„Are you ok?“ - zum dritten, letzten und lautesten Mal höre ich den Satz aus Michals Mund, bevor ich den Boden unter den Füßen verliere… 24.4.2016, 12:30. Jetzt ist es tatsächlich so weit. Als ich meinem Vater zu Weihnachten das Geschenk eines Fallschirmsprunges machte, hatte ich leichtsinnig hinzugefügt „und ich spring dann natürlich mit!“ Ein wenig Aufregung mischt sich an diesem Tag mit den - im wahrsten Sinne des Wortes - kalten Füßen bei 2Grad und Sonnenschein in Klattau. Dieses flaue Gefühl im Magen wird kurz verdrängt, als wir am Flugplatz herzlich von Bertl und Michal begrüßt werden. Nach den Formalitäten geht`s auch gleich ans Eingemachte: Rein die Anzüge und Trockenübungen am Boden. Noch scheint das ganze Vorhaben weit weg zu sein, erst als die Maschine neben uns landet, ahnen wir, dass es jetzt ernst wird. Ein letztes Mal „Daumen“ hoch für die Kamera, die natürlich die ganze Zeit dabei ist, und dann sitzen wir auch schon festgeschnallt am Boden der Maschine, die im Steilflug Richtung des aufregendsten Erlebnisses meines bisherigen Lebens abhebt. Noch grinse ich in die Kamera, die mein Tandemmaster mir in regelmäßigen Abständen vor die Nase hält, um meinen Wagemut für die Nachwelt zu dokumentieren… Allerdings mischen sich mittlerweile doch ein wenig mehr Aufregung mit der Tatsache, dass ich auch beim Autofahren am besten immer aus dem Fenster schaue – sonst … naja … Und dann geht auf einmal alles ziemlich schnell: Die Springer, die gerade noch neben mir auf dem Boden saßen und ihre Bewegungen für den Einzelsprung durchexerziert haben, stehen nun an der offenen Klappe des hinteren Teils des Flugzeugs und ich kann bisher nur den Luftzug spüren und einen Teil der weißen Wolkendecke sehen, die sich vor uns allen ausbreitet. Erst als mein Vater mit seinem Tandemmaster vor uns auf einmal davonsegelt und immer kleiner wird, realisiere ich, dass es kein Zurück mehr gibt, worüber ich mir bis zu dem Zeitpunkt gar nicht wirklich Gedanken gemacht hatte. Als Michal „Head back“ und „lift your legs“ ruft, fange ich eine Hundertstelsekunde an, nachzudenken, wie ich den plötzlich metergroßen Schweinehund in mir in den Griff kriegen soll – doch die Entscheidung wurde mir bereits abgenommen: Michal hat mich mit einem Schritt in die Schwerelosigkeit katapultiert und das Adrenalin schießt in rasender Geschwindigkeit durch meinen Körper bis in die Zehenspitzen. Dieses Gefühl kannte ich bisher nur, wenn man auf einem hohen Gebäude steht und sich irrsinniger Weise vorstellt, wie es denn wohl wäre, jetzt hinunterzuspringen. Aber das tut doch normalerweise keiner !! Diese Gedanken kann ich jedoch in dem Moment gar nicht fassen, denn Michal und ich rasen bereits mit knapp 200km/h in Richtung Wolkendecke, die sich vor uns ausbreitet… Nach dem Rückwärtssalto befinden wir uns in der richtigen Position und ich schnappe wir ein Fisch nach Luft, da ich natürlich – wie meistens – den Mund offen habe, obwohl mir im Vorhinein extra noch gesagt wurde, dass man genau das vermeiden sollte, 1. wegen erwähnter Luft, die die Lungen füllt und 2. weil die GoPro Fotos der Kamera an Michals Armgelenk schöner werden, wenn man die Klappe zulässt ☺ Im nächsten Moment tauchen wir in eine weiß-graue Wolke ein, die Temperatur sinkt schlagartig und ich spüre die Schneekristalle wie eine Million kleiner Nadelstiche in meinem Gesicht. Die Bruchteile einer Sekunde, die man im freien Fall hat, Teile von Gedanken zu fassen, hab ich dazu aufgewendet, darüber nachzudenken, ob einem das Gesicht wegfrieren kann und wie um Himmels Willen man danach wohl aussieht, wenn man unten ankommt?! In Nachhinein kann ich anfügen, dass ich nicht erfroren bin, und dass Schüler sich sehr begeistert zeigen, wenn man als Erdkundelehrerin erzählt, dass man sich IN einer Schneewolke befunden hat ☺ Sekunden später öffnet sich der Schirm und ich werde mit einem Ruck in meine Gurte geschnallt, bevor mir Michal zu meinem 1. Tandemsprung gratuliert. Einige Momente später – wieder einigermaßen bei Atem vor lauter Adrenalin – stelle ich fest, dass wir nun gemächlich über Klattau schweben. Allerdings ist mein Kopf meinem Körper einen kleinen Schritt voraus und der meldet sich glatt in Form von leichter Übelkeit zu Wort. Ich beobachte meinen Vater einige 100Meter vor mir, wie sein Fallschirm Kreise über der Landschaft dreht. Erschrockene Frage an Michal, ob wir das auch machen?! „Yes, if you like?“ – „Äääh, nooo please not!“ So konnte „Schlimmeres“ vereitelt werden und ich versuche mich auf einen Punkt in der Umgebung zu konzentrieren, während Michal routiniert auf die unter uns liegende Wiese des Flugplatzes zusteuert. „Feet up!“ leitet die sanfte Landung ein – sanfter Touch down mit dem Hintern auf der Wiese. Und schon ist alles vorbei. Grinsend und doch auch ziemlich stolz auf mich selbst (ok und auch käsig im Gesicht) bleibe ich noch einen Moment in der Wiese liegen und Michal schießt die letzten Fotos… Ich bin mir nicht ganz sicher, ob er sich nicht ein wenig über meinen benommenen Zustand amüsiert ☺ Die ungesunde Gesichtsfarbe hielt sich noch etwa eine halbe Stunde, während mein Vater und ich mit unseren Urkunden wie die Helden über den Flugplatz marschierten, und es noch nicht richtig fassen konnten, was da eben passiert war. Vielen herzlichen Dank an das tolle Team von www.fallschirmsprung-tandem.de, die dieses unfassbare, irrwitzige und einzigartige Erlebnis möglich gemacht haben !! @ Monika: Danke für die tolle Rückmeldung und den schönen Erlebnisbericht.
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