Patricks Isle of Skye Trekking

TAG 1: UIG → DUNTULM CASTLE, 16 KM, 615 HM
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W 6° 22.589'
N 57° 35.227'
7°C
In 2016 beschloss ich mit den Trips in die deutschen Mittel- und Hochgebirge zwei Wochen kürzer zu treten und
auch Schottland zu meinem Ziel für ein achttägiges Trekkingabenteuer zu machen. Zur Auswahl standen für mich
Colonsay und die Isle of Skye, welche letztlich das Rennen als klarer Sieger verließ. Auf den folgenden Seiten
begleitest Du mich auf meiner 128 km langen Tour mit einem Gesamthöhenunterschied von 5.675 m über die
wundervolle Wolkeninsel.
Das Abenteuer begann
Kaum angekommen, rannte mir bereits die Zeit davon. Denn in gewohnter gedanklicher Leichtfüßigkeit,
die ich auch für Schottland nicht ablegte, nahm ich mir für diesen ersten Tag auch gleich ein ganzes
Stück Weg vor. Immerhin rund 16–18 km galt es zu meistern. Nun klingt das nicht gerade viel.
Zugegeben: noch weniger hört es sich nach Anstrengung an, bedenkt man die lausigen 615 Höhenmeter.
Ha, ein Klacks! Man muss dazu aber wissen, dass mein inzwischen mit reichlich Tütenfeinkost und
Trinkwasser gefüllter 29 kg leichter Rucksack und ich Uig erst gegen 13.30 h mit dem Fernbus erreichten
und uns zunächst einmal orientieren und auch eine Kleinigkeit zu uns nehmen wollten.
Gedacht, getan, orientiert. Schottland, die Isle of Skye: Geburtsstätte meines Jugendhelden Connor
MacLeod, dem berühmten Highlander. Obschon sich in meinen Gedanken in der Tat alles um die
Fernsehversion des letzten kühnen Kämpfers aus dem Clan der MacLeods drehte, war es schon ein
wenig cool, auf seinen erdachten Pfaden zu wandern. Erdacht? Nun, der Familiensitz der echten Clan
Chiefs der MacLeods ist Dunvegan Castle, südwestlich meines Startpunktes am gleichnamigen Loch
gelegen. Die Filmcharaktere Connor und Duncan MacLeod des 16 Millionen US Dollar teuren
Meisterwerks allerdings stammen aus Glenfinnan, südöstlich der Insel Skye. Auf dem Weg nach Uig aber
fuhr ich immerhin am Eilean Donan Castle vorbei, das nicht nur für den Stammsitz des Highlanders
sondern auch dem Team von James Bond – Die Welt ist nicht genug – als Filmkulisse diente.
Wieder in der realen Welt angekommen, bot sich mir den gesamten Nachmittag ein einzigartiges
Panorama über die schroffen Klippen der Westküste und eine der letzten Festungen Europas vor dem
stürmischen Atlantik auf die Schottische See. Auf der anderen Seite reichte der Blick weit ins bergige
Inselland. Etwas später am Tage meinte ich gar kurz einen Delphin, eine Robbe oder vielleicht auch
einen Otter beim gemächlichen Abendspaziergang zu beobachten. Das allerdings konnte durchaus der
Euphorie geschuldet sein. Vielleicht handelte es sich um eine Boje oder potenzielles Strandgut. In den
Wassern der äußeren Hebriden lassen sich gar Grindwale und mit viel Glück auch die zweitgrößten
Fische der Erde beobachten: Riesenhaie.
Mein Weg führte mich anfangs lange Kilometer über den Asphalt, eine Serpentinen- und später auch
eine Bundesstraße. In ein paar Tagen schon sollte ich diese befestigten Wege zugegebenermaßen ein
wenig missen. Noch auf der Bundesstraße unterwegs, fragte ich mich, ob die unwirklichen Berge zu
meiner Rechten später auch zur Route gehören sollten. Bereits hier war klar: die Hebriden bieten ein
einzigartiges Terrain, wie es in Europa nirgendwo anders zu finden ist. Bedingt durch die schier
grenzenlose Landschaft schienen die Straßen endlos zu sein. Bis ich aufmerkte, da mein GPS mit einem
Mal keine Route mehr anzeigte – natürlich, ich war zu weit gelaufen. Schließlich drehte ich um und fand
einen kaum sichtbaren Pfad inmitten der von Regen mäßig bis stark unterspülten Graslandschaft, dem
ich Richtung Norden folgte. Mit bis zu 3 m Regen pro Jahr bilden die Inselgruppen die absolute
Niederschlagsspitze Europas.
Nach einem oder zwei Kilometern durch die moorartigen Grasgefilde stellte sich ein kleiner Fehler
meinerseits bei der Routenplanung heraus: da war ein Zaun. Mit Stacheldraht gesichert. Letztendlich
aber gab es keinen anderen Weg als diesen, über die hinter dem Zaun liegende Weidefläche auf der sich
in kaum sichtbarer Entfernung eine kleine Herde Rinder tummelte. Ein wenig sorglos schlenderte ich
über die matschige Wiese und wie hätte es anders sein können? Natürlich: ohne Vorwarnung
verschwand mein rechtes Bein in einem über kniehoch tiefen Loch im trüb flüssigen Grasboden. Mit
meinem neuen Schick und einem, vom Abstützen mit der rechten Hand und der sich darin befindlichen
Kamera auf dem schwimmenden Boden, für anderthalb Tage außer Funkton gesetzten Autofokus führte
ich meinen Weg fort und landete schließlich, nach ein paar weiteren Zäunen und Gattern, zunächst auf
einem Feldweg und schließlich auf der Küstenstraße, die mich bis zum Strand leitete. Dazu muss ich
erwähnen, dass vielleicht nicht jeder meine Vorstellungen von Strand gleichermaßen teilt. Es war eine
eher wilde, für die meisten wohl wenig freundliche und schwarzgefärbte Felslandschaft, die sich mir
bot.
Freilich entschleunigte sich auch mein Abend nach einem prüfenden Blick auf die weitere
Routenführung und die anfängliche Hast verschwand. Zurecht, denn Duntulm Castle, mein
auserkorener Schlafplatz für diesen Tag, war bereits in Sichtweite. Drum herum allerdings mit einigen
Häusern bestückt, die auf meiner Karte nicht eingezeichnet waren. So entschied ich, noch vor Einbruch
der Dämmerung, sehr glücklich und von den Eindrücken des Tages geschwängert das Zelt bereits zwei
Kilometer vor der kleinen Burgruine aufzustellen. Am nächsten Morgen sollte sich meine Entscheidung
als richtig erweisen – es gab rund um die Ruine keinen schönen Platz zum Schlafen. Nur ein paar
Häuser, ein Hotel und die Bundesstraße. Den schweren Rucksack das erste Mal seit meiner Ankunft
abgesetzt, stellte sich ein sehr ungewohntes und schwebendes Gefühl ein – fast so als ginge ich auf
Wolken.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, ich war gerade mit dem Wasserfiltern beschäftigt, durfte ich noch
Zeuge eines kleinen Kampfes zwischen drei Seeadlern und meiner ungeschulten Meinung nach zwei
Bussarden werden – es konnten aber vom Flugbild her auch zwei weitere, jüngere Adler sein. Im Flug
erwischte es eine der adlerschen Streitparteien, die sofort an einem Hang zu Boden ging und fortan,
während sie offensichtlich verletzt hinauf hüpfte, von den vermeintlichen Bussarden aus dem Flug
heraus attackiert wurde, bis die Greifvögel am Horizont der Erhebung verschwanden. Die auf den
Hebriden ansässigen Adler wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Jägern ausgerottet. Im Jahr 1918
wurde das letzte Tier erschossen. Seit den 1970ern aber werden sie sehr erfolgreich wieder angesiedelt
und die Population zählt heute bereits über 50 Paare. So wird heute allein auf der Isle of Mull ein
jährlicher Erlös von mindestens 5 Millionen Pfund nur mit den dem Adler zuzuschreibenden Einnahmen
aus dem Tourismus erzielt.