Christi Himmelfahrt – Wer hat die Macht?

Wer hat die Macht in dieser Welt?
Gottesdienst zu Christi Himmelfahrt
Bangkok, Gemeindehaus
1.5.2016
11.00 Uhr
Lesung Luk.24,44-53 / Predigttext: Offb.1,4-8
Lieder: EG 166,1-3.4-6; EG 123,1-4; EG 121
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater
und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde
40 Tage nach Ostern, 40 Tage nach der Auferstehung Jesu
enden die Erscheinungen des auferstandenen Jesus.
So heißt es im Neuen Testament, in der Apostelgeschichte.
Warum eigentlich?
Warum müssen wir Christenmenschen seither
ohne die unmittelbare Gegenwart Jesu auskommen?
Warum müssen wir auch nach Ostern in einer Welt leben
in der es Unrecht gibt und Gewalt,
und Krankheit und qualvolles Sterben?
40 Tage dauerten die Erscheinungen Jesu –
heißt es in der Apostelgeschichte.
Die Symbolzahl „40“ lässt bibelkundige Menschen aufhorchen.
40 Tage –
das war nach den Berichten der Evangelien auch die Zeitspanne,
in der Jesus in der Wüste fastete und betete,
in der er mit den Versuchungen der dunklen Macht kämpfte,
bevor er mit seiner Botschaft unter die Menschen ging.
Himmelfahrt IV Offb.1,4-8 Bangkok 1.5.2016 Predigt
40 Tage –
das war auch nach den Erzählungen aus dem Anfang der Bibel
die Dauer der Sintflut, in der alles Leben auf der Erde unterging,
und in der nur ein Rest der Menschen und Tiere überlebte
in der Arche des Noah.
Und 40 Jahre schließlich – das war die Zeitspanne,
in der das Volk Israel heimatlos in der Wüste umherzog
nach seiner Befreiung aus der Sklaverei in Ägpyten.
Erst nach diesen 40 Jahren, so heißt es
kamen sie hinein in das versprochene, „gelobte“ Land.
Die 40 Tage – oder auch 40 Jahre
stehen also für eine Zeit des Überganges
eine der Zeit der Prüfung, der Klärung
eine Zeit, in der sich Neues vorbereitet.
Darum – wenn die Christen 40 Tage nach Ostern
den Tag der Himmelfahrt Christi feiern
dann macht es wenig Sinn darüber zu spekulieren
wie das denn wohl gewesen sein könnte
dass der auferstandene Jesus in einer Wolke
in den Himmel verschwindet.
Denn es geht um etwas ganz anderes
was uns da am Ende des Lukasevangeliums erzählt wird –
so, wie wir es eben gehört haben:
Es geht darum,
dass Jesus Abschied nimmt von seinen Jüngerinnen und Jüngern
damit sie nun selber die gute Botschaft weitertragen.
Und es geht darum,
dass Gottes gute Botschaft nun endgültig
alle Grenzen überschreitet: die Grenze zwischen Tod und Leben
und die Grenzen aller Völker und Sprachen und Kulturen.
Und diese Grenzüberschreitung, so heißt es im Lukasevangelium,
ist nichts Unerwartetes,
ist nichts, das nun die Christen neu erfunden hätten.
Es muss alles erfüllt werden, was geschrieben steht
im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.
Also geschrieben in den Heiligen Schriften des Alten Testamentes.
Wenn also Gott am Anfang den Abraham beruft
als Stammvater seines Volkes Israel
dann ist das Ziel von Anfang am im Blick:
durch ihn sollen gesegnet sein alle Völker dieser Erde.
Gott beginnt im Kleinen, beginnt in der persönlichen Beziehung,
beginnt in der persönlichen Lebens- und Familiengeschichte –
aber am Ende zielt Gottes Wirken immer auf das große Ganze.
Liebe Gemeinde,
diese Frage, dieser elementare Zweifel ist nicht neu.
Er begleitet die Christenmenschen von Anfang an.
Und er ist unvermeidlich.
Weil eben die Art, wie Jesus König ist,
allen unseren Vorstellungen und Erwartungen widerspricht.
Und weil die Wirkungen seiner Herrschaft
weder durch objektive Beweise
noch durch eindrucksvolle Massenbewegungen
demonstriert werden kann.
Von dem elementaren Zweifel am Wirken Jesu
spricht auch der Predigttext für diesen Gottesdienst
Er steht im letzten Buch der Bibel
in der Offenbarung des Johannes:
Offb.1,4-8
Was mit der Berufung Abrahams und Israels beginnt,
weitet sich mit der Himmelfahrt Jesu endgültig aus
bis an alle Enden dieser Welt.
Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig,
alles legt ihm Gott zu Fuß …
so haben wir es eben gesungen.
Aber – bei aller Begeisterung:
bleibt uns dieses Bekenntnis zu Jesus,
dem höchsten und wahren König,
zu dem, in dem überhaupt erst sichtbar wird, was ein König ist
bleibt uns dieses Bekenntnis
nicht manchmal im Halse stecken?
Weil eben in dieser Welt so wenig davon zu sehen ist,
wie dieser wahre König regiert?
Himmelfahrt IV Offb.1,4-8 Bangkok 1.5.2016 Predigt
Liebe Gemeinde,
es ist schon sprichwörtlich: die Offenbarung des Johannes
ist ein Buch mit sieben Siegeln.
Wer schon einmal darin gelesen hat
wird sich vielleicht erschrocken haben
über all die Katastrophenbilder und rätselhaften Weissagungen
die in diesem letzten Buch der Bibel versammelt sind.
Und was das Ganze nicht einfacher macht:
Es gibt Menschen wie etwa die Zeugen Jehovas
die meinen, dass man aus dieser Offenbarung des Johannes
einen genauen Fahrplan für den baldigen Weltuntergang
herauslesen könne.
Vielleicht hilft es uns zum Verstehen, wenn wir sehen
aus welcher Situation heraus dieser Johannes
seine Offenbarungen aufschreibt:
am Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus
sind viele Christen im römischen Reich
zu ersten Mal in eine lebensgefährliche Situation geraten:
Es wird von ihnen verlangt,
- wie von allen anderen Bürgern des Römischen Imperiums auch den römischen Kaiser als Gott zu verehren
und ihm öffentlich Opfer darzubringen
Und die Christen spüren:
hier ist eine Grenze erreicht, die wir nicht überschreiten dürfen wir dürfen keine anderen Götter verehren
und schon gar nicht irgendwelche Menschen und Führergestalten,
die absoluten Gehorsam verlangen.
Das wäre Verrat an Gott.
Das wäre Verrat an der Weite des Heiligen Geistes.
Und das wäre Verrat an Jesus
der von den Römern am Kreuz hingerichtet wurde.
Und in dieser bedrohlichen Lage
versucht nun Johannes
die Christen seiner Zeit zu ermutigen und zu trösten –
indem er sagt:
nichts, was immer auch in dieser Welt geschieht
geschieht an Gott vorbei.
Weil Gott größer ist als alle römischen Kaiser
und alle Diktatoren und alle Teufel in dieser Welt.
Liebe Gemeinde,
das ist eine gefährliche Botschaft.
Ist all das Elend in dieser Welt am Ende etwa Gottes Plan?
Ist das die dunkle Kehrseite von Gottes Allmacht,
die reicht, so weit der Himmel ist?
Himmelfahrt IV Offb.1,4-8 Bangkok 1.5.2016 Predigt
Ist das nicht seit Jahrtausenden – bis zum heutigen Tag –
die Logik aller Weltverschwörungstheorien,
die glauben, dass sie die geheimen Urheber
hinter allen Weltverwicklungen und allem Elend benennen können?
Oder schlichter formuliert:
wer in Wirklichkeit an allem Schuld ist?
Die weltweite Verschwörung der Freimaurer?
Oder das international-bolschewistische Finanzjudentum?
Oder die gottlosen abendländischen Kreuzritter,
die den Islam demütigen und vernichten wollen?
Jetzt rollen Sie vielleicht mit den Augen und denken,
dass der Pfarrer hier etwas über das Ziel hinausschießt.
Aber Vorsicht!
Ich hätte es ja auch nicht für möglich gehalten –
aber eine der neueren Weltverschwörungstheorien etwa besagt,
dass Kanzlerin Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik
von geheimen Mächten im Hintergrund gesteuert wird,
mit dem Ziel, Europa wirtschaftlich und kulturell
zugrunde zu richten.
Doch hören wir noch einmal genauer hin,
wie die Offenbarung des Johannes
auf solche Ängste und Katastrophenfantasien antwortet:
Zum einen:
Mit der Himmelfahrt Jesu
hat sich Gott nicht von dieser Welt verabschiedet.
Noch einmal wird Jesus in den Wolken erscheinen –
aber dann als Richter, vor dem sich alle Menschen,
alle Könige, alle Machthaber,
und auch alle „kleinen Leute“ zu verantworten haben.
Man kann das für ein Märchenbild halten.
Aber die Kernbotschaft bleibt wie ein Stachel hängen:
Am Ende werden die Schreie und Tränen
aller Opfer der Weltgeschichte nicht einfach verhallen.
Die offenen Rechnungen, und die Leichen im Keller –
irgendwann müssen sie bearbeitet werden.
Das ist unausweichlich.
So wie das Gesetz des Karma im Buddhismus.
Und zum anderen:
Die Offenbarung des Johannes erlaubt uns nicht,
dass wir uns als hilflose Opfer stilisieren,
die sich hauptsächlich mit ihren persönlichen Kränkungen
und ihrer verletzten Ehre beschäftigen.
Selbst wenn unsere Handlungsspielräume manchmal klein sind –
Wir können nicht die Schuld auf die anderen
oder auf „die da oben“ abschieben.
Jesus, der Erstgeborene von den Toten
hat Euch zu Königen und Priestern gemacht!
Auch das kann man als religiöse Selbstüberschätzung abtun.
Aber die Kernbotschaft bleibt trotzdem:
Vor Gott sind wir mehr als nur kleine Rädchen im Weltgetriebe.
Vor Gott haben wir eine Würde, die uns niemand nehmen kann.
Weil Jesus uns durch sein Herzblut erlöst hat …
Im Kern steht hier wieder,
wie schon ganz am Anfang bei Abraham,
die persönliche Beziehung:
wir sind für Gott kostbar und einzigartig – jeder und jede von uns!
Und Gott will uns gebrauchen –
als Botschafterinnen und Botschafter seines lebendigen Geistes.
Über alle unsere Möglichkeiten
und alle Zweifel und alle Grenzen hinaus.
Himmelfahrt IV Offb.1,4-8 Bangkok 1.5.2016 Predigt
Liebe Gemeinde,
40 Tage nach Ostern enden die Erscheinungen
des auferstandenen Jesus.
40 Tage – das heißt:
Die Zeit der offenen Fragen und der Zweifel wird nicht endlos sein.
Auch wenn es manchmal fast unerträglich ist,
auf dem Weg durch die inneren und äußeren Wüsten
in dieser Welt.
40 Tage – das heißt:
Am Ende steht der Himmel offen.
Und das gelobte Land beginnt gleich hinter dem Zaun.
Wir müssen nur die Türen aufmachen.
Und der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft
bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus.
Amen.