Zur Ermittlung von Zeitdaten wurde eine Reihe von Methoden entwickelt, die sich nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren lassen. Wird von einigen Sonderformen der Zeitdatenermittlung (z.B. Befragen, Vergleichen und Schätzen) abgesehen, so lassen sich Arbeitszeitdaten über kontinuierliche Beobachtungen, Stichproben-beobachtungen und rechnerisch-analytische Verfahren ermitteln. Zu den Verfahren der kontinuierlichen Beobachtung zählen die manuelle Zeitaufnahme und die selbsttätige Zeitmessung über Geräte. Stichprobenbeobachtungen werden mit dem Multimomentverfahren vorgenommen. Zu den rechnerisch-analytischen Verfahren zählen die Systeme vorbestimmter Zeiten. Die Zeitdatenermittlung über eine Regressionsanalyse stellt eine Kombination zwischen der Zeitaufnahme mittels kontinuierlicher Beobachtung und einem rechnerisch-analytischen Verfahren dar. Zeitdatenermittlungen über Systeme vorbestimmter Zeiten oder Regressionsanalysen sind sehr wirtschaftlich, wenn Planzeiten ermittelt werden sollen. Denn Veränderungen an einzelnen Zeiteinflussgrößen – bspw. aufgrund von Weiterentwicklungen am Produkt oder Arbeitsplatz – können mit geringen Anpassungen an den Daten vorgenommen werden. Nach der Art der Daten, die mit einer Methode ermittelt werden können, kann zwischen Methoden der Ist-Zeitdatenermittlung und der Soll-Zeitdatenermittlung unterschieden werden. Ist-Zeitdaten lassen sich mit dem Verfahren der Zeitmessung und dem Multimomentverfahren erheben. Werden die über Zeitmessungen ermittelten IstZeitdaten über eine Leistungsgradbeurteilung normiert, entstehen Soll-Zeiten. Systeme vorbestimmter Zeiten liefern Soll-Zeiten für planmäßige, vorwiegend manuelle Tätigkeiten, ohne im Anwendungsfall zunächst Ist-Zeitdaten erheben zu müssen. Die Begriffsbestimmung von Systemen vorbestimmter Zeiten macht deutlich, dass ihre Anwendung auf vorwiegend auf die Planung, Ablaufplanung und Optimierung manueller Tätigkeiten beschränkt ist. Geistige Tätigkeiten, die über einfache Ja-NeinEntscheidungen hinausgehen, können nicht mit Systemen vorbestimmter Zeiten modelliert werden. Darüber hinaus ist eine SvZ-Anwendung nur möglich, wenn der Arbeitende diese Arbeitsabläufe voll beeinflussen kann. Sogenannte Prozesszeiten sind durch Zeitmessungen zu bestimmen. Mittels Systemen vorbestimmter Zeiten lassen sich nur die Tätigkeitszeiten ermitteln. In den Normzeitwerten sind keine Verteil- oder Erholzeiten enthalten. Systeme vorbestimmter Zeiten unterliegen außerdem der Annahme, dass keine menschlichen Fehler innerhalb des modellierten Arbeitsprozesses auftreten und Lerneffekte vernachlässigt werden können. Taylor forderte, dass „bei der Zeitstudie die Arbeit des Ausführenden in einfache „Elementarbewegungen“ zu zerlegen sei; jede Elementarbewegung sei unter Angabe der Zeitdauer genau zu „beschreiben und so zu klassifizieren, dass sie bei Bedarf jederzeit schnell wieder aufzufinden ist“. In gleicher Reihenfolge wiederkehrende „Kombinationen von Elementarbewegungen“ sollten zur schnellen Wiederverwendung klassifiziert werden. Wenn schließlich genügend Zeiten von Elementarbewegungen und deren Kombinationen klassifiziert seien, könne die „zur Verrichtung fast jeder Arbeit erforderliche Zeit“ durch „Hinzufügen der entsprechenden Zuschläge“ synthetisch ermittelt werden“. Sein Schüler Gilbreth analysierte Bewegungsabläufe u.a. mit Hilfe von Filmaufnahmen und ging davon aus, dass es Bewegungselemente gibt, die sich nicht weiter unterteilen lassen. Er definierte 17 solcher Elemente und nannte sie, seinen Namen rückwärts schreibend, „Therbligs“. Mit diesen Bewegungselementen verband er die Idee, den Zeitbedarf jeder beliebigen Arbeit synthetisch ermitteln zu können. Das erste System vorbestimmter Zeiten wurde dann auch von A.B. Segur, einem Mitarbeiter Gilbreths, im Jahre 1924 vorgestellt. Die Urheberrechte für das MTM-Verfahren wurden von den Entwicklern der 1951 gegründeten U.S.MTM-Association for Standards and Research übertragen. Diese arbeitet auf gemeinnütziger Basis. Aufgrund der schnellen Verbreitung des MTM-Verfahrens gründeten sich in der Folgezeit eine Reihe weiterer nationaler MTM-Vereinigungen. Die Dachorganisation dieser nationalen MTM-Vereinigungen bildet das Internationale MTM-Direktorat. Die U.S.MTMAssociation hat den nationalen, im internationalen MTM-Direktorat vertretenden Vereinigungen die Urheberrechte des MTM-1-Verfahrens für den Geltungsbereich ihrer Satzung übertragen. Die Deutsche MTM-Vereinigung e. V. wurde 1962 von bekannten deutschen Industrieunternehmen gegründet und ist weltweit eine der größten nationalen MTM- Vereinigungen. Weitere Informationen befinden sich unter: www.dmtm.com 1972 veröffentlichte Kjell Zandin in Schweden MOST (Maynard Operation Sequence Technique), bei dem vorwiegend die Bewegung von Objekten betrachtet wird. Es wird dabei unterschieden zwischen drei Bewegungsabfolgen: General Move, Controlled Move und Tool Use. Um die Grundbewegungen gegeneinander abzugrenzen und den Zeitbedarf für die Grundbewegungen zu ermitteln, wurden eine Vielzahl industrieller Arbeitsabläufe gefilmt. Durch Auszählen der je Bewegung anfallenden Bilder wurden die Ist-Zeiten ermittelt. Die aus der interpersonellen Leistungsstreuung resultierenden Zeitstreuungen wurden mit dem LMS-Verfahren ausgeglichen. Die MTM-Normleistungszeiten wurden mit Hilfe statistischer Verfahren wie der Regressionsrechnung verarbeitet, um die Messwertstreuungen auszugleichen und funktionale Zusammenhänge zwischen den Einflussgrößen und der Zeit herzustellen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen bildet die MTMNormzeitwertkarte. Die zur Zeit gültige Ausgabe der Zeitwertkarte des MTM-Grundsystems ist die MTMData-Card 101 A, Ausgabe 1955, der U.S.- und Canada MTM-Association. Auf dieser Karte basieren die vom internationalen Direktorat anerkannten nationalen Karten. Dadurch ist auf internationaler Ebene eine Übereinstimmung der Daten gegeben. Lediglich die Zollmaße sind für verschiedene nationale Vereinigungen in das metrische System übertragen worden. (Deutsche MTM-Vereinigung e.V., Lehrgangsunterlagen zu MTM-1). Die Analyse von manuellen Arbeitsprozessen mit MTM erfolgt heute in der Regel rechnergestützt, z. B. mit Hilfe von TiCon-Base (www.dmtm.com). Untersuchungen haben gezeigt, dass die aufgeführten fünf Grundbewegungen in der Praxis mit Abstand am häufigsten vorkommen. Sie werden auch als Grundbewegungszyklus bezeichnet, da sie in der Regel in der dargestellten Reihenfolge auftreten. Die Grundbewegungen können nach der Schwierigkeit ihres Erlernens unterteilt werden: So werden einfache Bewegungen wie Hinlangen und Bringen nahezu sofort beherrscht; ihre Ausführung kann durch Übung kurzfristig kaum verbessert werden. Dagegen sind Bewegungen wie Greifen und Fügen als schwierig einzustufen; ihre Ausführung kann durch sensomotorische Übung verbessert werden, so dass ihre Ausführungsdauer mit der Anzahl der Wiederholungen sinkt. Belegt wird dies durch Studien von Rohmert & Schlaich (1967) und von Rohmert & Kirchner (1969). Charakteristisch für das Drücken und Trennen ist die ansteigende kontrollierte muskuläre Kraft, die auf einen Gegenstand wirkt, ohne dass dabei eine nennenswerte Bewegung auftritt. Drehen ist die Grundbewegung, die ausgeführt wird, wenn die leere oder belastete Hand um die Längsachse des Unterarms bewegt wird. Blickverschieben ist die Bewegung der Augen, die ausgeführt wird, um den Blick von einer Stelle auf eine andere Stelle zu lenken. Beeinflusst wird das Blickverschieben vom Abstand zwischen den Blickpunkten und dem Abstand der Augen von der Verbindungslinie der Blickpunkte. Ein Blickverschieben wird nur dann analysiert, wenn es als selbstständige Grundbewegung auftritt, d. h. die Augen müssen ihre Wahrnehmungsaufgabe erfüllt haben, bevor die nächste Grundbewegung ausgeführt werden kann. Prüfen ist die Augentätigkeit, um an einem Gegenstand innerhalb des normalen Blickfeldes (kreisförmige Fläche mit einem Durchmesser von 10 cm, die sich in 40 cm Entfernung von den Augen befindet) leicht zu unterscheidende Merkmale festzustellen. Beim Prüfen kann zwischen Kontroll- und Prüfmerkmalen unterschieden werden. Kontrollmerkmale sind solche Merkmale, die lediglich auf ihr Vorhandensein zu prüfen sind (z. B. Bohrung vorhanden?). Prüfmerkmale sind qualitativ zu beurteilen (z. B. Gießharz sauber vergossen?). Die Zeit für das Hinlangen wird von der Ausprägung der drei Einflussgrößen (Bewegungslänge, Bewegungsfall, Typ des Bewegungsverlauf) bestimmt. Die Bewegungslänge ist der tatsächlich zurückgelegte Weg im Raum. Der Bewegungsfall ist abhängig vom erforderlichen sensomotorischen Kontrollgrad einer Bewegung. In den Fällen A und E ist der Kontrollgrad gering, im Fall B mäßig, und in den Fällen C und D hoch. Beim Hinlangen können drei Typen des Bewegungsverlaufs auftreten. In den meisten Fällen beginnt und endet die Hand in der Ruhelage. Die normale Hinlang-Bewegung weist daher eine Beschleunigung- und Verzögerungsphase auf (Typ I). Typ II liegt vor, wenn entweder die Beschleunigungs- oder die Verzögerungsphase fehlt (z. B. Hinlangen zu einem Maschinenhebel, der ohne Bewegungsverzögerung nach dem Hinlangen bewegt wird). Typ III-Bewegungen (fehlende Beschleunigungs- und Verzögerungskomponente) kommen in der Praxis äußerst selten vor. Die MTM-Normzeitwertkarte macht keine Angaben über die Streuungen des Ausführungszeit sowie die Wahrscheinlichkeit eines menschlichen Fehlers bei der Bewegungsplanung, -ausführung und –kontrolle. Modelliert wurde hier das Aufnehmen und Fügen von Bolzen durch einen Mitarbeiter. Die Bolzen (Abmessungen 8x12 mm, vollsymmetrisch) liegen vermischt in einer Box in 40 cm Entfernung vom Mitarbeiter. Der Mitarbeiter nimmt jeweils einen Bolzen auf und steckt ihn in die vor ihm liegende Öffnung. Die passgenaue Öffnung besitzt eine enge Fügetoleranz, die Handhabung wird als einfach eingestuft. Das Loslassen des Bolzens geschieht durch Öffnen der Finger. Im Beispiel sind nacheinander folgende Bewegungen dargestellt. Ziel der Arbeitsgestaltung sind allerdings Bewegungsabläufe, bei denen z. B. beide Hände gleichzeitig Bewegungen ausführen. Eine kombinierte Bewegung wird ausgeführt, wenn eine Bewegung bzw. mehrere Bewegungen während einer Hauptbewegung ausgeführt werden und der Bewegungsablauf nicht gehemmt wird. Daher werden die Bewegungen zur selben Zeit von einem einzigen Körperteil ausgeführt. Bewegungen lassen sich dann gleichzeitig ausführen, wenn der sensomotorische Kontrollaufwand gering bis mäßig ist. Hoher Kontrollaufwand stellt dagegen so hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen des Menschen, dass diese Bewegungen in der Regel nicht gleichzeitig ausgeführt werden können. Auf der Vorderseite der MTM-Normzeitwertkarte ist eine Tabelle abgebildet, mit deren Hilfe entschieden werden kann, ob Grundbewegungen gleichzeitig oder nacheinander ausgeführt werden können. Dabei werden drei Schwierigkeitsgrade zur Ausführung gleichzeitiger Bewegungen unterschieden: (1) leicht, (2) mit Übung, (3) schwierig. Man kann bei simultanen Hinlangbewegungen bspw. ablesen, dass die Möglichkeit der gleichzeitigen Ausführung zwar gegeben ist, hierzu jedoch Übung notwendig ist. Die beiden Abbildungen stellen die Montage zweier Bolzen dar. In der oberen Abbildung ist zu sehen, wie die Bolzen nacheinander mit einer Hand in die Vorrichtung gesteckt werden. Die untere Abbildung hingegen zeigt, wie beide Bolzen gleichzeitig - also mit zwei Händen - ebenfalls in die Vorrichtung gesteckt werden. Das Montagebeispiel zeigt, dass die Beidhandarbeit in diesem Fall eine erhebliche Zeitersparnis zur Folge hat. Dem MTM-Grundverfahren, auch als MTM-1 und MTM-Grundsystem bezeichnet, liegt das Methodenniveau der Massenfertigung zugrunde. Da die Massenfertigung aufgrund veränderter Kundenanforderungen heute nur noch in wenigen Branchen zur Anwendung kommt, wurden in der Vergangenheit verdichtete MTM-Analysiersysteme entwickelt. Diese weisen eine deutlich höhere Analysiergeschwindigkeit auf und sind für die Serienund Einzelteilfertigung geeignet. Im deutschsprachigen Raum wurden unter Federführung der Deutschen MTMVereinigung e. V. die folgenden MTM-Analysiersysteme entwickelt: - MTM-Standard-Daten-Basiswerte - MTM-UAS (Universelles Analysiersystem) - MTM-MEK (MTM für die Einzel- und Kleinserienfertigung). Das Analysiersystem MTM-UAS ist das Analysiersystem, welches in Deutschland den höchsten Verbreitungsgrad aufweist. Es wird unter anderem in manuellen Montagen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie angewendet. Typische Anwendungsfelder von MTM-MEK sind die Montage in der Luftfahrtindustrie oder die Erstellung von Stanz- und Umformwerkzeugen in der Automobilindustrie. Das MTM-Grundverfahren kommt in Deutschland nur noch in sehr wenigen Unternehmen zur Anwendung. Die Entwicklung verdichteter Analysiersysteme erfolgt ausgehend vom MTMGrundsystem über eine Höher- oder Querverdichtung der Daten. Bei der Höherverdichtung werden Daten nach dem Prinzip der Strukturstückliste modular zusammengefasst. Die Datenzusammenfassung erfolgt entweder additiv oder statistisch. Bei der Querverdichtung werden Einflussgrößen bzw. deren Ausprägungen jeweils auf einer bestimmten Datenebene reduziert. Die Grundbewegung Loslassen wird der Bewegungsfolge Aufnehmen zugeordnet, um ein mehrfaches Platzieren – bspw. das Stempeln von Karten mit Drücken der Matrize auf das Stempelkissen nach jedem Stempelvorgang – zu ermöglichen. Ein Loslassen des Stempels erfolgt genau ein Mal, nämlich nachdem sämtliche Stempelvorgänge ausgeführt wurden. Zum Löten einer Platine wird mit der linken Hand das Lötzinn gegriffen und mit der rechten Hand der Lötkolben aus einer Vorrichtung gegriffen. Mit dem Lötkolben wird an der Lötstelle das Zinn erhitzt, bis dieses flüssig ist, und die zu verbindenden Bauteile mit dem Lot fixiert. Anschließend werden der Lötkolben und das Zinn abgelegt. Der Vergleich der Analyse des Lötvorgangs mit dem MTM-Grundverfahren und mit MTMUAS zeigt, dass derselbe Arbeitsprozess mit dem MTM-Grundverfahren mit 14 Grundbewegungen und mit MTM-UAS mit nur vier Grundvorgängen beschrieben wird. UAS fasst die Bewegungen Hinlangen, Greifen, Bringen und Fügen des Lötzinns zu dem Grundvorgang „Aufnehmen und Platzieren“ (AC2) zusammen. Das Hinlangen, Greifen, Bringen, Fügen und Loslassen des Lötkolbens wird zu dem Grundvorgang „Hilfsmittel handhaben“ (HC2) verdichtet. Das Ablegen des Zinns auf dem Tisch wird durch das „Platzieren“ (PA2) in einer ungefähren Lage ausgedrückt. Weiterhin verzichtet UAS auf eine Differenzierung zwischen parallel und sequentiell ablaufenden Bewegungen der linken und der rechten Hand. Trotz der Verdichtung der Modellierung divergiert die Gesamtzeit in diesem Beispiel nur um 6,5 %. Die mit der Weiterentwicklung der Analysiersysteme verbundene Verdichtung von Daten führt zu einer verringerten Anzahl an Systembausteinen, die zur Beschreibung eines Arbeitsprozesses benötigt wird. Am Beispiel der Montage eines Vergasers wird deutlich, dass im Grundsystem (MTM-1) gegenüber dem Universellen Analysiersystem (MTMUAS) mehr als die fünffache Anzahl an Bausteinen zur Beschreibung der gleichen Aufgabe notwendig ist. Die geringere Anzahl notwendiger Bausteine in MTM-UAS führt zu einem geringeren Zeitaufwand bei der Durchführung der Analyse. Dieser Vorteil wird jedoch nur durch eine geringere Genauigkeit der Analyse erreicht; insbesondere geht diese mit einem geringeren Methodenniveau einher – die Tätigkeit wird also weniger detailliert beschrieben. Dies zeigt sich an den unterschiedlichen analysierten Ausführungsdauern: Für MTM-UAS ist die vorhergesagte Ausführungszeit aufgrund der geringeren Detaillierung üblicherweise höher als im Grundsystem.
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