Predigt zu Christi Himmelfahrt

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 05.05.2016 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Apg 1,1-11)
von Pfarrer Matthias Motter
Und Jesus schied von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit
im Tempel und priesen Gott. (Lk 24, 51b-53)
„Nein, Lukas, das ist zu wenig. Das ist zu kurz. Das überzeugt mich nicht. Und außerdem
ging es doch weiter, oder?“
Theophilus schaut noch einmal auf den Text. Und schaut wieder fragend zu Lukas. Und Lukas
nickt stumm.
Ein paar Monate später kommt ein Bote zu Theophilus und bringt einen neuen, langen Text
von Lukas.
Und Theophilus beginnt zu lesen:
Den ersten Bericht habe ich gegeben, lieber Theophilus, von all dem, was Jesus von Anfang an tat
und lehrte bis zu dem Tag, an dem er aufgenommen wurde, nachdem er den Aposteln, die er
erwählt hatte, durch den Heiligen Geist Weisung gegeben hatte.
Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen
unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.
Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu
warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt;
aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet
meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor
ihren Augen weg.
Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in
weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel?
Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr
ihn habt gen Himmel fahren sehen.
Liebe Gemeinde,
mit diesen Worten – an einen Theophilus gerichtet – beginnt die so genannte
Apostelgeschichte im Neuen Testament unserer Bibel.
Lukas, der Verfasser des Lukas-Evangeliums, er erzählt weiter, über Ostern hinaus.
Ostern, das ist und bleibt das entscheidende Datum, der neue Ursprung unseres Glaubens.
Und Ostern ist mit dem Morgen der Auferstehung Jesu nicht vorbei. Lukas erzählt uns mit
dreifachem Höhepunkt vom diesem wunderbaren Grunddatum unseres Glaubens.
Der erste Höhepunkt ist natürlich der Ostermorgen. Frauen, Jüngerinnen Jesu kommen zum
Grab, in das Jesus gelegt wurde, das Grab, in dem ihre Hoffnung begraben wurde – und das
Grab ist leer. Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten? werden sie gefragt und erfahren die
Auferstehung – auch ihrer Hoffnung.
In der Überlieferung des Lukas erleben dann viele Jüngerinnen und Jünger, dass Jesus nicht
tot ist – sie erleben ihn als Lebendigen, der zu ihnen kommt, sichtbar, spürbar – und doch
anders als vorher. Ein andauerndes Osterfest beschreibt Lukas. Zusammenfassend schreibt er
am Beginn seiner Apostelgeschichte: Er zeigte sich den Jüngern nach seinem Leiden durch viele
Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen
vom Reich Gottes.
Ein andauerndes Osterfest. Aber Jesus, so erzählt es uns Lukas, blickt weiter, eröffnet die
Perspektive, eröffnet die Zukunft seiner Kirche: Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz
Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Ihr werdet meine Zeugen sein. Eine Feststellung. Seinen Jüngern – und wir dürfen uns darin
eingeschlossen fühlen – traut Jesus das zu: Ihr seid jetzt meine Zeugen. Eine Feststellung,
keine Frage – aber auch ein Auftrag: Es kommt auch auf uns an, wie es mit der Botschaft Jesu
und mit dem Licht des Ostermorgens in dieser Welt weitergeht.
Und dann erzählt Lukas weiter: Und als Jesus das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben,
und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.
Mit einem Mal bekommt für die Jünger das Zeuge-Sein eine ganz andere Dimension. Eben
noch schien es ganz einfach. Eben noch hatten sie die Macht Gottes im auferstandenen und
als anwesend spürbaren Jesus vor Augen. Und plötzlich ist er weg. Plötzlich sind sie allein.
Und stehen da und schauen zum Himmel. So wie wir vielleicht manchmal. Ratlos, hilflos,
bittend. Ja, sie wollen Zeugen sein, wollen Gutes tun, die Welt verändern. Aber so ganz
allein? Eben war er doch noch da, der Trost, der Mut, der Glaube. Und jetzt? Jetzt sind sie so
allein. Kein Gott mehr zu sehen. Nun stehen da und schauen zum Himmel. Aber kein Himmel
tut sich auf und kein Blitz fährt hernieder um das Unrecht in dieser Welt zu besiegen. Kein
Himmel tut sich auf und heilt mit einem Schlag und aller Macht alle Verletzung der Körper
und der Seelen.
Da stehen die Jünger also und schauen zum Himmel – und sie sehen nichts mehr. Aber sie
hören etwas.
Zu den Jüngern, so erzählt es uns Lukas, spricht in diese Situation hinein eine Stimme: Ihr
Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel?
Und wie ein Echo klingen darin die Worte Jesu: Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes
empfangen, und werdet meine Zeugen sein
Habt keine Angst. Ihr seid nicht allein. So klingt es hier. Vielleicht seht ihr jetzt nichts mehr.
Aber die Kraft Gottes, den Geist Gottes kann man nicht sehen – und er ist doch da. Manchmal
spürbar, manchmal sieht man auch nur seine Spuren im Rückblick.
Also: Starrt nicht mutlos zum Himmel – schaut vertrauensvoll nach vorn. Auf den Weg, der
vor euch liegt.
An diesem Punkt der Erzählung des Lukas liegt der dritte Höhepunkt des Ostergeschehens
noch vor den Jüngern: Pfingsten. Geburtstag der Kirche und das Fest der Freude über die
Kraft Gottes, die uns trägt und stützt als Einzelne und als Gemeinschaft, als Kirche.
An diesem Punkt aber, zwischen Ostern und Pfingsten also: der Moment des Loslassens. Die
Jünger müssen loslassen, müssen selbstständig werden, müssen Handelnde werden. Was
steht ihr da und seht zum Himmel? müssen sie sich fragen lassen – müssen wir uns vielleicht
auch manchmal fragen lassen.
Aber es bleibt nicht beim Loslassen-müssen. Am Ende weist die himmlische Stimme über die
Grenzen unserer Welt, die Grenzen der Zeit hinaus. Er wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt
gen Himmel fahren sehen, spricht die Stimme zu den Jüngern. Das ist die Hoffnung über diese
Welt hinaus. In dieser Hoffnung können wir unseren Blick mutig nach vorn wenden, können
uns den Aufgaben in dieser Welt zuwenden. Wir dürfen darauf vertrauen, dass diese Welt
nicht alles ist – aber in dieser Welt sollen wir Zeugen sein. Zeugen der Hoffnung, die uns
trägt, Zeugen des Tröstlichen und Wunderbaren des Glaubens, Freundinnen und Freunde
Gottes.
Freund Gottes, das ist die Übersetzung des lateinischen Namens Theophilus.
Danke, Lukas, für deine Überlieferung.
Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.