Leitartikel: Populismus regt sich dort, wo Menschen von Umbrüchen überfordert sind Seite 17 Neuö Zürcör Zäitung NZZ – INTERNATIONALE AUSGABE Mittwoch, 4. Mai 2016 V Nr. 103 V 237. Jg. gegründet 1780 Ein heftiger Sturm im Wasserglas Terrorismus und Spionage als grösste Gefahren Der Schweizer Nachrichtendienst hat rund 500 potenzielle Jihadisten auf dem Radar. In seinem jährlichen Lagebericht nimmt er diesmal zudem China ins Visier. Greenpeace stellt vertrauliche TTIP-Papiere ins Netz flj. Bern V Als grösste Bedrohung betrachtet der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) weiterhin den jihadistisch motivierten Terror. Knapp 500 Personen hat er auf dem Radar, bei 73 davon handelt es sich um Jihad-Reisende; weitere rund 400 Personen sind den Behörden im Internet aufgefallen. Die Schweiz gehöre zwar nicht zu den primären Zielen, gleichwohl bestehe die Gefahr eines Anschlags, vor allem durch Einzeltäter oder Kleingruppen, sagte NDB-Chef Markus Seiler anlässlich der Präsentation des jährlichen Lageberichts am Montag in Bern. Die Schweiz sei nicht nur potenzielles Zielland, sondern auch «Vorbereitungsraum» für jihadistisch motivierte Terroristen. Das zeige der Fall der vier im März vom Bundesstrafgericht erstinstanzlich verurteilten Iraker, denen die Vorbereitung eines terroristischen Anschlags in Europa vorgeworfen wird. Neben dem Terrorismus zählten der verbotene Nachrichtendienst und die Spionage zu den grössten Gefahren. Einen besonderen Fokus legt der diesjährige Bericht auf China. Chinesische Unternehmen und Investoren hegten ein grosses Interesse am Schweizer Industrie- und Finanzsektor sowie an innovativen Unternehmen. Risiken ergäben sich vor allem aus einer wachsenden Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum Chinas. Die Zusammenarbeit mit China beruhe zudem nicht auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit. China übe nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ideologisch Druck auf die Schweiz aus. Bei Chinas Kerninteressen sei die Regierung zu keinerlei Konzessionen bereit. Sie bekämpfe die Entstehung einer kritischen Zivilgesellschaft mit harschen Methoden und treibe eine starke Ideologisierung und Abschottung ihrer Bevölkerung vor Einflüssen aus dem Ausland voran. Die Kontrolle und Zensur von Medien und Internet habe sie massiv verschärft. Zwischen dem Westen und China gebe es fundamentale Meinungsunterschiede bezüglich Menschenrechten, Freiheitsrechten und Rechtsstaatlichkeit, bilanziert der NDB. Wegen dessen wirtschaftlicher Machtpolitik nehme die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft jedoch ab, die Respektierung universeller Grundwerte von China einzufordern. Schweiz, Seite 27 Geleakte Dokumente über die Freihandelsverhandlungen der EU mit den USA haben viel Wirbel verursacht. Doch wie brisant sind sie eigentlich? RENÉ HÖLTSCHI, BRÜSSEL Fast 250 Seiten an vertraulichen Papieren zu den laufenden Verhandlungen der EU und der USA über ein Freihandelsabkommen (TTIP) hat die Umweltorganisation Greenpeace am Montag ohne Nennung der Quelle ins Internet gestellt. Zuvor hat sie den gewünschten Hype erzeugt, indem ausgewählte Medien, darunter die «Süddeutsche Zeitung», das Material vorab exklusiv erhielten und ab Sonntagabend berichten durften. An Pressekonferenzen in Brüssel und Berlin forderte Greenpeace am Montag, die EU müsse die Verhandlungen einstellen. Der Umwelt- und der Gesundheitsschutz seien gefährdet. EU weist Vorwürfe zurück Der Schriftsteller Robert Walser, 1907. KEYSTONE Der Unternehmer Hans-Ulrich Lehmann rettet den Eishockeyklub, will aber kein Mäzen sein SEITE 34 CARL-SEELIG-STIFTUNG / KEYSTONE Spektakulärer Fund von Walser-Briefen In Solothurn wurde ein literarischer Schatz gehoben rbl. V Fünfzehn Briefe und Karten von Robert Walser aus den Jahren 1916 bis 1919 wurden unlängst in der Zentralbibliothek Solothurn entdeckt. Sie gelangten mit dem Archiv des Solothurner Journalisten Emil Wiedmer vermutlich bereits 1955 in die Bestände der Bibliothek und wurden hier ordnungsgemäss registriert und aufbewahrt. Weil die Briefe in einem seither in Vergessenheit geratenen Spezialkatalog verzeichnet waren, blieb dieses grösste zusammenhängende Briefkonvolut, das von Walser in den letzten Jahren entdeckt wurde, der Forschung bisher verborgen. Die Korrespondenz handelt hauptsächlich von Texten, die Walser dem Zeitschriftenredaktor zum Abdruck anbietet. In einem langen Brief von 1917 gibt Walser eine selbstironische und aufschlussreiche Schilderung seines Lebenswegs. Unter anderem weist er darauf hin, dass er in seinen Texten zwar biografischen Stoff verwendet, diesen aber verfremdet und anreichert. Feuilleton, Seite 22, 23 Was Greenpeace veröffentlicht hat, sind vor allem Abschriften von «konsolidierten Texten» zu etwa der Hälfte der geplanten Verhandlungskapitel. Konsolidierte Texte sind keine Verhandlungsergebnisse, sondern Dokumente, die die Verhandlungspositionen beider Seiten zu konkreten Themen nebeneinanderstellen. Neuigkeitswert hatten dabei nur die US-Positionen, da die EU längst begonnen hat, ihre eigenen TTIP-Positionen zu veröffentlichen. Die Papiere reflektieren den Stand vor der jüngsten, am Freitag abgeschlossenen Verhandlungsrunde. Ebenfalls Teil des Lecks ist ein internes, «taktisches» EU-Papier über den Verhandlungsstand. Das geleakte Material ist detailliert und wegen des verwendeten Jargons für den Laien schwer zu lesen. Doch wenig von dem, was Medien und Nichtregierungsorganisationen am Montag thematisiert haben, ist überraschend. So kann dem EU-Bericht zum Beispiel entnommen werden, dass die USA Zugeständnisse beim Marktzugang für Autoteile von einem Entgegenkommen der Europäer beim Abbau ihrer Agrarzölle abhängig machten. Doch das ist keine Erpressung der EU, sondern übliche Verhandlungstaktik. Zu den geleakten Texten gehört auch jener über den Investi- VISAFREIHEIT SRG VERÖFFENTLICHT ZAHLEN Die Türkei verhandelt aus starker Position mit der EU SEITE 3 28,1 Millionen jährlich für Newssendungen von Radio SRF SEITE 28 LIECHTENSTEINER BANKEN EHC KLOTEN MIT NEUEM BESITZER www.nzz.ch V € 2.90 Vermögensverwaltung wächst vor allem im Ausland SEITE 7 EUROVISION CLUB SWITZERLAND Der Song-Contest hat eine schillernde Fangemeinde SEITE 20 CHANCEN DER DIGITALISIERUNG Blockchain könnte sich zum nächsten positiven Wohlstandsschock entwickeln. Die digitale Technologie wird im Finanzsektor viel verändern und könnte staatliche Institutionen überflüssig machen. Denn mit Blockchain lassen sich künftig Eigentumsverhältnisse einfacher und günstiger sichern und ordnen. Seite 11. nzz.ch/digitalisierung OMBUDSSTELLE ZÜRICH Die Konflikte wegen Sozialhilfe nehmen markant zu SEITE 29 INITIATIVE DER EDU Zürcher Kantonsrat gegen Burkaverbot durch die Hintertür SEITE 32 tionsschutz. Die EU will hier die umstrittenen privaten Schiedsgerichte zur Beilegung von Konflikten zwischen Unternehmen und Staaten durch ein Gerichtssystem ersetzen. Das Leck zeigt, dass die USA hierzu bis jetzt nicht Hand bieten. Das droht in der Tat zu einem Stolperstein zu werden, ist aber in groben Zügen seit langem bekannt. Scharf kritisiert hat Greenpeace, dass die Papiere das Vorsorgeprinzip der EU nicht erwähnten. Stattdessen wollten die USA dieses durch einen Risikomanagement-Ansatz ersetzen, der weniger Schutz biete. Laut dem im EU-Primärrecht fixierten Vorsorgeprinzip darf eine Politik oder Massnahme nicht durchgeführt werden, wenn sie der Allgemeinheit oder der Umwelt schaden kann und kein wissenschaftlicher Konsens besteht. Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström beteuerte in ihrem Blog, ein kürzlich vorgelegter EU-Vorschlag erwähne das Prinzip sehr wohl. Sie bekräftigte zudem, dass die EU kein Abkommen abschliessen werde, das den Schutz von Konsumenten, Umwelt oder Lebensmittelsicherheit senken werde. Ähnliches sagte ihr Chefunterhändler, Ignacio Garcia Bercero, vor den Medien. Man habe auch sehr klar gemacht, dass die EU ihr Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen nicht ändern werde. Peinliches Leck Ein Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman erklärte, die Interpretation der Texte scheine «bestenfalls irreführend, schlimmstenfalls schlicht falsch» zu sein. Malmström betonte, es sei normal, dass jede Partei möglichst viel erreichen wolle. Das heisse aber nicht, dass die andere Seite dem nachgeben oder man sich in der Mitte treffen müsse. Wo man zu weit auseinander bleibe, gebe es halt am Ende keine Einigung. So gesehen seien viele der alarmistischen Schlagzeilen ein Sturm im Wasserglas. Doch der Sturm ist für die EU peinlich. Unter dem Druck nach Transparenz hat sie Leseräume für EU- und nationale Parlamentarier eingerichtet, in denen diese auch die US-Positionen einsehen können. Dem haben die USA nur unter der Bedingung strikter Geheimhaltung zugestimmt. Nun hat es wohl in der EU ein Leck gegeben. Man werde dieses untersuchen, sagte Garcia Bercero. «Reflexe», Seite 8 3°/14° WETTER Gegen Osten hin Restbewölkung und am Alpennordhang letzter Niederschlag. Im Tagesverlauf aus Westen zunehmend sonnig. SEITE 40 Diverse Anzeigen 30 Anlagefonds 14, 24, 26, Sport 34, 35 www.nzz.ch Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrasse 11, Postfach: 8021 Zürich, Telefon: +41 44 258 11 11, Leserservice/Abonnements: + 41 44 258 10 00, Weitere Angaben im Impressum Seite 16 q
© Copyright 2024 ExpyDoc