Kommentar

3. Workshop: Flucht und Grenzen in Südeuropa
Datum:
03.06.2016
Uhrzeit:
10-17 Uhr
Ort:
Lagerhaus, Schildstrasse
Mit:
Philipp Ratfisch (Experte für Grenzregime in Europa insbesondere Türkei)
und
Bernd Kasparek von der Karawane, München (Griechenlandexperte)
Kommentar:
Das Grenzregime in Europa, das vor allem auf den Schengen-Verträgen und auf einer
Abschottung der EU-Außengrenzen mit gleichzeitiger Freiheit nach innen basiert, ist in
den letzten Monaten unter Druck geraten. Die Südgrenzen Europas haben sich durch eine
in den letzten Jahren beispiellose Bewegung von Migrant_innen und Unterstützer_innen
zeitweise geöffnet. Inzwischen haben sich Fragen der Grenzsicherung in Südeuropa zu
einer europäischen Krise ausgeweitet. Das Zusammenspiel von nationalen und
europäischen Sicherheitskräften wie Frontex zu der Türkei scheint sich neu zu ordnen.
Dies wirft weitreichende Fragen für die rechtliche und normative Entwicklung der
Europäischen Union auf, denen wir im Workshop nachgehen werden.
Integriert in: Seminar BA-Modul 7 und 8/9
Grenzregime in Südeuropa. Diskurse, Praktiken und
Rationalitäten
English Titel: The anthropology of borders in Southern Europe: Discourses, practices and
rationalities.
Von:
S. Klepp
Uhrzeit:
Di 10-12 Uhr
Ort:
GW2 B3770
VAK:
09-50-M7-1
Kommentar:
Ziel der Lehrveranstaltung ist es, durch eine gemeinsame Erarbeitung zentraler Begriffe,
Zugänge und Methoden einen Einblick in die aktuelle ethnologische Grenz-forschung in
Südeuropa zu gewinnen. Mit der schrittweisen Abschottung der Europäischen Union von
den südlichen Nachbarstaaten durch die Einführung der EU-Außengrenzen und der
Schengener Abkommen, hat sich der Mittelmeerraum von einer Region zirkulärer
Migration und Begegnung immer mehr zu einem trennenden Grenzraum entwickelt. Da es
sich bei Grenzen um „Schlüssellinien von Staatlichkeit“ (O’Dowd/Wilson 1996) handelt, die
darüber hinaus einen „Prüfstein für Bürgerrechte und Zivilität“ (Balibar 2005) darstellen,
sagen diese Grenzen viel über die Beschaffenheit von Staatlichkeit und Gesellschaft in
den europäischen und südeuropäischen Ländern aus. Welche Perspektiven bietet die
Ethnologie
auf
Diskurse,
Praktiken
und
Rationalitäten
im
Grenzgebiet
des
Mittelmeerraums? Welche Möglichkeiten gibt es, die aktuellen Entwicklungen und die
teilweise Aussetzung des europäischen Grenzregimes ethnologisch zu untersuchen und
zu analysieren? Die Lehrende Dr. Silja Klepp wird im Seminar auch von ihrer eigenen
Forschung zu Flüchtlingen auf dem Mittelmeer berichten und ihre Erfahrungen in Libyen,
Malta und Süditalien thematisieren.
Literatur:
Balibar, Etienne (2005): Sind wir Bürger Europas? Bonn.
O’Dowd, Liam/ Wilson, Thomas M. (1996) (Hg.): Borders, Nations and States. Frontiers of sovereignty in the new Europe. Aldershot.
Transit Migration Forschungsgruppe (2007) (Hg.): Turbulente Ränder – Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas.
Bielefeld.
Sowie in:
Seminar BA-Modul 7 und 8/9
Der wilde Süden? Korruption, Klientelismus und Mafia in
Süditalien
English Title: The wild south? Corruption, Clientelism and Mafia in southern Italy
Von:
F. Müller
Uhrzeit:
12-14 Uhr
Ort:
SFG 1030
VAK:
09-50-M7-2
Kommentar:
Nicht nur in Italien, aber besonders dort, bedeutet Süden mehr als eine Himmelsrichtung.
„Süden ist eine Metapher, eine Vorstellung ein fast mythischer Begriff, der mit Himmel und
Hölle in Verbindung gebracht wird.“ (Gribaudi 1996) Insbesondere negative Aspekte des
politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens des italienischen Nationalstaats
werden dem unbezähmbaren, wilden Süden zugeschrieben. Hier funktioniert die
Bürokratie nicht, werden Verabredungen nicht eingehalten, öffentliche Angelegenheiten
sind schlecht organisiert. Es herrschen Korruption und kriminelle Organisationen.
Demgegenüber stehen positiv konnotierte kulturelle Repräsentationen in denen die Region
als lebensfroh, kreativ und widerständig konstruiert wird.
Im Seminar werden die komplexen Problematiken des Klientelismus, der Korruption und
der organisierten Kriminalität vor dem Hintergrund einer kritischen Auseinandersetzung mit
den über Jahrhunderten geprägten ambivalenten Wahrnehmungen Süditaliens in Literatur
und Wissenschaft thematisiert. Neben ethnologischen Arbeiten lesen wir geschichts- und
politikwissenschaftliche Texte, die verdeutlichen, dass mit dem „Süden“ weniger ein
Schuldiger als ein Zeuge gefunden ist, für die demokratiefeindlichen und kriminellen
Strömungen moderner und global vernetzter Gesellschaften.
Literatur:
Dickie, John 2015: Omertá. Die ganze Geschichte der Mafia. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch.
Gribaudi, Gabriela 1996: Images of the south. In: Forgacs, David/ Lumley, Robert (Hg.): Italian cultural studies. An introduction. Oxford:
University Press, S. 72-87.
Moe, Nelson 2002: The view from Vesuvius. Italian culture and the southern Question. Los Angelos,
Berkley, London: University of California Press.
Schneider, Jane; Schneider, Peter 2005: Mafia, Antimafia, and the Plural Cultures of Sicily. In: Current Anthropology, Vol. 46, No. 4
(August/October 2005), pp. 501-520.