PRESSEMITTEILUNG - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V.

PRESSEMITTEILUNG
Berlin / Hamm, 3. Mai 2016
Tabak und TTIP: Freihandelsabkommen und ihre
Folgen für die Suchtprävention.
Freihandelsabkommen sind für die Suchtprävention von hoher Bedeutung, weil sie die Rahmenbedingungen für den Handel mit legalen Drogen verändern. Das Beispiel der Tabakindustrie zeigt, wie Unternehmen
das internationale Handelsrecht nutzen, um Regierungen unter Druck zu
setzen und den Verbraucherschutz zu schwächen. Deshalb wurden Tabakprodukte aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen (TPP)
weitgehend ausgeschlossen. Dasselbe sollte auch für das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) gelten. Darüber hinaus ist es aus
Sicht der Suchtprävention sinnvoll, der Empfehlung des Deutschen
Richterbundes zu folgen, und auf die Einführung einer Paralleljustiz zugunsten ausländischer Investoren zu verzichten. Nur so lässt sich verhindern, dass Alkoholkonzerne dem Beispiel der Tabaklobby folgen und
auf Schadensersatz klagen, wenn ihnen ein neues Gesetz nicht gefällt.
Die großen Unternehmen der Tabakindustrie haben über lange Zeit Erfahrungen damit gesammelt, wie sich das internationale Handels- und Investitionsrecht für die Vermarktung von Zigaretten nutzen lässt. Dabei kann man grob drei Etappen unterscheiden:
1. In den 1980er Jahren haben sich US-amerikanische Tabakkonzerne auf das
GATT-Abkommen und andere Verträge berufen, um den Abbau von Zollschranken in
Ländern wie Japan oder Südkorea zu erzwingen. Diese Exportoffensive hat in
Südostasien zu einem Anstieg der tabakbedingten Morbidität und Mortalität geführt.
2. Seit 2010 nimmt Philip Morris die Bestimmungen bilateraler Handelsabkommen
zum Anlass, um nationale Gesundheitsgesetze juristisch anzugreifen. Der MarlboroProduzent hat u. a. Australien auf Schadensersatz verklagt, weil dort seit Ende 2012
Zigaretten in Einheitspackungen verkauft werden müssen. Das Hauptverfahren vor
der Welthandelsorganisation läuft noch und es ist nicht absehbar, wie es ausgeht.
3. Aktuell bemühen sich Vertreter der Tabaklobby intensiv darum, den Abschluss multilateraler Freihandelsabkommen wie TTIP zu forcieren, um von den darin enthaltenen Verfahren zur „regulatorischen Kooperation“ und den Klagemöglichkeiten für
ausländische Investoren zu profitieren.
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Unabhängig davon, ob sie vor privaten Schiedsgerichten oder einem internationalen
Handelsgerichtshof ausgetragen werden, können sich Verfahren wegen angeblicher
Verstöße gegen geltende Handelsabkommen über viele Jahre hinziehen. Dies ist aus
Sicht der Tabaklobby kein Nachteil, denn die Topjuristen der Branche können die Zeit
der Ungewissheit nutzen, um andere Regierungen mit Klagedrohungen einzuschüchtern und so von strengeren Gesetzen zur Suchtprävention abzuhalten. Eine Sammlung einschlägiger Drohbriefe ist letztes Jahr von der New York Times publik gemacht
worden. Die Unterzeichnerstaaten des transpazifischen Freihandelsabkommens TPP
haben deshalb im Oktober 2015 vereinbart, den Handel mit Tabakprodukten aus dem
Schiedsgerichtsverfahren auszuschließen.
Ob das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP eine vergleichbare Ausschlussklausel enthalten wird, ist unklar.
Aus den negativen Folgen des Freihandels für die Tabakprävention lassen sich zwei
Lehren ziehen:
1. Zigaretten sind die einzigen Handelswaren, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch für die Hälfte ihrer Konsumenten tödliche Konsequenzen haben. Sie sollten
deshalb grundsätzlich aus TTIP und anderen Abkommen zur Intensivierung des internationalen Handels ausgeschlossen werden.
2. Historisch gesehen wurden viele der Lobbystrategien, die von der Tabakindustrie
entwickelt worden sind, später auch von der Alkoholindustrie und anderen Branchen
aufgegriffen. Aus Sicht der Suchtprävention ist es deshalb sinnvoll, auf eine Paralleljustiz zugunsten ausländischer Investoren zu verzichten. Dieselbe Position vertritt der
Deutsche Richterbund.
Dietmar Jazbinsek, Statement für die Pressekonferenz der Deutschen Hauptstelle
für Suchtfragen e.V., 3. Mai 2016, im Auftrag der Dieter Mennekes-Umweltstiftung,
Kirchhundem.
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Dietmar Jazbinsek, Berlin
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Jazbinsek[at]online.de
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