1 FRAUENPOWER: EXPLOSION, REFLEXION, MEDITATION Von Fritz Billeter Helen Dahm (1878 - 1968), die Urmutter von <Frauenpower>, die in München den Anschluss an die damalige moderne Kunst fand, die, wieder in der Schweiz, in ihrer letzten Schaffensphase einen wilden. doch kontrollierten Tachismus auf die Leinwand warf; Sophie Taeuber, die beim Zürcher Dada von 1916 entscheidend mitmischte, die gleichzeitig als begnadete Lehrerin an der Kunstgewerbeschule wirkte; Elsie Giauque, ihre wohl begabteste Schülerin, die mit ihren Wandbehängen und textilen Skulpturen eine ganze Avantgarde der Weberinnen einleitete und so das Weben und Sticken (Lissy Funk) vom Ruch der Hausfrauenbeschäftigung befreite; Heidi Bucher, die mit ihren <Mumifizierungen> (wie sie es nannte) ganze Innenräume mit einer Perlmutter Lastexschicht überzog und sie dann ablöste, um sie derart als überwundenes Leben wie eine alte Haut abzulegen, um dieses zu bewältigen und um sich selbst erneuern zu können; Cristina Fessler, die in die Tiefe drang, schwarzes Magma hervorholte und als Explosion auf den Bildträger schleuderte; Manon, die in inszenierten Fotografien und in Performances Glamour beschwor, Gender Probleme sichtbar machte, darüber hinaus gelangte und heute mit ihrem Schaffen um Leid, Vergänglichkeit, Sterben kreist: das alles und noch viel mehr ist Frauenpower, eine Ausstellung in den Hallen des restlichen Zipfels des abgerissenen Güterbahnhofs, eine Ausstellung von über 140 Künstlerinnen, die drei Generationen umfasst. Das alles und viel mehr. Da wäre der kräftige Strang der Konstruktiv Konkreten hervorzuheben, beginnend bei den Vätern, beziehungsweise Grossvätern Bill, Graeser, Lohse, der fortgesetzt wurde von der weniger strengen, dafür poetischen und spielerischen Verena Loewensberg und der bis in die Gegenwart reicht, vertreten etwa von Nelly Rudin, Elena Lux - Marx, Hey Heussler, Elsie Wyss. Das alles und viel mehr. Zum Beispiel die Plastikerinnen und Bildhauerinnen. Da weht etwas von <Werkstattluft> in der Ausstellung: Nelly Bär, Charlotte Germann - Jahn, Alis Guggenbühl, Hildi Hess, Marianne Olsen, Régine Heim. Und inmitten die weltberühmte Südfranzösin Germaine Richier, die während ihren Zürcher Jahren (1939 - 1945) als streng - gütige Lehrerin vielen der eben Genannten die Augen öffnete, ihrem Gestaltungswillen den letzten Schliff verpasste. Dieser Impetus der Plastikerinnen und Bildhauerinnen hat sich weiter und bis in die Gegenwart fortgesetzt. Zu nennen wäre Isabelle Waldberg, Annemie Fontana, Liliane Csuka, Karin Zuzakowa. Das Tastbare, Körperliche, Leibliche kommt bei den Plastikerinnen und Bildhauerinnen direkt zum Ausdruck. Auffällig ist, dass sich auch viele Künstlerinnen anderer, zweidimensionaler Sparten mit dem Ich als Körper befassen, dieses verwandeln, ins Märchenhafte und Prachtvolle heben, kritisch 2 befragen oder als etwas Fremdes widerspiegeln. Da wären beispielsweise Heidi Bucher, Ella Lanz, Manon. Pipilotti Rist, Annelis Strba, Chantal Witschi, von den Jungen und Jüngeren Kathrin Freisager, Ursina Gabriela Roesch, Ibolya Zombori zu nennen. Der eigene Körper - überhaupt dass der Mensch nicht nur aus Verstand und Geist, sondern auch aus Leib, Nerv, Fleisch und Blut ist: das gegenwärtig und sichtbar machen im <Zeitalter von Einstein> verdanken wir wohl im besondern Frauenpower.
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