Programmheft - Konzerthaus Berlin

Abonnement C, 4. Konzert
Freitag 29.04.2016 · 20.00 Uhr
Sonnabend 30.04.2016 · 20.00 Uhr
Sonntag 01.05.2016 · 16.00 Uhr
Großer Saal
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
JAMES JUDD Dirigent
YESONG SOPHIE LEE (GEWINNERIN DES MENUHIN COMPETITION JUNIOR 2016) Violine
DANIEL LOZAKOVITJ Violine
STEPHEN WAARTS Violine
„Ein Phänomen, wie
es nur alle hundert
Jahre vorkommt.“
DER DIRIGENT FRITZ BUSCH ÜBER YEHUDI MENUHIN, 1927
PROGRAMM
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo E-Dur
BWV 1042
ALLEGRO
ADAGIO
ALLEGRO ASSAI
Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61
ALLEGRO MA NON TROPPO
LARGHETTO
RONDO. ALLEGRO
PAUSE
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
ALLEGRO NON TROPPO
ADAGIO
ALLEGRO GIOCOSO, MA NON TROPPO VIVACE
AUSSTELLUNG 100 JAHRE
YEHUDI MENUHIN Freier Eintritt mit Ihrer Konzertkarte
in der Pause im Werner-Otto-Saal.
UNTERSTÜTZT VON
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IN ZUSAMMENARBEIT MIT DER
MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG DER
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Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und / oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem Urheberrechtsgesetz strafbar.
Yehudi Menuhin in Berlin
KURZ NOTIERT
Berlin war die Schicksalsstadt im Leben des Yehudi Menuhin:
Hier begann am 12.4.1929 mit dem berühmten „MayflowerKonzert“ die internationale Karriere des Ausnahmekünstlers, hierher kehrte er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zurück, um auch das deutsche Publikum mit der Gabe
seiner Musik zu erreichen, nicht nur hier setzte er sich für
den zwischenzeitlich politisch schwer belasteten Wilhelm
Furtwängler ein, und gerade hier sollte sich sein erfülltes
Leben vollenden – mitten in einer Tournee mit der Sinfonia
Varsovia musste der 82-Jährige akut erkrankt in ein Krankenhaus eingeliefert werden, wo er am 12.3.1999 verstarb.
Fünf Tage zuvor hatte er in Düsseldorf sein letztes Konzert
dirigiert. Daniel Hope, der Solist auf dieser Tournee, hatte
als Zugabe Maurice Ravels „Kaddish“ (die Bearbeitung des
alten jüdischen Totengebets) gespielt – nicht ahnend, dass
dies ein musikalischer Abschied für immer werden sollte.
Ein weiteres wichtiges Band, das Yehudi Menuhin mit Berlin verknüpfte, lag in der Person seines ersten wichtigen Lehrers begründet: Louis Persinger (1887-1966), in Illinois geboren, war
nach seinem Studium in Leipzig und Brüssel zunächst Konzertmeister der Berliner Philharmoniker gewesen, jedoch während
des Ersten Weltkrieges nach Amerika zurückgekehrt. 1915 wurde
er Konzertmeister des San Francisco Symphony Orchestra, 1930
übernahm er eine Professur an der New Yorker Juilliard School.
Zu seinen Schülern gehörten später auch Ruggiero Ricci und
Isaac Stern.
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
Als Dirigent dieses Konzerts mit dem Berliner Philharmonischen Orchester war zunächst Fritz Busch ausersehen gewesen, der zwei Jahre zuvor mit dem damals elfjährigen Wunderkind Beethovens Violinkonzert in New York aufgeführt
hatte. Eigentlich wollte der berühmte Pultstar, der selbst
sein New Yorker Debüt gab, damals den Jungen „sicherheitshalber“ auf ein Mozart-Konzert festlegen und war ob dessen
Wunsch, unbedingt Beethoven spielen zu wollen, etwas irritiert und pikiert gewesen, doch eine gemeinsame Klavierprobe ließ ihn schon nach wenigen Takten alle Bedenken
vergessen …! Wie Humphrey Burton in seiner Menuhin-Biographie berichtete, schrieb Fritz Busch noch von New York
aus an die Direktion der Berliner Philharmoniker und bat
sie, Menuhin für ein Konzert unter seiner Leitung noch in der
Saison 1928/29 zu engagieren, in dem er die Violinkonzerte
von Beethoven und Brahms sowie zuvor noch ein Bach-Konzert spielen solle. „Ein Phänomen, wie es nur alle hundert
Jahre vorkommt“, hatte Fritz Busch in seinem Brief nach Berlin den jungen Geiger beschrieben. (Mit der Dresdner Staatskapelle wurde dann auch ein
ähnliches Arrangement getroffen.)
Im Vorfeld der Konzerte in Berlin und Dresden musste natürlich eine offensive Werbung betrieben werden. Die Ankündigung
des Berliner Konzertes durch
die Konzertdirektion H. Wolff
als örtlicher Veranstalter zitierte eine Kritik des Pariser Konzerts vom 30.1.1927: „Was an
YEHUDI MENUHIN UND BRUNO WALTER, BERLIN, APRIL 1929
dem kleinen Menuhin wahrhaft
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
ergreift, das ist der hohe Wert seiner Interpretation, die ganz
tiefe Klarheit und Innerlichkeit. Keinen Augenblick spielt
dieses Kind für die Galerie. Keine Note ist für den Moment
zurechtgemacht. In dieser Reinheit des Kindes, dieser Einfachheit der Phrasierung, dieser Wärme, die frei von jeder
Vulgarität und Sucht zu glänzen von ihm ausströmt, erweckt
er uns das geheiligte Andenken des großen Joachim …“
Aufgrund eines plötzlichen Todesfalles in der Familie musste
Fritz Busch sein Dirigat in Berlin jedoch kurzfristig absagen.
Für ihn als „Einspringer“ fungierte kein Geringerer als Bruno Walter, damals Direktor der Städtischen Oper, der sich in
uneitler und geradezu rührender Weise um den jungen Kollegen kümmerte und das Zusammenspiel zwischen Solisten
und Orchester immer souverän „in der Hand“ hatte, so dass
der Abend auch von dieser Seite zu einem großen Erfolg wurde. („Ein Begleiter, wie ich noch keinen erlebte“, wird sich Yehudi Menuhin später in seinen Memoiren dankbar an ihn erinnern ...)
Nach dem Konzert überschlugen sich die hymnischen Presseberichte und berichteten gar von einem „Wunder“:
„Ein Wunder vollzog sich gestern abend in der
Philharmonie. Ein blondes, fülliges Bürschchen
in weißem Wams und mit entblößten Knien
stellt sich aufs Podium, streicht die Geige und
versetzt ein kunstverwöhntes, keineswegs beifallsbereites, eher mißtrauisch gestimmtes Publikum in Entzücken. …
Der Debutant spielte drei Konzerte: Bach, Beethoven, Brahms. Nur in den Einlagen [Kadenzen]
von Enesco, Kreisler und Joachim konnten sich
Virtuosen-Eitelkeiten tummeln. Das Ethos der
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
Aufgabe überwog, und hier eben (nicht durch
die Bravour, mit der Technisches bemeistert
wurde), erfüllt sich die Sensation. Dieser Knabe
musiziert aus dem Unbewussten, gestaltet aus
der Reinheit eines klangerfüllten Herzens …“
EDWIN NERUDA ÜBER YEHUDI MENUHINS BERLINER DEBÜT-KONZERT, „VOSSISCHE ZEITUNG“
VOM 13.4.1929
„YEHUDI MENUHIN, EIN ZWÖLFJÄHRIGES MUSIKGENIE“. KRITIK VON EDWIN
NERUDA IN DER „VOSSISCHEN ZEITUNG“, 13.4.1929
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
KURZ NOTIERT
Ein besonders begeisterter Konzertbesucher, der ebenfalls
ambitioniert die Geige streichende Physiker Albert Einstein,
verstieg sich sogar zu der Behauptung: „Ich habe erkannt,
dass die Zeit der Wunder noch nicht vorbei ist … Unser guter
alter Jehova ist immer noch am Werk.“ So überlieferte es Menuhins Vater Moshe später in seinen Memoiren. In Menuhins Autobiographie „Unvollendete Reise“ ist Einsteins Entzücken in dem bescheideneren Satz zusammengefasst: „Jetzt
weiß ich, dass es einen Gott im Himmel gibt.“
„Menuhin nannte dies später sein ‚Mayflower-Konzert‘ – in Anspielung auf das Schiff, mit dem im Jahre 1620 die ersten puritanischen Siedler nach Neuengland kamen, von denen später jeder
zweite Amerikaner abzustammen behauptete –, denn in den folgenden fünfzig Jahren begegnete er Zigtausenden deutscher
Konzertbesucher, die behaupteten, an jenem Tag in der Berliner
Philharmonie zugegen gewesen zu sein, obwohl der Saal kaum
mehr als 2000 Besucher fasste.“
Humphrey Burton, „Menuhin. Die Biographie“, 2000
Für Yehudi war das Reiseprogramm jedoch noch nicht abgearbeitet. Wenige Tage später, am 17.4.1929, spielte er die drei
großen „B“ in gleicher Folge noch einmal in Dresden, diesmal dirigierte der dortige Operndirektor Fritz Busch selbst.
Das begeistert applaudierende Publikum erzwang als Zugabe noch das vollständige Mendelssohn-Violinkonzert, das
mit einer Spieldauer von immerhin ca. 25 Minuten zu Buche
schlug ...!
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
ANKÜNDIGUNG DES KONZERTS IN DER DRESDNER SEMPEROPER
AM 17.4.1929 MIT YEHUDI MENUHIN UND FRITZ BUSCH
YEHUDI MENUHIN IN BERLIN
YEHUDI MENUHIN
Der Jahrhundert-Künstler
Limitierte Deluxe-Edition
80 CDs in neuem Remastering
11 DVDs Konzert & Interview
Buch von Bruno Monsaingeon
„Jetzt weiß ich,
dass es einen Gott gibt!”
Albert Einstein, 1929
yehudimenuhin.de
N
Johann Sebastian Bach: Konzert für Violine, Streicher
und Basso continuo E-Dur BWV 1042
ENTSTEHUNG wahrscheinlich um 1720 · URAUFFÜHRUNG kann nicht mehr ermittelt werden
BESETZUNG Solo-Violine, Streicher, Basso continuo · DAUER ca. 18 Minuten
Für wen Johann Sebastian Bach 200 Jahre zuvor seine Violinkonzerte komponiert hatte, lässt sich heute leider nicht mehr
feststellen. Die Quellenüberlieferung der Konzerte setzt erst
mit Bachs Leipziger Jahren ein, für das Violinkonzert E-Dur
sogar erst nach seinem Tod. Sollten sie während Bachs Köthener Kapellmeisterjahre 1717-23 komponiert worden sein,
dann käme vor allem Joseph Spieß, der Konzertmeister der
dortigen Hofkapelle, als Uraufführungs-Solist in Frage. Da
aber Bachs Violinspiel selbstverständlich professionellen Ansprüchen genügte (wiewohl er vor allem auf Tasteninstrumenten brillierte), könnten diese Konzerte durchaus auch
für den Eigenbedarf entstanden sein.
Mit der Übernahme der Leitung eines studentischen Collegium Musicum war aber für Bach ab 1729 in Leipzig ein neuer Anlass, mit Orchesterwerken an die musikalische Öffentlichkeit zu treten. So liegen die drei Konzerte für eine oder
zwei Violinen sowohl in der Originalgestalt als auch in Bearbeitungen für ein bzw. zwei Cembali und Streichorchester
vor, die Bach für den Gebrauch seines Collegium Musicum
vorgenommen hatte.
Der umfangreiche Kopfsatz (Allegro) des Konzerts E-Dur
verbindet die Prinzipien von Konzertsatz und Da-Capo-Arie.
Sind die Rahmenteile vor allem auf das von Solisten und Orchester gemeinsam vorgetragene Ritornell in der Grundtonart fixiert, tritt das Tutti im Mittelteil vollends zurück und
überlässt dem Solisten das Feld zur Präsentation seiner
JOHANN SEBASTIAN BACH
Künste, die in entlegene Tonarten führt und nur durch eine
kleine Kadenz zurück zur Ausgangstonart gelenkt werden
kann. Der 2. Satz (Adagio) ist durch ein Ostinato der Bassinstrumente geprägt, über dem sich die Kantilene des Solisten erhebt. Das Finale ist als brillantes Rondo gestaltet und
ermöglicht dem Solisten, von Abschnitt zu Abschnitt sich
steigernd seine Virtuosität zu zeigen.
CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Orchestre symphonique de
Paris unter Leitung von George Enescu / Aufnahme 1933 (Label:
EMI); Yehudi Menuhin, Leitung und Violine / Bath Festival
Orchestra / Aufnahme 1958 (Label: EMI); David Oistrach, Leitung und Violine / Wiener Symphoniker / Aufnahme 1961 (Label:
Deutsche Grammophon); Sigiswald Kuijken, Leitung und Violine
/ La Petite Bande / Aufnahme 1981 (Label: Deutsche Harmonia
mundi); Viktoria Mullova, Violine / Accademia Bizantina unter
Leitung von Ottavio Dantone / Aufnahme 2012 (Label: Onyx)
Ludwig van Beethoven: Konzert für Violine und
Orchester D-Dur op. 61
ENTSTEHUNG 1806 · URAUFFÜHRUNG 23.12.1806 Wien · BESETZUNG Solo-Violine, Flöte, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher · DAUER ca. 45 Minuten
Im Jahre 1803 folgte Beethoven einem Angebot Emmanuel
Schikaneders, an das von ihm geführte Theater an der Wien
als Theaterkomponist zu kommen. So musste Beethoven
auch zwangsläufig mit Franz Clement (1780-1842), dem jungen Konzertmeister des dortigen Theaterorchesters, zusammentreffen, und Clement erbat sich von dem nun schon berühmten Meister ein Violinkonzert, das der von ihm am
23.12.1806 im Theater veranstalteten „Akademie“ einen besonderen Glanz verleihen sollte. Wir wissen heute nicht
mehr genau, wann Clements Auftrag an Beethoven erging
LUDWIG VAN BEETHOVEN
KURZ NOTIERT
und wann sich dieser zur Ausführung der Arbeit bequemte –
es ist allerdings überliefert, dass das neue Konzert erst wenige Tage vor dem geplanten Uraufführungstermin fertig wurde, so dass an eine Arbeitsprobe mit dem Orchester gar nicht
mehr zu denken war! Der versierte Geiger soll das Werk aber
– trotz seiner zahlreichen und geigerisch durchaus ungewohnten Schwierigkeiten – tadellos wiedergegeben haben!
Ungeachtet der fehlenden Probenmöglichkeit wurde die Novität
vom Publikum durchaus beifällig aufgenommen, so dass der Rezensent der Wiener Theaterzeitung über die Aufführung am
23.12.1806 schreiben konnte: „Der vortreffliche Violinspieler
Clement spielte unter anderen vorzüglichen Stücken auch ein
Violinkonzert von Beethoven, das seiner Originalität und mannigfaltigen schönen Stellen wegen mit ausnehmendem Beifall
aufgenommen wurde … Das Urteil von Kennern … gesteht demselben manche Schönheit zu, bekennt aber, daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und die unendlichen Wiederholungen einiger gemeinen Stellen leicht ermüden könnten.“
Der Uraufführungserfolg, den man nach der Durchsicht der
zeitgenössischen Presse wohl konstatieren muss, ebnete Beethovens Violinkonzert vorerst jedoch keinen Weg ins Repertoire – zu anspruchsvoll und auch „undankbar“ (weil nicht
vordergründig virtuos) war der Solopart gestaltet! Eigentlich
erst Joseph Joachim, der das Werk bereits als Dreizehnjähriger spielte, verhalf Beethovens Violinkonzert zum Durchbruch und sicherte ihm einen Platz im Standardrepertoire.
CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Wiener Philharmoniker
unter Leitung von Constantin Silvestri / Aufnahme 1960 / Label:
EMI; Shlomo Mintz, Violine / Philharmonia Orchestra unter Leitung von Giuseppe Sinopoli / Aufnahme 1986 (Label: Deutsche
Grammophon); Viktoria Mullova, Violine / Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter Leitung von John Eliot Gardiner /
Aufnahme 2002 (Label: Philips)
© Urban Uebelhart
IM PORTRÄT
Yehudi Menuhin
Daniel Hope
100. GEBURTSTAG YEHUDI MENUHIN
Gedenkkonzerte und Hommagen an Yehudi Menuhin von Daniel Hope, András Schiff
und Paul Mc Creesh. Eine Rekonstruktion des Debutkonzertes von Yehudi Menuhin am
12. April 1929 in Berlin, in dem er die drei wichtigsten Violinkonzerte der Musikgeschichte
(Bach, Beethoven, Brahms) unter der Leitung von Bruno Walter zur Aufführung brachte.
Ein finales Geburtstagskonzert mit Didier Lockwood, Roby Lakatos, Gilles Apap u.v.m.
Das Gstaad Menuhin Festival feiert diesen Sommer und wünscht:
Happy Happy Birthday Yehudi!
www.gstaadmenuhinfestival.ch
16-16-Geburtstag-Yehudi-Menuhin-148x210mm-D-SW.indd 1
12.04.16 13:30
© Urban Uebelhart
Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester
D-Dur op. 77
ENTSTEHUNG 1878 · URAUFFÜHRUNG 1.1.1879 Leipzig, Gewandhaus (Solist: Joseph Joachim –
Dirigent: Johannes Brahms) · BESETZUNG Solo-Violine, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2
Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, Pauken, Streicher · DAUER ca. 40 Minuten
iff
Joseph Joachim, der Beethovens Violinkonzert zum Durchbruch verholfen hatte, war auch der Adressat für das Violinkonzert von Johannes Brahms. Auch hier waren die Umstände
der Uraufführung durch äußersten Zeitdruck geprägt – der
allerdings durch den Solisten selbst verschuldet war, denn
Joachim wollte die Novität unbedingt am Neujahrstag 1879
im Leipziger Gewandhaus zur Aufführung bringen und
drängte den Freund auf rechtzeitige Fertigstellung. Die Strafe folgte jedoch auf dem Fuße: Der Solist war noch nicht
hundertprozentig mit den Tücken des Soloparts und den
Schwierigkeiten des Zusammenspiels mit dem vom Komponisten selbst geleiteten Orchester vertraut (was den Kennern
unter den Liebhabern nicht entging …), und das Werk erzielte zunächst nur einen Achtungserfolg.
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AUFGEHORCHT
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Für die Ausarbeitung des Soloparts hatte Brahms, der sich in
Streichdingen nicht ganz sattelfest fühlte, die Violinstimme an
Joachim geschickt, damit dieser sie auf ihre spieltechnische
Ausführbarkeit durchsehen möge – wozu extra zwischen den
Zeilen ein Notensystem für die Eintragungen des Freundes freigehalten wurde. Viele Hinweise und Bitten, den Solopart günstiger spielbar zu machen („Ändern! Leichter!“ etc.), ignorierte der
eigensinnige Komponist jedoch geflissentlich …
Brahms‘ Violinkonzert hatte es schwer, sich in der Gunst der
Geiger durchzusetzen, denn es entsprach kaum den Vorstellungen der Virtuosen nach einem Podium wirkungsvoller
13:30
JOHANNES BRAHMS
Selbstdarstellung. Eher ist es ein „sinfonisches Konzert“ wie
das von Beethoven, nur eben ganz anders. Berühmt wurde
Pablo de Sarasates Weigerung, das Konzert in sein Repertoire aufzunehmen, da er nicht bereit sei, „mit der Geige in
der Hand zuzuhören, wie die Oboe dem Publikum die einzige Melodie des ganzen Stückes [gemeint war der Beginn des
zweiten Satzes] vorspielt.“
Inzwischen haben sich aber die diesbezüglichen Wogen geglättet: Nachdem Joseph Joachim das Konzert richtig eingeübt hatte, ging er damit auf eine sehr erfolgreiche EnglandTournee und wies somit nach, dass das Konzert durchaus
spielbar und nicht „gegen die Geige komponiert“ (so zunächst Hans von Bülow) sei. Noch im Herbst 1879 erschien
die Erstausgabe mit dem nun verbindlichen Notentext. Nun
gehört das Konzert – wie die Meisterwerke von Bach und
Mozart, Beethoven und Mendelssohn – in das Repertoire jedes Geigers, und die Zahl der Aufführungen und Aufnahmen
ist inzwischen Legion …
CD-TIPPS Yehudi Menuhin, Violine / Berliner Philharmoniker
unter der Leitung von Rudolf Kempe / Aufnahme 1957 (Label:
EMI); Gidon Kremer, Violine / Wiener Philharmoniker unter Leitung von Leonard Bernstein / Aufnahme 1982 (Label: Deutsche
Grammophon); Thomas Zehetmair, Violine / Cleveland Orchestra / Christoph von Dohnányi, Dirigent / Aufnahme 1989 (Label:
Teldec)
IM PORTRÄT
die
kunst
zu
hören
92,4
Im Porträt
KONZERTHAUSORCHESTER BERLIN
1952 als Berliner Sinfonie-Orchester (BSO) gegründet, erfuhr
es unter Chefdirigent Kurt Sanderling (1960-1977) seine entscheidende Profilierung und internationale Anerkennung.
1977 wurde Günter Herbig zum Chefdirigenten berufen, 1984
gefolgt von Claus Peter Flor. In diesem Jahr bekam das Orchester als eigene Spielstätte das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Unter Michael Schønwandt (1992–1998) wurde das BSO offiziell zum Hausorchester des Konzerthauses
Berlin. Nach vier Spielzeiten unter Eliahu Inbal (2001-2005)
begann 2006 die Amtszeit von Lothar Zagrosek. Im selben
Jahr wurde aus dem Berliner Sinfonie-Orchester das Konzerthausorchester Berlin. Seit der Saison 2012/13 ist Iván Fischer Chefdirigent des Konzerthausorchesters. Ihm zur Seite
steht Dmitrij Kitajenko als Erster Gastdirigent.
Das Konzerthausorchester Berlin gehört mit seinen über
12.000 Abonnenten zu den Klangkörpern mit der größten
Stammhörerschaft in Europa. Es ist nicht nur in über 100
Konzerten pro Saison im Konzerthaus Berlin zu erleben,
sondern war auf Konzertreisen in die USA, nach Japan,
Großbritannien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Holland, Belgien, Italien, Türkei, China und Spanien eingeladen.
Regelmäßig gastiert es bei nationalen und internationalen
Musikfestivals. Ein besonderes Anliegen ist die Nachwuchsförderung. So wurde 2010 die Orchesterakademie am Konzerthaus Berlin gegründet, in der junge Musiker über den
Zeitraum von mindestens einem Jahr eine praxisorientierte
IM PORTRÄT
Förderung durch die Orchestermusiker erhalten. Mit neuen
Konzertformaten sowie außergewöhnlichen und spannenden Projekten begeistert Chefdirigent Iván Fischer das Publikum. Zu Überraschungskonzerten, einer neuen Orchesteraufstellung, spontanen Wunschkonzerten, öffentlichen
Proben und szenischen Konzerten kam in der Saison 2014/15
die Konzertreihe „Mittendrin“ hinzu. Dabei rücken die Orchestermusiker ein wenig auseinander, sodass zwischen ihnen Platz für das Publikum entsteht, das auf diese Weise der
Musik so nah wie nie ist.
JAMES JUDD
James Judd ist Chefdirigent des
New Zealand Symphony Orchestra
und Erster Gastdirigent des Adelaide Symphony Orchestra. Seit seiner
Ernennung zum Chef des NZSO hat
er das Orchester zu internationalem Ansehen geführt, unter anderem durch Auftritte beim Asia
International Performing Arts Festival in Osaka 2003, beim Kulturprogramm zu den Olympischen
Spielen in Sydney 2000 und durch
das im Fernsehen übertragene
„Millennium Concert“ mit Kiri Te
Kanawa. Judds CD-Einspielungen
mit dem NZSO haben weltweite
Beachtung gefunden, so eine Aufnahme mit Kompositionen
von Leonard Bernstein (Editor’s Choice in der Zeitschrift
Gramophone, Februar 2004) und eine Aufnahme der Sinfonien von Douglas Lilburn, die Platz 4 der Klassik CD-Charts
des BBC Music Magazine erreichte.
IM PORTRÄT
Als Absolvent des Londoner Trinity College of Music trat
James Judd zum ersten Mal als Assistenzdirigent des Cleveland Orchestra international in Erscheinung. Später wurde
er von Claudio Abbado zum stellvertretenden Chefdirigenten
des European Community Youth Orchestra ernannt. Er dirigierte die Berliner Philharmoniker, das Israel Philharmonic
Orchestra und war zu Gast bei den Wiener Symphonikern,
Gewandhausorchester Leipzig, Prager Symphoniker, Orchestre National de France, Orchestre de la Suisse Romande, Tonhalle Orchester Zürich, Mozarteum Orchester und vielen
weiteren namhaften Orchestern.
14 Jahre lang war James Judd Chefdirigent des Florida Philharmonic Orchestra; in dieser Zeit entstand unter anderem
eine vielbeachtete Aufnahme der 1. Sinfonie von Gustav
Mahler, die mit verschiedenen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. In Großbritannien ist James Judd ständiger Gast von Orchestern wie dem London Symphony, dem
Royal Philharmonic und dem Hallé Orchestra. Außerdem
tritt er regelmäßig mit dem English Chamber Orchestra auf
und ist Mitbegründer des Chamber Orchestra of Europe. An
der English National Opera leitete er Produktionen wie „Il
Trovatore“, „La Traviata“, „Rigoletto“ und „Le Nozze di Figaro“ sowie Rossinis „La Cenerentola“ beim Opernfestival von
Glyndebourne. In Nordamerika ist er häufig zu Gast bei verschiedenen großen Orchestern in Cincinnati, Pittsburgh, Indianapolis, Utah, Vancouver bis Ottawa.
Im Herbst 2017 wird James Judd neuer Musikdirektor und
Chefdirigent der Slowakischen Philharmonie. Der gebürtige
Brite lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in den USA.
IM PORTRÄT
YESONG SOPHIE LEE
Die zwölfjährige Yesong Sophie Lee
(USA) ist Gewinnerin des diesjährigen Menuhin Violin Competition
Junior. Sie besucht die Cedarwood
Elementary School in Seattle. Im
Alter von vier Jahren erhielt sie
ihren ersten Violinunterricht bei
Jan Coleman und studiert derzeit
bei Simon James und dem Pianisten Hiro David im Coleman Violin
Studio. Sophie hat bereits zahlreiche Wettbewerbe gewonnen, darunter den MTNA National Junior
Strings Performance Competition
2015 und den Seattle Young Artists
Music Festival Concerto Competition 2015. Bereits 2014 war Sophie mit zehn Jahren jüngste
Finalistin im Menuhin International Violin Competition. Vor
kurzem war sie als Siegerin des Rising Star Competition Solistin beim Cascade Symphony Orchestra.
Sophie gab ihr Solo-Debüt im Alter von acht Jahren beim
Seattle Symphony Orchestra. Als begeisterte Orchester- und
Kammermusikerin war sie Konzertmeisterin des Seattle Youth
Symphony Orchestra, spielte beim Symphonette Orchestra
und nahm für zwei Jahre am Mini-Mania String Quartet
Camp teil. Zu ihren weiteren Interessen zählen Lesen, Zeichnen, Fahrradfahren und Spielen mit ihrem Bruder Ben.
IM PORTRÄT
DANIEL LOZAKOVITJ
2001 in Stockholm geboren, begann Daniel mit sechs Jahren, Violine zu spielen. Sein Konzertdebüt
gab er 2010 mit dem Moskauer Virtuosi Kammerorchester unter der
Leitung von Vladimir Spivakov. Als
Solist spielte er in ganz Europa mit
namhaften Orchestern wie dem
Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, dem Tschaikowsky Symphony Orchestra, der Moskauer
Philharmonie, Stockholm Royal
Court, Brüssler Kammerorchester
und der Stockholm Sinfonietta. Mit
Daniel Hope gemeinsam führte er
die Bartók-Duette als Teil des
ARTE Konzert TV-Programms auf. Sechs dieser Duette
zeichneten beide im Herbst 2015 für die Deutsche Grammophon auf. Im April 2015 begleitete Daniel Lozakovitj eine
Kreuzfahrt mit Musikern des Verbier Festivals, zu dem er
auch im Juli 2015 für ein Kammermusikkonzert mit Martin
Fröst und Julien Quentin zurückkehrte. Ebenso ist er Gast
bei Festivals wie dem Progetto Martha Argerich in Lugano,
dem Carinthischen Sommer Festival in Österreich, dem Musica Mundi in Belgien oder auch Moscow meets Friends, Copenhagen Summer Festival, dem Yuri Bashmet International
Festival in Minsk und dem Sommets musicaux de Gstaad.
Aktuelle Höhepunkte sind Aufführungen im Wiener Konzerthaus mit dem Wiener KammerOrchester unter der Leitung von Stefan Vladar sowie Debüts mit dem Wermland
Opera Orchestra, dem Orchestre National de Lyon mit Leonard Slatkin und dem Mariinsky Theatre Orchestra unter
IM PORTRÄT
Valery Gergiev sowie Konzerte mit Shlomo Mintz und der
Cameristi della Scala. Mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra spielte er das Geburtstagskonzert für die
schwedische Kronprinzessin, welches auch im Fernsehen
übertragen wurde. Ebenso gab es TV-Übertragungen seiner
Konzerte in Österreich, Schweden, Israel, Russland, Dänemark, Lettland und Moldawien.
In der aktuellen und kommenden Saison stehen für Daniel
Lozakovitj Konzerte mit dem Orchestre de la Suisse Romande, dem Royal Liverpool Philharmonic, Norrköping Symphony, dem National Philharmonic of Russia, den Münchner
Philharmonikern und dem Swedish Radio Symphony Orchestra auf dem Programm. Er folgt außerdem einer Einladung von Zubin Mehta zum Israel Philharmonic Orchestra.
STEPHEN WAARTS
Der dänisch-amerikanische Geiger
Stephen Waarts, geboren 1996, hat
sich in den vergangenen Jahren als
besondere Begabung unter den
jungen Geigern einen Namen gemacht. Er studiert am Curtis Institute in Philadelphia bei Aaron Rosand und wurde gerade mit dem
Frank S. Baley Annual Fellowship
ausgezeichnet. Zuvor hat er mit
Itzhak Perlman am San Francisco
Conservatory gearbeitet. Er kann
auf zahlreiche Wettbewerbserfolge
und Konzertverpflichtungen in
Nordamerika und Europa zurückblicken. Mit dem 5. Platz und dem
Publikumspreis dank der meisten
IM PORTRÄT
Stimmen aller Fernsehzuschauer beim Queen Elisabeth
Wettbewerb in Brüssel 2015 hat er international auf sich aufmerksam gemacht. Bereits zuvor wurde er mit Ersten Preisen beim Menuhin Wettbewerb 2014 und beim internationalen Wettbewerb Montreal 2013 ausgezeichnet. Zusätzlich
gewann er 2013 die Young Concert Artists Auditions in New
York mit erst 17 Jahren. Im Rahmen des Internationalen
Kammermusikfestivals „Krzyzowa Music“ im Sommer 2015
in Polen wählte die Mozart Gesellschaft Dortmund Stephen
Waarts als neuen Stipendiaten im Fach Violine aus. Stephen
Waarts hat bereits über 30 Standardwerke einstudiert und
darüber hinaus auch zahlreiche selten aufgeführte Werke
zur Aufführung gebracht. Solistische Auftritte hatte er mit
dem Sinfonieorchester Montréal, der Philharmonie Brüssel,
dem San Francisco Chamber Orchestra und dem Orquesta
Sinfónica de Navarra. In der Saison 2015/16 gab er bereits Recitals in New York (Merkin Concert Hall), Washington DC
(Kennedy Center) und Paris (Louvre). Außerdem stehen Konzerte mit dem Edmonton Symphony Orchestra, Recitals im
Gardner Museum in Boston, in New York (Morgan Library
und Museum) sowie die erneute Teilnahme am polnischen
Festival „Krzyzowa Music“ an. Im Herbst 2016 wird er am
Kronberg Academy Festival teilnehmen.
DIE BLUMEN WURDEN ÜBERREICHT VON ZUKUNFT KONZERTHAUS E. V.
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Konzerthaus Berlin, Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann · TEXT Dr. Dietmar Hiller · REDAKTION
Tanja-Maria Martens · KONZEPTION / GESTALTUNG Meta Design AG · ABBILDUNGEN Foyle Menuhin Archiv / Royal
Academy of Music, London (2), Bundesarchiv (1), Harald Hoffmann (J. Judd), Menuhin Competition Trust (Y. S. Lee),
A. Wang (D. Lozakovitj), HarrisonParrott (St. Waarts), Archiv Konzerthaus Berlin · SATZ UND REINZEICHNUNG
www.graphiccenter.de · HERSTELLUNG Reiher Grafikdesign & Druck · Gedruckt auf Recyclingpapier · PREIS 2,50 ¤