FMEA - Unternehmensberatung Dietz

01/2016 | ISSN 2198-6851 (Online) w w w.dietz- consultants.com
FMEA KONKRET
Das Magazin für er folgreiche Entwickler und FMEA Moderatoren
Krieg der Welten –
der deutsche Weg gegen den Rest der Welt
Interview
mit
Siegfried Loos
Vergleich
AIAG-FMEA
und VDA-FMEA
Kolumne:
Das Kind im
Brunnen
FMEA konkret
im Gespräch mit
der FMEA-Legende
Hier finden Sie übersichtlich die Unterschiede und
­Übereinstimmungen
Die FMEA zwischen
Prävention und Schön­
färberei
„ Seite 05
„ Seite 10
„ Seite 23
KOPFZEILE
OBER STICHT UNTER
Ober sticht Unter
Oder: Wie hierarchische Systeme eine positive
FMEA Kultur verhindern oder fördern.
Haltung und Fähigkeiten
Kultur ist der bestimmende Faktor für
menschliches Verhalten. Im Kontext von
Unternehmen halte ich es durchaus für
angemessen, den Begriff „Unternehmenskultur“ zu bemühen Bevor der Wettstreit
um das beste Vorgehensmodell für das ­
Erledige bestimmter Aufgaben geführt
wird, ist Aufmerksamkeit für diese signifikante Größe angeraten.
Auf FMEA angewendet stellt sich vor
der Methodenfrage also die Kulturfrage:
­Welche Kräfte im Unternehmen prägen
den Umfang mit Risiken, Fehlern und Ursachen? Auditoren haben gelernt, „objektive
Nachweise“ für solcherlei Fragestellungen
liefern. Auch für Frage zur Unternehmenskultur sind diese trotz der verständlichen
Komplexität durchaus zu finden. Wenn bei
einem OEM aus den USA Dokumente auftauchen, welche das Benutzen von Begriffen wie Gefahr, Risiko, Titanic, Hindenburg
usw. im Rahmen von FMEA verbieten, gibt
das deutliche Hinweise. Wenn ein deutscher OEM die bekannte Abgasproblematik
als ausschließlich technisches Problem
kommuniziert ebenfalls.
Wer kennt nicht die Aussagen:
¡¡ „Die FMEA wird in unserem Hause
nicht gelebt.“
¡¡ „Ich habe kein eigenes Interesse an
einer Veränderung.“
¡¡ „Eine FMEA macht nur Mehrarbeit,
erzeugt Kosten und nützt uns nichts.“
¡¡ „Notwendiges Übel.“
In solchen Fällen muss logischerweise
eine Veränderung stattfinden. Aber wie?
Zunächst muss der Ist-Zustand durch entsprechende Interviews aufgenommen
werden. Dieser wird dann aufbereitet und
der Geschäftsleitung präsentiert. Ein Ergebnis dieser Präsentation kann sein, dass
die Notwendigkeit einer „von oben“ gesteuerten Veränderung (Change) erkannt,
und die Durchführung beschlossen wird.
Als erster Punkt werden die Gründe der
Veränderung und die zeitliche Relevanz
ermittelt.
Das Bewusstsein der Notwendigkeit zur
Veränderung ist häufig nicht in einer
ausreichenden Tiefe vorhanden. Bei Kundenbefragungen fanden wir heraus, dass
meistens über die Hälfte der Befragten es
als absolut notwendig betrachten, kurz
und längerfristig die Qualität auf das von
den Kunden und Zulieferern gewünschte Niveau anzuheben und dort zu halten.
Die Qualitätsanforderungen sind meistens bekannt, werden aber von vielen als
Idee und Sache der Geschäftsleitung gesehen. Es besteht zu wenig Bewusstsein
für die Bedrohung durch die Qualitätsprobleme und deren negative Konsequenzen
für den Fortbestand des Unternehmens.
Ebenso wird es nicht gesehen, dass es
erforderlich ist, einen eigenen Beitrag zur
Verbesserung zu leisten.
In einem solchen Fall ist dringend eine
Änderung im Bewusstsein der Führungskräfte und der Mitarbeiter notwendig.
Um eine Änderung im Bewusstsein der
Führungskräfte und Mitarbeiter zu bewirken ist es erforderlich, deutlich zu kommunizieren, was geschieht, wenn nichts
geschieht. Dabei müssen die „Painpoints“
deutlich hervorgehoben und penetriert
werden.
Im zweiten Punkt werden die Beteiligten
beschrieben. Also, wer hat ein Interesse an
der Veränderung? Und genauso wichtig:
wer ist von dieser Veränderung betroffen?
Gute FMEA hängen von der Haltung und
den Fähigkeiten der Führungskräfte und
Mitarbeiter ab. Das sollte uns immer bewusst sein, wenn wir über die Eignung von
FMEA-Vorgehensmodellen nach AIAG und
VDA wettstreiten.
Die vorliegende FMEA Konkret liefert viel
Input für nutzbringende Diskussionen.
Schon jetzt viel Freude und Erfolg dabei
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Ihr Winfried Dietz
Abbildung: Ist-Zustand – Soll Zustand (© Martin Werdich)
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Meistens finden wir auf der Arbeitsebene nur sehr wenig Interesse an Veränderungen der eigenen Arbeitsweise vor. Im
krassen Gegensatz dazu mehrheitlich die
Meinung, dass eine Veränderung vom
Management auszugehen hat. Es wird
also gesehen, dass nicht die persönliche
Änderung der Arbeitsweise, sondern die,
aus dem Management angeordnete Veränderung nötig wäre.
der professionellen FMEA-Arbeitsweise.
Die Ziele des Kommunikationskonzeptes:
¡¡ Mitarbeiter nehmen die Veränderungen an.
¡¡ Mitarbeiter unterstützen den Wandel.
¡¡ Mitarbeiter arbeiten in den neuen Prozessen.
¡¡ Mitarbeiter arbeiten aktiv im neuen
Umfeld mit.
Hieraus lässt sich klar folgern, dass ohne
eine Änderung im Bewusstsein der Führungskräfte, und somit auch deren Mitarbeiter, eine Einführung einer FMEA-Kultur
verzögert, verhindert oder sogar aktiv sabotiert wird.
Die Zielgruppen und deren Aufgaben
sind:
¡¡ Obere Führungsebene: Hier werden
Veränderungen angestoßen und ein
„energetischer Change Sponsor“ gestellt.
¡¡ Mittlere und untere Führungsebene:
Hier werden die Veränderungswünsche der Geschäftsleitung unterstützt
und als „Change Multiplikator“ gewirkt.
¡¡ Mitarbeiter erfahren die Veränderung
und committen sich für das „Change
Target“.
¡¡ Die zeitliche Koordination ist entscheidend für den Erfolg des Aufbaus der
FMEA-Kultur notwendig.
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Solide Basis eines unternehmensweiten FMEA Vorgehens (© Martin Werdich)
Ein Kommunikationskonzept und eine
Change-Begleitung sind während der
Veränderung notwendig und somit ein
wesentlicher Erfolgsfaktor zu einer wesentlichen Qualitätsverbesserung und
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Mitarbeiter
Im dritten Punkt muss der angestrebte
Zielzustand konkret beschrieben werden.
Da bei vielen die Kundenzufriedenheit als
wichtiger Faktor bewusst ist, wird eine,
sich auf dem Qualitätsgedanken aufbauende zukunftsorientierte Arbeitsweise
gewünscht. Damit ist eine professionelle
Einführung von FMEA notwendig.
KOPFZEILE
In einem kleinen FMEA-Experten Team
wird nun der FMEA-Prozess in die Organisation eingebunden und definiert. Hierzu
werden folgende Dokumente erstellt:
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OBER STICHT UNTER
¡¡ FMEA-Begleitprotokoll (Kickoff, Checklisten, Fortschritts-check)
¡¡ FMEA Methoden-Beschreibung
¡¡ FMEA Prozessbeschreibung
¡¡ Generische FMEA Module als
Vorlagen
¡¡ FMEA-Schulungsplan
Wichtig ist, dass parallel zu der Methodendefinition die Führungskräfte gezielt und
zeitlich als erstes vor den Mitarbeitern von
den jeweiligen Projektfortschritten unterrichtet werden.
Danach werden die Mitarbeiter zeitgleich
und regelmäßig informiert, um Gerüchten vorzubeugen und ein InformationsVakuum zu vermeiden. Nur offene Kommunikation schafft Verständnis für die
neue Situation und gibt Orientierung. Die
Schulung erfolgt dann nach der Freigabe der Methodenbeschreibung und des
Schulungsplans.
Bei größeren Unternehmen hat auch ein
Betriebsrat eine zentrale Rolle bei Organisationsveränderungen. Eine gezielte, kooperative Informationspolitik fördert die
Zusammenarbeit. Auch für diese Sekundäre Zielgruppe sollte eine strukturierte
Kommunikation erfolgen.
Warum scheitern Veränderungsinitiativen
zu ca. 75%?
¡¡ Unzureichendes Engagement der
oberen Führungsebenen
¡¡ Unklares Zielebild, Interessens- und
Zielkonflikte
Abbildung Erfolgsfaktoren mit Change-Begleitung (© Karl-Heinz Wagner)
Erfolgsfaktoren:
Capgemini (Hg): Veränderungen erfolgreich gestalten Change Management 2005, S. 47
¡¡ Uneinigkeit in der Führung (kein geschlossenes Außenbild)
¡¡ Mangelnde Unterstützung aus dem
Linienmanagement
¡¡ Mangelnde Erfolgskontrolle
¡¡ Lückenhafte oder verspätete Kommunikation
¡¡ Unzureichende Bewältigung von
Ängsten und Widerständen
¡¡ Vernachlässigung psychologischer
Faktoren in der Projektplanung
¡¡ Ungenügende personelle Ressourcen
Wenn die FMEA-Basis definiert, eingeführt
und entsprechend geschult wurde, sind
qualitativ hochwertige Projekte dann effizient und effektiv realisierbar. Der Nutzen
wird von den Mitarbeitern, den Führungskräften, den Auditoren und den Kunden
erkannt und somit weiterhin die FMEA
Kultur gefördert.
Martin Werdich, FMEAplus Akademie GmbH
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04 01/2016www.dietz-consultants.com
FM E A - L E G E N D E N
Interview mit Siegfried Loos
chen zur 5 Schritte-Methode weiterentwickelt wurde.
Du warst der Motivator der Weiterentwicklung der Formblatt- FMEA zu den
5 Schritten des VDA. Was hat Dich damals angetrieben?
Das ist eine längere Geschichte.
Nach 12 Jahre Entwicklung Elektrik/
Elektronik habe ich in den Kundendienst
gewechselt. Dort wurde ich mit den Themen einer Werkstatt konfrontiert. Das
war die Zeit der Umstellung von Blinkcode auf Serielle Schnittstelle, bei der es
um Informationen aus der Entwicklung
in die Werkstatt und umgekehrt ging.
Eine spannende Geschichte, denn hier
mussten Informationen und Anforderung zwischen unterschiedlichen Bereichen ausgetauscht werden. Eine einheitliche Form und Sprachregelung gab es
nicht. War nicht immer einfach.
Mit diesen Erfahrungen wechselte ich
wieder in die Entwicklung Elektrik-Elektronik mit der Aufgabe: System- und Risikoanalysen für die immer komplexer
werdenden mechatronischen Systeme
zu erstellen.
Da mein Chef das ABS-System mittels
FMEA abgesichert hatte, empfahl er diese Methode. Leider gab es zu dieser Zeit
nur das Formblatt, was sich schnell als
unzureichend herausstellte. Mit einem
Vorstands-Beschluss wurde bei DaimlerBenz das Projekt „FMEA Verankerung“
gestartet in dem die Methode in 4 Jähriger Arbeit mit ca. 40 MA aus allen Bereiwww.dietz-consultants.com
Wie hast Du das angestellt, dass damals alle mitgezogen haben?
Das war nicht immer einfach. Im Produktionsbereich kannte man die FormblattFMEA schon lange und hat sie zum Audit
meist mit neuem Datum versehen und
gehofft, dass es ausreichend ist. Die Sinnhaftigkeit war nur selten anerkannt und
die Bereitschaft zur Mitarbeit hielt sich in
Grenzen. Akzeptanz konnte nur mit Sinnhaftigkeit und Nutzen für den Anwender
erreicht werden.
Wir haben im Produktionsbereich eine
große Akzeptanz gewonnen weil:
¡¡ Die Mitarbeiter Ihre Ideen bezüglich
Prozessoptimierung auf einem offiziellen Dokument einbringen konnten.
¡¡ Anforderungen zur Prozessoptimierung an die Entwicklung weitergeben
konnten
¡¡ Verständnis für die Anforderungen
bekommen haben, warum und wofür die Merkmale sind, denn bei der
Schnittstellenbearbeitung saß die Entwicklung mit am Tisch.
Wir haben im Entwicklungsbereich eine
große Akzeptanz gewonnen weil:
¡¡ Die Erstellung der System- und Risikoanalyse mittels FMEA durch Fremdmoderation erstellt wurden, was als
Arbeitserleichterung und hilfreich
angesehen wurde.
¡¡ Erfahrungen aus anderen Bereichen (innerhalb des Unternehmens)
durch den Moderator transportiert
wurden.
¡¡ Mit der FMEA die Schnittstellenabstimmung zum Zulieferer und zur Produktion eine neue positive Dimension
bekommen hat (Funktions- und Merkmalabstimmung mit entsprechenden
Abnahmekriterien).
¡¡ Mit dem Funktionsnetz die Funktionalität eines Systems beschrieben und
visuell dargestellt wurde, damit zu einem sehr frühen Entwicklungsstand
die Information in die Produktion und
in den Service (Werkstatt) übermittelt
werden konnten.
¡¡ Mit dem Fehlernetz konnte zu einem
sehr frühen Zeitpunkt die Diagnose im
Prozess und für die Werkstatt erstellt
werden.
01/2016 05
I N T E R V I E W S I E G F R I E D LO O S
Aus meiner Sicht ist in der AIAG genau
das gleiche beschrieben wie im VDA,
nur anders gegliedert und mit anderen
Worten. Beispiel: VDA beschreibt Funktion- und Fehlernetz, AIAG fordert die
Betrachtung der Zusammenhänge und
Abhängigkeiten.
Was sind Deiner Meinung die bedeutendsten Unterschiede zwischen der
VDA zur AIAG Methodenbeschreibung?
Der einzige Unterschied ist die Beschreibung in 5 Schritten mit der „visuellen
Darstellung“.
¡¡ Durch die Einbindung der auswirkungsbegrenzenden Maßnahmen im
Fehlernetz konnte der Nachweis der
„sicheren Rückfallebene“ im Fehlerfall
visuell dargestellt werden, was u.a.
bei der Zulassung sehr gut ankommt.
Daraus entstand auch die FMEA Auslegung “Für Mich Eine Absicherung“
Du hast von 1998 bis 2004 die ersten
sechs FMEA-Foren bei Daimler-Benz /
DaimlerChrysler abgehalten. Wie hat
sich das entwickelt?
Nachdem die Methode erarbeitet wurde
und sich bewährt hat, sollten natürlich unsere betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus allen Bereichen des Konzerns
weltweit, Zulieferer, FMEA-Dienstleister
und Softwareanbieter informiert werden.
Deshalb haben wir das FMEA-Forum veranstaltet, um eine Informationsplattform
zu bieten. Es wurden Themen wie z.B. Softwareunterstützung, Rechtliche Themen zu
Produkthaftung usw. vorgestellt.
Nach dem Zusammenschluss mit Chrysler wurde das Forum sogar mit Simultanübersetzung ausgestattet. Leider
wurde das jährlich stattfindende Forum
bei DaimlerChrysler danach abgebrochen, und es gab nur noch Plato und
APIS Foren. Ein paar Jahre später fragte
Winfried Dietz mich, was ich von einem
Tool-unabhängigen FMEA-Forum halte.
Inzwischen hat sich das FMEA-Forum
in Osnabrück etabliert und wurde zum
10ten Mal erfolgreich mit über 100 Teilnehmern durchgeführt.
Wir haben vor, zusätzlich zum bekannten deutschen FMEA Forum, am 8.
und 9. November ein internationales
Forum (www.FMEA-congress.eu) auszurichten. Das Niveau wird dem deutschen Forum entsprechen mit dem
Zusatz, dass die Software Anbieter im
Umfeld ausstellen und ihre Lösung
kurz vorstellen dürfen. Was hältst Du
davon und bist Du dabei?
In Anbetracht dessen, dass die Konzerne
und damit auch die Methoden und Prozesse weltweit verknüpft sind, muss auch
die FMEA-Methode weltweit publiziert
werden. Ich finde Euer Engagement eine
ganz tolle Aktion, die ich nur befürworten
kann. Ich bin dabei.
Was sind Deiner Meinung die Gemeinsamkeiten zwischen der VDA zur AIAG
Methodenbeschreibung?
Was ist mit dem Unterschied, dass im
AIAG der erste Maßnahmenstand keine Verantwortlichen und keine Termine hat?
AIAG startet auch heute noch von „einem
bestehenden Prozess und Produkt“ aus,
was mit den Maßnahmen erst mal beurteilt wird. Deshalb sind keine V/T notwendig. Erst wenn das Ergebnis (RPZ)
nicht zufriedenstellend ist, werden zusätzliche Maßnahmen notwendig, zu
denen V/T benötigt werden. VDA startet
am Anfang eine Produktentwicklung
oder Prozessplanung, also bevor das
Kind im Brunnen liegt. Deshalb war unser Arbeitstitel:­­„Sicherung der Qualität
vor Serieneinsatz“
Warum hat der AIAG nicht unsere grafische Modellierung und unser moder-
Fachgespräche zwischen Siegfried Loos und Dr. Alexander Schloske
06 01/2016www.dietz-consultants.com
FM E A - L E G E N D E N
nes und übersichtlicheres VDA-Formblatt übernommen?
Dazu sage ich nichts ohne Anwalt ☺
1999 hatten die Kollegen von Chrysler
selbstverständlich auch ihren Part bezüglich FMEA auf dem Forum vorgetragen.
Mit Erstaunen haben wir die Beiträge
wahrgenommen und im Anschluss ausführlich besprochen. Für uns haben die
Herren, abweichend von der damals aktuellen QS9000 Schrift, fast die gleiche Vorgehensweise als notwendig und sinnvoll
vorgetragen, die wir (im VDA mit den 5
Schritten) beschrieben hatten. Auf die
Frage: „Habt Ihr den VDA-Band gelesen“
kam die Antwort: „NEIN!!“.
ler am Beispiel Fahrrad gut angekommen.
Dies wurde dann mitgenommen und im
AIAG-Arbeitskreis eingebracht. So ist
mein Fahrrad in den AIAG gekommen.
Im AIAG steht ein Fallbeispiel mit einem Fahrrad. Du hattest erzählt, dass
Deine Freunde dieses Mercedes Fahrrad Dir zu Deinem 50sten Gebutstag
schenkten. Was ist die Geschichte dahinter?
Zur automobilübergreifenden Erklärung
hatte ich nach einem anderen Analyseobjekt gesucht und mein Mercedes-Fahrrad
gefunden. Dieses Geburtstagsgeschenk
hatte einen modernen stufenlosen Antrieb. Bei meiner ersten Regentour war der
Schlupf auf 95% angestiegen. Daraufhin
schoben mich meine Freunde um den
kompletten Forgensee. Und so war ein
dankbares Analyse-Objekt geboren.
An dem Fahrradbeispiel habe ich den
Chrysler Herren die Vorgehensweise und
Darstellung erklärt.
Die Gliederung in 5 Schritten und die
visuelle Darstellung von Funktions- und
Fehlernetz ist bei den Herren von Chrys-
Woher kommen die Besonderen Merkmale (BM)?
Nach meinem Kenntnisstand kommen die
Vorschriften aus den USA. Diese wurden
in Deutschland übernommen. Im Gegensatz zu Deutschland, werden in den USA
wesentlich mehr ungelernte Kräfte in der
Produktion eingesetzt, und dort macht es
auch Sinn auf „Besonderheiten die wichtig
sind“ hinzuweisen. Wie BM festgelegt werden, dazu wurde keine sinnvolle Literatur
gefunden, was immer zu heftigen Diskussionen bei den Audits geführt hat.
Mercedes Geburtstags-Fahrrad als AIAG
Beispiel
Warum bist Du für den deutschen
Weg bezüglich der BM?
In der VDA-FMEA haben wir, um der TS
16949 Genüge zu tun, die BM-Spalte aufgeführt. Leider habe ich in dem AK meine Anforderungen zu einer sinnvollen
Beschreibung der BM nicht durchsetzen
können und so wurde der Band ohne
die Beschreibung veröffentlicht. Die Ereignisse haben uns schneller eingeholt
als gedacht und so wurde ein eigener AK
für die BM gegründet. Du hast mich vorher gefragt: Wie hast Du die Akzeptanz
erreicht. In dem ich bei allen Anforderungen dem Entwickler oder Prozessplaner
einen Sinn und Vorteil vermitteln konnte.
Nur bei den BM hatte ich noch nichts in
der Hand.
Mit Vorschriften wo kein Sinn erkennbar
ist, kannst Du im Entwicklungsbereich
keinen Blumentopf gewinnen. Da wirst
Du schneller vor die Tür gesetzt als Du
schauen kannst. Da ich aber als Analytiker
(nicht als Auditor) auch mit der TS 16949
nun BM betrachten muss, habe ich meinen Teil dazu beigetragen, dass mit der
Schrift ein sinnvoller Umgang mit BM´s
beschrieben ist, von der Festlegung bis
zur Umsetzung. Dazu stehe ich!!
Wie hat die Idee der Funktionalen
­Sicherheit den Weg in den Automobilbau gefunden?
Die Frage ist schon ziemlich frech, nehme
ich Dir aber nicht übel.
Der AK FUSI entstand aus der FMEA Gruppe. Bei Beurteilung von B wollte ich eine
Harmonisierung unter den Deutschen
Automobilherstellern erreichen, was dann
letztendlich zu dem AK FUSI mit seinen Ergebnissen (ISO26262) führte. Das Thema
FUSI kommt somit aus dem Automobilbau und nicht umgekehrt!
Seit Automobile in Serie gebaut werden gibt es die Funktionale SicherheitsBetrachtung, vielleicht nicht unter dem
Begriff, aber in der Anwendung.
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Tatsache: Fehler können nicht verhindert werden!! Es können nur die Auftretenswahrscheinlichkeiten und die
Auswirkungen beeinflusst werden!
nung (während Betrieb), auswirkungsbegrenzenden Maßnahmen und Diagnose
(Service) werden 80% des Aufwandes
gerechnet.
Ziel ist es: Egal welcher Fehler auftritt, es
muss der Sichere Zustand erreicht werden.
Auch ohne Elektronik hat man z.B. beim
Käfer parallel zum Bremsbelag ein Blech
angebracht, was vor Eintreten des Bremsverlustes durch zu geringen Bremsbelag
so laute Geräusche erzeugt hat, das der
Fahrer darauf aufmerksam wurde.
Beim LKW wurde unter der Antriebswelle
ein Auffanglager angebracht, damit eine
gerissene Gelenkwelle aufgefangen wird
und keine sicherheitskritische Auswirkung
entsteht. Bei den heutigen komplexen
Systemen sind natürlich ganz andere Prozederen möglich und notwendig.
Bei den elektronischen Steuergeräten
rechnet man z.B. für die Realisierung der
Funktion ca. 20% Aufwand. Für die sichere Funktion, bestehend aus Fehlererken-
Wohin wird sich, Deiner Meinung
nach, die Methode entwickeln?
Unvorhersehbare Dinge vorherzusehen
sind nicht meine Stärke. Meine Beobachtungen am Markt sehe ich mit gemischten Gefühlen. Ein Teil der FMEA-Anwendungen läuft super, von der Entwicklung
über Herstellungsprozess bis in die Produktbewährung. Dort wird sicher immer
eine Weiterentwicklung der Methode
stattfinden. Leider sehe ich aber noch einen sehr hohen Anteil an „Alibi FMEA´s“,
bei denen immer noch ein Formblatt ausgefüllt wird. Schade um die Zeit, die dort
vertan wird. Hier wird oft eine schlechte
Meinung zur FMEA verbreitet. Dann wird
es dort keine Weiterentwicklung geben,
denn diese Mannschaft ist schon lange von der sinnvollen Anwendung und
Weiterentwicklung der Methode ausgestiegen Oft versucht man mit neuen Methoden- Philosophien den vermeintlichen
FMEA-Schwierigkeiten aus dem Weg zu
gehen. Man schafft damit oft neue Probleme ohne Notwendigkeit, da die FMEA
meistens (nur) nicht verstanden wurde.
Ich sehe keinen Sinn darin, das Rad noch
einmal neu zu erfinden. Hier wäre es
sinnvoller, gemeinsam an einem Strang
zu ziehen.
Werde aber den Markt weiter verfolgen.
Vielleicht können wir das Thema in 5 Jahren noch mal beleuchten.
Herzlichen Dank lieber Sigi für die
wertvollen Gedanken. Ich bin überzeugt, dass der Sinn und der Nutzen
der heutigen Analysen besser erkannt werden, wenn wir wissen, woher die Vorgehensweisen stammen.
Das Interview führte Martin Werdich.
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Drop im Webbrowser, Design Review Checklisten Funktion aus FMEA, automatische
Einbindung von Ursachen in Arbeitsanweisungen, VDA konform, uvm.
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FM E A I N F R A N K R E I C H
AMDEC – Die FMEA bei unseren französischen Nachbarn
In Frankreich ist die FMEA eine anerkannte
und gerne angewandte Analysemethode. In unserem Nachbarland wird diese
Methode AMDEC „Analyse des Modes de
Défaillance, de leurs Effets et de leur Criticité“ genannt.
Die AMDEC fand in den 60iger und 70iger
Jahren ihren Einzug in die französische
Automobilindustrie, aber vor allem auch
in die Nukleartechnik.
Die grundlegende Methode wurde zu
dieser Zeit aus den USA übernommen
und hat sich seitdem kontinuierlich speziell für die Anforderungen des französischen Marktes weiterentwickelt.
Die französischen Kollegen und Kolleginnen verwenden heutzutage hauptsächlich zwei Typen der FMEA: Die Produkt-FMEA „AMDEC Produit“ sowie die
Prozess-FMEA „AMDEC Processus“.
Die AMDEC wird wie folgt durchgeführt:
¡¡ Vorbereitung
¡¡ Funktionsanalyse
¡¡ Fehleranalyse
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¡¡ Bewertung der Fehler und der Ermittlung derer Bedeutung
¡¡ Maßnahmenanalyse inklusive Optimierung und Umsetzungsplanung.
Die Bewertungskataloge sind hierbei
in aller Regel kundenspezifisch und die
Bewertungskriterien basieren auf unterschiedlichen Skalierungen:
¡¡ Die Bedeutung (B) - „Gravité des effets
de la défaillance (G)“ hat eine Skalierung von 1 bis 5, teilweise 1 bis 4 oder
1 bis 10.
¡¡ Die Auftretenswahrscheinlichkeit (A) „Fréquence d’apparition de la défaillance
(F)“ teilweise auch „Occurrence (O)“ genannt sowie die Entdeckungswahrscheinlichtkeit (E) - „Capacité de détection de la défaillance (D)“ haben eine
Skalierung von 1 bis 4, bzw. 1 bis 10.
¡¡ Die Risikoprioritätszahl (RPZ) wird auch
in der AMDEC angewendet und wird
entweder als „Indice de Criticité (C)“
oder „Indice de Priorité du Risque (IPR)“
bezeichnet. Weitere Risikobewertungsmethode wie die Risikomatrix
werden ebenfalls bei entsprechender
Kundenvorgabe eingesetzt.
Basierend auf Kundenwünschen wird die
AMDEC für den deutschen Markt gemäß
VDA Richtlinie durchgeführt. Hierbei kommen zunehmend Software basierende
Tools zum Einsatz, die von französischen
Softwarehäusern entwickelt werden.
Lydie Hahn, IGH, Ingenieurbüro Gunnar
Hahn
01/2016 09
V E R G L E I C H V DA - A I A G
Vergleich zwischen den Inhalten der AIAG-FMEA
und VDA-FMEA
Lieferanten haben es oft schwer. Während die einen die Lieferanten-FMEAs
nach AIAG fordern, bestehen die anderen auf die 100%ige Einhaltung
der VDA-Beschreibungen. Ein dritter
Kunde will dann noch eine FMEA nach
seiner internen OEM-Norm.
Um etwas die Knoten der Verwirrung zu
lösen, haben wir hier die beiden Beschreibungen mal gegenüber gestellt. Sie werden entdecken, dass die Unterschiede minimal sind und beide Methoden prinzipiell
identisch durchgeführt werden können.
AIAG: Automotive Industry Action
Group.
Deren Ziel ist es, Empfehlungen und
Rahmenbedingen für die Qualitätsentwicklung in der nordamerikanischen
Automobilindustrie zu schaffen. Erstausgabe war 1993 (FMEA Reference
Manuals), aktuelle Ausgabe ist von
2008.
VDA: Verband der Automobilindustrie.
Deren Ziel ist es, Standards für die
deutsche Automobilindustrie zu schaf-
fen. Erstausgabe war 1986 (SystemFMEA) aktuelle Ausgabe ist von 2012.
den Entwicklungsprozess und fehlende
Ressourcen.
Direkter Vergleich auf der gegenüberliegenden Seite.
Von mir aus ein klares Plädoyer für den
VDA, der nicht nur durch ein erheblich
fortschrittlicheres Formblatt besticht, sondern auch die Möglichkeit der Maßnahmenverfolgung konsequent umsetzt. Der
größte Vorteil ist jedoch die Förderung
der grafischen Modellierungen während
der Moderationen. Das bidirektionale
Analysieren und Moderieren zeigt den
Substanz-Gebern schnell zusätzlichen
Nutzen. Das bringt Wertschöpfung, Akzeptanz, Klarheit und, gut moderiert, eine
erhebliche Reduzierung der zeitlichen
Aufwände zur Erstellung der FMEA. Zum
Beispiel sind grafische Fehlernetze, die ich
aus allen Richtungen visualisieren kann,
übersichtlicher als Ichikawa Diagramme.
Ganz nebenbei werden aufgrund erhöhter Transparenz Risiken schneller gefunden.
Beide Beschreibungen sind im Großen
und Ganzen deckungsgleich. Generelle
(minimale) Unterschiede:
¡¡ Die AIAG versteht sich eher als Orientierungshilfe – der VDA eher als Standard.
¡¡ AIAG Formblatt ist horizontal aufgebaut – das VDA Formblatt vertikal
aufgebaut.
¡¡ AIAG: ein Formblatt pro Bauteil – VDA
empfiehlt Datenbanken und Visualisierung.
¡¡ VDA sieht Priorisierung der AnalyseUmfänge vor.
¡¡ AIAG kennzeichnet fest geplante Maßnahmen bereits als erledigt.
¡¡ VDA schlägt FMEA bereits zur Bestimmung von Anforderungen vor.
¡¡ VDA liefert Checklisten zur Qualitätskontrolle der FMEA
Persönliche Meinung des Autors: Es fällt
auf, dass der AIAG trotz steigender Komplexität der Produkte und Prozesse noch
immer Formblatt-orientiert argumentiert, wenn auch – Daimler sei Dank –
die 5 Schritte und grafische Unterstützung erwähnt. Des Weiteren werden die
Strukturen oft nicht mittels breakdownAnalysen durchgeführt, sondern bleiben auf Signalpfad-Ebene hängen, was
zu einer zusätzlichen Ursachen-FolgenVerwechslung führen kann. Der große
Nachteil der AIAG Herangehensweise ist,
dass die Übersicht und somit ein großer
Nutzen auf der Strecke bleibt. Daher wird
die AIAG-FMEA oft als ein zusätzliches
Muss und ein reines Erzeugen von Dokumentation empfunden. Wegen der geringen Wertschöpfung fehlt meistens die
Unterstützung des Managements. Somit
ergeben sich mangelnde Einbindung in
ABER:
Egal auf welcher Methodik-Beschreibungs-Basis Sie gerne arbeiten. Ein guter
Auditor wird die eingebrachte Substanz
würdigen, sofern diese vorhanden und in
den richtigen Spalten steht. Und die wiederum sind in beiden Beschreibungen
klar definiert und quasi austauschbar. Es
bleiben also am Ende noch die unterschiedlichen Formblätter. Die allerdings
sind in den guten FMEA Modulen durch
Mausklick umschaltbar.
Martin Werdich, FMEAplus Akademie GmbH
Quellen:
AIAG 4th Edition Ausgabe 2008
VDA-Band 4, Ausgabe 2012
Vortrag FMEA Forum 2012: H-J Sternstein
/ Opel AG
Martin Werdich: FMEA – Einführung und
Moderation, 2. Auflage, Vieweg & Teubner 2012, ISBN 978-3-8348-1787-7
10 01/2016www.dietz-consultants.com
V E R G L E I C H V DA - A I A G
Direkter Vergleich:
Thema
Geltungsbereich
AIAG
Produkt- und Prozess
Zweck der FMEA
Frühzeitig Fehler erkennen und reduzieren.
Wissen nutzen, generieren und weitergeben.
Entlastungsnachweis im Produkthaftungsfall.
Verankerung im
Entwicklungs-Prozeß
Methodenverantwortlicher.
Qualifizierter Moderator.
Schulungen für alle Beteiligten.
Bei neuem Produkt / Prozess
Änderung von Prod. / Proz.
Änderung im Einsatz o. Anforderung.
Kein Vorschlag auf weiteres Auswahlverfahren.
Verweis auf Plan Phase im APQP
Grund FMEA-Erstellung
Start-Zeitpunkt
Aufbau der FMEA
Struktur
Funktionsanalyse
Fehleranalyse
Maßnahmenanalyse
Optimierung
Bewertungstabellen
generell
Bedeutung
Auftreten
Entdeckung
RPZ
Formblatt
FMEA Software
Start vor Konzept-Ende
FMEA-Ende vor Konstruktions-/Prozeßfreigabe (incl.
Validierung / Verifizierung)
5 Schritte
1.Umfang (mittels Block-, Schnittstellen-,
P-Diagramm…)
2.Funktionen, Anforderungen, P-Diagramm,
Spezifikationen
3.Fehler, Folgen, B, Ursachen
4.Risikobeurteilung durch getroffene Maßnahmen, A, E
5.Optimierung mit empfohlenen Maßnahmen
Blockdiagramme mit Signalpfad
Keine Vorgehensweise definiert. Hinweis auf Anforderungen, QFD, Interface-Matrix, Interrelation Matrices
Arbeiten in 3 Spalten (suche alle Folgen bis zur TopFolge und aller Ursachen bis zur Grundursache oft mit
weiteren Tools
Erledigte Maßnahmen zuordnen
Festgelegte offene Maßnahmen = erledigt
Bewertung Risiko erledigte Maßnahmen
Bewertung Risiko offenen Maßnahmen
Eigene Spalte (horizontal)
Tabellen sind generell Vorschläge und bedürfen einer
produktspezifischen Anpassung
vergleichbar
Spreizung der Skalen unterschiedlich.
Zusätzlich Bereich mit Streuungseffekten.
- Unterscheidung in virtuelle und Hardware-Methoden.
- Entdeckungszeitpunkt berücksichtigt.
- Ergebnistiefe berücksichtigt.
- Digitalisierte Wirksamkeit.
Wird nicht empfohlen
Mehrere Vorschläge.
Zusätzliche Spalte für Anforderungen.
Eigene Spalte für optimierende Maßnahmen.
Separate Ergebnisspalte
Erwähnung, dass es so etwas gibt.
Schnittstelle Ku-Lief
unzureichende Beschreibung
Bewertung der FMEA
Kein Hinweis
Interaktion Produkt- und Ist beschrieben
Prozess-FMEA
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VDA
Gleich
zusätzlich: Behandlung von mechatronischen Systemen
Gleich
Gleich
Gleich
Zuzüglich Sicherheitsnachweis bei Zulassung
Gleich
Gleich
Gleich
Gleich
Gleich
Gleich
Vorschlag einer Priorisierung.
Handlungsbedarf aufgrund Bewertung.
FMEA ist in einer frühen Konzeptphase sinnvoll
Gleich
5 Schritte
1.Strukturanalyse (hierarchisch)
2.Funktionsanalyse (Funktionsnetz)
3.Fehleranalyse
4.Maßnahmenanalyse
5.Optimierung
hierarchische Breakdown-Strukturen
Trennung zwischen Funktionen, Spezifikationen und
Anforderungen empfohlen
Grafische Fehlernetze
Erledigte Maßnahmen zuordnen
Festgelegte offene Maßnahmen mit V/T
Bewertung Risiko erledigte Maßnahmen
Bewertung Risiko offenen Maßnahmen
Eigene Zeile (vertikal)
Gleich
vergleichbar
Tendenziell vergleichbar.
Wirksamkeit der Maßnahme ist Alleinkriterium.
AIAG Herangehensweise ist akzeptiert.
Gleich
Formblatt ist nur eine mögliche Darstellung.
Nur ein beispielhaftes Formblatt.
Systemelemente, Funktionen und Maßnahmengruppen
sind in Zeilen dargestellt.
Eigenes Kapitel.
Software und Datenbanken werden explizit empfohlen.
unzureichende Beschreibung
Ausführliche Checkliste im Anhang
gleich
01/2016 11
N O R M E N E N T W I C K LU N G
Das Beste aus FMEA und Fehlerbaumanalyse – Wie die FMEA
von der FTA gestützt wird
Systematische Anforderungsentwicklung einer zukünftigen
Brandschutznorm für Windenergieanlagen
Einleitung
Masterarbeit*. Aktuell gibt es keine verbindliche Norm bzw. Richtlinie in Bezug
auf den Brandschutz bei Windenergieanlagen. In einer aktuellen Masterarbeit
wird dargestellt, wie ein innovatives,
systematisches Ableiten von Schutzmaßnahmen mit der Kombination aus der
FMEA-Systematik nach VDA und einem
Fehlerbaum möglich ist. Das Verfahren
wird iterativ angewendet. Aus den ausgearbeiteten Schutzmaßnahmen werden
anschließend neue Anforderungen abgeleitet. Diese dienen als Grundlage für eine
neue Norm, welche den Brandschutz bei
Windenergieanlagen adressiert.
Vorbeugen ist besser als zerstören
Die durchschnittlich installierte Leistung
pro Windenergieanlage und die weltweit
installierte Windenergieleistung nimmt
stetig zu. Im Jahr 2014 liegt die installierte Leistung bereits bei rund 370.000 MW.
Ebenfalls erhöhen sich die Kosten der
Anlagen. Damit steigt auch der Schaden
bei möglichen Bränden. Auch deshalb,
weil dabei die Windenergieanlage häufig
vollständig zerstört wird. Dann kommen
auf den Betreiber zusätzliche erhöhte Aufwendungen aufgrund des Betriebsausfalls
zu. Durch die unzugängliche Lage und
aufgrund der immer größer werdenden
Bauhöhe ist das Löschen des Brandes
durch die Feuerwehr nicht realisierbar.
Der Fokus liegt deshalb auf vorbeugendem Brandschutz.
Interessengruppen Brandschutz bei
Windenergieanlagen
Das Thema Brandschutz bei Windenergieanlagen, und damit auch indirekt die
systematische Erarbeitung einer neuen
Norm, ist nicht nur für Hersteller und
Betreiber von Interesse, so kann auch
der Versicherer auf der Umsetzung ei-
nes Brandschutzkonzeptes bestehen.
Denn dadurch werden das Risiko eines
Brandes und die mit der Schadensregulierung verbundenen Kosten gesenkt.
Gleichzeitig muss der Gesetzgeber Personen und die Umwelt schützen, denn
durch die Minimierung der Brände wird
auch das Unfallrisiko gesenkt. Außerdem
besteht natürlich großes Interesse an einer exportfähigen Technologie mit hohen
Sicherheitsstandards.
Systematische Ausarbeitung
Die Anforderungen für eine verbindliche
Norm lassen sich unter anderem aus den
Gefahren, Risiken und Gegenmaßnahmen
hinsichtlich des Brandschutzes von Windenergieanlagen ableiten.
Zur Unterstützung der systematischen
Herangehensweise wird ein mit der
FMEA-Systematik nach VDA modifiziertes PAAG-Verfahren herangezogen, das
einem Bottom-Up-Ansatz folgt. Diese Erweiterung des Verfahrens ist zur Beherrschung der steigenden Komplexität moderner Windenergieanlagen notwendig,
da herkömmliche und in der Windenergieanlagenbranche verbreitete Methoden bei modernen Windenergieanlagen
versagen. Dabei steht PAAG für Prognose
von Störungen, Auffinden der Ursachen,
Abschätzen der Auswirkungen und Gegenmaßnahmen. Ein Expertenteam analysiert die möglichen Gefahrenquellen
in einer technischen Anlage, bewertet
diese anschließend, um dann geeignete
Gegenmaßnahmen zu konstatieren. Mithilfe vordefinierter Leitwörter werden Abweichungen vom Sollzustand abgeleitet
und in einer offenen Gesprächsrunde die
Ursachen und Auswirkungen erörtert.
Das entstehende Risiko an der ungeschützten Maschine wird mithilfe des
Risikographen, angelehnt an die DIN EN
ISO 12100, bewertet und mit einer Risikozahl definiert. Im Verlauf des iterativen
Vorgehens werden so lange Gegenmaßnahmen formuliert, bis die Risikozahl nach
einer erneuten Bewertung einen akzeptablen Wert erreicht. Das erforderliche Performance Level der im Sinne funktionaler
Sicherheit sicherheitsgerichteten Bauteile
wird mit einem weiteren Risikographen
auf Basis der DIN EN ISO 13849 definiert.
Mittels der Anwendung des PAAG-Verfahrens werden konkrete brandschutztechnische Anforderungen ermittelt. Für die Definition der entsprechenden Maßnahme
zur Erfüllung der Anforderungen werden
die in der Praxis bewährten Systeme berücksichtigt.
Die Durchführung einer Fehlerbaumanalyse (FTA) bildet den nächsten Schritt. Im
Gegensatz zum PAAG-Verfahren werden
nach einem Top-Down-Ansatz mögliche
Ursachen, ausgehend von einem kritischen Top-Level Ereignis, "baumförmig"
angeordnet.
Zum Abschluss werden beide Verfahren
auf Vollständigkeit überprüft, da jegliche
Ursachen in beiden Verfahren aufgeführt
werden müssen und sämtliche Auswirkungen analysiert sein müssen. Zu den
Vorteilen der Kombination aus den Verfahren zählt unter anderem die optimierte Darstellung der FTA im Vergleich zur
PAAG-Tabelle. Außerdem kann eine minimale Auftrittswahrscheinlichkeit zu wohl
begründeten Fehlerausschlüssen führen.
Die Konkretisierung der jeweiligen sicherheitsrelevanten Bauteile, basierend
auf der Risikobeurteilung, stellt eine
weitere Aufgabe in dem systematischen
Vorgehen dar. Durch die innovative Kombination von Risikographen, Fehlerbaumanalyse und PAAG-Verfahren werden mit
angemessenem Zeitaufwand qualitativ
12 01/2016www.dietz-consultants.com
N O R M E N E N T W I C K LU N G
Auswirkung
ISO
EN
P
A
A
G
DIN
F
T
A
Brandschutzanforderungen
für Normungsvorhaben
Ursache
Abbildung 1: Schematische Darstellung
hochwertige Prüfanforderungen formuliert.
Ausblick
Zukünftig werden die Anforderungen
für den Brandschutz bei Windenergieanlagen in einem Anforderungskatalog
zusammengefasst, welcher als Grundlage einer neuen Norm dienen soll. Die
Einhaltung dieser Norm wird das Schadensrisiko durch einen Brand in Windenergieanlagen minimieren. Diese einheitlichen Anforderungen werden mit
dem aufgetragenen, systematischen
Verfahren ermittelt. Eine neue und innovative Vorgehensweise, die auch für
die Gefahrenanalyse zum Entwickeln
weiterer normativer Anforderungen im
technischen Neuland eingesetzt werden
kann.
Text, Grafik und Foto von Patrick Dyballa
* von Patrick Dyballa, Co-Autoren: Herr
Stefan Wiegand (DEKRA EXAM GmbH)
und Prof. Dr.-Ing. Daniel Goldbach (FH
Aachen)
Autor
Patrick Dyballa (27) hat Maschinenbau
am Fachbereich Energietechnik der
Fachhochschule Aachen studiert. Im Oktober 2015 schloss er sein Studium mit
dem Master of Science ab. Die Masterarbeit mit dem Titel: „Das systematische
Auffinden von möglichen Gefahren, Risiken und Gegenmaßnahmen hinsichtlich
des Brandschutzes von WindenergieanDEKRA EXAM GmbH
Ereignis 1
lagen in Abhängigkeit des BetriebsverTop er
Level
Event
ausEXAM
haltens“ schrieb
bei der
DEKRA
GmbH in Bochum.
Vorher erwarb er den
PAAG-Verfahren
Bachelor of Engineering mit einem Praxisprojekt bei der Evonik Steag AG zum
UND
Thema „Konservierung von Anlagenteilen eines fossil befeuerten Kraftwerks“. Im
Steag-Kraftwerk Lünen wurde er vorher
zum Industriemechaniker ausgebildet
und anschließend als solcher beschäftigt.
Ereignis 2
Gegenwärtig ist die DEKRA EXAM GmbH Dienstleistungsportfolio. Das Unternehdabei, sich für die Zertifizierung von men bietet für Hersteller, AnlagenbauWindenergieanlagen akkreditieren zu er und Anlagenbetreiber unabhängige
ODER
lassen, das Akkreditierungsverfahren Technologiedienstleistungen. Schwerist nahezu abgeschlossen. Der Bereich punkte sind die Prüfung und ZertifizieWindenergieanlagen erweitert das rung von Geräten und Schutzsystemen
www.dietz-consultants.com
zum Einsatz in explosionsgefährdeten
Bereichen, Maschinen, Gaswarngeräten
und Persönlichen Schutzausrüstungen.
In über 50 in- und ausländischen Fachverbänden ist DEKRA EXAM aktives Mitglied.
01/2016 13
F E H L E R K U LT U R F Ü R D I E B AU B R A N C H E
Neue Fehlerkultur für die Baubranche mit Hilfe der FMEA
Während in der Maschinenbaubranche die Begriffe Fehlermanagement,
menschlicher Faktor und Fehlerkultur oftmals zusammen geschildert
werden und ausführlich darüber diskutiert wird, werden diese Themen in
der Baubranche kaum ins Gespräch
gebracht.
FM
E
A in
der
Bau
wir
tsc
haf
t
Die FMEA ist in vielen Firmen der Baubranche nicht bekannt. Das Eingestehen von
Fehlern wird auch oftmals weder diskutiert noch werden Fehler akzeptiert. Oft
ist es nicht erwünscht, dass Bauleiter, Polier und Bauarbeiter über Fehlerursachen
bzw. Fehlerfolgen diskutieren. Das kann
sich für die gesamte Branche negativ
auswirken und den Ruf der Zuverlässigkeit mindern.
Bevor in einer Baufirma ein Fehlermanagement-System implementiert werden kann, müssen viele Barrieren, sowohl
auf der Unternehmensebene als auch auf
der Projektebene, die diese Implementierung erschweren können, abgebaut
werden. Dazu gehört vor allem die bisherige Fehlerkultur zu ändern und eine
neue transparente Fehlerkultur zu etablieren. Die vorherrschende Fehlerkultur
„Wir machen keinen Fehler, in unserem
Unternehmen existieren diese Fehler
nicht“ oder „Fehler treten immer auf und
erst wenn sie auftauchen, versuchen wir
sie zu beseitigen“ kann den Erfolg jedes
Fehlermanagement-Systems behindern.
Die Art und Weise, wie das Personal einer Baufirma mit Fehlern umgeht, spielt
eine große Rolle in jedem Fehlermanagement-System. Deswegen sollen die
folgenden Basiselemente beim Etablieren einer neuen Fehlerkultur zu Grunde
gelegt werden:
¡¡
¡¡
¡¡
¡¡
Beim ersten Element muss die Angst vor
den Fehlern in der Baufirma reduziert
werden. Dies kann durch die Betrachtung der Fehler als Erkenntnisquelle bzw.
als Lerngelegenheit erreicht werden. Das
Prinzip „aus Fehlern kontinuierlich lernen“
muss als wertvoll und selbstverständlich
gelten. Selbstbewusstsein und Fehlerwissensdurst müssen dabei kultiviert werden.
FM
EA
Luf in de
Rau t- und r
mf
ahr
t
Das mangelnde Interesse der Führungsebene an diesem Thema ist eine weitere
Blockade, die abgebaut werden muss. Das
Gestehen von Fehlerverursachen soll von
oben nach unten transparent geschehen. Dabei handelt es sich um eine offene Führungsmentalität, die den Begriff
„menschliche Fehler“ nicht nur mit negativen Vorstellungen behaftet und somit
Fehler verstehen,
Fehler gestehen,
Fehler analysieren und
Fehlerinformationen investieren (verwenden).
14 01/2016www.dietz-consultants.com
F E H L E R K U LT U R F Ü R D I E B AU B R A N C H E
auch deren positive Seite ausnutzen kann.
Dies ist notwendig, um die neue Fehlerkultur als Teil der Unternehmenskultur zu
verankern.
Unter dem Element „Fehler analysieren“
müssen Arten, Ursachen und Folgen der
Fehler systematisch ermittelt werden. Hier
handelt es sich nicht nur um die objektive
Seite eines Fehlers, sondern auch um die
subjektive (persönliche) Seite, die unbedingt berücksichtigt werden muss. Diese
Berücksichtigung kann eine umfassende
Beschreibung eines Fehlers garantieren
und eine stabile Entscheidungsbasis kreieren.
Um Fehlerinformationen nachhaltig und
wirksam zu investieren (verwenden), müssen systematische Datenbanken (am besten mit Fehlerschlüsseln) gestaltet werden. Dabei ist es nicht ausreichend, die
Fehler nur zu dokumentieren. Eine klare
Strategie für die vielfältige Ausnutzug dieser Informationen, sowohl in der Weiterbildung des Personals als auch bei der Zuordnung der Aufgaben an die Mitarbeiter,
ist eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Etablierung einer neuen Fehlerkultur.
Bei der Reformierung der Fehlerkultur
spielt die FMEA-Methode eine zentrale
Rolle. Sie hilft dabei, einen sicheren Umgang mit Fehlern zu etablieren. Das FMEATeam sorgt nicht nur für die Durchführung
der FMEA, sondern auch für eine selbstbewusste Atmosphäre, die die Fehlerkommunikation unterstützen kann. Somit
werden die beiden ersten Basiselemente
der neuen Fehlerkultur gefördert. Weiterhin bietet diese Methode eine systematische Fehleranalyse und anschließend eine
Risikobewertung mit Risikoprioritätszahl.
Diese Zahl ermöglicht Mitarbeitern der
Firma die Vorstellung der Fehler in einer
anderen Dimension. Dadurch können die
Mitarbeiter ein klares Fehlerverständnis
formulieren. Deswegen muss die FMEA im
Weiterbildungsprogramm jeder Baufirma
ganz oben stehen, und nicht nur als Fehlervermeidungsinstrument, sondern auch
als Fehlerkulturänderungsinstrument betrachtet werden.
Dr.-Ing. Bashar Hassoun, promovierte am
Institut für Bauwirtschaft (IBW), Universität
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01/2016 15
F TA - E C K E
Fehlerbaumanalyse: auch im Jahr 2016 wieder
hochaktuelle Themen
Häufig taucht bei Anwendern der
Fehlerbaumanalyse die Frage auf, inwieweit man berechneten Werten für
Restfehlerwahrscheinlichkeiten oder
Restfehlerraten auch trauen kann.
Die Gewährleistung der Rechengenauigkeit bei FTA’s wird daher auch eines der
Themen beim diesjährigen FTA-Praxisforum in München sein.
Die mathematischen Grundlagen für deren Berechnung sind nämlich ziemlich
komplex. Logische Kombinatorik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Zuverlässigkeitstheorie spielen hier zusammen. Nicht
zuletzt deshalb benötigt der Analyst für
die FTA-Auswertung ein leistungsfähiges
SW-Werkzeug.
Bei diesem Anwendertreff werden
aber auch wieder andere praxisnahe Themen vorgestellt und diskutiert,
u.a. FTA für Halbleiterkomponenten.
Die beiden ersten Veranstaltungen in den
Jahren 2014 und 2015 haben gezeigt, dass
die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch
für die Analysten eine Bereicherung ihrer
Kompetenzen darstellt.
Obwohl die mathematischen Grundlagen
zur Fehlerbaumberechnung seit Jahrzehnten entwickelt sind, werden diese
bei verschiedenen erhältlichen Analysewerkzeugen nicht gleich gut abgebildet.
Ein Teilnehmer schrieb nach der Veranstaltung 2015: „Das Praxisforum
Fehlerbaumanalyse ist eine einmalige, konkurrenzlose Veranstaltung im
Rahmen derer FTA-relevante Themen
mit Experten in einem angemessenen
Rahmen diskutiert werden können“.
Auf die Fortsetzung der spannenden Diskussionen und die weitere Verbreitung
von Best-Practices für die FTA freut sich,
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Qualität zieht Kreise.
iqs FMEA
„Mit der
konnten wir die Fehlerzahl
deutlich reduzieren.“
Bild 1: Anwendung von Qualitätsmethoden nach Branchen
Quelle: Henning Mertens, Georg Huber: „Methode zahlt sich aus“, QZ, 1/2016, S. 33
In großen Teilen der Industrie ist der Irrglaube verbreitet ein Qualitätsniveau erreicht zu haben, dessen Steigerung nicht
mehr wirtschaftlich sei, da die Kosten den
Nutzen übersteigen.
Die QZ veröffentlichte Anfang des Jahres
einen Artikel über die Auswertung einer
Studie der Unternehmensberatung KBC
und der TU München, welche die Korrelationen zwischen Qualitätskosten und
–methodeneinsatz darstellte und Handlungsempfehlungen zur Qualitätssicherung unter Berücksichtigung der Kostensenkung erarbeitete.
Aus der Umfrage konnten sehr interessante Erkenntnisse gewonnen werden. Zum
einen wurde deutlich, dass der Anteil der
Qualitätskosten für präventive Maßnahmen gegenüber der Reaktionskosten
auf Fehler kontinuierlich ansteigt. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass
das Qualitätsmanagement oft nicht als
ganzheitliche Methode der Wertschöpfungskette, sondern nur fokussiert auf die
Lieferantenschnittstellen und den Aftersales-Bereich angewandt wird.
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Daraus ergibt sich die Frage, warum nur
dreiviertel der Befragten Qualitätsmaßnahmen in der Entwicklung anwenden.
Die häufigste Antwort ist die Tatsache,
dass der wirtschaftliche Nutzen von frühen Qualitätsmaßnahmen nur schwer
belegt werden kann. Weitere Hindernisse
sind die kurzfristig hohen Implementierungskosten, mangelnde Fachkompetenz, Bereitstellung von Ressourcen, Widerstand der Belegschaft und mangelnde
Unterstützung vom Management.
Anders als in der Automobilbranche wenden insgesamt nur zwei Drittel der Befragten systematisch Methoden wie die FMEA
an (Bild 1). Jedoch sind die relativen Kosten für das Qualitätsmanagement in der
Automobilindustrie mit 4,4% am geringsten. Ein umfangreicher und detaillierter
Artikel mit geeigneten Maßnahmen für
diese Herausforderung wird in unserer
Herbstausgabe erscheinen.
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01/2016 17
FM E A U N D I N D U S T R I E 4.0
Industrie 4.0 und der Einfluss auf die FMEA
Industrie 4.0 ist ein fester Begriff für den
derzeitigen Wandel der Industrie geworden. Er wird nach der Plattform Industrie
4.0 wie folgt definiert: „Im Mittelpunkt
von Industrie 4.0 steht die echtzeitfähige, intelligente, horizontale und vertikale
Vernetzung von Menschen, Maschinen,
Objekten (…) zum dynamischen Management von komplexen Systemen“. [1] Die
steigende Anzahl von vernetzten Objekten, wie die cyber-physikalischen Systeme
sowie die damit verbundene Generierung
einer Vielzahl von Daten (Big Data), lässt
die reale mit der virtuellen Welt verschmelzen und eröffnet der Industrie
neue technische und organisatorische
Möglichkeiten. [2] Diese oben beschriebene Vernetzung stellt eine Vielzahl von
Herausforderungen an die heutige FMEA.
Durch die neu zur Verfügung stehenden
Daten besteht die Möglichkeit, die Produkt- und Prozessentwicklung zukünftig
besser abzusichern und Risiken objektiv
zu bewerten.
Industrie 4.0 befindet sich zur Zeit am
Tipping Point. [3] Grund ist der Fortschritt
von Speicherkapazitäten und Rechenleistungen, die günstig und auf kleinstem
Raum verbaut werden können. Dadurch
können z. B. Anlagen, Maschinen, Produkte und Gebäudeteile mit entsprechender
Sensorik und Aktorik zur Vernetzung ausgestattet werden. [4] Durch sogenannte
eingebettete Systeme erhalten die Objekte ihre Leistungsfähigkeit. Sie können
Messdaten auslesen, Komponenten steuern sowie Informationen beziehen und
bereitstellen. [5]
Die beschriebene Technik ermöglicht eine
neue Art von Fertigung: die Smart Factory.
Ihr Hauptmerkmal ist die Vernetzung von
nahezu allen produktions- und organisationsrelevanten Objekten eines Unternehmens. Beweggründe für intelligente
Fabriken sind unter anderem die Unterstützung des Menschen und der Maschinen bei der Ausführung ihrer Tätigkeiten.
[4] Der kontinuierliche Informationsaustausch in Echtzeit schafft eine einheitliche
Wissensbasis, wodurch die Produktion in
der Lage sein wird, selbstoptimierend und
dezentral die Prozesse zu steuern. [6] Es
wird angestrebt, dass individualisierte Produkte rentabel und ressourcenschonend
in kleinster Stückzahl (bis zu eins) produziert werden können. [6] Fertigungsanlagen und Maschinen kennen durch die
Datenvernetzung ihre Zustände, sowie
den Umfang und die Art der Arbeitsaufträge und können mit Werkstücken und
Ressourcen kommunizieren. Dies ermöglicht eine selbstständige Ermittlung und
Steuerung von optimalen Produktionswegen. Die Kommunikation untereinander
erlaubt auf Veränderungen, wie z. B. spezielle Kundenanforderungen oder Maschinenausfälle, zu reagieren. [7]
Neben der Smart Factory wird heute über
Smart Products gesprochen. Smart Products werden nach Brünglinghaus aus
drei Komponenten gebildet [8]. Die Basis des Smart Products ist das physische
Bauteil. „Smart“ wird das Bauteil durch die
Modifikation mit Systemen zur Datenerfassung und Steuerung. Außerdem erhält
das Bauteil Möglichkeiten zur Konnektivität für Kabel- oder Funk-Verbindungen.
[8] Smart Products kennen ihren eigenen
Zustand, ihre Historie und fehlende Fertigungsschritte. Durch ihr Wissen und die
Kommunikationsfähigkeit mit den Ferti-
gungsanlagen können sie den Herstellungsprozess aktiv unterstützen. [9] Smart
Products können durch ihre Lernfähigkeit
zu personalisierten Geräten werden, indem sie ihre Software, bzw. Komponenten dem Kundennutzen anpassen. Die
Vernetzung erlaubt es, Erfahrungswerte
mit anderen Smart Products zu teilen. Dieses Wissen, z. B. optimale Einstellungen,
im Internet der Dinge und Dienst zusammengetragen und für weitere Verwendungen zur Verfügung gestellt. [8]
Die Entwicklungen um den Megatrend
Industrie 4.0 haben Einfluss auf bestehende Methoden und Werkzeuge, wie
der Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA). Es gilt zu überprüfen, ob sie
auch in Zukunft noch Berechtigung haben, ob sie eingeschränkt oder erweitert
werden müssen. Die immer steigende
Komplexität von Produkten und Prozessen wird zukünftig die menschlichen
Kapazitäten für eine effektive Analyse
und Bewertung an ihre Grenzen führen.
Die FMEA-Methode wird sich in Zukunft
den Herausforderungen von Industrie
4.0 stellen müssen. Im nachfolgenden
Abschnitt werden einige Möglichkeiten
zum Umgang mit diesen Herausforderungen beschrieben:
Es besteht die Herausforderung, die gewonnenen Datenmengen (Big Data) effektiv zu analysieren und zu interpretieren, um sie an den richtigen Stellen der
18 01/2016www.dietz-consultants.com
FM E A U N D I N D U S T R I E 4.0
FMEA einfließen zu lassen. Daten können
zum Beispiel Ausfallhäufigkeiten, Produktzustände, Testergebnisse, Kundenerwartungen, Sicherheits- und Funktionsstatistiken sein. Ein möglicher Ansatz ist, dass
bei der Erstellung einer neuen FMEA auf
die Daten vergangenen Projekten wie z. B.
Vorgängermodellen, vergleichbaren Varianten oder Prototypen zurückgegriffen
wird. Durch dieses Vorgehen besteht die
Möglichkeit, die Risikobewertung zu objektivieren. Bei dieser können Erfahrungsund Referenzwerte sowie Felddaten
herangezogen werden, um eine datenbasierte und aussagekräftige Bewertung
zu erhalten. Heute erfolgt die Risikobewertung durch interdisziplinäre Teams.
Teamarbeit und das Aufeinandertreffen
von verschiedenen Meinungen birgt
nicht nur hohes Diskussionspotenzial,
sondern kann auch von Fehlentscheidungen geprägt sein [10]. Zur Reduzierung
des Risikos, Fehleinschätzungen durch
den Menschen zu treffen, können Daten
genutzt werden.
Ein weiterer Ansatz ist, die Daten der
vernetzten Wertschöpfungsprozesse zu
nutzen, um ein detailliertes Bild über die
Produktionsprozesse zu erhalten. Statistiken über z. B. Maschinenauslastungen,
Fertigungszeiten und Transportwege dienen als Grundlage für die Erstellung und
Aktualisierung der Prozess-FMEA.
Die Smart Products können Daten über
das Nutzungsverhalten des Kunden
übermitteln. Diese erhobenen Daten, die
in der Nutzungsphase erhoben werden,
ermöglichen das Nutzungsverhalten des
Kunden zu analysieren. Basierend auf diesen Daten lassen sich zukünftig die Produkte und dessen Funktionen, basierend
auf Kundenforderungen kontinuierlich
anpassen und verbessern. Getroffene
Einschätzungen könnten mit Felddaten
abgeglichen werden, um die Funktionen, die durch den Kunden genutzt werden, zu bewerten. Zusätzlich besteht die
Möglichkeit, regionale Fehlfunktionen zu
bewerten und z. B. Klimabedingungen
zukünftig in der Produktentwicklung zu
berücksichtigen.
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Diese Ansätze zeigen, dass die FMEA die
Vernetzung und den Datenzugang von
Industrie 4.0 nutzen kann. Durch die Integration von Big Data behält die FMEA
ihre Zukunftsberechtigung.
Es bleibt abzuwarten, welche Anpassungen an die FMEA-Systematik notwendig
sind, um den Herausforderungen von Industrie 4.0 begegnen zu können. Sollte
sich die Produktion der Zukunft, durch
Smart Products und Smart Factories, nahezu ohne menschliche Unterstützung
selbstoptimieren können, ist es vorstellbar, dass die Erstellung der FMEA in Algorithmen implementiert und im klassischen Sinne nicht mehr durchgeführt
wird. Einer Kommunikationsplattform für
die einzelnen Instanzen der Produktentstehung muss alternativ Sorge getragen
werden.
Literatur
1. BITKOM, Das Fraunhofer-Institut
(IAO): Industrie 4.0. Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland. Studie (2014)
2. BMBF: Industrie 4.0 | Innovationen für
die Produktion von morgen
3. BITKOM, KPMG AG: Tipping Point.
Convergence Initiative - ExpertenRoundtable 2013 (2013)
4. Westkämper, E., Spath, D., Constantinescu, C., Lentes, J.: Digitale Produktion. Springer Berlin Heidelberg, Berlin,
Heidelberg, s.l. (2013)
5. Sendler, U.: Industrie 4.0. Beherrschung der industriellen Komplexität
mit SysLM. Xpert.press. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg, s.l.
(2013)
6. o.V.: Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik. Anwendung, Technologien, Migration. SpringerLink. Springer Vieweg, Wiesbaden
(2014)
7. Christiane Brünglinghaus: Mit der
Smart Factory die reale und virtuelle
Welt verbinden (2013)
8. Michael Porter, James Heppelmann:
How Smart, Connected Products are
Transforming Competition. Har-vard
Business Review(November) (2014).
doi: 10.1002/9781444338386.wbeah09202
9. o.V.: Umsetzungsempfehlungen für
das Zukunftsprojekt Industrie 4.0.
Deutlands Zukunft als Produktionsstandort sichern - Abschlussbericht
des Arbeitskreises Industrie 4.0 (2013).
Accessed 23 February 2016
10.Werdich, M.: FMEA - Einführung und
Moderation. Durch systematische
Entwicklung zur übersichtlichen Risikominimierung (inkl. Methoden im
Umfeld), 2nd edn. Vieweg+Teubner
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Automatischer Aktualisierungsprozess aller verknüpften FMEAs bei Freigabe einer neuen Version
von Basis-FMEAs mit direktem Feedback zum Stand der Aktualisierung über Symbole in der FMEAÜbersicht, Abbildung variantenspezifischer Merkmale in Basis-FMEAs
Noch engere Verzahnung von Prozesslaufdiagramm, Prozess-FMEA und Control Plan,
intelligente und bidirektionale Verbindung dieser Aspekte anhand eines durchgängigen
assistentengesteuerten Prozesses
Fehler-fokussiertes Formblatt, vereinfachte Fehlereingaben, RPZ farbig hinterlegbar, individuelle
Bewertungskataloge möglich
SOX2 Release V3.0 erscheint im Juni
Neu: Server, kollaboratives Arbeiten, SYSML / UML2 Design, Matlab Interface, Impact Analyse und
Traceability Auswertungen
Entdeckungs- und Vermeidungsmaßnahmen können symbolische Termine und Verantwortliche
zugeordnet werden, die später durch Datum und Mitarbeiter automatisch ersetzt werden.
Automatische Nummerierung von Systemelementen und Funktionen. Analyse der
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Verbesserte FMEA-Erstellung im Team durch individuell angepasste Informationszugänge, zeitund ortsunabhängiges Arbeiten einzelner Teammitglieder an der FMEA, FMEA-Links per E-Mail +
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LESERBRIEFE
Das Magazin FMEA-konkret braucht Ihren Zuspruch!
Liebe FMEA-konkret Leser,
seit über 3 Jahren geben wir unser Magazin FMEA-konkret heraus und verteilen es kostenlos an alle, die sich beim
Thema FMEA auf dem Stand der Technik und der Wissenschaft halten wollen
und müssen.
Dahinter stecken viel Leidenschaft, Zeit,
Geld und persönliches Engagement.
Um die Unkosten in vernünftigem Rahmen zu halten, unterstützen uns alle bedeutenden FMEA-Software-Hersteller,
denen wir sehr dankbar dafür sind.
Um diese weiterhin dabei zu haben,
benötigen wir Ihre Rückmeldungen,
ob Ihnen das Magazin gefällt, und wie
es in Ihrem Hause ankommt, damit gesehen wird, dass wir tatsächlich gelesen
werden.
Auch Leserbriefe zu Artikeln oder allgemein zu unserem Magazin würden wir
sehr begrüßen.
BITTE unterstützen Sie uns durch Ihren
(schriftlichen) Zuspruch, denn wie für
einen Künstler der Applaus das Brot ist,
so sind Ihre Rückmeldungen für uns ein
Antrieb, weiterhin das Beste für Ihre Information geben zu können.
Ihr Martin Werdich (Redaktion)
http://fmea-konkret.de
Die FMEA konkret ist eine Zeitschrift,
in der ich mir tatsächlich jeden Artikel
durchlese. Das kann ich von keiner ande-
ren Zeitschrift behaupten. Meine Zustimmung haben Sie auf jeden Fall und ich
werde mich auch in Zukunft versuchen
an der Gestaltung des Magazins in Form
von Leserbriefen und / oder eigenen Beiträgen zu beteiligen.
Weiter so und möglichst viele positive
Rückmeldungen (vielleicht auch hier in
dieser Gruppe).
Mit freundlichen Grüßen - Jörg Schacht
(FMEA-Moderator und AFSE)
Auch ich gehöre seit 1,5 Jahren zu den
treuen Lesern Ihrer Zeitschrift und freue
mich auf die kommende Ausgabe 2016-7
jetzt schon.
Die Zeitschrift bietet, meiner Meinung
nach, einen guten Überblick über die
aktuelle Themen und geht bei einzelnen
Themen in die Tiefe der Materie.
Aus diesem Grund mache ich gern Werbung für Ihre Zeitschrift sowohl bei uns
im Unternehmen als auch im "FMEAStammtisch OWL", der sich seit Februar
dieses Jahres im Aufbau befindet und als
ein Austauschforum aller FMEA-Interessenten aus der Region OWL dienen soll.
Mit inter-netten Grüssen
Jürgen Wedel (FMEA-Moderator, Qualitätsvorausplaner)
FMEA Konkret und das FMEA Forum sind
zwei Institutionen, die ich mir in diesem
Umfeld nicht mehr wegdenken kann.
Ich kann nur sagen: weiter so!
Ich konnte mir schon so einige Tipps aus
den Beiträgen abgucken und in meine
Vorgehensweisen implementieren.
Von daher freue ich mich schon auf die
nächste Ausgabe sowie auf weitere.
Großen Dank an Sie und Ihr Team!
Viele Grüße
Carsten Harre
Die Zeitschrift versorgt den Leser mit aktuellen Informationen und eignet sich
somit sehr gut um up-to-date zu bleiben.
Daumen hoch, weiter so.
Beste Grüße
Andreas Braun, Voit Automotive GmbH
ich wurde vor kurzem von einem Kunden
(Ein Q-Abteilungsleiter bei einem grossem OEM) gefragt, ob ich eine Software
kenne, mit Verweis auf die FMEA-Konkret,
wo die Person eine entsprechende Anzeige gelesen hat.
Die Person wollte die Softwarefirma nun
für eine Demo anfragen.
Für mich der klare Nachweis, dass neben
den interessanten Artikeln, auch die Werbung bei der Zielgruppe ankommt.
FMEA-Konkret ist das einzigste mir bekannte Magazin, wo die FMEA-Methode
auch in der Tiefe mit Tipps und Tricks betrachtet wird.
Weiter so !
Viele Grüße,
Klaus Lamm, Qualitätsmanager, Q-Methodiker und Six-Sigma Black Belt
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Das Kind im Brunnen
Die FMEA zwischen Prävention und Schönfärberei
VDA
AIAG
Wie heißen die drei dünnsten Bücher der
Welt? „Italienische Heldensagen“, „Amerikanische Geschichte“ und „Weltpolitik
nüchtern betrachtet“ von Boris Jelzin.
Ich hielt das solange für einen Witz, bis
mir auf einer Amerika-Reise an einem
Bücherstand eben jenes Werk zur amerikanischen Geschichte im Original in die
Hände fiel. Auf 36 Seiten stand alles, was
es da zu berichten gibt.
Gegenüber dem, was Deutsche und Europäer da allein auf eigenem Boden seit der
Antike erlebt haben, ist die Historie jenseits des Atlantik wahrhaftig der reinste
Kindergeburtstag. Wenn man sich nur die
Veränderung der politischen Landkarte
Europas über die letzten zwei Jahrtausende ansieht, erkennt man sofort, dass da
Stimmung in der Bude war und ist. Es gibt
einfach zu viele germanische, romanische
und slawische Völkerschaften, deren unterschiedlichste Interessen immer wieder
mühsame Kompromisse erkämpfen und
schließen müssen.
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Ob man das nun gut oder schlecht finden mag, hat es jedenfalls die Völker in
ihrem Denken und ihrer Mentalität geprägt. Es ist eben vieles zu bedenken,
abzuwägen und auszuhandeln, bevor
man Ideen in Europa in die Tat umsetzen kann. Besonders wir Deutsche stehen da international in dem Rufe einer
akribischen Gründlichkeit, die aber nicht
nur belächelt wird, sondern uns auch zur
Exportweltmeisterschaft unserer Produkte verhilft.
Wir neigen gelegentlich immer noch
dazu, die (US-)Amerikaner irgendwie als
welche von uns zu sehen, die mit uns die
so genannte westliche Kultur gemein haben. Im Hinterkopf tragen wir dabei, dass
es sich um entfernte Verwandte von uns
selbst handeln müsse, deren Vorfahren ja
alle in den letzen 500 Jahren aus Europa
kamen. Stimmt aber nicht ganz, in wenigen Jahren wird der Anteil der afrikanischen Nachfahren die der Europäer in
den USA übersteigen. Einen entsprechen-
den Präsidenten haben sie derzeit sogar
schon …
Jedenfalls war und ist das Land dort weit
und alles nicht so kleinkariert wie diesseits
des Atlantik. Bei der Eroberung des Westens brauchte es zunächst keine großen
Regeln und Strategien, stattdessen war
Pioniergeist, Pragmatismus und Schnelligkeit gefragt. Man hat was probiert,
und wenn´s nicht ging, hat man´s halt
so lange anders probiert, bis es ging. Außer ein paar gering geschätzten, wilden
Ureinwohnern, die fälschlich auch noch
Indianer genannt wurden, musste man
sich mit niemandem auseinandersetzen.
Viel einfacher als im dicht besiedelten,
multikulturellen Europa.
Und so kommt es, dass sich heute trotz
der vermutet gemeinsamen genetischen
und geografischen Wurzeln zwei denkbar
unterschiedliche Welten begegnen. Man
findet solche endemisch genannten Phänomene auch in Flora und Fauna wieder,
01/2016 23
K O LU M N E V DA O D E R A I A G – E I N E K U LT U R F R A G E
wenn sich räumlich getrennte Populationen gemeinsamer Abstammung zu unterschiedlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen entwickeln. Dabei haben sich
die Europäer allerdings einen Vorteil in
dem Bewusstsein bewahrt, dass die vom
anderen Ufer des Weltmeeres irgendwie
anders ticken. Umgekehrt ist das eher weniger der Fall. Offensichtlich, und das lehrt
einen der Umgang mit US-Amerikanern
immer wieder, haben sie drüben vergessen oder vergessen wollen, dass nicht
alle Menschen dieselbe Anschauung von
Demokratie, Kultur, Religion und Kapitalismus haben wie sie selbst.
Wie sonst ist zu erklären, dass beispielweise alle Mitarbeiter eines weltweit niedergelassenen und agierenden Konzerns
mit der Zentrale außerhalb der USA trotzdem automatisch der amerikanischen
Gerichtsbarkeit unterliegen, nur weil das
Unternehmen unter anderem auch dort
börsennotiert ist?
Oder dass ein deutscher Automobilzulieferer in seinem amerikanischen Montagewerk die Besonderen Merkmale nach
AIAG-Standard behandelt, obwohl er seinerseits einen deutschen Automobilhersteller beliefert, der die Dokumentation
nach VDA verlangt?
Umgekehrt verlangt eine deutsche Automobilmarke mit amerikanischem Mutterkonzern, die ihre Produkte nur auf den
europäischen Märkten vertreiben darf, die
gesamte FMEA-Dokumentation streng
nach AIAG.
Ein anderer, „gelungener“ Beitrag zum
Konflikt „Amerikanische Unbekümmertheit trifft deutschen Pessimismus“ kommt
aus einem US-Automobilkonzern, für den
ein deutscher Lieferant eine System-FMEA
eines großen Moduls abliefern muss. In
Detroit haben sie irgendwann mal eine
Master-FMEA (natürlich nach AIAG) für
ein solches Modul erstellt. Die Qualität der
Lieferanten-FMEA wird nun, ohne sie lesen zu müssen, beurteilt nach der Anzahl
ihrer Zeilen. Hat sie weniger als der Master,
kann sie nichts taugen. Aber das ist doch
mal ein typischer, pragmatisch-schneller
Ansatz zur Bewertung einer vielleicht akribisch durchgeführten typisch deutschen
Bedenkenträger-FMEA. Wehe allerdings,
wenn trotzdem das betrachtete Produkt
im Feldeinsatz schwächelt und einen
amerikanischen Staatsbürger irgendwie
schädigt. Dann bricht der mitunter milliardenschwere Fluch der US-Produkthaftung
über den deutschen Hersteller herein.
Dabei kann man die Handhabung der
Rechtsfolgen amerikanischer Produkthaftungsphilosophie durchaus als Konsequenz und Bollwerk gegen das Prinzip„Lässig und lukrativ versus perfektioniert und
teuer“ ansehen. Der schnelle, spekulative
Dollar mit einem fahrlässig unsicheren Produkt wird durch die eintretenden Sanktionen nicht nur kompensiert, sondern durch
wirtschaftlich existenzbedrohliche Strafen
gegen das verantwortliche Unternehmen
gern mal ein Exempel statuiert. Eigentlich
rückt das die Welt wieder gerade.
Wir kennen in der deutschen Sprache
das Wort vom Kinde, das in den Brunnen
fällt, als Synonym für ein unerwünschtes,
bedrohliches Szenario. Ich nehme dies
gern als Aufhänger, um in meinen FMEAMethodikschulungen für Entwickler, angehende Moderatoren und Entscheider
die unterschiedlichen Philosophien zu
erklären, wie und warum man eine FMEA
erstellen könnte oder es sogar sein lässt.
Der präventive Ansatz: Eine Familie will ein
Haus mit Garten kaufen. In dem Garten
gibt´s einen ungesicherten, tiefen Brunnen, in den das Kleinkind, welches gerade
laufen kann, auf keinen Fall hineinfallen
soll. Der Familienvater, seines Zeichens
FMEA-Moderator (in diesem Zusammenhang was sonst?) weiß, was er zu tun
hat, und erstellt eine Fehlerbetrachtung,
wie der Brunnen gesichert, aber zugleich
gebrauchsfähig gehalten werden kann.
Selbstverständlich wird die Idee der mit
Zahlenschloss gesicherten Abdeckung als
Prototyp gebaut und auf Tragfähigkeit und
Manipulationssicherheit getestet. Zusätz-
24 01/2016www.dietz-consultants.com
K O LU M N E V DA O D E R A I A G – E I N E K U LT U R F R A G E
lich wird beides als Merkmal definiert, das
in regelmäßigen Abständen überprüft und
dokumentiert wird. So als sei der TÜV im
eigenen Hause. Für die Sicherheit des Kindes erscheinen diese Maßnahmen angemessen und keinesfalls zu aufwändig. Die
Maßnahmen werden umgesetzt und etabliert, bevor die Familie das Haus bezieht.
Nach menschlichem Ermessen ist sich die
Familie nun sicher, dass ein Unfall mit dem
Kind ausgeschlossen werden kann.
Der prämortale Ansatz: Die Familie kauft
das Haus mit Garten und Brunnen. In den
Wirren des Umzugs fehlt aber zunächst
die Zeit, sich um den Brunnen zu kümmern. Man hofft zunächst, dass schon
nichts passieren wird. Irgendwann wird
dem Vater im Sinne von AIAG aber doch
klar, dass die „Taken Actions“ (=none) hier
nicht ausreichen werden, so dass „Recommended Actions“ notwendig sind. So legt
er ein paar alte Holzbretter, die er in einer
entlegenen Ecke des Gartens findet, über
den Brunnenschacht. Auf eine Gewichtsprobe verzichtet er, weil er denkt, dass
sein Gewicht für den Anwendungsfall
ohnehin nicht repräsentativ sei. Beruhigt
wendet er sich den vielen anderen Aufgaben zu, die so ein Umzug mit sich bringt.
Problem ist praktisch, schnell und billig
gelöst. Später schreibt er seine Helden-
tat noch in einem AIAG-Formblatt nieder
und ist einigermaßen überzeugt, dass da
schon nichts passieren wird.
Der postmortale Ansatz: Die Familie kauft
wieder das Haus mit Garten, zieht ein und
wohnt dort solange glücklich, bis das Kind
an einem Frühsommertag den Brunnen
entdeckt und prompt hineinfällt. Mutter
hat´s zwar gesehen, konnte es aber nicht
verhindern. Der Vater nimmt sich nun einen bekannten Staranwalt, der den Verkäufer des Hauses vor Gericht zerrt und
eine millionenschwere Entschädigung aus
jenem herauspresst. Der hätte den Brunnen sichern oder mindestens ein Warnschild aufstellen sollen, welches das Kind
bestimmt abgehalten hätte. Am Ende
haben die Eltern zwar ein Kind weniger,
aber einige Millionen mehr. Der Schlüssel
für den Erfolg vor Gericht liegt hier darin,
nachzuweisen, dass man selber von nichts
gewusst hat, deshalb nichts dafür konnte
und eigentlich ein ganz anderer schuld ist.
Diese drei Szenarien beschreiben auch
die unterschiedlichen Herangehensweisen an eine Risikobetrachtung oder FMEA.
Eine Umsetzung nach VDA bewegt sich
irgendwo im Nebel zwischen den Fällen
1 und 2, AIAG wird eher zwischen 2 und
3 gespiegelt.
Man erkennt dabei natürlich auch die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Im harten Alltag der Produktentwicklung
wird die Perfektion der ersten Szene wohl
eher selten anzutreffen sein. Wo spielt
heute noch Zeit und Geld keine Rolle?
Selbst der selbsternannte Perfektionist
wird meist mit einer 75%-Lösung leben
müssen.
Vor einigen Jahren kursierte in unserer
Abteilung unter den FMEA-Moderatoren
tatsächlich mal eine Liste von Wörtern,
deren Verwendung aus Angst vor amerikanischen Anwälten in der FMEA unbedingt zu vermeiden war. Darunter waren
Begriffe wie „Tod“, „Verletzung“, „Gefahr“,
„Risiko“, sogar auch „Titanic“ als Synonym
für ein unerfreuliches Ende zu finden. Alles das, was der Gegenseite auch nur den
leisesten Ansatz geben könnte, man habe
um eine potentielle Gefahr gewusst, ist
demnach unbedingt zu verschweigen.
Konsequenterweise würde das die ganze FMEA in Luft auflösen, denn dort geht
es ja gerade um nichts anderes als die Erwähnung, Bewertung und Behandlung
derlei Phänomene.
Demnach hat dieser amerikanische Pragmatismus wieder versucht, eine Waffe
gegen die Waffe zu finden. Zwar schlägt
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01/2016 25
K O LU M N E V DA O D E R A I A G – E I N E K U LT U R F R A G E
Produkthaftung Spekulantentum, aber
nun schlägt wasserdichtes Beschönigen
Produkthaftung.
Wie der Krieg dieser Welten auch in immer neuen Runden ausgehe: Ich finde,
das Wesentliche bei der FMEA-Anwendung sind nicht starre Regeln, wie es
denn zu tun oder zu lassen sei, sondern
ein durch Vernunft und Ingenieurwissen
gesteuerter Pragmatismus. Ja, das Wort
Pragmatismus ist in dieser Abhandlung
bisher immer nur auf der US-Seite aufgetaucht. Und der ist ja auch nicht falsch,
wenn man ihn dafür verwendet, Wichtiges zu fördern und Unwichtiges zu unterdrücken. Falsch wird es dann, den Pragmatismus einer Kreativität voranzustellen
und als Zugpferd dafür zu benutzen, wie
man an sich sinnvolle Regeln und Methoden mit dem Dollarzeichen in den Augen
unterlaufen und ausbooten kann. Neben
und hinter der am liebsten noch positiveren Halbjahresbilanz gibt es einfach
mehr, dessen Missachtung einem mittel- bis langfristig die Bilanz ganz schön
verhageln kann.
Auch aus dem Weltall betrachtet gibt es
auf der Erde Licht und Schatten. Und das
liegt nicht nur am Sonnenstand. Das einzig
sichtbare Menschenwerk aus dem All ist
die Chinesische Mauer – bei Tage. Nachts
ist es das Lichtermehr von Las Vegas. Eine
Glitzer- und Scheinwelt, die die amerikanische Art, die Dinge zu sehen, in ganz
besonderer Weise inkarniert. Vorne die
perfekte Illusion, hinten ein paar morsche
Balken, die die Fassaden stützen. Sie sind
dort nicht so dumm, das nicht zu wissen,
dass es so ist. Selbst als komplizierter Europäer kann man sich dieser Verlockung des
schönen Scheins kaum entziehen. Andernfalls würden wir selbst auch keine Autos
mit opulenten Blechkleidern, Holzintarsien
und glanzgedrehten Alurädern kaufen.
Und: Warum kauft der Amerikaner dann
eigentlich teure, technisch perfektionierte
deutsche Autos? Außerdem lernen wir ja
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Bereits in der Ausgabe FMEA-konkret
02/2014 konnte mit dem Beitrag „Potentiale einer innovativen Analysemethodik
und deren Datenmodellierung“ die methodische Umsetzung einer innovativen
Analysemethodik gezeigt werden, welche
diverse Analysevarianten wie FMEA, FTA,
und sysML in einer Methode integrieren
kann. In der nächsten Ausgabe FMEAkonkret 08-2016 werden Ergebnisse einer
wirtschaftlichen Betrachtung präsentiert.
Mittels modernen Methoden wurden
Marktpotential, Entwicklungskosten,
Preisgestaltung und geeignete Lizenzmodelle unter realen wirtschaftlichen
Bedingungen untersucht. Die Ergebnisse dieser Arbeit vervollständigen unsere
bisherige Meinung: die Umsetzung des
Tools für die integrierte Analysemethodik
ist nicht nur technisch machbar, sondern
auch wirtschaftlich rentabel.
Quellen:
Ernst, M.; Dallinger, P.; Hirz, M.; Fabian, J.;
Schnellbach, A.: „Innovative Analysemethode in der Entwicklung mechatronischer Systeme“, e&i Elektrotechnik
und Informationstechnik, eingereicht
am 18.08.2014, Ausgabe 3/2015, Erscheinungsdatum Juni 2015, SpringerVerlag, Österreich, 2015
Schnellbach, A.; Werdich, M.: FMEA Evolution, FMEA Forum Osnabrück,
Deutschland, 2012
Ernst. M.: Marktpotentiale eines innovativen Analysetools für erzeugende
Branchen am Markt Österreich und
Deutschland, Masterarbeit, Johannes
Kepler Universität Linz, 2015
Ernst, M.; Schnellbach, A.
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