epartners Rechtsanwälte AG Puls 5 | Hardturmstrasse 11 | CH-8005 Zürich T +41 43 268 8777 | F +41 43 268 8779 www.epartners.ch e:2.16 Dr. Urs Egli April 2016 DIGITALE GESCHÄFTSAKTEN Geschäftsakten können mit «revisionssicheren» Informatiksystemen gesetzeskonform digital aufbewahrt werden. Mit dem Einscannen einer schriftlichen Urkunde reduziert sich jedoch deren Beweiswert. Wichtige Dokumente sind deshalb weiterhin physisch im Original aufzubewahren. Digitale Urkunden Heute sind zahlreiche Unternehmen Urkunden sind Schriften oder Zeichen, zur digitalen Aktenführung überge- welche Tatsachen von rechtlicher Be- gangen. Dies gilt sowohl für Urkun- deutung beweisen. Sie haben in un- den, die schon als digitale Urkunden serem Wirtschafts- und Rechtssys- geschaffen werden (z.B. E-Mails), als tem eine entscheidende Bedeutung. auch für ursprünglich in Schriftform Zahlreiche Rechtsnormen, Branchen- erschaffene Urkunden, die später standards und die allgemeine Sorg- durch Scanning in die elektronische faltspflicht verlangen von den wirt- Form gebracht werden. schaftlichen Akteuren, ihr Handeln zu dokumentieren. Urkunden sind straf- Beweiswert digitaler Urkunden rechtlich geschützt (Art. 251 StGB). Auch mit digitalen Urkunden lässt sich Beweis führen (Art. 177 ZPO). Es stellt überwiegen- sich aber die Frage, wie beweiskräftig de Mehrheit der Informationen nicht digitale Urkunden im Vergleich zu her- mehr in physischer, sondern in elektro- kömmlichen schriftlichen Urkunden nischer (digitaler) Form. Dieser Trend sind. Mit anderen Worten: Was ist ihr wird sich weiter verstärken, bis es in Beweiswert? Illustrativ ist dazu der fol- nicht allzu ferner Zukunft praktisch nur gende Entscheid des Schweizerischen noch digitale Urkunden geben wird. Bundesgerichts (BGer 9C_634/2014, Heute existiert die Urteil vom 31. August 2015). Elektronische Aufbewahrung der Geschäftsbücher Ein zwielichtiger Berater hat sich Geschäftsbücher und Buchungsbe- durch raffinierte Machenschaften die lege können elektronisch aufbewahrt Pensionskassengelder von italieni- werden. Nur für den Geschäfts- und schen Arbeitnehmern angeeignet. Zu den Revisionsbericht ist die Aufbe- diesem Zweck hat er deren Freizügig- wahrung in Papierform gesetzlich vor- keitsguthaben auf ein von ihm verwal- geschrieben. Die Anforderungen an tetes Konto auszahlen lassen. Dies ge- die elektronische Aufbewahrung sind schah auch im Fall einer im Jahr 1944 in der Geschäftsbücherverordnung geborenen Arbeitnehmerin. Diese (GeBüV) beschrieben. Es müssen an- klagte in der Folge gegen die Perso- erkannte und dokumentierte Verfah- nalvorsorgestiftung auf Ausrichtung ren verwendet werden. Bei der Spei- einer Rente. Sie behauptete, die Voll- cherung von Daten auf veränderbaren macht, welche der Berater der Perso- Datenträgern müssen digitale Sig- nalvorsorgestiftung vorgelegt hatte, naturverfahren angewendet werden, sei nicht von ihr unterzeichnet wor- welche die Integrität der gespeicher- den. Das vorinstanzliche Sozialversi- ten Informationen gewährleisten und cherungsgericht des Kantons Zürich den Zeitpunkt der Speicherung nach- ordnete ein Schriftgutachten an. Es weisen können (Zeitstempel). Eine forderte die Arbeitnehmerin auf, ei- diesen Kriterien entsprechende Auf- genhändige Originalunterschriften aus bewahrung wird als «revisionssicher» der fraglichen Zeitperiode einzurei- bezeichnet. chen, was diese auch tat. Von der Personalvorsorgestiftung wurde die Ein- 2 | 4 Digitale Geschäftsakten reichung des Originals der Vollmacht fizierten Zertifikat digital signiert ist, verlangt. Dieses Original konnte sie wobei diese qualifizierte digitale Sig- aber nicht vorlegen, weil sie ihre Ge- natur bisher keine praktische Bedeu- schäftsunterlagen seit geraumer Zeit tung erlangt hat. nur noch elektronisch aufbewahrt. Die Vorinstanz hiess die Klage der Arbeit- Verträgen gehen häufig Vertragsver- nehmerin auf Ausrichtung einer Rente handlungen voraus (z.B. Zustellung gut, da die Personalvorsorgestiftung einer Offerte, Austausch von E-Mails beweisen müsse, dass die Auszahlung über den wesentlichen Vertragsin- des Freizügigkeitsguthabens recht- halt), welche bei einem Fälschungs- mässig erfolgt sei. Diesen Beweis aber vorwurf zum Echtheitsnachweis bei- konnte sie ohne den Besitz des Origi- gezogen werden können. Praktisch nals nicht mehr führen. aussichtslos ist der Fälschungsvorwurf, wenn die ihn vorbringende Par- Um den Beweiswert einer Urkunde zu tei bereits Erfüllungshandlungen vor- zerstören, genügt es aber nicht, bloss genommen hat. pauschal die Fälschung zu behaupten. Vielmehr sind die besonderen Um- Geschäftskorrespondenz stände darzulegen, weshalb im kon- Geschäftliche Korrespondenz erfolgt kreten Fall von einer Fälschung ausge- heute weitestgehend über E-Mail. gangen wird (Art. 178 ZPO). Fälle, bei Briefe werden nur noch selten ver- denen der Prozessausgang einzig vom schickt (z.B. bei formellen Abmahnun- gelungenen oder misslungenen Echt- gen oder Kündigungen oder wenn dies heitsbeweis einer Urkunde abhängt, zur Erfüllung der Schriftform notwen- sind deshalb selten. Häufig liegen Be- dig ist). gleitumstände vor, die Rückschlüsse auf die Echtheit zulassen. Was bedeu- Auch E-Mails stellen Urkunden dar. tet dies nun im geschäftlichen Alltag Dies gilt unabhängig davon, ob eine für die Beweiskraft digital aufbewahr- E-Mail in ausgedruckter Form oder ter Verträge und Geschäftskorrespon- als Computer-Urkunde vorliegt. Es denz? ist auch nicht erforderlich, dass eine E-Mail digital signiert ist. Dies hielt das Verträge Bundesgericht im Zusammenhang mit Ausserhalb des Bereichs des E-Com- einem Betrugsfall der Nigeria-Connec- merce werden Verträge von einer tion fest (BGer 6B_130/2012, Urteil gewissen Bedeutung immer noch vom 22. Oktober 2012). Der Täter hatte in schriftlicher Form abgeschlos- im Rahmen seiner betrügerischen Täu- sen, wozu auch der Austausch einer schungshandlungen E-Mails von Dritt- schriftlichen Offerte gezählt wird. Zur personen abgeändert und zu Beweis- Erinnerung: Schriftlichkeit im Sinne zwecken an die Opfer weitergeleitet. des Gesetzes (Art. 13 und 14 OR) liegt nur vor, wenn ein physisches Doku- Bislang haben sich die Gerichte noch ment eigenhändig unterschrieben ist. nicht dazu geäussert, wie bei E-Mails Eine Computer-Urkunde gilt dann als dem Fälschungsvorwurf zu begegnen schriftlich, wenn sie mit einem quali- ist. Es ist denkbar, dass der Beweis- 3 | 4 Digitale Geschäftsakten wert solcher E-Mails reduziert ist, da definiert. Wer diese Richtlinie einhält, die Fälschung von E-Mails einfach ist. schafft gute Voraussetzungen dafür, Interessant wird auch sein, ob sich die dass die eingescannten Urkunden be- Gerichte auf lange Sicht damit begnü- weiskräftig sind. gen, dass ihnen E-Mails bloss in ausge- Urs Egli Dr. iur., Rechtsanwalt druckter Form vorgelegt werden. Ein Digitalisierungsprojekte Ausdruck ist nur eine Wiedergabe der Entscheidet ein Unternehmen über ursprünglichen elektronischen Form, die Digitalisierung von Geschäftsun- in welcher eine E-Mail geschaffen wird. terlagen, so ist der eingeschränkte Beweiswert digitaler Urkunden in die Auf der anderen Seite haben E-Mails Abwägungen einzubeziehen. Deswe- gegenüber physischen Urkunden auch gen aber vollständig auf die Digitali- einen Vorteil, weil sich deren Empfang sierung zu verzichten, wäre ein Fehl- einfacher nachweisen lässt, selbst schluss. Häufig wiegen die durch die wenn keine zertifizierten Signatur- Digitalisierung gewonnenen Vorteile verfahren eingesetzt werden. Zum ei- (Platzersparnis, jederzeitige Verfüg- nen kann beim Versenden die Option barkeit) die Beweisrisiken auf, insbe- Empfangsbestätigung gewählt wer- sondere bei Beachtung unserer Emp- den. Zum anderen wird im E-Mailver- fehlungen. kehr vom Empfänger häufig die Antwortfunktion verwendet, wodurch der Fazit Ursprungstext zusammen mit der Ant- 1. wort an den ersten Absender zurück- Auch digitale Informationen können Urkunden sein. geschickt wird. Solche E-Mail-Ketten 2. Bei der digitalen Aufbewahrung bilden den Beweis für den Empfang der von Geschäftsakten sind die Vor- darin enthaltenen einzelnen E-Mails. schriften der GeBüV einzuhalten. Die eingesetzte Informatiklösung Eingescannte Unterlagen muss revisionssicher sein. Beim Einscannen physischer Unterla- 3. Werden im Rahmen eines Digitali- gen erfolgt ein Medienbruch. Dies re- sierungsprojektes Urkunden einge- duziert den Beweiswert eingescannter scannt, müssen anerkannte techni- Dokumente in den Augen des Bundes- sche Standards beachtet werden gerichts, weil sich nicht nachweisen (z.B. TR-RESISCAN des deutschen lasse, dass das Original unverändert im BSI). eingescannten Dokument wiederge- 4. Wichtige Dokumente sind auch geben wird (BGer 9C_634/2014, Urteil nach dem Einscannen weiterhin im vom 31. August 2015). Mit der Techni- Original aufzubewahren. schen Richtlinie 03138 «rechtssicheres ersetzendes Scannen» (TR-RESISCAN) des deutschen Bundesamtes für Informationstechnik (BSI) existiert jedoch ein Quasistandard zum ersetzenden Scannen, der die technischen, personellen und organisatorischen Anforderungen an den Scanprozess 4 | 4 Digitale Geschäftsakten e.
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