Über Rückgabeforderungen und die Popularität abwesender Dinge

Institut für Ethnologie und Afrikastudien
Institutskolloquium Sommersemester 2016
Leitung: Carola Lentz
Ronja Metzger (Frankfurt a. M.)
Über Rückgabeforderungen und die Popularität abwesender
Dinge. Die Benin-Maske im British Museum
Das Erbe kolonialer Eroberungen in Museen weltweit erregt seit Jahren das öffentliche Interesse. In zahlreichen Auseinandersetzungen treten divergierende normative Vorstellungen von Verbleib, Verwendung, Wert und Bedeutung dieser Objekte
zutage. Das beteiligte Feld individueller und kollektiver Akteure ist ebenso heterogen wie deren Motivationen, Diskursformen und Rechtfertigungsstrategien. Gleichsam divers sind Rahmenbedingungen und politische Implikationen.
Um diese Polyphonie exemplarisch zu entschlüsseln, beleuchtet der Vortrag das
Beispiel der rund vierzig-jährigen Debatten um eine elfenbeinerne Anhängermaske
aus dem Königreich Benin (heutiges Nigeria). Als Raubgut einer britischen Strafexpedition gelangte die Maske Anfang des 20. Jahrhunderts in das British Museum
nach London. In den 1970er Jahren wurde ihr Abbild als Emblem für das bis dahin
größte pan-afrikanische Kulturfestival (FESTAC ´77) in Nigeria verwendet. Die anlässlich des Festivals verweigerte Leihgabe der Maske bildete den Ausgangspunkt
sowohl für bis heute anhaltende Rückgabeforderungen als auch für populäre Aneignungsprozesse dieser „pan-afrikanischen Ikone“.
Der Vortrag analysiert die Entwicklung der Rückgabeforderungen in Nigeria und
England und setzt diese in Relation zur visuellen Omnipräsenz des absenten Originals. Der Blick auf diese bildlichen Aneignungen und ihre Produzenten erweitert
dabei den weitgehend negativ besetzten Rückgabediskurs um Aspekte der agency
und des kreativen Umgangs mit dem Abwesenden.
Ronja Metzger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie der
Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie arbeitete dort zuvor als Stipendiatin am
Exzellenzcluster „Herausbildung normativer Ordnungen“ über Rechtfertigungsnarrative in Rückgabediskursen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Museen und kulturelles Erbe, Kunstethnologie und materielle Kultur mit regionalem Fokus auf Nigeria und Großbritannien.
Dienstag 07. Juni 2016, 18:15 − 19:45 Uhr
Hörsaal 14 (Raum 01-715), Forum 7, Becherweg 4, 1. Stock