** DONNERSTAG, 28. APRIL 2016 KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 ** D 2,50 EURO B Zippert zappt KOMMENTAR W er sich ein elektrisches Auto kauft, soll 4000 Euro Prämie erhalten. Diese Prämie zahlt auf Befehl der Regierung zur Hälfte das deutsche Volk und zur Hälfte der Stromautohersteller, der die 2000 Euro aber gleich auf den Kaufpreis draufschlagen kann. Insgesamt vergibt das deutsche Volk Fördermittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro. Die Autoindustrie freut sich, weil sie nach der Abwrackprämie schon wieder eine Zuwendung vom deutschen Volk erhält, das damit seine tiefe Verbundenheit mit seinen Autoherstellern zeigt. Die Unternehmen begreifen das Ganze natürlich nicht nur als Liebesbeweis, sondern auch als Chance und Challenge. Die findigen Ingenieure überlegen schon länger, wo man beim elektrischen Auto die Schummelsoftware einbauen könnte und ob man irgendwo ein Thermofenster dazwischenschrauben kann. Das deutsche Volk zeigte sich in einer ersten Stellungnahme überrascht, aber auch ein wenig gerührt, wenn nicht gar elektrisiert von seiner eigenen Freigebigkeit. THEMEN FEUILLETON Lügen, saufen, bombardieren: Neue Erkenntnisse über Richard Nixon Seite 22 FINANZEN Wie Sie mit Whiskey Rendite erzielen Zeitgeist kommt vor dem Fall ULF POSCHARDT Kommentar Seite 3 und Seite 10 4000 Euro für jeden Käufer eines Elektrofahrzeugs Mit einer Prämie sollen die Deutschen ab Mai von strombetriebenen Autos überzeugt werden. Staat und Industrie teilen sich die Kosten. Kritik kommt von Wirtschafts- und Umweltverbänden D ie Bundesregierung greift für die deutsche Automobilbranche tief in die Tasche: Mit einer 4000 Euro schweren Prämie will sie die Deutschen zum Kauf von Elektrofahrzeugen bewegen. Die Zuschüsse gelten ab dem für Mai geplanten Kabinettsbeschluss, erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einem Treffen mit der Autobranche. SPORT Die Prämien sollen 4000 Euro für reine Elektroautos und 3000 Euro für Hybridfahrzeuge mit aufladbarer Batterie plus Verbrennungsmotor betragen. Dabei darf das Basismodell nach Listenpreis nicht teurer als 60.000 Euro sein. Ist die Prämiengesamtsumme von 1,2 Milliarden Euro ausgeschöpft, geht ein Käufer leer aus. „Wer zuerst kommt, bekommt die Förderung“, sagte Schäuble. Die Industrie trägt die Hälfte der Gesamtkosten. So bekommt ein Kunde nur dann eine Prämie, wenn sich auch sein WISSENSCHAFT Spezielle Antikörper schützen vor HIV GETTY IMAGES/FSTOP; ZVG Nach monatelangen Beratungen hat eine Expertenkommission der Bundesregierung Empfehlungen zur Finanzierung des Atomausstiegs vorgelegt: Demnach können sich die Energiekonzerne für 23,3 Milliarden Euro freikaufen. Im Gegenzug müssen sie sich nicht mehr um ihren Atommüll kümmern. Zwischen- und Endlagerung sind dann Verantwortung des Bundes. Die Konzerne meldeten Bedenken an. Die Forderung Berlins würde sie ruinieren. Greenpeace hält die Summe dagegen für „unverschämt niedrig“. VON NIKOLAUS DOLL, MARTIN GREIVE UND PHILIPP VETTER Seite 19 D Milliardenpoker um Atommüll Seite 15 Die halbe Bundesliga ist auf Trainersuche Nr. 99 Hersteller an der vereinbarten Finanzierung zur Hälfte beteiligt. Daimler, Volkswagen und BMW sicherten dies auf dem „Autogipfel“ zu. Zum Förderprogramm gehört auch der Aufbau 15.000 neuer Ladestellen, sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Sie sollen vor- wiegend an Tankstellen, aber auch an Supermärkten oder Sportplätzen entstehen. Dafür gibt der Bund bis 2020 rund 300 Millionen Euro. Als Grund für die staatliche Förderung nannte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) anstehende Umwälzungen in der Autobranche. „Das Auto wird jetzt neu erfunden.“ In Deutschland müsse mehr geforscht und die industrielle Fertigung künftiger Batterien zurückgeholt werden. Ziel sei es, auf dem Heimatmarkt zu zeigen, dass man die Antriebsform beherrsche und „massenmarktfähig“ mache. Mit den Maßnahmen hoffe man, die Zahl der Elektroautos über die Schwelle von 500.000 zu heben. Ursprünglich hatte die Regierung das Ziel ausgegeben, dass bis 2020 eine Million E-Autos im Land unterwegs sein sollen. Zum Jahresbeginn waren aber erst 25.500 E-Autos und 130.000 Hybride zugelassen. Als Hauptprobleme beim Ausbau der Elektromobilität gelten die vergleichsweise hohen Preise für Elektroautos, deren geringe Reichweite und eine unzureichende Ladestation-Infrastruktur. Mit dem nun beschlossenen Pro- Autohersteller: „Ein wichtiger Schritt“ Die Autohersteller Daimler und BMW zeigten sich zufrieden mit der beschlossenen Prämie für Elektroautos. „Die gemeinsame Förderung der Elektromobilität ist ein wichtiger Schritt, um die Mobilität in Deutschland nachhaltiger zu gestalten“, sagte BMW-Vorstandschef Harald Krüger. Ähnlich positiv äußerte sich Daimler-Chef Dieter Zetsche: „Das wird helfen, schneller als bisher Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen“, sagte er. gramm will die Bundesregierung den Kauf von bis zu 400.000 Fahrzeugen fördern. Ob das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 damit erreicht werden kann, beurteilte Gabriel aber skeptisch: „Das werden wir dann sehen.“ Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßte die Weichenstellung. „Es geht nicht um eine dauerhafte Unterstützung der Elektromobilität, es geht um einen Startimpuls“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Der Vorstandschef des Autozulieferers Bosch, Volkmar Denner, sprach sich überraschend gegen Kaufprämien aus. „Eine Prämie kurbelt kurzfristig die Nachfrage an, aber ist nicht nachhaltig.“ Wichtiger sei, eine Lade-Infrastruktur aufzubauen, auch die Freigabe von Busspuren für EAutos könnte ein wirksamer Anreiz sein. Umweltverbände kritisieren die Förderung für die Autobranche, die gerade wegen der Abgas-Affäre im Blickpunkt steht. Auch Ökonomen üben Kritik. „Die Prämie für E-Autos halte ich für einen schweren Fehler“, sagte der Chef des Wirtschaftsinstituts Ifo, Clemens Fuest. Siehe Kommentar und Seite 8 er große Philosoph, Hollywoodstar und US-Präsident aus dem sonnigen Kalifornien, dem Zukunftslaboratorium des Westens, Ronald Reagan, hasste staatliche Interventionen in die Marktwirtschaft. Den Irrsinn brachte er auf den Punkt: „If it moves, tax it. If it keeps moving, regulate it. And if it stops moving, subsidize it.“ Mit der Automobilwirtschaft gelingt der Bundesregierung vielleicht alles in einem Aufwasch. Die lebendige Autoindustrie wird mit hoher Kraftstoffsteuer, Kfz-Abgaben und drohenden Strafsteuern für weiterhin sehr beliebte Spritfresser angezählt, mit Tempolimits und drohenden Fahrverboten soll die Begeisterung für individuelle Mobilität eingehegt werden, während gleichzeitig Nischenprodukte mit einer durchwachsenen Ökobilanz nun massiv subventioniert werden. Die von der Bundesregierung beschlossene üppige Förderung der EMobilität ist ein Paradebeispiel für den unseligen Doppelpass zwischen Etatismus und Paternalismus. Die Umerziehung der zum Teil autoverliebten Deutschen wird mit Steuergeld finanziert und macht den Staat einmal mehr zu einem viel zu großen Player im freien Spiel des Marktes. Dort hat die Neuorientierung der Konsumeliten längst ohne Anreize begonnen. Der Erfolg von Tesla ist ein schönes Beispiel, die wachsende Zahl von Hybriden ebenso, die besonders in Villengegenden und Szenevierteln die rollende moralische Unbedenklichkeitserklärung der Bestverdiener abgeben. Diese werden jetzt auch mit den Steuermillionen der unteren Mittelschicht, der Bäcker, Polizisten und Krankenschwestern gepampert. Das ist pervers. Dass die Industrie die Hälfte der Subvention selbst trägt, macht das Ganze noch unsinniger und bürokratischer. Wenigstens hat die CDUFraktion mit ihrem Nein deutlich gemacht, dass sie nicht alle ordnungspolitischen Koordinaten Ludwig Erhards aus ihrem Navigationssystem eliminiert hat. Besonders bizarr wirkt der Lärm der Grünen, die mit ihrer Auto-, Forschungs- und Technikskepsis eben auch Grundlagenforschung für E-Mobilität vertrieben haben. Diese und saubere Energiequellen machen den Unterschied. Die besten Akkus holen Mercedes für die Formel 1 und Porsche für LeMans von einem US-Unternehmen. Deutschlands Industrie hat womöglich viel verschlafen, aber mit sparsamen Turbodieseln und ebenso soliden wie schönen Automobilen nachhaltige Produkte geschaffen. Die aktuelle CO2-Hysterie reduziert die Umweltverträglichkeit auf einen kleinen Teil der Ökobilanz. Und unsere Regierung biedert sich dem zeitgeistlichen Unfug an. [email protected] Seite 20 Im Plus Versehentlich auf der Marathonstrecke Seite 15 Eine Zwölfjährige wollte bei einem Fünf-Kilometer-Lauf mitmachen. Doch sie bog falsch ab. Und rannte vier Mal so weit DAX Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 10.299,83 1,1303 +0,39% ↗ +0,14% ↗ Dow Jones 17.40 Uhr 17.982,45 Punkte –0,04% ↘ ANZEIGE „Vision Gold“ Das Sportmagazin Heute um 18.25 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle E ine zwölfjährige Läuferin im US-Staat New York hat aus einem Versehen das Beste gemacht: LeeAdianez Rodriguez hatte sich am vergangenen Sonntag eigentlich für das FünfKilometer-Wettrennen angemeldet, das im Rahmen der Aktion „Regional Health Flower City Challenge“ in Rochester am Lake Ontario stattfand. Doch LeeAdianez war spät dran, deshalb eilte sie zur Startlinie, wie die Zeitung „Democrat & Chronicle“ berichtete. Als eine Gruppe Läufer an ihr vorbeispurtete, schloss sie sich kurzerhand an. Was LeeAdianez nicht wusste: Es waren Läufer auf der Halbmarathonroute, die fast zeitgleich durch Rochester führte. Das Fünf-Kilometer-Rennen startete hingegen laut Bericht zwar auf der gleichen Brücke, aber eine Viertelstunde nach Beginn des Langstreckenlaufs. LeeAdianez dachte, sie sei viel zu spät, und schloss sich deshalb der Laufgruppe an. Mitten im Rennen habe sie bemerkt, dass etwas nicht stimmte, das Ziel kam einfach nicht in Sicht. Sie entschloss sich jedoch zum Durchhalten. Den mehr als 21 Kilometer langen Kraftakt brachte sie schließlich mit einer Zeit von 2:43:31 zu Ende. Das ist eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 7,7 Kilometer pro Stunde. Mehr als respektaLeeAdianez bel für eine Zwölfjährige ohne TrainingsRodriguez lief erfahrung auf der Langstrecke. Während des ihren ersten Rennens hatten sie Streckenposten und ein Halbmarathon Polizist darüber informiert, dass ihre Mutter auf der Suche nach ihr sei. Doch LeeAdianez hatte der Ehrgeiz gepackt. Sie müsse jetzt erst das Rennen be- enden, erklärte sie dem verdutzten Officer. LeeAdianez’ Mutter erklärte, sie habe sich Sorgen gemacht, als sie ihre Tochter nicht unter den anderen Läufern an der Ziellinie gesehen habe. „Sie hat mir richtig Angst eingejagt“, sagte Espada Rodriguez. Zwei Stunden lang hatte sie ihre Tochter mit wachsender Verzweiflung rund um die Ziellinie des Fünf-Kilometer-Laufs gesucht. Am Ende fielen sich Mutter und Tochter weinend in die Arme. „Ich weiß nicht, wie sie das hinbekommen hat“, sagte die Mutter. „Ich bin so verdammt stolz auf sie.“ LeeAdianez habe erst vor Kurzem überhaupt mit dem Laufen begonnen. LeeAdianez beendete das Rennen als 1885. von insgesamt 2111 Läufern. Fünf andere Zwölfjährige hatten das Rennen ebenfalls bestritten, sogar ein Siebenjähriger kam in Rochester ins Ziel. Selbstverständlich sei das nicht ihr letzter Halbmarathon gewesen, gab LeeAdianez nach dem Rennen bekannt. Nächstes Mal würde sie PKU aber richtig dafür trainieren. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Telefon: 030 / 2 59 10 Fax 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax 030 / 58 58 91 E-Mail [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Telefon: 0800 / 9 35 85 37 Fax: 0800 / 9 35 87 37 E-Mail [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 99-17 ZKZ 7109
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