen, auch die Zusammenführung OK-relevanter Erkenntnisse, das Mitwirken an der Erstellung des Kriminalitätslagebildes „Organisierte Kriminalität“ und der Informationsaustausch
mit der Staatsanwaltschaft, den mit Organisierter Kriminalität bearbeitenden
Dienststellen sowie anlassbezogen auch mit anderen Polizeidienststellen.
b) Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung
Vorrangiges Ziel der Ermittlungen ist, in den Kernbereich der kriminellen Organisation einzudringen und die im Hintergrund agierenden hauptverantwortlichen Straftäter zu erkennen, zu überführen und zur Aburteilung zu bringen.
Zu diesem Zweck schaltet sich die Staatsanwaltschaft schon zu Beginn der
strafrechtlichen Ermittlungen in die unmittelbare Fallaufklärung ein und stimmt
mit der Polizei die Verfahrenstaktik und die einzelnen Ermittlungsschritte ab.
Finanzermittler der Polizei werden frühzeitig hinzugezogen, wenn Anzeichen
vorhanden sind, dass eine Vermögensabschöpfung in Betracht kommen könnte.
c) Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit
Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei hat zum Ziel, dass beide Behörden einen vertieften und gleichen Erkenntnisstand über die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität und der
spezifischen Probleme einschlägiger Verfahren gewinnen, gemeinsam fortentwickeln und bei den jeweiligen Einzelmaßnahmen zu Grunde legen.
Hierzu vereinbaren die Staatsanwaltschaft und die Polizei regelmäßige Dienstbesprechungen:
aa) Allgemeine Jahrestagung „Organisierte Kriminalität“
Entsprechend der Vorgabe der OK-Richtlinie findet einmal jährlich eine
Dienstbesprechung zwischen sämtlichen mit der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität befassten Abteilungen der Staatsanwaltschaft, den im
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LKA befassten Kommissariaten sowie den Kommissariaten, die sich mit
Vermögensabschöpfung (Finanzermittlern) befassen, statt. Darüber hinaus nehmen an der Jahrestagung regelmäßig auch Vertreter des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei, des Zollfahndungsamtes und des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen Berlin (FA FuSt) teil. Ziel der
Dienstbesprechung ist neben allgemeinen Fragen der Zusammenarbeit
der Informationsaustausch über die aktuelle Kriminalitätslage und die voraussichtlichen Entwicklungen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Darüber hinaus werden unter anderem auch Erkenntnisse und Abläufe von Ermittlungs- und strafgerichtlichen Verfahren,
Entwicklungen der Rechtsprechung, Erkenntnisse und Erfahrungen aus
der Anwendung verdeckter Ermittlungsmethoden und aus dem Zeugenschutz, Auswirkungen von Fehlern in der Ermittlungstätigkeit sowie Erkenntnissen und Erfahrungen aus Maßnahmen der Vermögensabschöpfung erörtert.
bb) Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in spezifischen Deliktsbereichen und Kriminalitätsphänomenen der Organisierten Kriminalität
Über die allgemeine Jahrestagung hinaus finden zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei – auch unter Beteiligung weiterer Behörden - eine Vielzahl von ressortübergreifenden turnusmäßigen Expertentagungen, Arbeitsbesprechungen und Arbeitsrunden mit dem Ziel des Informationsaustausches, der Verbesserung der Zusammenarbeit, der Erörterung von Lageerkenntnissen sowie der Festlegung von Bekämpfungsstrategien statt.
Beispiele hierfür sind:
(1) Zur Bekämpfung der Rockerkriminalität hat die Staatsanwaltschaft
Berlin in enger Abstimmung mit den für dieses Kriminalitätsphänomen zuständigen Kommissariaten im Landeskriminalamt eine „Rocker-TaskForce“ gebildet, die sich einmal monatlich trifft.
Die Polizei nimmt darüber hinaus an länderübergreifenden Besprechungsrunden zu diesem Kriminalitätsphänomen teil, unter anderem an Quartalsgesprächen mit den Polizeidienststellen des Landes Brandenburg sowie
an der „Leitertagung Rocker“ mit Vertreterinnen und Vertretern des Bundeskriminalamtes sowie aller bundesweiten Leiterinnen und Leiter der Ermittlungsdienststellen, die sich mit Rockerkriminalität befassen.
(2) Für die Bekämpfung der Kriminalität von Angehörigen bestimmter
arabischer Großfamilien hat die Staatsanwaltschaft Berlin ein ermittlungsstrategisches Konzept mit der Polizei abgesprochen, welches besonders die Abschöpfung von kriminell erzielten Gewinnen in den Blick
rückt. Hierzu findet ein regelmäßiger Informationsaustausch statt.
(3) Bezüglich der Bekämpfung von banden- und serienmäßigen Geschäfts- und Wohnungseinbrüchen finden auf Grundlage eines von
Staatsanwaltschaft und Polizei gemeinsam entwickelten Ermittlungskonzeptes turnusmäßig Gesprächsrunden statt. Der Polizeipräsident in Berlin
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hat in Umsetzung dieses Konzeptes eine Koordinierungsstelle zur Bekämpfung des Wohnraumeinbruchs eingerichtet, die direktionsübergreifend die Kriminalitätsentwicklung in diesem Deliktsfeld beobachtet, gesamtbehördliche Maßnahmen und Strategien abstimmt. Ein „Zentraler Ansprechpartner“ für die Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter sowie die
Dezernentinnen und Dezernenten der jeweiligen OK-Abteilungen der
Staatsanwaltschaft ist für grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zuständig.
(4) Im Bereich der Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität findet
zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft eine jährliche Dienstbesprechung
statt, an der auch das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg beteiligt ist.
Darüber hinaus nimmt die Polizei Berlin unter anderem an einem jährlichen Arbeitstreffen mit Vertretern der Bundesländer Bayern, Sachsen,
Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg, der Zollfahndungsämter
Berlin-Brandenburg, Dresden, München, dem Zollkriminalamt und dem
BKA, der Bundespolizei, der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sowie
Vertretern der Länder Tschechiens und Polens teil.
(5) Zur Bekämpfung der „Rotlichtkriminalität“ findet unter anderem der
regelmäßig tagende „Runde Tisch Rotlicht“ unter Beteiligung der mit dieser Kriminalität befassten Kommissariate im LKA, der Staatsanwaltschaft,
dem Hauptzollamt sowie dem FA FuSt statt.
(6) Zur Erörterung von Erkenntnissen zu neuen Begehungsformen und
Bekämpfungsansätzen im Zusammenhang mit kontobezogener Betrugskriminalität sowie Geldwäschehandlungen findet eine jährliche Besprechung zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei unter Beteiligung ausgewählter Complianceabteilungen der in Berlin ansässigen Banken statt.
2. Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei mit anderen Behörden
Auch die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft und der Polizei mit andern Behörden ist grundlegend in der OK-Richtlinie geregelt.
a) Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten
Da die von der Organisierten Kriminalität ausgehenden Gefahren auch für
Entscheidungen innerhalb des Justizvollzuges relevant sind, werden die Justizvollzugsanstalten von der Staatsanwaltschaft oder der Polizei über die Verbindung eines Untersuchungs- oder Strafgefangen zur Organisierten Kriminalität unterrichtet. Die Justizvollzugsanstalten ihrerseits unterrichten die Staatsanwaltschaft oder Polizei über Erkenntnisse, die für die Verfolgung der Organisierten Kriminalität von Bedeutung sein können.
Auch insoweit erfolgt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die durch unregelmäßig stattfindende Dienstbesprechungen flankiert wird.
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b) Zusammenarbeit mit anderen Behörden
aa) Zollfahndungsdienst/Finanzamt für Fahndung und Strafsachen
Soweit Staatsanwaltschaft oder Polizei im Rahmen der Ermittlungen Anhaltspunkte für Steuerstraftaten erlangen, besteht die gesetzlich Verpflichtung, die insoweit zuständigen Finanzbehörden zu unterrichten (§ 116
Abgabenordnung (AO)). Gemäß § 116 AO haben Gerichte und die Behörden von Bund, Ländern und kommunalen Trägern der öffentlichen Verwaltung, die nicht Finanzbehörden sind, Tatsachen, die sie dienstlich erfahren
und die auf eine Steuerstraftat schließen lassen, den zuständigen Finanzbehörden mitzuteilen. Die zuständigen Finanzbehörden sind befugt, an
den Ermittlungshandlungen in Steuerstrafsachen durch Staatsanwaltschaft und Polizei teilzunehmen (§ 403 AO).
Der Zollfahndungsdienst wird ebenfalls unterrichtet, wenn es Anhaltspunkte für Zuwiderhandlungen gegen Verbote und Beschränkungen des
grenzüberschreitenden Warenverkehrs - zum Beispiel Rauschgift oder
Waffenschmuggel oder Warenzeichnungsfälschungen - gibt, zudem bei
Hinterziehung von Eingangsabgaben oder Verbrauchssteuern - zum Beispiel bei Gold- oder Alkoholschmuggel. Entsprechendes gilt bei Verstößen
gegen das Außenwirtschaftsgesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz
mit Auslandsbezug.
In Berlin ist das FA FuSt zentral für die Bearbeitung von Steuerdelikten
zuständig.
Aufgaben des FA FuSt sind:
• die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten,
• die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den benannten Fällen,
• die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle.
Der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges kommt eine besondere Bedeutung zu, da der organisierte Umsatzsteuerbetrug durch verschiedene
systembedingte missbräuchliche Gestaltungen in den letzten Jahren an
Umfang zugenommen hat. Die Aufgabe der Koordinierung der Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung wird in der Berliner Steuerverwaltung seit Jahren zentral wahrgenommen, bis Ende 2014 von der Senatsverwaltung für
Finanzen und seit dem 01.01.2015 von einem Sachgebiet im Fa FuSt
- Arbeitsgebiet Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung (AG USt-B) -.
Die Aufgaben der AG USt-B sind insbesondere:
• Koordinierung der Zusammenarbeit der beteiligten Stellen,
• Zentraler Ansprechpartner im Bereich des Umsatzsteuerbetruges (für
Berliner Finanzämter und Behörden, andere Landes- und Bundesbehörden),
• Sammlung, Bündelung und Verarbeitung von Erkenntnissen und Informationen, rechtzeitige Weitergabe dieser an die beteiligten Stellen,
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• Entwicklung neuer Strategien zur frühzeitigen Aufdeckung Bekämpfung
des Umsatzsteuerbetruges,
• Förderung der einheitlichen Rechtsanwendung (u. a. durch Auswertung
der einschlägigen Rechtsprechung),
• Erstellung von Arbeits- und Argumentationshilfen,
• Unterstützung und Beratung der Finanzämter (z. B. bei verdächtigen
Neugründungs- oder Prüfungsfällen),
• Durchführung von Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen.
Das AG USt-B arbeitet eng mit der Zentralen Koordinierungsstelle der
Prüfungsmaßnahmen der Länder im Bereich der UmsatzsteuerSonderprüfung und der Steuerfahndung beim Bundeszentralamt für Steuern (KUSS).
In diesem und anderen Bereichen findet eine enge Zusammenarbeit mit
der Staatsanwaltschaft und dem LKA, dem Zoll/Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) und dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) - beispielsweise durch regelmäßige Besprechungen und gemeinsame Kontrollen und Durchsuchungen u. a. in den Kriminalitätsbereichen „Rotlicht“ und „Spielhallen“ - statt.
Um die enge Zusammenarbeit mit dem LKA weiter zu intensivieren und
Synergieeffekte besser nutzen zu können, wurde eine Verbindungsstelle
mit Sitz beim LKA Berlin geschaffen und einem Fahndungsprüfer des FA
FuSt dort ein fester Arbeitsplatz eingerichtet.
Durch die Verbindungsstelle wird insbesondere
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eine Verbesserung der Zusammenarbeit,
zeitliche Nähe zu den Fällen,
bessere Abstimmung im Vorfeld,
Möglichkeiten der frühzeitigen Erkennung von steuerlich relevanten
Sachverhalten,
• Zugriff auf polizeiliche Daten und
• Zugriff auf vorhandene Ressourcen des LKA
erreicht.
Auch im Bereich der Geldwäsche wird durch die Verbindungsstelle die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert. Der in der Verbindungstelle eingesetzte Fahndungsprüfer unterstützt das LKA in der Auswahl der zu übersendenden Geldwäscheverdachtsanzeigen indem er u.a. aufzeigt, welche
Kriterien erfüllt sein müssen, um eine Übersendung an das FA FuSt zu rechtfertigen.
bb) Verwaltungsbehörden
Da die organisierte Kriminalität erfolgreich nicht nur mit strafrechtlichen
Mitteln bekämpft werden kann, ist auch eine Zusammenarbeit mit weiteren
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Verwaltungsbehörden, namentlich den Ordnungsbehörden wie beispielsweise Ausländer- oder Gewerbeämtern, erforderlich.
Zur Aufklärung und zum Informationsgewinn beziehen Staatsanwaltschaft
und die Polizei entsprechende Verwaltungsbehörden in die Ermittlungen
frühzeitig mit ein.
B. Vermögensabschöpfung
Der Senat hält die Vermögensabschöpfung für ein wichtiges strafrechtliches Mittel, um
dem Täter sämtliche Vorteile aus seiner rechtswidrigen Tat so umfassend wie möglich
zu entziehen und so die Grundlage für eine fortlaufende organisierte Kriminalität zu
nehmen.
Dementsprechend hat die Staatsanwaltschaft Berlin schon zum 1. Januar 1999 die
Spezialabteilung 241 eingerichtet, die sich ausschließlich mit Geldwäsche und Vermögensabschöpfung befasst. Die dortigen Dezernentinnen und Dezernenten begleiten
zudem Verfahren aus anderen Abteilungen, um ihre Erfahrung in diesem Bereich Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung zu stellen. Im Bereich der Organisierten Kriminalität ist zusätzlich seit dem letzten Jahr eine Dezernentin als Koordinatorin für die Vermögensabschöpfung in diesem Bereich verantwortlich.
Der Senator für Justiz und Verbraucherschutz hat im Januar 2015 einen Erfahrungsaustausch der Strafverfolgungsbehörden mit dem Bundesministerium für Justiz und
Verbraucherschutz initiiert. Die Erfahrungen aus der Berliner Praxis sowie die sich daraus ergebenen Regelungs- und Änderungsvorschläge der Berliner Ermittlerinnen und
Ermittler wurden anschließend der Projektgruppe „Recht der Vermögensabschöpfung“ bei dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz zur Verfügung
gestellt. Diese Anregungen sind durchweg positiv aufgenommen worden und erkennbar in den jetzt vorliegenden Referentenentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit eingeflossen.
Insbesondere lassen sich in folgenden Eckpunkten des Referentenentwurfes Vorschläge aus Berlin zu den Themen „nachträgliche Vermögensabschöpfung“ und „Beweislastumkehr“ wiederfinden, deren Umsetzung zentrale Bedeutung zukommt:
• Die Neufassung der Härteklausel, § 75 Absatz 1 StGB-E, ermöglicht es, Vermögenswerte des Täters oder Teilnehmers, die bis zum Urteil unentdeckt geblieben
sind, nachträglich im Strafvollstreckungsverfahren abzuschöpfen. Werden nach
Rechtskraft der Anordnung bislang unentdeckte Vermögenswerte des vermeintlich
vermögenslosen Täters festgestellt, können diese aufgrund der rechtskräftigen
(vollstreckbaren) Einziehungsentscheidung abgeschöpft werden.
• § 73 b Abs. 1 StGB-E eröffnet nunmehr die Möglichkeit, den Vermögenszufluss
durch Erbschaft oder in Form des Pflichtteils am Erbe beim Erben oder beim pflichtteilsberechtigten Abkömmling des Täters oder Teilnehmers abzuschöpfen. Mit dem
neu geschaffenen § 76 a StGB-E ist die Vermögensabschöpfung grundsätzlich
auch dann zulässig, wenn der Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person rechtliche Gründe entgegenstehen. § 76a Absatz 4 StGB ergänzt das bestehende Recht der Vermögensabschöpfung um ein (weiteres) verurteilungsunabhängiges Abschöpfungsinstrument. Dies ermöglicht die Einziehung bei dauernder Verhandlungsunfähigkeit des Tatbeteiligten und generell auch dann, wenn der Verfol-
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gung oder der Verurteilung des Einziehungsadressaten wegen der Anknüpfungstat
das rechtliche Hindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht.
• Der Entwurf ermöglicht dem Gericht mit der Vorschrift des § 422 ff. StPO-E, die
Entscheidung über die Einziehung des Tatertrages oder des Wertes des Tatertrages unter bestimmten Umständen von der Hauptsache (Schuld- und Straffrage) abzutrennen. Die Einziehungsentscheidung trifft das Gericht in diesem Fall
mäß § 423 StPO-E in einem gesonderten Verfahren.
• Im Bereich der selbstständigen Einziehung § 437 Absatz 1 Satz 1 StPO-E wurde
der „Beweis des ersten Anscheins“ eingeführt, wenn es um die Frage geht, ob ein
„grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des sichergestellten Gegenstandes und
den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen“ besteht. Spricht der „erste Anschein“ dafür, dann kann davon ausgegangen werden, dass der Gegenstand aus
einer Straftat herrührt.
Die Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelungen wird der Senat aktiv begleiten.
Dazu werden Schulungen für die Praxis durchgeführt, um dort eine schnellstmögliche Akzeptanz und Kenntnis der neuen Rechtslage mit dem Ziel einer bestmöglichen Ausnutzung der neuen Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung zu erreichen. Neben der Auswertung der halbjährigen Statistiken zu den Zahlen der Vermögensabschöpfung bei den Strafverfolgungsbehörden wird es regelmäßige Feedback-Gespräche mit der Praxis geben, um weiter an der Optimierung dieses Mittels
der Kriminalitätsbekämpfung mitzugestalten. Darüber hinaus prüft die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz welche über die Vorschläge im Referentenentwurf hinausgehenden Maßnahmen ebenfalls angestoßen werden sollen.
C. Konzept und Handlungsbedarfe für eine Optimierung der Zusammenarbeit der
beteiligten Senatsverwaltungen
Zur Intensivierung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sollen die bereits
vorhandenen ressortübergreifenden Bekämpfungsstrategien, Vernetzungen und Maßnahmen harmonisiert und weiter verstärkt werden.
Hierzu wird der Senat unter Federführung der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz eine Arbeitsgruppe unter Mitwirkung von Vertreterinnen und Vertretern
der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, der Senatsverwaltung für Finanzen sowie
der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technik und Forschung bilden.
Im Fokus stehen folgende konkrete Maßnahmen:
1. Evaluation der bisherigen Maßnahmen
Da in Verantwortung der Berliner Senatsverwaltungen in unterschiedlichen Ressorts bereits eine Vielzahl an bewährten und zielführenden ressortübergreifenden
turnusmäßigen Expertentagungen, Arbeitsbesprechungen und Arbeitsrunden stattfindet, wird zunächst eine Evaluation der aktuellen Form der Zusammenarbeit aller
Beteiligten vorgenommen und geprüft werden, ob weitere Vernetzungen in die Wege zu leiten sind, damit die erforderliche Expertise gebündelt und verstetigt werden
kann. Auch wird über die bereits vorhandenen gemeinsamen Bekämpfungsstrategien beraten und Verbesserungsmöglichkeiten erörtert. Hierbei wird auch die
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Zweckmäßigkeit und eine andere Verteilung oder Bündelung von Zuständigkeiten in
den Blick genommen.
Zur Prüfung eines etwaigen kriminalpolitischen oder legislativen Handlungsbedarfs
werden die vorhandenen Erfahrungen und Erkenntnisse gesammelt und ausgewertet.
2. Beauftragung von OK-Koordinatoren/Ansprechpartnern und Verbindungsstellen
Die Einrichtung von Koordinierungsstellen, Ansprechpartnern und Verbindungstellen hat sich als äußerst zielführend für die Optimierung der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität erwiesen. So wird einerseits der Informationsfluss innerhalb der
einzelnen mit der Bekämpfung des Kriminalitätsphänomens befassten Behörden
optimiert, darüber hinaus aber auch ressortübergreifend die Zusammenarbeit verbessert, so dass die beteiligten Behörden auf dem gleichen Erkenntnisstand sind
und dadurch frühzeitig erfolgreiche Bekämpfungsstrategien entwickeln können.
Das bestehende Netz an Ansprechpartnern und Verbindungsstellen wird - soweit
erforderlich - ausgebaut und intensiviert werden.
3. Ressortübergreifende Fortbildung/Hospitationen
Um die frühzeitige Erkennung von Strukturen, die auf Organisierte Kriminalität hinweisen, weiter zu stärken, werden gegenseitige Hospitationen von Mitarbeitern der
Staatsanwaltschaft, der Polizei und anderen mit der Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität befassten Behörden gefördert. Gemeinsame ressortübergreifende Fortbildungen - beispielsweise zu neu auftretenden Kriminalitätsphänomenen im Bereich der Cybercrime - sowie zu gesetzlichen Neuvorhaben, wie im Bereich der
Vermögensabschöpfung, tragen ebenfalls zur verbesserten Bekämpfung der organisierten Kriminalität bei. Diese werden daher ebenfalls ermöglicht und gefördert.
1. Rechtsgrundlage:
§ 30 Abs. 1 sowie 3 bis 6 der GGO II
2. Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung:
Keine.
Berlin, den 26. April 2016
Der Senat von Berlin
Michael Müller
Regierender Bürgermeister
Thomas Heilmann
Senator für Justiz
und Verbraucherschutz