Ausgabe: I – 2016 April 2016 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, Infodienst SUCHT Schwerpunktthema: Kultursensible Arbeit in der Suchthilfe passend zur aktuellen Entwicklung im Land im Hinblick auf die Migrantenströme, den täglichen Berichten in der Presse und im Fernsehen und den Aussagen „Wir schaffen das“ widmen wir uns mit dieser Frühjahrsausgabe des InfoDienstes Sucht dem Thema „kultursensible Arbeit in der Suchthilfe“. Wie in der Ausgabe „sozial“ Nr. 1.2016 von Der Paritätische Schleswig-Holstein eingeführt, gibt es zwischen der Flüchtlingshilfe und der Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein eine verhältnismäßig gute Zusammenarbeit. Vieles konnte angeschoben und erreicht werden. Trotzdem weist auch Frau Michalski darauf hin, dass die „… Ungewissheit und die Perspektivlosigkeit […] für die Betroffenen schwer auszuhalten“ sind. Unabhängig vom Fokus auf die Gesamtproblematik muss die Integration intensiviert werden, um menschenrechtskonform zu handeln. In dieser Ausgabe können Sie in einem Artikel von Björn Malchow zu den demographischen Zahlen und ihren Entwicklungen nachlesen, wie sich die Bevölkerungszahlen mit besonderem Fokus auf die Zahlen in der Suchtkrankenhilfe verschieben bzw. verschieben werden. In dem aktuellen Arbeits- und Erfahrungsbericht über die Arbeit in Erstaufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge zum Thema, „Kindeswohlgefährdung“ von Hinnerk Frahm wird deutlich, an welche Grenzen Helferinnen und Helfer bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit stoßen. Ein weiterer Hinweis von Lisa Wilke zeigt ein praktisches Beispiel aus der Suchtselbsthilfe auf. Abschließend stellt Prof. Regina Kostrzewa im dem Artikel „Jung, ausländisch, traumatisiert – suchtgefährdet?“ transkulturelle Lösungsansätze in der Suchtarbeit als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe dar. Wir bedanken uns recht herzlich bei allen Autorinnen und Autoren, die uns bei dieser Ausgabe umfassend unterstützt haben. Ich wünsche Ihnen einen sonnigen Frühling und verbleibe mit herzlichen Grüßen, Monika Fries Seite 2 Ausgabe: I – 2016 April 2016 Inhaltsverzeichnis „kultursensible Arbeit in der Suchthilfe“ Seite 3 Migration und Sucht in Deutschland Schaffen wir das? 7 Arbeit in Erstaufnahme-Einrichtungen zum Thema „Kindeswohlgefährdung“ Infodienst SUCHT Hinnerk Frahm, externe Vertrauensperson zum Thema Kindeswohlgefährdung (DRK) 11 Suchtselbsthilfe für Menschen mit Migrationshintergrund von Lisa Wilke 12 Jung, ausländisch, traumatisiert – suchtgefährdet? Transkulturelle Lösungsansätze in der Suchtarbeit (Prof. Regina Kostrzewa) 18 Vorankündigung AKID-Fachtag 2016 „(junge) Drogenabhängige in Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit“ Schwerpunktthema: Kultursensible Arbeit in der Suchthilfe Links zum Thema Migration und Sucht 19 Im Fokus: Flüchtlinge 24 Sozial Nr. 1.2016 24 REITOX-Bericht der EMCDDA 24 Termine und Aktuelles 25 2 Impressum : Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein e. V., Schreberweg 5, D-24119 Kronshagen Telefon: +49 431-5403 340, Telefax: +49 431-5403 355, E-Mail: [email protected], Internet: www.lssh.de Vertretungsberechtigter Vorstand: Prof. Dr. Josef Aldenhoff, Vorsitzender Registergericht: Amtsgericht Kiel, Abt. 5, Registernummer: 2147 / 1985, Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gemäß § 27 a Umsatzsteuergesetz: DE 16 16 59 165 Inhaltlich Verantwortliche gemäß § 5 Telemediengesetz (TMG):, Prof. Dr. Aldenhoff, Vorsitzender (Anschrift wie oben) Seite 3 Migration und Sucht in Deutschland Schaffen wir das? Von Björn Malchow, LSSH Uns allen klingt noch der Satz: „Wir schaffen das!“ der Bundeskanzlerin aus ihrer Regierungserklärung zur Flüchtlingskrise am 24. September 2015 im Ohr. Mittlerweile ist ein halbes Jahr vergangen und langsam lassen sich die Dimensionen dieser „Krise“ erahnen: noch nie haben in Deutschland so viele Ausländer gelebt wie heute. Mehr als 600.000 Menschen kamen allein im vergangenen Jahr, die meisten von ihnen aus EU-Ländern. Zudem wurden in Deutschland im Jahr 2015 und somit auch Schleswig-Holstein so viele Asylsuchende registriert wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Allein 2015 wurden, wie aus der unten stehenden Grafik deutlich wird, über 476.000 Anträge gestellt. Somit lebten wahrscheinlich Ende 2015 über 9 Millionen Menschen in Deutschland mit ausschließlich ausländischer Staatsangehörigkeit. Dazu leben, wie das Statistische Bundesamt auf Basis seines Mikrozensus 2014 ermittelt hat, weitere 9,2 Millionen deutsche Staatsbürger in Deutschland mit einem Migrationshintergrund „im engeren Sinne“. Für das Jahr 2014 geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass 20,3% der Gesamtbevölkerung Deutschlands einen Migrationshintergrund haben – Tendenz steigend. Klar ist, dass die anstehenden Aufgaben in diesem Zusammenhang nicht mit einem einfachen „Wir schaffen das!“ zu bewältigen sind. Die gewaltige Anzahl von Migranten stellt unser Versorgungssystem vor große Herausforderungen – auch und insbesondere unser Suchthilfesystem. Die rechtlichen Rahmenbedingungen Dabei sind die rechtlichen Rahmenbedingungen vermeintlich klar: jedem Asylsuchenden steht nach §4 des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in den ersten 15 Monaten des Aufenthaltes in Deutschland nur ein eingeschränkter Anspruch auf Gesundheitsleistungen zu. Es gibt in der Regel nur eine Kostenübernahme, wenn es sich um eine „erforderliche“ Behandlung „akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ handelt. In §6 des AsylbLG heißt es: „Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind.“ Abbildung 1: Quelle BAMF, Aktuelle Zahlen zu Asyl, Feb. 2016 3 Seite 4 Wie im Schaubild deutlich wird, steht den Asylsuchenden nach 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland potentiell die regulären Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung. Damit wäre theoretisch der Zugang zu einem großen Teil unseres Suchthilfesystems möglich. Beispiele aus der Praxis zeigen aber, dass es im Einzelfall sehr schwierig ist, die Kostenübernahme zu erwirken. Viele „KannBestimmungen“, Einzelfallentscheidungen und „Graubereiche“ erhöhen den bürokratischen Arbeitsaufwand für Mitarbeiter im Suchthilfesystem immens, um eine Kostenübernahme zu erwirken. Vielen Mitarbeitern in den Suchthilfeeinrichtungen fehlen wichtige Informationen, wie z.B. „Ist eine Substitutionsbehandlung eine Maßnahme zur Sicherung der Gesundheit oder ist ein stationärer Entzug eine „erforderliche“ Behandlung?“ Diese Fragen werden immer häufiger gestellt, da Migranten z.T. mit bestehenden Suchterkrankungen zu uns kommen oder diese hier entwickeln. aus dem Bereich der Migranten deutlich höher zu sein. Die zu erwartenden Zahlen (theoretisch) Was passiert, wenn wirklich so viele Menschen unser Suchthilfesystem in Anspruch nehmen? Migration geht ohne Zweifel mit einer Vielzahl von Stressoren, in vielen Fällen sogar Traumata einher. Im Zuge des Migrationsprozesses und der folgenden Integration entstehen zwangsläufig Brüche in der kulturellen bzw. sozialen Identität. Soziale Netzwerke müssen neu etabliert, bürokratische Hürden überwunden, ein neuer Lebensraum gefunden werden. All das sind zusätzlich – zu Flucht und Gewalt im Heimatland – belastende Erfahrungen. Schätzungen der Bundespsychotherapeutenkammer (2015) gehen davon aus, dass ungefähr die Hälfte der Flüchtlinge, die in den letzten zwei Jahren zu uns gekommen sind, unter einer post-traumatischen Belastungsstörung (PTBS) und/oder einer Depression leiden. Es ist bekannt, dass langanhaltende Stressphasen, psychische Erkrankungen und Traumata mögliche Ursachen für eine Drogenabhängigkeit bzw. Sucht sein können. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass alle belasteten Flüchtlinge ein Suchtverhalten entwickeln. Es ist aber auch deutlich, dass die Inzidenz dafür deutlich höher ist als in der deutschen Gesamtbevölkerung. Insbesondere im Bereich der Glückspielsucht scheint die Zahl der Betroffenen Betrachtet man nun allein die Zahl der Asylsuchenden der letzten vier Jahre (dies entspricht ca. einer Million Menschen) und errechnet nun auf Basis der Verteilung der Suchterkrankungen in der deutschen erwachsenen Gesamtbevölkerung die zu erwartenden Zahlen an Abhängigen unter den Asylsuchenden, so erwarten uns statistisch gesehen ca. 34.000 mehr Alkoholabhängige, 302.000 Raucher, 44.000 Medikamentenabhängige, 8000 Abhängige von illegalen Drogen und 8200 Menschen mit pathologischem Glückspielverhalten zusätzlich. Diese Zahlen sind reine Hochrechnungen und berücksichtigen nicht die kulturellen Unterschiede, die oben beschriebene hohe psychische und traumatische Belastung und der im Vergleich zur deutschen Gesamtbevölkerung deutlich höhere Anteil an männlichen Erwachsenen bei den Asylsuchenden. Ob und wie viele Migranten unser Suchthilfesystem in Anspruch nehmen werden, ist zurzeit nicht abschätzbar. Einige Fakten sprechen dafür, dass Migranten unser Hilfesystem deutlich seltener in Anspruch nehmen als die Normalbevölkerung. So weist z.B. der aktuelle Statusbericht 2014 zur Modernen Dokumentation in der ambulanten Suchtkrankenhilfe in SchleswigHolstein eine unterdurchschnittliche Inanspruchnahme der ambulanten Suchtkrankenhilfeeinrichtungen durch diese Bevölkerungsgruppe aus. Zum Migrationsstatus heißt es dort: „Der weit überwiegende Teil der Klienten/innen des ambulanten Suchtkrankenhilfesystems Schleswig-Holsteins ist im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit. Nur etwa 5 Prozent von Ihnen sind Bürger/innen eines anderen Landes.“ (aus Moderne Dokumentation in der ambulanten Suchtkrankenhilfe, Jahresbericht 2014, ISD Hamburg, Seite 9). Zahlen der Deutschen Suchthilfestatistik (DSHS) unterstreichen das: 2012 lag der Anteil von Männern mit Migrationshintergrund in der Ge- 4 Seite 5 samtbevölkerung bei 18,5%, der Anteil bei den Männern mit Migrationshintergrund, die Leistungen des Suchthilfesystems in Anspruch nahmen lag aber nur bei 13,2%. Lediglich bei Leistungen aufgrund pathologischen Spielens, problematischen Opioid- und Kokainkonsums gab es eine überproportionale Inanspruchnahme. Auch mit der wahrscheinlich insgesamt im Verhältnis geringeren Inanspruchnahme unseres Suchthilfesystems durch Menschen mit Migrationshintergrund bleibt die Frage, ob unser System die oben geschätzten zusätzlichen Klienten mit den jetzigen Mitteln bewältigen könnte. Dies hängt entscheidend davon ab, ob wir die ohne Zweifel bestehenden Zugangsbarrieren aufoder abbauen. Was können wir also tun? Die Gründe für die „Nicht-Inanspruchnahme“ von Angeboten im Suchthilfebereich durch Personen mit Migrationshintergrund sind vielschichtig. Ein wesentlicher Aspekt können aber Zugangsbarrieren, die die Kontaktaufnahme mit den Suchthilfeeinrichtungen erschweren, sein. Diese Zugangsbarrieren bestehen auf beiden Seiten, sowohl auf der Seite der Hilfesuchenden als auch auf der Seite der Einrichtungen bzw. Fachfrauen/-männer. Lt. Czycholl et al. gibt es Zugangsbarrieren auf zwei Ebenen, die sich wie folgt darstellen: Zugangsbarrieren 1. Ordnung (vor Inanspruchnahme) Zugangsbarrieren 2. Ordnung (bei Inanspruchnahme) Die beschriebenen Zugangsbarrieren, die bürokratischen Hindernisse sowie die oft fehlenden Informationen bzw. Zuständigkeiten gilt es abzubauen, um auch den Menschen mit Migrationshintergrund in Schleswig-Holstein den barrierefreien Zugang zu unserem Suchthilfesystem zu ermöglichen. Dies soll bedarfsgerecht und zielgruppenorientiert für die Regionen in SchleswigHolstein umgesetzt werden. Wichtig ist es, dabei schon auf bestehende Netzwerke und Informationen zum Thema zurück zu greifen. Dazu sind folgende Schritte nötig: 1. Recherche über den Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den unter-schiedlichen Regionen SchleswigHolsteins sowie deren Herkunft. 2. Recherche über vorhandene Netzwerke in den Regionen und Schleswig-Holstein unter Berücksichtigung der ländlichen Strukturen und Erreichbarkeit zum Thema Integration und Migration. 3. Evaluation des Wissensstands zum Thema Migration, des Bedarfs an Unterstützung und potentieller Zugangsbarrieren in den (ambulanten) Suchthilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein. 4. Ableitung von Konzepten zur Überwindung möglicher Zugangangsbarrieren. 5. Förderung der interkulturellen Suchtarbeit in Schleswig-Holstein durch Fortbil- 5 Seite 6 dungs- und Informationsveranstaltungen sowie Vernetzung der Hilfesysteme. 6. Dokumentation und Evaluation der Hilfesuchenden mit Migrationshintergrund bzw. deren Diagnosen. 7. Ausreichende Finanzierung der Suchtarbeit in Schleswig-Holstein. Schaffen wir das? Die Eingangsfrage nach dem „Schaffen wir das?“ muss unbeantwortet bleiben. Zu viele Punkte sind noch nicht ausreichend erforscht. Selbst wenn wir es schaffen, unser Suchthilfesystem mit den oben genannten Schritten „migrationsfest“ zu machen. Ist eine Prognose über das zukünftige Verhalten der potentiellen Klienten mit Migrationshintergrund bzw. den Asylsuchenden nicht möglich. Auch die sich ständig ändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen machen eine Vorhersage mindestens schwierig. Aber dies ist kein Grund oder Entschuldigung, nichts zu tun. In dieser Ausgabe des Infodienstes SUCHT zeigen wir einige Beispiele, was man tun kann und was nötig ist. So beschreibt Hinnerk Frahm seinen Einsatz zur Sicherung des Kindeswohls in Erstaufnahme-Einrichtungen, Frau Wilke zeigt ein Beispiel, wie sich Suchtselbsthilfegruppen einsetzen um Integration möglich zu machen und Frau Prof. Kostrzewa zeigt transkulturelle Lösungsansätze auf. Die LSSH wird in Zukunft gemäß ihres Auftrages auch bei diesem wichtigen Thema koordinierend tätig sein, seinen Mitgliedern Informationen liefern, Lösungsansätze aufzeigen sowie die Vernetzung und Diskussion vorantreiben. Kontakt: Björn Malchow, LSSH E-Mail: [email protected] 6 Seite 7 Bericht über die Arbeit in Erstaufnahme-Einrichtungen für Flüchtlinge zum Thema „Kindeswohlgefährdung“ Von Hinnerk Frahm Herr Frahm ist externe Vertrauensperson zum Thema Kindeswohlgefährdung für den Landesverband des DRK in Schleswig-Holstein Als ich im November 2016 die ErstaufnahmeEinrichtung in Neumünster besuchte, war ich entsetzt. Statt der maximalen Aufnahmekapazität von 1800 Flüchtlingen waren 5200 Flüchtlinge auf dem ehemaligen Kasernengelände. Überall standen Menschen in endlosen Reihen an. Vor der Essensausgabe, vor der Registrierung, vor dem Transfer in andere Einrichtungen, vor der Kleiderkammer und vor dem Medizinischen Dienst. Die Menschen schliefen in Ermangelung von Räumen und Matratzen auf Pappkartons auf den Fluren. Und nun kamen wir daher und wollten etwas über Kindeswohlgefährdung erzählen. Die Not schien mir so groß, dass man in dieser Situation durchaus von einem rechtsfreien Raum reden kann. Ich war mit der Vizepräsidentin des DRK Landesverbandes Schleswig-Holstein Frauke Tengler in die Erstaufnahme-Einrichtung gekommen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DRK, die für die Betreuung der Flüchtlinge verantwortlich sind, das Programm „Schau nicht weg“ zum Thema Kindeswohlgefährdung vorzustellen. Inzwischen sind wir in acht weiteren Erstaufnahme-Einrichtungen gewesen und die Situation hat sich beruhigt. Es sind immer weniger Flüchtlinge gekommen und das Thema Kindeswohlgefährdung hat durchaus seinen Platz und seine Notwendigkeit. Was ist nun unter dem Programm zu verstehen: Im Jahr 2011 hat das DRK das Projekt ins Leben gerufen. Grundlage war die mit Polizei und Kinderschutzbund erarbeitete Broschüre „Schau nicht weg“ zum Thema Kindeswohl. Daneben hat der DRK Landesverband Schleswig-Holstein einen Mann und eine Frau als ehrenamtliche externe Vertrauenspersonen benannt. Sie sind nicht Mitglied im DRK und sollen so eine mögliche Vertuschung von Vorfällen durch den eigenen Verband verhindern. Sie werden von einer hauptamtlich arbeitenden Koordinatorin betreut. Der Landesverband hat 85 000 Mitglieder, rund 6600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die zwei Hauptaufgaben dieser externen Vertrauensperson sind: 1. Ansprechpersonen für die DRK Mitglieder und Gruppierungen zu sein. Sollte jemand den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung haben, können die Vertrauenspersonen erst angerufen werden. Sie hören sich den Fall an und stellen dann die Verbindung zu den entsprechenden Hilfsorganisationen und Institutionen her. Das kann der Kinderschutzbund, das Jugendamt oder die Polizei sein. Der Fall ist erst dann für die Vertrauenspersonen abgeschlossen, wenn die anrufende Person ihn für erledigt erklärt. Die Fälle werden anonym dokumentiert. Die Vertrauenspersonen sind dem Präsidium gegenüber berichts- aber nicht rechenschaftspflichtig. 2. In der Eigenschaft als Vertrauenspersonen besuchen wir Einrichtungen und Gruppierungen des DRK: Mutter-Kind Einrichtungen, Jugendrotkreuz, Wasserwacht, Bereitschaften, Mitgliederversammlungen usw. und stellen das Programm vor. Gleichzeitig geben die Vertrauenspersonen Anregungen für Maßnahmen zur Prävention von Kindeswohl- 7 Seite 8 gefährdung und beantworten Fragen zu diesem Thema. schickt die Jugendlichen nach einem bestimmten Schlüssel in die oa. Einrichtung und das re In den letzten vier Jahren sind ca. 40 Fälle unterschiedlicher Schwere durch die Vertrauenspersonen dokumentiert worden. gionale Jugendamt ist nun dafür zuständig, kann diese Arbeit aber wegen zu hoher Fallzahlen nicht leisten. In dieser Situation wurde der Konflikt bzw. der mangelnde Informationsfluss zwischen den Institutionen auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen. Bei der Vorstellung der Arbeit vor ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern tauchte immer wieder die Fragen auf, woran erkenne ich Kindeswohlgefährdung und wie handele ich dann? In den Eigeneinrichtungen des DRK (z.B. Kindergärten) sind diese Fragen geregelt. Es gibt dazu regelmäßige Fortbildungen und Interventionspläne. Im Ehrenamt ist das aber nicht der Fall. Und um die Fortbildungen und Interventionspläne geht es hier, auch in den ErstaufnahmeEinrichtungen. Nach unserem ersten Besuch in Neumünster habe ich in der Einrichtung einen Tag hospitiert, um einen Eindruck von der Arbeit der Betreuer und ein Gefühl für die Vorgänge in einer solchen Einrichtung zu bekommen. Nach diesem Besuch bekam ich einen Anruf von der Mitarbeiterin, bei der ich hospitiert hatte, die mir berichtete, dass zwei unbegleitete Jugendliche im Alter von 16 Jahren, die vom Jugendamt eines anderen Ortes in Obhut genommen worden waren, in einer ehemaligen Produktionshalle mit 54 gleichaltrigen jungen Männern untergebracht worden waren und dort auf ihre Asylverfahren warteten. Sie leben ohne Information zu ihrem Verbleib in der Einrichtung, zum Stand ihres Verfahrens und ohne Möglichkeiten der Beschäftigung und des Spracherwerbs. Ich setzte mich mit dem zuständigen Jugendamt in Verbindung und bat um Aufklärung, weil ich hier eine Kindeswohlgefährdung sah. Außerdem bestand die Gefahr, dass die männlichen Jugendlichen ihre Frustration durch Alkohol bekämpften. Nach zwei Tagen wurde den Jugendlichen ein Freizeitprogramm angeboten. Ich schildere diesen Fall, um deutlich zu machen, dass die Menge der Flüchtlinge die zuständigen Institutionen (Landesamt, Jugendamt, Polizei) überforderte. Das Landesamt Im Übrigen hab ich die Beobachtung gemacht, dass der Informationsfluss unter den Flüchtlingen deutlich schneller und besser war. Die inzwischen etwas entspanntere Situation zeigte bald die Notwendigkeit, sich um das Thema Kindeswohl zu kümmern. Es wurden z.B. Kinder von den Eltern geschlagen, sie wurden vernachlässigt, es kam zum Missbrauch an einem 4-Jährigen, eine Mutter „verkaufte“ ihren 10-jährigen Jungen an Männer und es gab und gibt viele Flüchtlinge unter 18 Jahren, die alleine hier angekommen sind. Überwiegend sind es junge Männer im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, aber auch sehr viel jüngere. So hörte ich von einem Mädchen, das gerade neun Jahre alt war und die Eltern unterwegs verloren hatte. Um das Thema professionell anzugehen, haben wir drei Bausteine entwickelt, die das Problem intensiv in die Köpfe der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des DRK bringen, zumal viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ehemalige Ehrenamtler sind, die aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen kommen und vorher nichts oder nicht viel mit Kindern zu tun hatten. 1. Baustein: Es werden hier die kompletten Standards dargestellt, weil sie die Grundlage für die weiteren Bausteine darstellen. Standards zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in den vom DRK in Schleswig-Holstein betriebenen Erstaufnahme-Einrichtungen 8 Seite 9 Kindeswohlgefährdung liegt bei Vernachlässigung, körperlicher Gewalt, seelischer Gewalt - Es gibt einen Notfallplan bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Die Ansprechpersonen bei Kindeswohlgefährdung sind benannt und bekannt. Sprachvermittler stehen zur Verfügung. - Es gibt eigene Informationen für Kinder und Jugendliche, insbesondere ihre Rechte betreffend. und/oder sexueller Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen vor. Menschen - Alle Helfenden, hauptamtlich wie ehrenamtlich Tätige, sind bezüglich Kindeswohlgefährdung sensibilisiert und informiert. - Alle Helfenden sind auf die Notwendigkeit einer kultursensiblen Haltung gegenüber den geflüchteten Menschen hingewiesen. - Es gibt gleichermaßen weibliche und männliche Helfende. - Alle Helfenden legen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vor. - Vorübergehend reicht eine Selbstverpflichtungserklärung. Räume - Es gibt abschließbare Toiletten. - Es gibt Duschen nach Geschlechtern getrennt. - Kinder und Jugendliche können sich in einem betreuten Spielund Freizeitbereich aufhalten. - Es gibt eine separate Unterbringung von alleinstehenden Müttern und ihren Kindern. Informationen - Kultursensible Informations- und Hilfsangebote sind leicht verständlich bereitgestellt. Gibt es eine Beratung für alleinstehende Mütter? Vernetzung - Die Erstaufnahme-Einrichtungen kooperieren mit den bezüglich Kindeswohlgefährdung verantwortlichen und anerkannten Einrichtungen und Organisationen und stimmen sich mit ihnen ab - Die Erstaufnahme-Einrichtungen kooperieren untereinander bezüglich Prävention und Hilfe bei Kindeswohlgefährdung. - Standards in Anlehnung an die „Checkliste Mindeststandards zum Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt in Flüchtlingsunterkünften“, herausgegeben vom unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs 2. Baustein: Notfallplan bei Kindeswohlgefährdung Der Notfallplan stellt eine Interventionskette bei Kindeswohlgefährdung dar, die dem Prinzip von Druck und Hilfe folgt. Sie soll hier nicht in allen Einzelheiten dargestellt werden. Allerdings sind einige Ergänzungen für die spezielle Situation in Flüchtlingseinrichtungen nötig. Die Interventionskette muss relativ kurz sein und zügig durchgeführt werden, da der Verbleib in den Erstaufnahme-Einrichtungen bisher auf sechs Wochen bis max. drei Monate begrenzt ist. Den sprachlichen und kulturellen Bedingungen ist Rechnung zu tragen. Folgende Institutionen und Organisationen können in Erstaufnahmeeinrichtungen einbezogen werden: Kinderschutzfachkraft (DRK), Schule, Kindergarten, Ärztlicher Dienst, Hausbetreuer, Jugendamt und ggf. Polizei. 9 Seite 10 3. Baustein: Ablaufplan einer Fortbildung zur Kindeswohlgefährdung Die Fortbildung in Zusammenarbeit mit dem Kinderschutzbund enthält folgende Elemente: - Was ist Kindeswohlgefährdung? - Beispiele von Kindeswohlgefährdung in Erstaufnahme-Einrichtungen - Rechtliche gen/Kinderrechte - Kulturelle Unterschiede, auch in der Kindererziehung, die bei der Arbeit mit Flüchtlingen zu beachten sind. - Standards zum Schutz von Kindern und Jugendlichen - Interventionskette - Krisenintervention - Fragen und Anregungen Voraussetzun- Die Umsetzung der Bausteine erfolgt auf Anfrage der Erstaufnahme-Einrichtungen. Bisher sind drei Einrichtungen in der Planung und weitere haben Anfragen gestellt und Interesse bekundet. Koordiniert wird dieses Programm von den jeweils zum Thema Kindeswohlgefährdung eingesetzten Ansprechpartnern in den Kreisen. Wer weitere Informationen über dieses Thema und der Arbeit in Erstaufnahme-Einrichtungen erhalten möchte, kann sich gerne am mich wenden. Kontakt: Hinnerk Frahm, Telefon: 0172/4012927 E-Mail: [email protected] 10 Seite 11 Suchtselbsthilfe für Menschen mit Migrationshintergrund Von Lisa Wilke, LSSH Der Verein Suchtkrankenhilfe Glückstadt e.V. arbeitet seit 2015 eigeninitiativ an einem Projekt, das suchtkranken Menschen mit Migrationshintergrund sowie deren Angehörigen den Zugang zu einer Selbsthilfegruppe ermöglichen bzw. erleichtern soll. Der Wunsch, etwas zur Enttabuisierung des Themas Sucht in anderen Kulturen beizutragen und die Integration durch die Öffnung des Angebotes zu fördern, wurde im ersten Schritt folgendermaßen umgesetzt: An der Etablierung eines Angebotes für Menschen mit Migrationshintergrund wird weiterhin stetig gearbeitet. 2016 wurde bereits ein neues Merkblatt entworfen, welches in Glückstadt und Umgebung verteilt wird. Auch das Thema geschlechtsspezifische Suchtkrankenhilfe soll bewegt werden. Eine Frauengruppe wurde dafür ins Leben gerufen. Die Stadt Glückstadt begrüßt die Bestrebungen des Vereins und wird die Gruppe weiterhin unterstützen. Mit der Unterstützung der AOK NordWest wurden Flyer in verschiedenen Sprachen – Russisch, Türkisch, Italienisch, Polnisch und Englisch – hergestellt, um Informationen und Kontaktdaten der breiteren Öffentlichkeit näherzubringen. Eine Version auf Arabisch soll so bald wie möglich folgen. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, sich Informationen bei einem Tag der offenen Tür einzuholen. Außerdem wurden Kontakte zur türkischen Gemeinde, der Sehzade Camii-Moschee in Glückstadt, geknüpft. Die Mitglieder bestätigen, dass es in den Herkunftsländern der Betroffenen keine Suchtselbsthilfe gibt. Der Stolz, Sprachbarrieren und die Tabuisierung bestimmter Lebensthemen seien Gründe, die viele zurückhalten den Weg in die Suchtkrankenhilfe und Suchtselbsthilfe zu gehen. Dennoch sei die Möglichkeit, über Probleme und Erfahrungen mit anderen Betroffenen zu sprechen, ein wertvolles Angebot für Menschen aus anderen Kulturkreisen. Für die Beratungsstunden der Suchtkrankenhilfe Glückstadt stehen Übersetzer bereit. Weitere Informationen unter 04124/602918 oder [email protected] Ansprechpartnerin: Frau Ingrid Schulz, Suchtkrankenhilfe Glückstadt e.V. 11 Seite 12 Jung, ausländisch, traumatisiert – suchtgefährdet? Transkulturelle Lösungsansätze in der Suchtarbeit als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe (Regina Kostrzewa, Professorin für Soziale Arbeit an der MSH, Hamburg) Krieg, Gewalt, Verfolgung, Diskriminierung und Perspektivlosigkeit bewirken bei derzeit fast 60 Millionen (UNHCR, 2015) Menschen so große Not, dass sie sich auf eine lebensbedrohliche Flucht begeben und ihr Heimatland verlassen. Zu den dort erlebten traumatischen Ereignissen kommen häufig dramatische Fluchterlebnisse. Der Verlust von Familienmitgliedern, Verwandten, Freunden betrifft dabei Flüchtlinge jeden Alters. Die „vermeintliche Sicherheit des Gastlandes“ birgt aber häufig andere belastende Lebenssituationen, die abermals traumatisierend wirken können. Der sogenannte Akkulturationsstress, der auf Grund von der gefühlten Ablehnung z.B. der eigenen Werte und Normen eines Flüchtlings entsteht, kann sich zusätzlich als traumatisierender „Kulturschock“ entwickeln. Entsprechend der Grundlagenforschung von Keilson lässt sich bei Flucht von einer „sequentiellen Traumatisierung“ (Keilson, 1979/ 2005) sprechen. Nach Keilson stellt die erste traumatische Sequenz die beginnende Verfolgung mit einhergehender Zerstörung von Sozialstrukturen dar. Die zweite traumatische Sequenz ist die Zeit der direkten Verfolgung sowie das Überleben in Verstecken. Die Zeit nach dem Krieg ist als dritte Sequenz zu verstehen, die als entscheidend für den weiteren Verlauf des Lebens ist. „Eine gesunde Entwicklung und eine bessere Verarbeitung des Traumas war möglich, wenn die Kinder nach der Verfolgung unterstützende Familien fanden, die ihnen Liebe, Schutz und Wärme gaben. Bei weiterer Unsicherheit, Verlusten, Ab- lehnung und Stress hingegen kann es zu einer Fortsetzung und Chronifizierung der Traumatisierung kommen“ (Dieckhoff, 2010, 128). Insofern zeigt sich der Umgang mit Flüchtlingen nach ihrer Ankunft in Deutschland als entscheidend für die Verarbeitung ihrer Traumatas. Gerade für die psychosoziale Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist hierin eine große Chance aber auch eine große Verantwortung zu sehen. Für Jugendliche, die in der Entwicklungsphase der Adoleszenz in Lebensbedingungen geraten, die zu einer extremen Traumatisierung führen, kann die gesamte weitere Entwicklung in grundlegender Weise beeinträchtigt werden. Allein schon unter dem Druck der Pubertät müssen Lösungen in der Ich- und Selbstentwicklung sowie im Bereich der Geschlechtsidentität gefunden werden, sodass die Abwehr von traumatischen Erfahrungen durch die entwicklungsbedingten Konflikte geschwächt sind und das „labile Ich“ eines Jugendlichen überfordert sein kann. Die Traumaforschung belegt, dass sich bei der Überforderung der Verarbeitungsmechanismen eines Menschen nach einem traumatischen Erlebnis eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln kann. Etwa 40% der Asylbewerber leiden unter PTBS (Gäbel, 2006). Das Zusammenwirken von Ereignis-, Risiko- und Schutzfaktoren beeinflusst, ob ein Mensch nach einem traumatischen Erlebnis eine PTBS entwickelt oder nicht. Während die Ereignisfaktoren sich auf die Schwere des Traumas durch die Fluchterfahrung bezieht, sind bei den Risikofaktoren Vorbelastungen genauso wie aktuelle Lebensbedingungen gemeint, die bekanntlich leider oft in den Flüchtlings-Sammelunterkünften eher ungünstig sind. Gerade bei Kindern und Jugendlichen bestehen auf Grund ihres jungen Alters geringe Bewältigungsmöglichkeiten, weshalb in den belastenden Ereignissen ein höheres Risiko von Traumatisierungen liegt. 12 Seite 13 Als zentraler Schutzfaktor ist die soziale Unterstützung, die den traumatisierten Flüchtlingen entgegengebracht wird, zu sehen. Gelingt es beispielsweise den Mitarbeitern in den Einrichtungen, ein vertrautes Umfeld zu schaffen oder während der Therapie an bestehende Ressourcen durch „frühere“ verlässliche Bezugspersonen anzuknüpfen, können Schutzfunktionen mobilisiert werden. Allerdings stellt die Situation des ungesicherten Aufenthaltes für viele Flüchtlinge einen zusätzlichen Stressfaktor dar, der zu einer völligen Destabilisierung der psychischen Verfassung und zu einer völligen Dekompensation führen kann, was sich in Phasen der Hoffnungslosigkeit und suizidaler Gedanken niederschlagen kann. „Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung weisen eine achtfach erhöhte Rate an Suizidversuchen gegenüber der Allgemeinbevölkerung auf“ (Huber, 2003). Laut Maier zeigen 70% aller Traumapatienten komorbide depressive Störungen (Maier, 2007, 64). Häufig treten „Somatische Symptome als Reaktion auf extreme Traumatisierungen“ auf, durch die der Körper versucht, „die Seele zu entlasten“ (Dieckhoff, 2010). Gibt es für die traumatisierten Flüchtlinge keine Möglichkeiten einer Therapie, können auch Kompensationswege durch Substanzmittelkonsum erfolgen. Weshalb, um eine Suchtentwicklung als Anpassungsstörung zu verhindern, verschiedene Hilfsprojekte initiiert werden. Beispielhaft ist das Projekt „Step by Step“ von der Uni Frankfurt in Kooperation mit dem Sigmund-Freud-Institut zu nennen. Ziel des Projektes ist es, bei den Menschen in Flüchtlingsunterkünften „das Urvertrauen“ wiederherzustellen. Das Gefühl von Sicherheit soll zügig vermittelt werden und es sollen neue Beziehungserfahrungen ermöglicht werden, um die Traumata nicht weiter wirken zu lassen. Studien des Sigmund-FreudInstituts zeigen, dass sich die Übertragung von Traumatas auf die Kindergeneration bestätigt hat. Die Studie macht deutlich, dass mehr als ein Drittel der Kinder von traumatisierten Elternteilen einen „desorganisierten Bindungstyp“ gegenüber sieben Prozent in der Gesamtbevölkerung aufweisen (Leuzinger-Bohleber, 2016). „Die Traumatisierung der Bezugsperson führt bei dieser zeitweise zu einem verängstigtem und für das Kind zugleich beängstigenden Verhalten […]. Das Kind erlebt dadurch eine paradoxe Situation: die Person, die normalerweise für die Lösung von beängstigenden Situationen aufgesucht wird, wird selbst zur Quelle der Angst“ (Moré, 2013). Über diese Problematik hinaus wird in Büchern zur transgenerationalen Vererbung von Traumata hinaus deutlich, wie tiefgreifend traumatische Ereignisse sind, insbesondere dann, wenn nicht über sie gesprochen bzw. sie nicht verarbeitet wurden. „Sie hatte und lebte alle Symptome einer traumatischen Erfahrung, ohne diese Erfahrung zu haben, ihr Trauma war nicht ihr eigenes, selbst erlebtes, sondern ein transgeneratives, eines, das über die Generationen hinweg weitergegeben worden war“ (Baer, 2012). Der „traumatische Schrecken“ der Mutter wird von dem Kind „einverleibt“, und ist demzufolge umso schwerer zu verarbeiten. Fehlendes Grundvertrauen und das fehlende Gefühl von Sicherheit, dass einem in gefährlichen Situationen geholfen wird, erhöht bei diesen Kindern die Gefahr, später suchtabhängig, psychisch krank oder straffällig zu werden (ebd., 2016). Auch wenn der Zusammenhang zwischen Trauma und Suchterkrankung gut erforscht ist, zeigt sich das Suchthilfesystem in Deutschland mit dem derzeitigen Ansturm bzw. mit dem noch zu erwartendem Klientenaufkommen im Umgang mit Flüchtlingen großen Herausforderungen gegenüber gestellt. Sprachbarrieren, existenzielle Probleme, Komplexität des Gesundheitssystems und Differenzen im Krankheitsverständnis erschweren die Problematik. Kooperationsstrategien zwischen Suchthilfe- und Mig 13 Seite 14 rationseinrichtungen zeigen sich als notwendige Grundlage. Beispielhaft ist hier das Modellprogramm „transVer“ zu nennen (Schu, Martin, Czycholl, 2013), das Handlungsempfehlungen entwickelt hat, um eine transkulturelle Versorgung von Suchtkranken durch den Abbau von Zugangsbarrieren und die transkulturelle Öffnung von Einrichtungen zu ermöglichen. „transVer“ liefert praxisnahe Strategien und Forderungen wie z.B.: Transkulturelle Öffnung braucht „Trägerwillen“ und regionale Bedarfsanalysen Transkulturelle Organisationsentwicklung braucht Strukturen Transkulturelle Kompetenz verlangt gezielte Personalentwicklung Transkulturalität versteht sich als Querschnittsaufgabe Transkulturelles Arbeiten bedarf gelingende Kommunikation und personenzentrierte Beziehungsgestaltung. Durch die transVer-Modellprogramme wurden Checklisten erstellt, anhand derer Fachkräfte vorgehen können, mit dem Ziel, durch eine Willkommenskultur wahres Interesse und Wertschätzung aufzubringen, die erst einen wirklichen Kontakt zu Flüchtlingen ermöglicht. Diese empfohlene zügige Kontaktaufnahme zu den Flüchtlingen, um die Traumata nicht zu chronifizieren und Folgestörungen zu verhindern, wird auch durch die Studien des Kompetenzzentrums Psychotraumatologie der Universität Konstanz in Zusammenarbeit mit vivo e.V. (victim’s voice) bestätigt. In der Population der Flüchtlinge zeigt sich ein erhöhter Krankheitswert von Traumafolgestörungen wie Sucht, Depression und Suizidalität sowie psychosomatisch bedingten körperlichen Problemen. Hintergrund ist, dass zum Zeitpunkt der Therapieaufnahme schon viele Jahre – im Mittelwert 5,5 Jahre – seit dem Beginn des Asylverfahrens vergangen sind (Schauer, Nenner, Elbert, 2011). Demzufolge haben sich die traumabedingten Störungen chronifiziert und verschiedene komorbide Krankheiten haben sich im Exilland ausgebildet. Oft sind zuvor schon stationär-psychiatrische Einweisungen aufgrund von Alkoholmissbrauch, Essstörungen, Impulskontrollstörungen und parasuizidale Handlungen wie selbstverletzendes Verhalten erfolgt. Traumatisierte Flüchtlinge weisen auf Grund ihrer Störungen Defizite im sozialen und beruflichen Funktionsniveau auf und fühlen sich oft wertlos, hilflos, krank und behandlungsbedürftig. Besonders schwer betroffene Flüchtlinge werden bei ineffizienten Behandlungsmethoden leicht zu sogenannten „Drehtürpatienten“. Umso entscheidender ist es, gerade jungen Flüchtlingen und Eltern zeitnah Maßnahmen anzubieten, um psychisch gesunden zu können und damit wieder in die Lage versetzt zu werden, selbstverantwortlich zu handeln. Die psychische Gesundheit der Eltern aus Flüchtlingsfamilien ist die Grundvoraussetzung, wieder für sich und die Familie sorgen zu können. Die Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession verlangt die Unterstützung aller Menschen, die seelische Gesundheit zu erlangen/zurück zu erlangen, um fähig zu sein, selbstständig zu denken, die Zukunft mitzubestimmen und das eigene Leben aktiv zu gestalten. „Psychisches Leiden nach Gewalt und Verlusten und in prekären Lebenssituationen kann durchaus als angemessene Reaktion gesehen werden, die Pathologisierung des Leidens kann eine weitere Verletzung der Opfer darstellen“ (Dieckhoff, 113). Für das Verständnis von Flüchtlingsopfern ist es von zentraler Bedeutung, ihnen nicht zusätzlich ein Stigma zu verleihen, denn es ist heutzutage anerkannt, dass nach traumatischen Erlebnissen wie Krieg und Flucht eine daraus resultierende 14 Seite 15 psychische Störung nicht primär auf eine vorhandene Vulnerabilität zurück zu führen ist (vgl. Dieckhoff, 126). „In Bezug auf die Opfer politischer Verfolgung sollte auf die Zuschreibung ,krank‘ unserer Meinung nach gänzlich verzichtet werden“ (Becker, 1997, 34). Im Rahmen der Trauma- und Suchtarbeit lässt sich viel für die psychische Gesundheit von Flüchtlingen „bewegen“, allerdings abhängig von beschriebenen strukturellen Rahmenbedingungen und nur als Teil einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe. In der Studie der Bertelsmann-Stiftung zur „Arbeitsintegration von Flüchtlingen“ (Thränhardt, 2015) wird deutlich, dass die Integration durch Arbeit zur sozialen Kohärenz führt und so zur Bewältigung traumatischer Erlebnisse beiträgt (ebd., 35). Die politische Entscheidung, die Residenzpflicht und das Arbeitsverbot auf drei Monate zu reduzieren, sind als positive Wende zu sehen. Generell wäre es notwendig, einen Aufenthalt in den Gemeinschaftsunterkünften auf drei Monate zu begrenzen, damit die Flüchtlinge in Kontakt mit der Gesellschaft kommen können. Allerdings kommen die gesetzlichen Erleichterungen bei der Arbeitsaufnahme durch einen Bearbeitungsstau bei den Asylanträgen (660.000 Anfang 2016, Frank-Jürgen Weise, Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge) nicht zum Tragen, da für einen potentiellen Arbeitgeber nichts planbar ist. Die Initiative von Flüchtlingen wird „lahm gelegt“, ihre Integration verhindert und die Manifestierung der Traumatisierung erhöht. Wenn die Flüchtlinge den ganzen Tag nichts zu tun hätten, kehrten ihre traumatischen Erlebnisse sogar zurück (Leuzinger-Bohleber). „Viel positive Energie ehrenamtlich engagierter Bürger und kommunaler Behörden geht wegen des Bearbeitungsstaus in die Bewältigung der vorläufigen Unterbringungssituation statt in Hilfen für endgültige Integration“ (Karakayali, Kleist, 2015). Insbesondere traumatisierte minderjähri- ge Flüchtlinge werden als „Zielgruppe mit speziellem Versorgungsbedarf“ (Weber/Gögercin, 2014) bezeichnet und mit ihren Grundbedürfnissen nach Sicherheit, Zugehörigkeit und Bindung anerkannt (Weber/Gögercin, 2014, 63). Im Rahmen der notwendigen Ressourcenaktivierung werden mehrere Dimensionen berücksichtigt: die der handelnden Fachkräfte, die der Wohngruppe und die des Sozialraumes innenwohnenden sozialen Ressourcen wie z.B. Sportund Freizeitangebote, die ohne große Sprachbarrieren nutzbar sind und zu einer „Kultur des interkulturellen Miteinanders“ aktiv beitragen. Darüber hinaus sollten neue Strukturen zur weiteren Ressourcenerschließung geschaffen werden. „Primäres Ziel ist zunächst eine umfassende und nachhaltige psychosoziale Stabilisierung des traumatisierten minderjährigen Flüchtlings in seinem neuen sozialen System der Wohngruppe. Auf mehreren Ebenen sollten Schutzfaktoren gefördert und Risikofaktoren minimiert werden. Gemeinsam mit dem minderjährigen Flüchtling wird ein Netz von Schutzfaktoren (…)“ (ebd.) entwickelt, um ein soziales Umfeld zu schaffen, dass zum Stabilisierungsprozess beiträgt, die Aufarbeitung seines Traumas ermöglicht und zur Wiedererlangung seiner Handlungs- und Erlebnisfähigkeit beiträgt. Die erzieherischen Hilfen orientieren sich dabei an den Stärken des traumatisierten minderjährigen Flüchtlings und berücksichtigen kulturspezifische Besonderheiten. Im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ soll der minderjährige Flüchtling zu einem eigenverantwortlichen, selbstständigen Leben befähigt werden, um eine soziale Integration in die Gesellschaft zu erzielen. „Insgesamt sollten alle darauf gerichtet sein, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Flüchtlinge aktiv werden und ihre eigene Zukunft gestalten können“ (Thränhardt, 2015, 38). Schon in Erstaufnahmeeinrichtungen können die Flüchtlinge durch die Selbstfürsorgeprogramme (bewusst Essen, Trinken, Schlafen) das Gefühl erlan 15 Seite 16 gen, selbst zu ihrer Heilung beizutragen und quasi „Experten für sich selbst zu werden“. Abschließend lässt sich hervorheben, dass es ganz unabhängig vom Fokus auf die Gesamtproblematik der Flüchtlinge in Deutschland ist, egal, ob wir auf „Arbeit oder Gesundheit schauen“, die zügige Integration angestrebt werden muss, um menschenrechtskonform zu handeln. Die interkulturelle Offenheit im beruflichen wie im gesamtgesellschaftlichen Kontext verlangt das Aufbrechen von Stereotypen genauso wie die Erhöhung der Ambiguitätstoleranz jedes Einzelnen, um die Verarbeitung der traumatisierenden Fluchterlebnisse eines Asylbewerbers zu unterstützen und nicht durch Akkulturationsstress zu manifestieren. Kontakt: Prof. Dr. Regina Kostrzewa, MSH Hamburg E-Mail: [email protected] Literatur: Baer, U.; Frick-Baer, G. (2012): Wie Traumata in die nächste Generation wirken. NeukirchenVluyn. Becker, D. (1997): Schnelle Eingreiftruppe, Seele, Texte für eine kritische Trauma-Arbeit. In: medico report 20. Auf dem Weg in die therapeutische Weltgesellschaft, Frankfurt am Main. Bertelsmann-Stiftung (2015): Willkommenskultur in Deutschland. Entwicklungen und Herausforderungen. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Deutschland, Gütersloh. Dieckhoff, P. (Hrsg.) (2010): Kinderflüchtlinge. Theoretische Grundlagen und berufliches Handeln. Gäbel, U.; Ruf, M.; Schauer, M.; Odenwald, M.; Nenner, F. (2006): Prävalenz der Posttraumatischen Belastungsstörung und Möglichkeiten der Ermittlung in der Asylverfahrenspraxis. In: Zeitschrift für klinische Psychologie und Psychotherapie, Göttingen, S. 12-20. Hargasser, B. (2014): Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sequentielle Traumatisierungsprozesse. Frankfurt am Main. Huber, M. (2003): Trauma und die Folgen, Paderborn Karakayali, S.; Kleist, O. (2015): Strukturen und Motive der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit. Berlin. Keilson, H. (1979/ 2005): Sequenzielle Traumatisierung – Untersuchung zum Schicksal jüdischer Kriegsweisen, Gießen. Lenzinger-Bohleber, M.; Lebiger-Vogel, J. (2016): Migration, frühe Elternschaft und die Weitergabe von Traumatisierungen. Klett-Cotta. Maier, T.; Schnyder, U. (Hrsg.) (2007): Psychotherapie mit Folter- und Kriegsopfern – ein praktisches Handbuch, Bern. Moré, A. (2013): Die unbewusste Weitergabe von Traumata und Schuldverstrickungen an nachfolgende Generationen. In: Journal für Psychologie, Ausgabe 2/2013, Inter/Generationalität. Ruf, M. (2008): Traumatisierte Flüchtlingskinder in Deutschland. Konstanz. Schauer, M.; Neuner, F.; Elbert, (2001): Traumatherapeutische Verfahren. Schu, M.; Martin, M.; Czycholl, D. (2013): Zugänge finden, Türen öffnen: transkulturelle Suchthilfe – Transkulturelle Versorgung von Suchtkranken. transVer. Groß-Umstadt. 16 Seite 17 Thränhardt, D. (2015): Die Arbeitsintegration von Flüchtlingen in Deutschland. Humanität, Effektivität, Selbstbestimmung. Gütersloh. UNHCR, The UN Refugee Agency (18. Juni 2015): http://www.unhcr.de/home/artikel/f31dce23af7 54ad07737a7806dfac4fc/weltweit-fast-60millionen-menschen-auf-der-flucht.html, 30.03.2016, 10.51 Uhr Weber, V. M.; Gögercin, S. (2014): Traumatisierte minderjährige Flüchtlinge in der Jugendhilfe, Centaurus. Weise, F.-J.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (08.01.2016): http://www.welt.de/politik/deutschland/article1 50768615/660-000-Asylantraege-von-2015-sindnoch-unbearbeitet.html, 30.03.2016, 11.10 Uhr 17 Seite 18 Vorankündigung AKIDFachtag 2016 Praxismodelle vorstellen, kompetente Ansprechpartner zusammenbringen und in Diskussionen die regionale und überregionale Zusammenarbeit stärken. „(junge) Drogenabhängige in Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit“ Vorträge: Datum der Veranstaltung: 22.06.2016 - Trends und Analysen zur Teilhabe von Drogenabhängigen – Referent: Prof. Jürgen Hille, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg - Berufliche Orientierung in der Rehabilitation Abhängigkeitskranker (BORA): Was muss eine moderne Arbeitstherapie leisten? – Referent: Dr. Willem Hamdorf, AHG Klinik Mecklenburg - Hilfe für die jüngsten Drogenabhängigen: das COME IN! als Modelleinrichtung: Dipl. Psych. Benjamin Waldmann, COME IN!, Hamburg - Drogenkonsumenten im Spannungsfeld von ethischen Grundsätzen und den Anforderungen des SGB II: Sabine Kühn, Jobcenter Schwerin Beginn: 9:00 Uhr voraussichtliches Ende: 16:00 Uhr Ort: DRV-Nord, Ziegelstraße 150, 23556 Lübeck Drogenabhängigkeit bzw. Sucht schränken die soziale Teilhabe der Betroffenen stark ein. Das Suchtmittel wird bei vielen Abhängigen der Lebensmittelpunkt – Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit werden vernachlässigt. Dies hat erheblichen Einfluss auf die beruflichen und finanziellen Möglichkeiten der Betroffenen: so weist der letzte Statusbericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Schleswig-Holstein von 2014 aus, dass lediglich 29% aller namentlich erfassten Klienten einer Erwerbstätigkeit nachgingen. Demgegenüber stehen 54 %, die als Haupteinkommensquelle Transferleistungen angeben (z.B. ALG I und II). Diese Zahlen stagnieren seit vielen Jahren auf diesem Niveau. Dabei ist bekannt, dass neben der frühzeitigen Behandlung der Suchterkrankung ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine dauerhafte Teilhabe der Betroffenen die Integration in das Arbeitsleben ist. Dazu bedarf es aber der intensiven Zusammenarbeit der Rentenversicherung und der Suchthilfeeinrichtungen mit den Arbeitsvermittlern. Diese Zusammenarbeit wollen der AKID (Arbeitskreis illegale Drogen), die LSSH (Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein e.V.) und die DRV Nord (Deutsche Rentenversicherung Nord) auf dieser Fachtagung demonstrieren. Wir wollen Ihnen einen Überblick über die aktuelle Situation geben, viele gute Workshops: - Arbeitsprojekt „Metha“ - Arbeitsprojekt „Horizon“ - Vorstellung „GuddyTreff“ - Vorstellung Schulprojekt Ravensruh - Vorstellung Adaptionshaus Lübeck Sollte die Veranstaltung bei Ihnen Interesse geweckt haben, bitten wir Sie, uns eine kurze EMail an [email protected] zu schicken, um Ihnen den Einladungsflyer zukommen zu lassen. 18 Seite 19 Links zum Thema Migration und Sucht Factsheet mit allgemeinen Infos zu Migration und Sucht, u.a. die Situation der Migratinnen und Migranten in Deutschland sowie ihre Gesundheit und ihre Situation im Suchthilfesystem: http://www.lwl.org/ksdownload/downloads/AK%20Migration/2013_02_FSMigration-und-Sucht.pdf abgeschlossene Projekte: Projekt „Förderung kultursensibler Arbeit in der Suchthilfe“ Link: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ fileadmin/dateien/Publikationen/Drogen_Sucht/Forsc hungsberichte/Sachbericht-KultursensibleArbeit140807.pdf Laufzeit: 22.07.2013 – 31.12.2013 Projektpartner: Gangway e.V. Straßensozialarbeit in Berlin Verantwortliche Stelle: LWL-Koordinationsstelle Sucht, Münster Grundlage waren die Erkenntnisse aus dem Bundesmodellprojekt transVer und der „Bestandsaufnahme zu transkulturellen Kompetenzen in der Suchthilfe in NRW“. Neben den theoretischen Erkenntnissen der Projekte, zeigte sich in der Arbeit ein Methodenansatz als besonders hilfreich: Diversity Training, welches die Vielfalt und die Unterschiede zwischen Menschen als Bereicherung sieht und deren Akzeptanz als Entwicklungschance für die Gesellschaft. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Durchführung der Diversity Trainings im Rahmen des transVer Projektes. Ziel dieses Projektes war es, die Suchthilfe für eine kultursensiblere Arbeit zu sensibilisieren. Es wurde ein Factsheet zum Thema „Sucht und Migration“ erstellt: http://www.lwl.org/ksdownload/downloads/AK%20Migration/2013_02_FSMigration-und-Sucht.pdf (siehe oben). Es wurden Träger und Einrichtungsleitungen, aber auch Fachkräfte zu zwei bundesweiten Fachtagungen in Dortmund und Erfurt eingeladen. Auf diesen Fachtagungen erhielten die insgesamt 91 Teilnehmenden Einblick in die aktuelle Situation und Entwicklungsperspektiven und lernten das Diversity-Training mit den emotionalen Anteilen des Themas kennen. Weiterhin wurde eine Broschüre mit Handlungsempfehlungen zur Umsetzung einer kultursensiblen Suchtarbeit erstellt, die bundesweit an 1.770 Suchthilfeeinrichtungenversandt wurde: http://www.lwl.org/ksdownload/downloads/kultursensible_arbeit/LWL-KSMigratHandreich.pdf Förderinitiative transVer - transkulturelle Versorgung von Suchtkranken Link: http://www.transver-sucht.de/ Laufzeit: 2009-2012 Träger der geförderten lokale Projekte: Gangway e.V, Parlos gGmbH, SKM e.V, Mudra e.V, Gesundheitsamt Leipzig, Suchtabteilung LWLKlinik Warstein Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Abbau von Zugangsbarrieren und die Bereitstellung zielgruppengerechter Hilfen zum Gegenstand einer Förderinitiative gemacht. Das Vorhaben startete im Frühsommer 2009 für die Laufzeit von drei Jahren. Ziel war, eine kultursensible Suchthilfe zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren. Neben sechs regionalen Modell 19 Seite 20 projekten, in denen exemplarisch zielgruppengerechte Ansprache und Maßnahmengestaltung erprobt und evaluiert wurden, beinhaltete die Förderinitiative ein wissenschaftliches Begleitvorhaben. Die Betreuung der Förderinitiative lag beim Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (PT-DLR). Die sechs Modellprojekte - in Berlin, Cloppenburg, Köln, Leipzig, Nürnberg und Warstein - waren bei unterschiedlichsten Trägern und Einrichtungen angesiedelt und realisierten ein breites Spektrum von Maßnahmen zur Überwindung von Zugangsbarrieren für verschiedene Zielgruppen/verschiedener Fokus. Ebenfalls Entwicklung einer Handreichung mit Erfahrungen und Handlungsempfehlungen (Stand 2013): http://www.transversucht.de/fileadmin/transver/downloads/Handre ichung_transVer.pdf Projekte zum Gebiet Sucht (laufend) die sich primär an Migranten richten: Zielgruppen: mit Interkulturelle Suchthilfe: Prävention und Beratung für Migranten/-innen Cloppenburg: deutlich unterversorgte, weibliche, russischsprachige Konsumentinnen & russische Migranten, die den Kontakt zum Hilfesystem abgebrochen hatten Link: http://www.ethno-medizinischeszentrum.de/index.php?option=com_content&vi ew=article&id=34&Itemid=27 Berlin: jugendliche Drogenkonsumenten Migrationshintergrund Köln: türkischstämmige Konsumenten und deren Angehörige Träger: Ethno-medizinisches Zentrum e.V, Hannover Laufzeit: 1996 – jetzt Leipzig: Multiplikatoren für Suchtprävention, heimatsprachige Fachkräfte der Suchthilfe Nürnberg: sozioökonomisch integrierte russisch-, türkisch- und italienischsprachige MigrantInnen und deren Angehörige Warstein: russischstämmige Drogenabhängige in stationärer Behandlung An den sechs Modellstandorten konnte durch die umgesetzten Maßnahmen der Zugang zum Suchthilfesystem für Menschen mit Migrationshintergrund in der Projektlaufzeit verbessert werden. Es wurden je nach Standort und Zielsetzung sowohl die Zahl erreichter KlientInnen der Zielgruppe erhöht als auch eine höhere Verweildauer bzw. bessere Anbindung an Folgebehandlungen erzielt. die Ergebnisse wurden auf der 52. DHS Fachkonferenz Sucht vorgestellt. Das Projekt „Interkulturelle Suchthilfe – Prävention und Beratung für Migrantinnen und Migranten" (ISH) wird seit 1996 durch die Landeshauptstadt Hannover gefördert. Das Projekt verfolgt das Ziel, MigrantInnen durch verschiedene Angebote einen Zugang zum Suchthilfe-system zu ermöglichen. Durch muttersprachliche und kulturspezifische Präventionsmaß-nahmen werden die Barrieren zwischen MigrantInnen und dem Suchthilfesystem abgebaut und zwischen beiden vermittelt. Das ISH Projekt unterstützt damit die allgemeinen Aufgaben des Suchthilfesystems, indem es bedarfsgerechte Angebote organisiert. Die Angebote richten sich an folgende Personen, Gruppen und Institutionen: - Allgemein am Thema interessierte MigrantInnen 20 Seite 21 - Drogenkonsumenten - Ehemalige Drogenabhängige - Co-Abhängige, Angehörige und gefährdete Personen - Professionelle Moscheen usw.) über das Suchthilfesystem, in Muttersprache, in Hamburg. Ebenso sind MultiplikatorInnen die Fachkräfte vor allem aus dem Hamburger Suchthilfesystem und MigrantInnenorganisationen, die dieses Projekt in ihren Gruppen "werben" und anbieten. Weitere Infos zu Kooperationspartnern etc.: Weitere Infos: http://suchthamburg.de/projekte/her-an-zukunft https://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/recherche/interkulture lle-suchthilfe-ish/ Mehrsprachiger Flyer: http://www.suchthamburg.de/uploads/docs/651.pdf Herkunft – Ankunft – Zukunft Muttersprachliche psychologische Beratung Träger: Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V Träger: Für eine kulturvolle, solidarische Welt e.V. Laufzeit: 2006 – jetzt Link: https://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/recherche/herkunftankunft-zukunft/ Informationsangebote zu Suchtfragen von und für Menschen mit Migrationshintergrund. Ziel von Herkunft-Ankunft-Zukunft ist die kultursensible Aufklärung über das Suchthilfesystem in Hamburg und die Vermittlung von Informationen rund um das Thema „Sucht“ in den Communities und in Muttersprache. Dabei steht die Enttabuisierung des Suchtthemas unter den Migrantinnen und Migranten im Mittelpunkt des Interesses. MultiplikatorInnen des Projektes sind die sogenannten Keypersons. Migrant(inn)en und Menschen mit Migrationshintergrund werden durch die Hamburgische Landesstelle für Suchtfragen e.V. zu interkulturellen, muttersprachigen „Schlüsselpersonen“/„Brückenpersonen“ geschult und zertifiziert. Diese interkulturellen Keypersons referieren in ihrer jeweiligen Community (Kultur- und Jugendhäuser, Elterncafés, Laufzeit: 1992-jetzt Link: http://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/muttersprachlichepsychologische-beratung/ Muttersprachliche Psychologische Beratung für Migrantinnen und Frauen mit Migrations- und Fluchthintergrund. Zurzeit in folgenden Sprachen: Spanisch, Polnisch, Russisch, Französisch, Persisch, Portugiesisch, Rumänisch, Italienisch, Englisch, Deutsch PeaS-Peer-Eltern an Schulen Träger: pad e.V. – Eltern und Jugendliche gegen Drogenmissbrauch, Berlin Laufzeit: 2009 – jetzt 21 Seite 22 Link: http://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/peaspeer-eltern-an-schule/ Angebote: - Suchtberatung, Programmziele: - Therapievorbereitung und Vermittlung, Das Peer-Eltern-Programm stärkt Eltern in ihrer Vorbildfunktion und Erziehungskompetenz hinsichtlich Gesundheitsförderung und Suchtprävention und schützt dadurch Kinder und Jugendliche – und das vor bzw. mit Beginn der Entwicklungsphase der Pubertät der Kinder. Zielgruppe: - soziale Stabilisierung und Integration, - psychosoziale Betreuung Substituierter, - ambulante Therapie, - Überlebenshilfen, - Konsumraum, - Akupunktur und - aufsuchende Arbeit in Hamburger Haftanstalten Kern-Zielgruppe vom Programm Peer-Eltern an Schule sind Mütter und Väter von Grundschüler/innen der 3. - 6. Klassen. Das Projekt steht allen Eltern unabhängig von Herkunft, Kultur, Religion, Sprache etc. offen. Durch mehrsprachige Informationsflyer, Dolmetscher/innen schon bei den ersten Info-Elternabenden und Einbindung bereits vorhandener Integrationsmaßnahmen und Ansprechpartner/innen für Zuwanderer/innen an den Schulen wird der Zugang für Eltern mit Migrationshintergrund geebnet. Hilfe für polnischsprachige Alkoholabhängige Träger: Blaues Kreuz Diakoniewerk mildtätige GmbH, Hagen Kontakt'KODROBS' und Drogenberatungsstellen Träger: Jugend hilft Jugend e.V. Laufzeit: 1989 – jetzt Link: http://www.de.jugend-hilftjugend.de/verein/ Die Kontakt- und Drogenberatungsstellen: KODROBS beraten und informieren kostenlos, anonym und vertraulich bei Suchtproblemen. Der Verein jugend hilft jugend Hamburg verfügt über Suchtberatungsstellen in verschiedenen Stadtteilen Hamburgs. In den KODROBS Beratungsstellen wird Beratung auch in türkischer und russischer Sprache angeboten. Laufzeit: 2003 – jetzt Link: http://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/selbsthilfegruppe-fueralkoholabhaengige-aussiedler/ Zielgruppe: polnisch sprechende Aussiedler, die Alkoholprobleme haben und aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse keine Selbsthilfegruppe besuchen können. Ziel: Förderung der abstinenten Lebensweise, Hilfe bei Alkoholproblemen, Unterstützung bei Schwierigkeiten mit den Ämtern. 22 Seite 23 Psychosoziale Begleitung und Betreuung russlanddeutscher Drogenkonsumenten – stadtteilorientiert Träger: INDRO e.V, Münster Laufzeit: 1998 – jetzt Link: http://www.indroonline.de/projektrussland.htm Ziel: Begleitung/Betreuung Drogenkonsumenten russlanddeutscher Es wurde zum einen eine russisch sprechende Sozialpädagogin mit Erfahrung im niedrigschwelligen Drogenarbeitsbereich eingestellt und zum andern ein Informationsheftchen zum Spritzentausch und Safer-Use-Maßnahmen sowie ein Flyer zum richtigen Umgang mit Spritzenfunden für die Mitarbeiter im Rahmen der Jugendarbeit und in russischer Sprache für die anvisierte Zielgruppe verfasst und verteilt. In Kooperation und enger Vernetzung mit der Begegnungsstätte Sprickmannstraße in Kinderhaus ist unsere Mitarbeiterin "vor Ort" als Ansprechpartnerin tätig. Folgende Angebote werden vorgehalten: - - Aufklärungsarbeit, Informationsvermittlung und Gremienarbeit Ausloten von Zugangswegen und Kontaktherstellung zu russlanddeutschen Drogenkonsumenten - Spritzentausch und Entsorgung - Vermittlung von Safer-Use-Maßnahmen - Psychosoziale Begleitung und Betreuung - Krisenintervention und Hilfsvermittlungen Darüber hinaus findet einmal wöchentlich (mittwochs) von 10.00 – 13.00 Uhr ein Frühstückstreff speziell für drogenkonsumierende Aussiedler im Indro-Kontaktladen mit gezielten Gesprächsangeboten statt. Auf Wunsch werden psychosoziale Unterstützungsmöglichkeiten und Beratung vorgehalten und Vermittlungen zur Entgiftung, Substitution und Therapie (Drogenberatungsstelle, Sofort-Hilfe) geleistet. Sucht und Migration Träger: Jugendliche Deutsche aus Russland e. V., Eichstätt Laufzeit: 2003 – jetzt Link: http://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/suchtund-migration/ Angebot: - regelmäßige Treffen - Einzel- und Gruppenarbeit - Informationsveranstaltungen - Schachkurs - Beratung und Betreuung - Selbstverteidigung - Breakdance - Russischsprechende Selbsthilfegruppe in Ingolstadt und Eichstätt Flyer in russischer Sprache: http://www.jugendarbeitei.de/pages/jdr/flyer_gross.jpg 23 Seite 24 Projekt zur Suchtprävention und Betreuung drogengefährdeter russischsprechender Aussiedler in der Stadt Ingolstadt Träger: Stadtteiltrefpiusviertel/Stadt Ingolstadt In dem Leitfaden werden verschiedene Handlungsempfehlungen für die betriebliche Gesundheitsförderung bzw. -prävention gegeben. Zudem wird ein Überblick über kultursensible Kommunikation und mögliche kulturübergreifende Angebote gegeben. Laufzeit: 2011 – jetzt Link: http://www.gesundheitlichechancengleichheit.de/praxisdatenbank/projekt-zursuchtpraevention-und-betreuungdrogengefaehrdeter-russischsprechenderaussiedler-in-der-stadt-ingolstadt/ Angebot: Im Fokus: Flüchtlinge Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet auf ihrer Internetseite viele verschiedene Artikel rund um die Themen Flüchtlinge und Gesundheit. Abrufbar sind die Artikel unter folgendem Link: - Beratung zu Suchtmitteln etc. http://www.infodienst.bzga.de/?uid=b97958769 9d180a2103d3342f3915cec&id=teaserext9 - Suchtpräventionsangebote für die Zielgruppe der russlanddeutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Elternarbeit Sozial Nr. 1.2016 - Projekt und Öffentlichkeitsarbeit - Förderung der Integration, Infos und Aufklärung Sonstiges/Arbeitshilfen Betriebliche Suchtprävention Leitfaden für kultursensible Suchtprävention in Betrieben Verantwortliche: Institut für betriebliche Suchtprävention Berlin e.V Link: http://www.ibsberlin.net/projektbeispiele/leitfaden.pdf Sozial, die Mitgliederzeitschrift des PARITÄTISCHEN, beschäftigt sich in ihrer ersten Ausgabe des Jahres 2016 mit dem Thema Flüchtlinge: Unter anderem wird auf einen Fachtag zum Thema sowie Handlungsfelder und ein Interview verwiesen. Abrufbar ist die Ausgabe unter folgendem Link: http://news.eformation.de/client/media/193/d ata/40045.pdf REITOX-Bericht der EMCDDA Ende des Jahres 2015 erschien der 20. REITOXBericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA). Den größten Stellenwert in der europaweiten Diskussion nimmt wie auch in den Jahren zuvor Cannabis ein. Doch auch der europäische Heroinmarkt befindet sich im Wandel. Den ganzen Bericht können Sie hier abrufen: http://www.dbdd.de/images/EDR_2015/edr_20 15_de.pdf 24 Seite 25 Termine & Aktuelles 09. – 11.05. Fachausbildung zum betrieblichen Suchthelfer/Rendsburg Block 3 LSSH, Blaues Kreuz 12.05. FS Multiplikatoren/Kronshagen „Materialbörse“ LSSH, Suchthilfe der Ev. Stadtmission Kiel 12.07. Fachausbildung zum betrieblichen Suchthelfer/Kronshagen Themenbaustein 2 LSSH, Blaues Kreuz 15. – 17.07. Seminar I/Leck Fortbildung zur Suchtpräventionskraft/Honorarkräfte Teil 2 LSSH 13.05. Fortbildung/Kronshagen „Motivational Interviewing" Teil 1 LSSH 26.05. Fortbildung/Kronshagen „Motivational Interviewing" Teil 2 LSSH 09. – 10.06. Suchtselbsthilfetag/Kiel Eröffnung „ Wir für alle“ LSSH, Suchtselbsthilfeverbände 22.06. Fachtagung/Lübeck „(junge) Drogenabhängige in Schule, Ausbildung und Erwerbstätigkeit” LSSH, AKID, DRV-Nord 27. – 29.06. Fachausbildung zum betrieblichen Suchthelfer/Rendsburg Block 4 LSSH, Blaues Kreuz 01. – 03.07. Seminar I/Leck Fortbildung zur Suchtpräventionskraft/Honorarkräfte Teil 1 LSSH 05.07. Fachausbildung zum betrieblichen Suchthelfer/Freudenholm-Ruhleben Themenbaustein 1 LSSH, Blaues Kreuz 25
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