e:2.16 Digitale Geschäftsakten

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e:2.16
Dr. Urs Egli
April 2016
DIGITALE GESCHÄFTSAKTEN
Geschäftsakten können mit «revisionssicheren» Informatiksystemen gesetzeskonform
digital aufbewahrt werden. Mit dem Einscannen einer schriftlichen Urkunde reduziert
sich jedoch deren Beweiswert. Wichtige Dokumente sind deshalb weiterhin physisch im
Original aufzubewahren.
Digitale Urkunden
Heute sind zahlreiche Unternehmen
Urkunden sind Schriften oder Zeichen,
zur digitalen Aktenführung überge-
welche Tatsachen von rechtlicher Be-
gangen. Dies gilt sowohl für Urkun-
deutung beweisen. Sie haben in un-
den, die schon als digitale Urkunden
serem Wirtschafts- und Rechtssys-
geschaffen werden (z.B. E-Mails), als
tem eine entscheidende Bedeutung.
auch für ursprünglich in Schriftform
Zahlreiche Rechtsnormen, Branchen-
erschaffene Urkunden, die später
standards und die allgemeine Sorg-
durch Scanning in die elektronische
faltspflicht verlangen von den wirt-
Form gebracht werden.
schaftlichen Akteuren, ihr Handeln zu
dokumentieren. Urkunden sind straf-
Beweiswert digitaler Urkunden
rechtlich geschützt (Art. 251 StGB).
Auch mit digitalen Urkunden lässt sich
Beweis führen (Art. 177 ZPO). Es stellt
überwiegen-
sich aber die Frage, wie beweiskräftig
de Mehrheit der Informationen nicht
digitale Urkunden im Vergleich zu her-
mehr in physischer, sondern in elektro-
kömmlichen schriftlichen Urkunden
nischer (digitaler) Form. Dieser Trend
sind. Mit anderen Worten: Was ist ihr
wird sich weiter verstärken, bis es in
Beweiswert? Illustrativ ist dazu der fol-
nicht allzu ferner Zukunft praktisch nur
gende Entscheid des Schweizerischen
noch digitale Urkunden geben wird.
Bundesgerichts (BGer 9C_634/2014,
Heute
existiert
die
Urteil vom 31. August 2015).
Elektronische Aufbewahrung der
Geschäftsbücher
Ein zwielichtiger Berater hat sich
Geschäftsbücher und Buchungsbe-
durch raffinierte Machenschaften die
lege können elektronisch aufbewahrt
Pensionskassengelder von italieni-
werden. Nur für den Geschäfts- und
schen Arbeitnehmern angeeignet. Zu
den Revisionsbericht ist die Aufbe-
diesem Zweck hat er deren Freizügig-
wahrung in Papierform gesetzlich vor-
keitsguthaben auf ein von ihm verwal-
geschrieben. Die Anforderungen an
tetes Konto auszahlen lassen. Dies ge-
die elektronische Aufbewahrung sind
schah auch im Fall einer im Jahr 1944
in der Geschäftsbücherverordnung
geborenen Arbeitnehmerin. Diese
(GeBüV) beschrieben. Es müssen an-
klagte in der Folge gegen die Perso-
erkannte und dokumentierte Verfah-
nalvorsorgestiftung auf Ausrichtung
ren verwendet werden. Bei der Spei-
einer Rente. Sie behauptete, die Voll-
cherung von Daten auf veränderbaren
macht, welche der Berater der Perso-
Datenträgern müssen digitale Sig-
nalvorsorgestiftung vorgelegt hatte,
naturverfahren angewendet werden,
sei nicht von ihr unterzeichnet wor-
welche die Integrität der gespeicher-
den. Das vorinstanzliche Sozialversi-
ten Informationen gewährleisten und
cherungsgericht des Kantons Zürich
den Zeitpunkt der Speicherung nach-
ordnete ein Schriftgutachten an. Es
weisen können (Zeitstempel). Eine
forderte die Arbeitnehmerin auf, ei-
diesen Kriterien entsprechende Auf-
genhändige Originalunterschriften aus
bewahrung wird als «revisionssicher»
der fraglichen Zeitperiode einzurei-
bezeichnet.
chen, was diese auch tat. Von der Personalvorsorgestiftung wurde die Ein-
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Digitale Geschäftsakten
reichung des Originals der Vollmacht
fizierten Zertifikat digital signiert ist,
verlangt. Dieses Original konnte sie
wobei diese qualifizierte digitale Sig-
aber nicht vorlegen, weil sie ihre Ge-
natur bisher keine praktische Bedeu-
schäftsunterlagen seit geraumer Zeit
tung erlangt hat.
nur noch elektronisch aufbewahrt. Die
Vorinstanz hiess die Klage der Arbeit-
Verträgen gehen häufig Vertragsver-
nehmerin auf Ausrichtung einer Rente
handlungen voraus (z.B. Zustellung
gut, da die Personalvorsorgestiftung
einer Offerte, Austausch von E-Mails
beweisen müsse, dass die Auszahlung
über den wesentlichen Vertragsin-
des Freizügigkeitsguthabens recht-
halt), welche bei einem Fälschungs-
mässig erfolgt sei. Diesen Beweis aber
vorwurf zum Echtheitsnachweis bei-
konnte sie ohne den Besitz des Origi-
gezogen werden können. Praktisch
nals nicht mehr führen.
aussichtslos ist der Fälschungsvorwurf, wenn die ihn vorbringende Par-
Um den Beweiswert einer Urkunde zu
tei bereits Erfüllungshandlungen vor-
zerstören, genügt es aber nicht, bloss
genommen hat.
pauschal die Fälschung zu behaupten.
Vielmehr sind die besonderen Um-
Geschäftskorrespondenz
stände darzulegen, weshalb im kon-
Geschäftliche Korrespondenz erfolgt
kreten Fall von einer Fälschung ausge-
heute weitestgehend über E-Mail.
gangen wird (Art. 178 ZPO). Fälle, bei
Briefe werden nur noch selten ver-
denen der Prozessausgang einzig vom
schickt (z.B. bei formellen Abmahnun-
gelungenen oder misslungenen Echt-
gen oder Kündigungen oder wenn dies
heitsbeweis einer Urkunde abhängt,
zur Erfüllung der Schriftform notwen-
sind deshalb selten. Häufig liegen Be-
dig ist).
gleitumstände vor, die Rückschlüsse
auf die Echtheit zulassen. Was bedeu-
Auch E-Mails stellen Urkunden dar.
tet dies nun im geschäftlichen Alltag
Dies gilt unabhängig davon, ob eine
für die Beweiskraft digital aufbewahr-
E-Mail in ausgedruckter Form oder
ter Verträge und Geschäftskorrespon-
als Computer-Urkunde vorliegt. Es
denz?
ist auch nicht erforderlich, dass eine
E-Mail digital signiert ist. Dies hielt das
Verträge
Bundesgericht im Zusammenhang mit
Ausserhalb des Bereichs des E-Com-
einem Betrugsfall der Nigeria-Connec-
merce werden Verträge von einer
tion fest (BGer 6B_130/2012, Urteil
gewissen Bedeutung immer noch
vom 22. Oktober 2012). Der Täter hatte
in schriftlicher Form abgeschlos-
im Rahmen seiner betrügerischen Täu-
sen, wozu auch der Austausch einer
schungshandlungen E-Mails von Dritt-
schriftlichen Offerte gezählt wird. Zur
personen abgeändert und zu Beweis-
Erinnerung: Schriftlichkeit im Sinne
zwecken an die Opfer weitergeleitet.
des Gesetzes (Art. 13 und 14 OR) liegt
nur vor, wenn ein physisches Doku-
Bislang haben sich die Gerichte noch
ment eigenhändig unterschrieben ist.
nicht dazu geäussert, wie bei E-Mails
Eine Computer-Urkunde gilt dann als
dem Fälschungsvorwurf zu begegnen
schriftlich, wenn sie mit einem quali-
ist. Es ist denkbar, dass der Beweis-
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Digitale Geschäftsakten
wert solcher E-Mails reduziert ist, da
definiert. Wer diese Richtlinie einhält,
die Fälschung von E-Mails einfach ist.
schafft gute Voraussetzungen dafür,
Interessant wird auch sein, ob sich die
dass die eingescannten Urkunden be-
Gerichte auf lange Sicht damit begnü-
weiskräftig sind.
gen, dass ihnen E-Mails bloss in ausge-
Urs Egli
Dr. iur., Rechtsanwalt
druckter Form vorgelegt werden. Ein
Digitalisierungsprojekte
Ausdruck ist nur eine Wiedergabe der
Entscheidet ein Unternehmen über
ursprünglichen elektronischen Form,
die Digitalisierung von Geschäftsun-
in welcher eine E-Mail geschaffen wird.
terlagen, so ist der eingeschränkte
Beweiswert digitaler Urkunden in die
Auf der anderen Seite haben E-Mails
Abwägungen einzubeziehen. Deswe-
gegenüber physischen Urkunden auch
gen aber vollständig auf die Digitali-
einen Vorteil, weil sich deren Empfang
sierung zu verzichten, wäre ein Fehl-
einfacher nachweisen lässt, selbst
schluss. Häufig wiegen die durch die
wenn keine zertifizierten Signatur-
Digitalisierung gewonnenen Vorteile
verfahren eingesetzt werden. Zum ei-
(Platzersparnis, jederzeitige Verfüg-
nen kann beim Versenden die Option
barkeit) die Beweisrisiken auf, insbe-
Empfangsbestätigung gewählt wer-
sondere bei Beachtung unserer Emp-
den. Zum anderen wird im E-Mailver-
fehlungen.
kehr vom Empfänger häufig die Antwortfunktion verwendet, wodurch der
Fazit
Ursprungstext zusammen mit der Ant-
1.
wort an den ersten Absender zurück-
Auch digitale Informationen können Urkunden sein.
geschickt wird. Solche E-Mail-Ketten
2. Bei der digitalen Aufbewahrung
bilden den Beweis für den Empfang der
von Geschäftsakten sind die Vor-
darin enthaltenen einzelnen E-Mails.
schriften der GeBüV einzuhalten.
Die eingesetzte Informatiklösung
Eingescannte Unterlagen
muss revisionssicher sein.
Beim Einscannen physischer Unterla-
3. Werden im Rahmen eines Digitali-
gen erfolgt ein Medienbruch. Dies re-
sierungsprojektes Urkunden einge-
duziert den Beweiswert eingescannter
scannt, müssen anerkannte techni-
Dokumente in den Augen des Bundes-
sche Standards beachtet werden
gerichts, weil sich nicht nachweisen
(z.B. TR-RESISCAN des deutschen
lasse, dass das Original unverändert im
BSI).
eingescannten Dokument wiederge-
4. Wichtige Dokumente sind auch
geben wird (BGer 9C_634/2014, Urteil
nach dem Einscannen weiterhin im
vom 31. August 2015). Mit der Techni-
Original aufzubewahren.
schen Richtlinie 03138 «rechtssicheres ersetzendes Scannen» (TR-RESISCAN) des deutschen Bundesamtes
für Informationstechnik (BSI) existiert
jedoch ein Quasistandard zum ersetzenden Scannen, der die technischen,
personellen und organisatorischen
Anforderungen an den Scanprozess
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