Deutsche Fluggeschichte

30 Artikel zur deutschen Fluggeschichte
Rainer Lüdemann
Deutsche Fluggeschichte
Teil I
Rainer Lüdemann
Deutsche Fluggeschichte
Teil I
30 Artikel zur deutschen Fluggeschichte
2. überarbeitete Ausgabe
Rainer Lüdemann
Verlag: epubli GmbH, Berlin
Impressum
Copyright: © 2012 Rainer Lüdemann
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-****-***-*
Fotos auf Vorder- und Rückseite: Rainer Lüdemann
Einband-Design: Rainer Lüdemann
Inhalt
Ein Wort vorab
9
Otto Lilienthal – Erster deutscher Flieger
11
Gustav Weisskopf – Erster Flugversuch
mit einem Motorflugapparat?
17
Gustav Weisskopf – Motorisierte Gleiter
No. 21 und No.22
21
Gustav Weisskopf – Aus Mangel an Beweisen
25
Internationale Luftschifffahrtsaustellung (ILA) 1909
29
Deutsche und internationale Luftfahrtereignisse
in den Jahren 1907 bis 1909
34
August Euler – Wegbereiter des deutschen Flugwesens
40
Deutsche Flugzeugkonstrukteure der Jahre 1909/1910
45
Karl Jatho fliegt 1903 bei Hannover
50
Daimler Motoren-Gesellschaft (DMG) –
Erste deutsche Flugmotoren
54
Entwicklung der deutschen Militärluftfahrt vor
dem 1. Weltkrieg
59
Claude Dornier – Die ersten Ganzmetallflugzeuge
64
Zeppelin- Luftschiffe vor dem 1. Weltkrieg
1900 bis 1908
69
Zeppelin- Luftschiffe vor dem 1. Weltkrieg
1909 bis 1912
74
Zeppelin- Luftschiffe vor dem 1. Weltkrieg 1912 bis 1914
80
Zeppelin-Militärluftschiffe- Entwicklungen bis Ende 1915
85
Zwischen Himmel und Hölle – Einsatz deutscher Luftschiffe
im 1. Weltkrieg
90
Zeppelin-Marine-Luftschiffe - Entwicklungen 1916
bis Herbst 1918
95
Militärluftfahrt in Deutschland nach dem 1.Weltkrieg
101
Claude Dornier – Von der Libelle bis zum Wal
105
Claude Dornier - Die Landverkehrsflugzeuge
Komet und Merkur
110
Erste Pläne zum Aufbau der deutschen Fliegertruppe
1923-1926
114
Die deutsche Flugzeugindustrie und die Aktivitäten
der Reichswehr 1922- 1932
118
Erster Deutscher mit dem Flugzeug über dem Eis der Arktis
122
Erster Fernflug der Luft Hansa 1926 Berlin- Peking und zurück
127
Der geheime Aufbau der deutschen Luftwaffe
1927- 1934
131
Erster Luftpost-Transport der Lufthansa über den Nordatlantik
135
Deutsche Lufthansa im Südatlantik-Luftpostdienst
140
Junkers W33 „ESA“ sieben Tage in den Fluten
des Nordatlantik
144
Die „Bremen“ flieg von Ost nach West
über den Nordatlantik
148
Quellen…………
153
Ein Wort vorab
Dieses kleine Buch ist eine Zusammenstellung diverser Artikel,
deren Inhalt in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der
deutschen Luftfahrt, insbesondere mit den Pionierleistungen
deutscher Flieger, stehen.
Diese Arbeit stellt in ihrem Umfang keine vollständige Betrachtung
aller Leistungen deutscher Flugpioniere dar. Sie ist im Wesentlichen
aber eine Darstellung herausragender Leistungen, Luftfahrtereignissen und technischer Entwicklungen aus den frühen Jahren des
Fliegens bis hinein in die 30iger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Über Lilienthal, Weisskopf, Euler und Grade, die erste ILA bis hin
zur Bildung der neuen deutschen Fliegertruppe nach dem 1.
Weltkrieg und über die Atlantik-Überquerung der „Bremen“, wird
in diesem Buch berichtet
Ein zweites Büchlein mit Artikeln über die deutsche Luftfahrt ist in
Arbeit und wird über weitere deutsche Flugpioniere und deren
Leistungen berichten.
Bad Sassendorf, April 2016
9
10
Otto Lilienthal – Erster deutscher Flieger
Otto Lilienthal wurde am 23. Mai 1848 in Anklam geboren und sein
Bruder Gustav folgte eineinhalb Jahre und seine Schwester 7 Jahre
später.
Die Familie Lilienthal war ursprünglich schwedischer Herkunft und
siedelte sich in der Nähe von Anklam / Vorpommern an, das bis
1815 noch zu Schweden gehörte.
Die beiden Söhne begeisterten sich seit ihrer frühsten Jugend mit der
Natur und der Technik. Zum Thema Fliegen sollen die beiden
Brüder über das Studium einer Schrift mit dem Titel „Die Reisen
des Grafen Zambeccary“, eines bekannten Luftschiffers, gekommen
sein. Dieses Büchlein enthielt auch ein Kapitel über den Vogelflug,
der für viele Jahre zur Hauptbeschäftigung der beiden Brüder wurde.
Nachdem Otto 1864 von der Obertertia auf die ProvinzialGewerbeschule in Potsdam wechselte, legte er in nur 2 Jahren das
beste Examen seines Jahrganges ab. Danach besuchte er die
Gewerbe-Akademie in Berlin um dort eine Ingenieurausbildung für
Dampfmaschinen und Pumpen zu erhalten.
Nach der Ausbildung konstruierten die beiden Brüder verschiedene
Fluggeräte, welche von ihnen ständig verbessert wurden.
11
Darunter war auch ein im Jahr 1868 entstandenes Flügelschlaggerät,
das die Beiden voll an ganz in Beschlag nahm. Ob ihrer vielen
Rückschläge bei der Erprobung des Apparates begannen die Brüder
ab 1871 dieses Thema von einer anderen Seite aus zu betrachten. In
den folgenden Jahren stand die Theorie im Vordergrund. Sie bauten
Modelle und stellten Hunderte von Berechnungen an.
Den Jahresberichten der Aeronautical Society of Great Britain
entnahmen sie unter anderem alle für sie wichtigen Informationen zu
gewölbten Flügelflächen. Besonders die Thematik des Auftriebes
hatte sie fasziniert, deren Ergebnisse in den darauf folgenden eigenen
Versuchen bestätigt wurden. Diese Ergebnisse veranlassten sie 1874
einen Drachen zu bauen, welcher in seinen Grundzügen, speziell die
Form der Flächen, einem Vogel glich. Die Versuche mit diesem
Drachen waren sehr erfolgreich.
Lilienthal-Flügel (Replikat)
Foto:Lüdemann/ DTMB
In den 80iger Jahren des 19. Jahrhunderts begann Otto Lilienthal mit
den Bau verschiedener Motoren für Berliner Fabriken, machte sich
damit selbständig und gründete eine eigen Firma, welche nach relativ
kurzer Zeit bereits 60 Mitarbeiter beschäftigte.
Im März 1886 traten die beiden Brüder den 1881 gegründeten
„Verein zur Förderung der Luftschifffahrt“ bei und setzten ihre seit
1875 unterbrochenen Versuche fort. Die Versuche mit den Flächen
unterschiedlicher Wölbungen wurden im Herbst 1888 abgeschlossen.
Damit hatten die Brüder die physikalischen Grundlagen des
Vogelfluges ausreichend erklärt, so dachten sie.
12
Vorträge vor dem Verein zur Förderung der Luftschifffahrt, fasste
diese zusammen, bearbeitete sie und veröffentlichte noch im selben
Jahr sein Buch „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“. Das
Interesse an diesem Buch war recht mäßig, aber als er später seine
ersten Gleitflüge erfolgreich durchführte, fand sein Buch größere
Beachtung.
Bis 1896 wurden in Deutschland 300 Exemplare verkauft. Mit der
Entwicklung des Fluggedanken und der vermehrten Versuche mit
Flugapparaten in vielen anderen Ländern weltweit, wurde es in viele
Sprachen übersetzt und für viele zu einer Art Standardlektüre, sogar
für die Brüder Wright.
In England und in Frankreich fand es zu Beginn der 90iger Jahre
große Beachtung.
Im Sommer 1880 begannen die Brüder mit praktischen
Flugversuchen, wobei Otto der aktivere war und Gustav, aufgrund
beruflicher Tätigkeit, nur wenig Zeit fand, Otto zu unterstützen.
Bei diesen ersten Versuchen gelangen mit den flügelartigen Flächen
nur vereinzelte Luftsprünge. Das Gleichgewichtsproblem wurde zum
grundlegenden Problem.
1891 baute Otto einen neuen Flugapparat, der die Gestalt eines
ausgebreiteten Flügels hatte und eine Flügelfläche von 10 m² besaß.
Aber auch mit diesem Gerät konnten nur Sprünge von 7-8 Metern
vollführt werden. Nach Verbesserungen des Apparates konnten
kurze Gleitflüge von bis zu 25 Metern erreicht werden.
Lilienthal wurde immer sicherer in der Bedienung des Apparates. Im
Winter 1892/ 1893 fertigte Lilienthal einen neuen Gleiter. Er
verkürzte die Spannweite der Flügel und vergrößerte deren Flächen.
Im Frühjahr 1893 ließ sich Lilienthal in Steglitz (heutiges Berlin)
einen Übungshügel mit Hangar anlegen. Von einer Absprunghöhe
von 10 Meter konnten jetzt schon weitere Gleitflüge unternommen
werden. Im Sommer desselben Jahres fand Lilienthal in den
Rhinower Bergen noch bessere Verhältnisse für seine Gleitversuche.
Die Hügelkette bot eine Absprunghöhe von bis zu 60 Metern.
13
Lilienthal-Gleiter (Replikat)
Foto:Lüdemann/ DTMB
Bei den ersten Versuchen erreichte er schon Weiten von 80 bis 250
Metern, wobei er ausgiebig den Kurvenflug übte. Den Gleiter von
1893 ließ er sich nicht nur in Deutschland sondern auch in den USA
patentieren.
1894 ließ sich Lilienthal in der Nähe seines Wohnortes in
Lichterfelde einen 15 Meter hohen Absprunghügel errichten. Hier
wollte er seine Techniken verfeinern um den Segelflug für längere
Zeit zu ermöglichen.
Im Vordergrund standen hier besonders das Problem des
dynamischen Druckmittelpunktes und die Steuerung seiner
Gleitapparate. Hierbei ist er einige Male sehr unsanft auf die Erde
zurückgekehrt und hat sich dabei mehrmals verletzt.
Bei verstärkten Aktivitäten im Jahr 1895, die Flugstabilität und
damit den dauerhaften Segelflug zu verbessern, kam Lilienthal zum
Bau eines Doppeldecker-Apparates, von dem er sich eine bessere
Handhabung bei der Steuerung erhoffte. Aber mit diesem Gerät
wurde die Erlangung des Gleichgewichts in der Luft auch nicht
bewältigt. Die Doppeldecker-Variante wurde schnell wieder fallen
gelassen und Otto wandte sich wieder dem motorisierten
Flügelschlagapparat zu. Zugleich arbeitete er an der Lösung für ein
Höhenleitwerk.
14
Lilienthals Doppeldecker-Gleiter (Replikat)
Foto: Lüdemann/ DTMB
In dieser Zeitl bedrängte Gustav sein Bruder ständig seine
Segelflugversuche doch vorübergehend einzustellen bis neue
theoretische Erkenntnisse zum Problem der Stabilität vorlägen.
Otto war nicht davon abzubringen und er experimentierte weiter mit
einem modifizierten 1894iger Modell.
Zusammen mit seinem Techniker Paul Beylich fuhr er in die Stöllner
Berge und absolvierte dort einige erfolgreiche Segelflüge bis er am
07. August 1896 in ca. 20 Metern Höhe durch eine Windböe aus dem
Gleichgewicht kam und fast senkrecht abstürzte. Dabei zog er sich
Schwerstverletzungen der Wirbelsäule zu. Zwei Tage später erlag
Otto Lilienthal in einer Berliner Klinik seinen Verletzungen.
Mehr als 2000 Gleitflüge wurden von Lilienthal durchgeführt, bei
denen er sich insgesamt fast 5 Stunden in der Luft bewegte.
Die praktische Anwendung des vorhandenen Wissens sowie die
Entwicklung einer gut durchdachten Methode, das Fliegen zu
erlernen, sichern Otto Lilienthal einen bleibenden Platz in der langen
Geschichte der Entwicklung des Fluges.
Viele große Flugpioniere, unter ihnen die Brüder Wright, Augustus
M. Herring, Octave Chanute und Percy Pilcher, waren von den
Arbeiten Lilienthals beeindruckt und nutzten diese ihre eigenen
Versuche fortzuführen.
15
Einige von ihnen besuchten die Lilienthal Brüder sogar und
informierten sich vor Ort über die Fluggeräte und über die Versuche,
die damit durchgeführt wurden. Der Landsberger Ingenieur Alois
Wolfmüller und der englische Ingenieur Percy Pilcher kauften einen
Gleitapparat und entwickelten diesen für ihre Versuche weiter.
Wolfmüllers Flugapparat (Replikat)
Foto:Lüdemann/ Flugwerft Oberschleißheim
Wilbur Wright schrieb im November 1901
„Ich habe die Übersetzung des Lilienthalschen Werks gelesen und
die Illustrationen und Tafeln geprüft. Es ist ein wunderbares Buch,
obgleich, wie ich es sehe, Irrtümer vorhanden sind. Und dennoch, für
eine Pionierarbeit auf einem vollkommen neuen Gebiet ist sie
bemerkenswert gesund und genau. Sein Buch muss als die Arbeit nur
eines Mannes außerordentlich hoch eingeschätzt werden.“
16
Gustav Weisskopf – Erster Flugversuch mit einem
Motorflugapparat?
Gustav Weisskopf soll seinen ersten Flug mit einem motorisierten
Flugapparat im Jahre 1899 in der Nähe von Pittsburgh durchgeführt
haben.
Der Deutsche Gustav Alvin Weisskopf (Gustave Alvin Whitehead),
geboren am 01. Januar 1874 im fränkischen Leutershausen nahe
Nürnberg, verbrachte seine Schul- und Jugendjahre in Höchst am
Main. Schon zu dieser Zeit war Weisskopf fasziniert von der
Vogelwelt und der Art und Weise wie Vögel fliegen. Er baute erste
Gleitfliegermodelle und Ballons und studierte den Flügelschlag der
Vögel. Seine Mitschüler nannten ihn den „Flieger“. Mit dreizehn
Jahren waren er und seine beiden Brüder schon Vollwaisen und
lebten von da an bei den Großeltern in Ansbach. Hier baute
Weisskopf seinen ersten Gleitflieger, den er nachts vom Dach des
großelterlichen Hauses ausprobierte. Obwohl dieser Flugversuch ein
totaler Misserfolg war, konnte Weisskopf vom Fluggedanken nicht
mehr loskommen. Sein ganzes Leben, seine ganze Lebensarbeit
nutzte er, seinen Traum vom Fliegen Wahrheit werden zu lassen.
Lehrjahre
Im Alter von 14 Jahren verließ er das Haus seiner Großeltern,
heuerte auf einem Schiff an und fuhr mehrere Jahre zur See.
Während dieser Zeit nutzte er jede freie Stunde für weitere Studien
des Vogelfluges, vor allem dem der großen Seevögel. Dieses
Studium, wie es Francis Wenham und viele andere vor ihm
durchführten, sollte ihm einige Jahre später helfen seine
mechanischen Fähigkeiten beim Bau seiner ersten Flugmaschine
besser zu entfalten.
Als er zwanzig Jahre alt war soll er für kurze Zeit wieder nach
Deutschland gekommen sein. Otto Lilienthal hatte schon hunderte
von Luftsprüngen gemacht und führte die ersten Gleitflüge von den
Rhinower Bergen durch.
17
Hat Weisskopf die Brüder Lilienthal besucht?
Immer wieder wurde in verschiedenen Veröffentlichungen darüber
berichtet, dass Weisskopf nach Deutschland kam um die Brüder
Lilienthal aufzusuchen. Diese Behauptung ist aber bis heute nicht
belegt worden.
Otto Lilienthals bekannteste Arbeit „ Der Vogelflug als Grundlage
der Fliegekunst“ war veröffentlicht und eine Vielzahl von seinen
Aufsätzen und Vorträgen haben garantiert Interesse von Weisskopf
geweckt, aber zu einem direkten Zusammentreffen der beiden wird
es nicht gekommen sein.
Der junge Weisskopf war bis dahin noch ein unbeschriebenes Blatt
und wirklich herausragende Arbeiten in der Entwicklung des Fluges
konnte er auch noch nicht vorweisen. Eher muss man annehmen,
dass sich Weisskopf aus Bescheidenheit unter die Zuschauer mischte
und sehr aufmerksam die Versuche von Lilienthal beobachtete und
dessen Fluggerät sorgfältig studierte.
18
Ein Hanggleiter mit Antriebsmotor
Später, 1895 (?) und wieder zurück in Amerika, soll Weisskopf in
Zusammenarbeit mit der Boston Aeronautical Society Gleiter
gebaut haben, die dem Lilienthal-Eindeckermodell sehr ähnlich
waren und sogar geflogen sein sollen. 1897 gingen die ersten
Nachrichten über Weisskopf durch ganz Amerika und kamen sogar
bis nach Europa. Im gleichen Jahr begann er seine Arbeit bei der
Horseman Toy Company in New York. Dort war er „Spezialist“ für
Hanggleiter, Flugmodelle und Motoren für Flugmaschinen.
Nebenbei plante Weisskopf seine ersten eigenen Modelle und führte
Versuche mit diesen durch. Für die Weiterbildung auf dem Gebiet
der Luftfahrtentwicklungen nahm Weisskopf immer wieder die
Möglichkeit des Studiums von Fachliteratur wahr, die er sich von der
öffentlichen Bibliothek in Buffalo auslieh. Als Berufsbezeichnung
gab er fortan „Aeronaut“ an. Im Jahr 1899 zog er mit seiner Familie
von Buffalo nach Baltimore und kurz danach nach Pittsburgh,
Pennsylvania. Er arbeitete dort halbtags als Grubenarbeiter und half
den Nachbarn bei Reparaturen jeglicher Art.
Die meiste Zeit verbrachte er aber mit dem Bau von Flugapparaten
und der Entwicklung von Antriebsmaschinen. Es wird von
Augenzeugen berichtet, dass Weisskopf im April oder Mai des
Jahres 1899 einen erfolgreichen Flugversuch mit
einer
Flugmaschine gemacht haben soll, welche mit einer Dampfmaschine
als Antrieb ausgerüstet war. Aus verschiedenen Quellen geht hervor,
dass Weisskopf zusammen mit seinem Assistenten Darvarich nach
erfolgreichem selbstständigen (!) Start ca. 6 bis 7,5 Meter hoch und
ca. 800 Meter weit geflogen sein soll. Dies geht auch aus einer
eidesstattlichen Erklärung von Louis Darvarich hervor.
Weiter wird erklärt, dass er als Assistent zur Bedienung der
Dampfmaschine diesen Versuch gemeinsam mit Weisskopf
durchgeführt hat und dieser Flug in der Nähe eines Vorortes von
Pittsburgh mit einem von Weisskopf gebauten EindeckerFlugapparat stattgefunden haben soll.
Erster Flugversuch endete mit einem Unfall
Darvarich berichtete, dass sie nicht in der Lage waren, mit dem
Flugapparat hoch genug zu steigen um ein dreistöckiges Haus zu
überfliegen. Dieser Aussage könnte man entnehmen, dass entweder
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eine Steuerung des Flugapparates nicht vorhanden oder nicht voll
funktionstüchtig war.
Eine Kollision mit dem Gebäude war also unvermeidlich und
Darvarich verbrühte sich durch die austretenden Dämpfe des dabei
zerstörten Dampfkessels. Die Verbrennungen waren so schwer, dass
er einige Wochen im Krankenhaus verbringen musste. Weisskopf
blieb bei diesem Unfall unverletzt.
Weisskopf vor seinem Flugapparat No. 21
Die Dampfmaschine war von ihm so genial konstruiert, dass einige
Jahre später der Australier Lawrence Hargrave das Design in
Miniatur übernahm und für seine eigenen Versuche nutzte. 1900
verschlug es Weisskopf und seine Familie nach Bridgeport,
Connecticut, wo er eine Anstellung als Mechaniker oder Schlosser
fand. Sein neues Zuhause bot ihm so viel Platz, dass er in einem
kleinen anliegenden Schuppen eine Werkstatt einrichten konnte ohne
durch seine Arbeiten die Nachbarn zu stören.
Am 08.Juni 1901 berichtet die Zeitschrift Scientific American zum
ersten Mal über Weisskopf und seinem motorisierten Flugapparat.
Zwei Monate später wurde über einen neuen motorisierten
Hanggleiter No.21 berichtet, den Weisskopf kurz zuvor fertig
gestellt hatte. Mit diesem Apparat soll er am 14. August 1901, also
zwei Jahre vor dem ersten Motorflug der Brüder Wright, mehr als
zwei Kilometer weit geflogen sein.
20
Gustav Weisskopf – Motorisierte Gleiter
No. 21 und No.22
Bereits im Mai 1899 soll Gustav Weisskopf den ersten Flug mit
einem Motorflugapparat unternommen haben. Die Flugapparate No.
21 und 22 folgten.
Erstmalig berichtete
am 08.Juni 1901 die wissenschaftliche
Zeitschrift Scientific American über Weisskopf und seinem
motorisierten Flugapparat. Der Flug, der einige Tage zuvor
stattgefunden haben soll, wurde leider durch einen Unfall beendet.
Zwei Monate später wurde über einen motorisierten Hanggleiter
No.21 berichtet. Mit diesem Apparat soll Weisskopf am 14. August
1901 erfolgreich geflogen sein.
Die Flüge von Apparat No.21
Der Flugapparat No. 21 soll nach Berichten von Augenzeugen 2,5
Kilometer weit und ca. 10-15 Meter hoch geflogen sein. Sein Start
erfolgte nach einem relativ kurzen Anlauf eigenständig und ohne
fremde Hilfsmittel. Die Landung soll nach erfolgtem Flug sicher
ausgeführt worden sein.
21
Vier Tage nach diesem Flug, am 19. August 1901, berichtete die
Zeitschrift Boston Transcript
von diesem Flugereignis.
Augenzeugen bestätigten den eigenständigen Start dieses
Flugapparates.
Dieser konnte mit Hilfe eines Motors, der zwei Propeller antrieb,
fliegen und ohne Schwierigkeiten wieder landen. An dem Tag sollen
letztendlich vier Flüge im Morgengrauen durchgeführt worden sein,
die in vielen wichtigen Publikationen in Amerika Aufsehen erregten.
Weitere drei Flüge sollen am Nachmittag des gleichen Tages
stattgefunden haben.
In der amerikanischen wie auch in der europäischen Fachwelt
wurden diese Nachrichten sehr unterschiedlich zur Kenntnis
genommen. Ein Großteil der Luftfahrtkenner und Experten
beurteilten diese Meldungen mit Vorsicht, da doch ein „einfacher
Fabrikarbeiter“ einen motorisierten Flug mit einer selbstgebauten
Flugmaschine zustande gebracht haben soll, ohne auch nur die
geringste externe Unterstützung. Unfassbar! Alle wussten zwar, dass
die Zeit reif war für eine solche Meldung, aber glauben wollte sie
keiner so recht.
Erste Wasserlandung und ein Dieselmotor für No. 22 ?
Ende September stellte Weisskopf seine No.21 in Atlantic City aus.
Ihm genügten wohl die wenigen Flüge um zu wissen, dass er auf
dem richtigen Weg war. Er konzentrierte jetzt seine gesamte Energie
auf die Verbesserung seiner Antriebsmotoren. Kurz vor Ablauf des
Jahres 1901 soll Weisskopf die erste Wasserlandung bei
nachfolgenden Versuchsflügen mit seinem Motorflugzeug
unternommen haben. Er entwickelte und baute auch den ersten
Dieselmotor für Flugmaschinen. Diesen Motor soll er versuchsweise
in seine No. 22 (wahrscheinlich neue Bezeichnung er No.21 wegen
des neuen Motors) eingebaut und am 17.Januar 1902 einen Rundflug
von einer Gesamtlänge von 11 Kilometern gemacht haben.
Eigentlich sollen es zwei Flüge gewesen sein, wobei der zweite ca. 7
km weit war. Wieder gab es Presseberichte in aller Welt. Und wieder
wurden keine exakten Aufzeichnungen über die beiden Flüge
gemacht.
22
Alle Angaben zur Technik des Flugapparates, die bekannt wurden,
waren nur Schätzungen der Augenzeugen bzw. erfolgten zu den
durchgeführten Flügen von Weisskopf selbst. Genau ein Jahr und elf
Monate später stiegen die Brüder Wright zu ihrem ersten Motorflug
auf!! Aber verglichen mit den Leistungen von Weisskopf, wenn sie
der Wahrheit entsprachen, verdiente ihr längster Flug an diesem Tag
kaum erwähnt zu werden.
Brief an den American Inventor
Im März 1902 schrieb Weisskopf einen Brief an die Redaktion des
American Inventor, der am ersten April 1902 veröffentlicht wurde.
In diesem Brief wurden die beiden erfolgreichen Flugzeuge No.21
und No. 22 beschrieben. Er schrieb: “…(no.22) is run by a 40horsepower
kerosene motor of my own design, especially
constructed for strength, power and lightness, weighing but 120
pounds complete… ,it runs about 800 revolutions per minute, has
four cylinders …Ignition is accomplished by its own heat and
compression…”
Diesen Angaben zufolge betrug das Leistungsgewicht des Motors ca.
2,2 kg/PS, eine hervorragende konstruktive Leistung von Weisskopf.
Sein selbstzündender Motor soll ca. 40 PS bei 800 U/ min geleistet
haben und etwa 18 Kilogramm schwer gewesen sein. Der Bruder
John Whitehead dagegen gab an, dass es sich hierbei um einen 4Zylinder-Zweitakt-Motor gehandelt hat, der aber nur 20-25 PS
leistete. Das Problem war, dass John Whitehead den Flugapparat nie
hat fliegen sehen.
Der Rumpf des Flugzeuges, so schreibt Weisskopf weiter, ist aus
Stahl und Aluminium gefertigt. Seine Länge betrug 4,90 m, die
Breite und Höhe ca. einen Meter. Er sah aus wie ein Fischkörper.
Der Rumpf wurde von vier 13 Zoll- Automobilrädern getragen. Die
Gesamtflügelfläche der mit Seide bespannten Tragflächen betrug ca.
42 m². In der Beschreibung, die Weisskopf über sein Flugzeug gab,
existieren einige interessante Aspekte, welche hier noch kurz
aufgeführt werden sollen.
23
Interessante Konstruktionsmerkmale
Weisskopf schrieb, dass der Motor auf dem Boden beim Rollen die
beiden vorderen Räder antrieb und das ganze Gefährt so auf
Startgeschwindigkeit brachte. Nach ca. 18 Metern soll der
„Vogel“ gezeigt haben, dass er Auftrieb hat und fliegen wollte.
Weiskopf schaltete dann den Antrieb über ein spezielles Getriebe
von den Rädern auf die beiden Propeller, sodass der Vortrieb in der
Luft damit gewährleistet war.
Der Scientific American schrieb in einem Artikel über diesen Antrieb
am 08. Juni 1902, dass es sich um eine „double compound engine of
20 horse power“ handelte, die beide Antriebe, die der vorderen
Räder und die der gegenläufigen Propeller, bediente. Andere Quellen
geben einen 10-PS und einen 20 PS-Motor für den Flugbetrieb an.
Die beiden hinteren Räder wurden zum Lenken beim Anrollen auf
der Erde benutzt. Ein weiteres interessantes Konstruktionsmerkmal
waren die beiden Holzpropeller, die einen SchraubenkreisDurchmesser von 1,80 m besaßen. Erstaunlicherweise waren sie mit
einer dünnen Aluminiumhaut überzogen. Warum? Die Antwort blieb
er uns leider schuldig. Ein dritter und herausragender Fakt ist die
Flügelkonstruktion, über die er schreibt, dass man diese und das
Heck in weniger als einer Minute seitwärts an den Rumpf klappen
konnte.
Woher hatte Weisskopf diese Idee? Hatte er diese übernommen als
er in Deutschland 1894 (?) Otto Lilienthal genau über die Schulter
schaute? Jedenfalls sind in diesem Fall gewisse Parallelen in der
Konstruktion der Flügel nicht zu leugnen. Am Besten ist die
Ähnlichkeit beider Flügelformen im direkten Vergleich zu erkennen.
Man erinnere sich auch an den Flugapparat von Phillipe d`Esterno
aus dem Jahre 1864, der einen ähnlichen strukturellen Aufbau in der
Flügelkonstruktion besaß wie der von Weisskopf.
24
Gustav Weisskopf – Aus Mangel an Beweisen
Ohne Bildbeweise konnte der Flugpionier Gustav Weisskopf seine
Flüge mit den Flugapparaten No.21 und No. 22 nicht glaubhaft
machen.
Der deutsche Flugpionier Gustav Weisskopf (Gustave Whitehead)
war unbestreitbar ein begnadeter Techniker. Er schaffte es aber nicht,
aus Mangel an Beweisen, seine durchgeführten Flüge glaubhaft zu
machen.
Nach dem heutigen Stand der Dinge existieren keine Fotos, die seine
Flugversuche mit No.21 und No.22 dokumentieren. Die
eidesstattlichen Erklärungen von Helfern und Augenzeugen reichten
zur Anerkennung seiner Versuche nicht aus. Aufgrund des
Nichtvorhandenseins dieser Beweise urteilten die Verantwortlichen,
vor allem das Smithonian Institution, hart über die Leistungen dieses
genialen Erfinders und Flugpioniers.
Briefe an den American Inventor
In einem Schriftwechsel mit der Redaktion der Zeitschrift American
Inventor über die Flüge vom 17.Januar 1902 bestätigte Weisskopf
nochmals auf Nachfrage, dass er die Flüge selbst und in dem
angebenden Umfang ausgeführt hatte. Er schrieb auch, dass er
derzeit keine Fotos von No.22 hätte, er aber einige Fotos von No.21
schicken werde. Die meisten Fotos wären nach seiner Aussage von
ungenügender Qualität, da er meist bei sehr schlechtem Licht oder
schlechtem Wetter geflogen ist.
Weisskopf war klar, wie wichtig Fotos vom Fluggerät während des
Fluges waren. Um die Zweifel der Skeptiker zu beseitigen, machte er
der Redaktion den Vorschlag vor Ort selbst die Fotos zu machen.
Weiterhin legte er noch eine kleine Skizze bei auf der er die längste
Strecke einzeichnet hatte, die er am 17. Januar 1902 geflogen ist.
Arbeitsweise und Ergebnisse eines genialen Konstrukteurs
Weisskopf war ein begnadeter Techniker, der 56 Flugapparate und
unzählige Motorenkonstruktionen für Flugapparate selbst baute. All
25
sein Geld, welches er nebenbei verdiente, investierte er in die
Entwicklung seiner Flugmaschinen und Antriebe. Ein nur geringer
Teil davon blieb für den Lebensunterhalt.
Er machte selten Aufzeichnungen über seine technischen Arbeiten
oder seine geschäftlichen Transaktionen. Aufzeichnungen über
technische Daten oder Fotografien waren für ihn nur Nebensache.
Aufgrund akuten Geldmangels, denn es floss alles in seine
Erfindungen, war er nicht in der Lage Patente finanziell zu
unterhalten. Seine hoch entwickelten Motoren verkaufte er für viel
zu wenig Geld, um schnell wieder flüssig zu werden. Weisskopf war
nie zufrieden mit seiner Arbeit und begann immer wieder nach
Fertigstellung des einen sofort ein neues Projekt. So konnte nur ein
Genie arbeiten das voll und ganz auf das „Fliegen“ fixiert war.
Mangel an Beweisen – Mangel an Anerkennung
So traurig es ist und so ungerecht seine Leistungen auch von
bestimmten Gesellschaftskreisen eingeschätzt wurden, ergab sich der
Mangel an Anerkennung aus dem Mangel an Beweisen. Und weil er
nie mit seiner Arbeit zufrieden war neigte er auch nicht dazu, die
Ergebnisse sofort der Allgemeinheit zukommen zu lassen.
Noch heute nutzen einige Personen die Gelegenheit die Arbeit von
Gustav Weisskopf zu diskreditieren. Unter anderem wurde auch
bemerkt, dass er „…mit dem Ding ganz bestimmt nicht geflogen
ist…völlig unwahrscheinlich…“, und erklärte weiter „… dass ein
Autodidakt wie Weisskopf den gesteuerten Flug nicht beherrscht
haben konnte. Wer so etwas behauptet, muss es beweisen…“.
Eine nicht seltene aber typische und vorherrschende Meinung nach
dem Motto: „Was nicht sein kann, dass nicht sein darf“.
In diesem Zusammenhang drängen sich förmlich drei Fragen auf:
1. Wurden nur hochgradig Studierte und deren Forschungsergebnisse
akzeptiert?
2. Waren damals nicht alle auf diesem Gebiet irgendwie
Autodidakten?
3. Zählten nicht auch die Wright- Brüder dazu?
26
Sensationslust oder Unwahrheit?
Die Berichte der damaligen Gazetten werden heute noch von den
meisten Luftfahrthistorikern angezweifelt und als übertriebene,
sensationslüsterne Journaille abgetan. Es gab aber auch andere! John
J. Dvorak, Professor der Physik an der Universität of Washington,
St. Luis, war einer derjenigen. Er soll im Oktober 1904 öffentlich
bekannt gegeben haben, dass Gustav Weisskopf in seinen luftfahrttechnischen Entwicklungen viel weiter war als alle anderen Personen,
die sich mit dieser Materie in dieser Zeit beschäftigten.
Seine Assistenten und die unzähligen Augenzeugen, die bei den
Flugversuchen zugegen waren, konnten die damalige Fachwelt auch
nicht davon überzeugen, dass Weisskopf wirklich geflogen ist. Selbst
Louis Darvarich, langjähriger Mitarbeiter von Weiskopf in der Zeit
von 1899 bis 1912, hat nach eigener eidesstattlicher Aussage all
diese Flüge selbst miterlebt. Seinen Angaben zufolge war er mit
Sicherheit kein Märchenerzähler.
Offiziell wurde letztendlich festgestellt, dass
- keine weiteren Aufzeichnungen über Weite und Höhe des Fluges
sowie über die erreichte Geschwindigkeit existierten.
- kein voll kontrollierter Flug durchgeführt wurde (weder Flughöhe
noch Richtung konnten beeinflusst werden)
- eine Landung nicht unbeschädigt durchgeführt werden konnte,
zumindest in einem Fall. (die von Weiskopf beschriebene
Wasserlandung wurde von offizieller Seite völlig ignoriert).
- keine weiteren Dokumentationen vorhanden sind.
Diese Feststellungen wurden erst nach dem motorisierten Flug der
Brüder Wright getroffen!
Das Ende eines Aeronauten
Im Jahr 1905 meldete Weisskopf mit Hilfe einer seiner Geldgeber
ein Patent für ein Gleitflugzeug an. Im Jahre 1908 kaufte ihm ein
amerikanischer Flugzeugbauer namens Ch. Wittemann einen
Flugzeugmotor ab, baute ihn nach und montierte diesen in andere
Flugzeugtypen. Einen wirtschaftlichen Vorteil daraus hatte
Weisskopf bestimmt nicht.
Im Jahr 1911 trat ein Flugzeugbauer an ihn heran und bat um
Unterstützung beim
Bau eines Antriebsmotors für ein
27
Hubschrauberprojekt. Weisskopf übernahm den Auftrag, konnte aber
nicht fristgerecht liefern. Um einer gerichtlichen Auseinandersetzung
aus dem Wege zu gehen, überließ er dem Auftraggeber alles was er
noch besaß. Danach wurde es still um ihn.
Weisskopf wurde eigentlich nur ausgenutzt und er zerbrach letztlich
daran. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr
und er starb, auf einem Auge erblindet durch einen Arbeitsunfall, im
Alter von 53 Jahren am 10. Oktober 1927 durch einen Herzinfarkt.
Er hinterließ seiner Frau das selbstgebaute Haus und acht Dollar in
bar.
Ist Weisskopf nun geflogen oder nicht?
Die Informationslage in Bezug auf die Durchführung der Flüge und
zu den technischen Daten der Flugapparate ist immer noch sehr
unklar und wird wahrscheinlich auch so bleiben.
Aber selbst wenn nur ein Drittel dieser Geschichten wahr wäre, weiß
man auch, dass an jeder noch so unglaublichen Geschichte immer
ein Körnchen Wahrheit hängt!
Ist Weisskopf nun geflogen? Die Antwort sollte lauten: „Natürlich
ist er geflogen, nur nicht mit einem voll kontrollierbaren Flugapparat.
Und er war den späteren praktischen Ergebnissen der Brüder Wright
weit voraus.“
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Internationale Luftschifffahrtsaustellung (ILA) 1909
Zur Geschichte der Luftfahrt gehört natürlich auch die Geschichte
der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA). Sie ist die größte
Luftfahrtmesse ihrer Art weltweit.
Alle zwei Jahre fand sie in der jüngeren Geschichte an zwei
Standorten statt, in Hannover und Berlin. Im letzten Jahr 2009 wurde
diese Luftfahrtausstellung 100 Jahre alt und zog wieder
Hunderttausende Besucher in ihren Bann. In diesem Jahr schreiben
wir 101 Jahre Geschichte der ILA, die im Juli des Jahres 1909 in
Frankfurt am Main begann.
Die internationale Luftschifffahrtsausstellung wurde erstmalig im
Jahre 1909 durchgeführt und hat Millionen von Besuchern in ihren
Bann gezogen. Nicht nur Freunde der Luftfahrt kamen damals nach
Frankfurt am Main sondern auch viele Luftfahrtenthusiasten,
Flugpioniere und Konstrukteure der ersten Stunde trafen sich bei
dieser großen internationalen Luftfahrtmesse um ihre Erfahrungen
auszutauschen und ihre Produkte auszustellen. Die Ausstellung fand
von 10.Juli bis 17.Oktober 1909 statt und stand vornehmlich im
Zeichen der imposanten Luftschiffe. Sie gab einen umfassenden
Überblick über den Stand der damaligen Luftfahrttechnik. Über 500
Aussteller nahmen die Gelegenheit wahr und präsentierten sich auf
dieser Ausstellung.
Gründung der ILA GmbH
Der Initiator Dr. Paul Gans Fabrice hatte wenig Erfolg mit seinem
Plan, den er auf der Münchner Theresienwiese wahr werden lassen
wollte, denn der Magistrat stellte sich dagegen. Anders war dies aber
in Frankfurt. Die Oberen der Stadt waren begeistert. Der
Oberbürgermeister und der Leiter des Physikalischen Vereins Prof.
Dr. Linke unternahmen alle Anstrengungen um diese Veranstaltung
stattfinden zu lassen. Die Bürger von Frankfurt ermöglichten die
Bereitstellung eines Garantiefonds von 800.000 Reichsmark. Von
den Bürgern, der Stadt, dem Kriegsministerium und vielen anderen
Unternehmen wurden Preisgelder für über 100 Wettbewerbe gestiftet.
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Ballonaufstieg
Foto: Marton Siegeti
Ein Wunderland der Luftfahrt
Innerhalb eines halben Jahres der Planung fand diese Ausstellung
statt. Sie wurde am 10. Juli 1909 auf den noch unbebautem Gelände
der Ausstellung eröffnet. Vier große Hallen für die Luftschiffe,
zahlreiche Buden und Zelte für die Festtagsfeier wurden aufgebaut.
Eine riesige Halle für ein Zeppelin-Luftschiff wurde einige Wochen
später fertig gestellt. Millionen Besucher Strömten herbei und
wollten die neuesten Errungenschaften der Flugtechnik bewundern.
Der Eintritt kostete 1 bis 6 Reichmark und war damit nicht für
jedermann erschwinglich. In der 130 Meter langen Messehalle
zeigten über 500 Aussteller ihre Exponate.
Rund um den Ballon
Der Hautteil der Veranstaltung beschäftigte sich mit dem Themen
Ballons und Ballonfabrikation, Motorballons, Militärluftschifffahrt,
Signal-Dienst für die Ballonfahrt, Gasfabrikation und Kompression,
feinmechanische physikalische Apparate als Ausrüstung für die
Luftschiffe und Flugapparate.
Das älteste Ausstellungsstück war ein französischer Kriegsballon
den die österreichischen Truppen im Jahre 1796 bei Würzburg
erbeutet hatten.
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Aus ganz Europa kamen Ballonfahrer um sich an den zahlreichen
Wettfahrten zu beteiligen. Der beste Teilnehmer schaffte es 1200 km
weit bis nach Ostpreußen und er brauchte dafür 42 Stunden.
Insgesamt wurden in den 100 Tagen 431 Ballonfahrten durchgeführt
an denen ca. 1200 begeisterte Bürger teilnahmen.
Das Zeitalter der Motorflugmaschinen bricht an
Unweit entfernt befanden sich das ca. 1 Quadratkilometer große
Flugfeld der Flugapparate, der so genannten „Aeroplanes“, für ihre
Flugversuche und der Landeplatz der Zeppelin-Luftschiffe Z II und
Z III.
Hier konnte der interessierte Zuschauer schon die Zukunft und das
Potenzial dieser Fluggeräte erahnen. Zwar noch klapprig und
aerodynamisch völlig daneben, zeigten die berühmtesten Piloten
Europas mit ihren 50- PS- Maschinen was sie bis dahin gelernt
hatten. Sie maßen ihre Flugkünste und stritten um die insgesamt 105
Tausend Mark Preisgelder. Auch Deutschland war vertreten durch
die Flieger August Euler und Karl Jatho. Sie mussten gegen die
berühmten französischen Flieger Bleriot, Latham und Rougier
antreten.
August Euler schreibt deutsche Luftfahrtgeschichte
August Euler stürzte sich wagemutig in den Wettstreit und
absolvierte über 50 Starts und Landungen. Am 27.August gelang
ihm ein Flug von 2 Minuten und 30 Sekunden
und am 7. Oktober zeigte er seine beste Leistung und erhielt dafür
den Tagespreis für den längsten Flug von 4min und 54 Sekunden.
Dabei überflog er das Flugfeld vier Mal. Im Vergleich zu den
ausländischen Mitstreitern war dies natürlich eine sehr spärliche
Leistung.
August Euler war nicht nur als Flieger angetreten, sondern auch als
Konstrukteur. Er zeigte auf der Ausstellung vier verbesserte VoisinDoppeldecker. Weiterhin zeigte er 3 Gleiter, die er ebenfalls in
seiner Fabrik in Griesheim bei Darmstadt baute. Euler war auch der
Gründer der ersten Flugschule in Deutschland und erhielt das
Flugzeugführerpatent Nr.1.
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Die Luftschiffe kommen
Großes Aufsehen erregten natürlich die großen Luftschiffe Z II, das
Parseval III und das Clouth und Ruthenberg - Luftschiff.
Zehntausend Zuschauer sahen die Landung des Z II am 31. Juli 1909.
Der mit Wasserstoffgas gefüllte Gigant war 136 Meter lang und hatte
einen Durchmesser von 13 Metern. Am 11. September schwebte das
zweite Luftschiff, die Z III, über dem Flugfeld der Ausstellung ein.
Sie sollte wochenlang für 200 Mark pro Person Vergnügungsfahrten
für die wohlhabenden Interessierten unternehmen.
Luftschiff in Fahrt
Sammlung: Lüdemann
Wissenschaft und Technik - Neue Herausforderungen
In vielen Vorträgen und Diskussionen versuchte man hinter die
Geheimnisse der Aerodynamik und der Luftelektrizität zu kommen.
Weitere Vorträge werden über die Flugmedizin, Navigation und der
Luftfotografie gehalten, sowie über die militärische Verwendung der
Luftschiffe.
Die Luftfahrt- Meteorologie war natürlich auch wichtiger Bestandteil
in den Vorträgen während dieser Ausstellung, welche in den Räumen
des Physikalischen Vereins gehalten wurden.
Auf dem Messegelände wurde eigens für den Flugbetrieb ein „Aeround meteorologisches Observatorium“ eingerichtet.
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Ein großer Erfolg für die internationale Luftfahrt
Nach drei Monaten, am 17. Oktober, schloss die ILA ihre Tore
wieder. Rund 1,5 Millionen Besucher waren gekommen und
brachten 1,1 Millionen Reichsmark in die Eintrittskasse. Dennoch
stand bei der Abrechnung dieser Veranstaltung eine rote Zahl unter
dem Strich.
Trotzdem gab die Internationale Luftschifffahrtausstellung (ILA), so
kann man mit Recht behaupten, der Luftfahrt einen Initialeffekt,
neue Impulse zur Verbesserung der Flugtechnik und vor allem der
gerade entstehenden Luftfahrtindustrie viele verwertbare
Erfahrungen mit auf den Weg.
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Deutsche und internationale Luftfahrtereignisse
im Jahr 1907 - 1909
Das Jahr 1909 wurde geprägt durch den Flug von Louis Bleriot über
den Ärmelkanal, der Flugwoche in Reims und der ILA in Frankfurt
am Main.
Wright-Flugmaschine
zeitgen. PK
Nachdem die Wrights aller Welt auch in Europa gezeigt haben, wie
man fliegt, wurden gerade in Frankreich und auch in Deutschland
intensive Versuche unternommen dieselben Flugleistungen zu
vollbringen. Im Verlauf des Jahres 1909 sind die Leistungen von
Louis Bleriot und Hans Grade von besonderer Bedeutung.
Als am 25. Juli 1909 Louis Bleriot mit seinem Eindecker-Flugzeug
No. 11 die 33,5 Kilometer in nur 27 Minuten über den Ärmelkanal
nach England flog, war für die Fachwelt klar, dass künftig die
Kontinente der Welt mit dem Flugzeug erreicht werden können.
Bleriot war unbestreitbar der Wegbereiter dieses revolutionären
Gedanken. Aber auch die Flugleistung von Grade am 30. Oktober
1909 hatte maßgebend Einfluss auf die Entwicklung des Flugwesens
in Deutschland.
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Louis Bleriot
zeitgen. PK
Französische Flieger sind führende Kraft in Europa
Nach Santos- Dumont, den Brüdern Gabriel und Charles Voisin und
den Brüder Henry und Maurice Farman war der Flugpionier Louis
Bleriot der Erste, der bei seinen Flugapparaten die Eindecker- Bauart
bevorzugte. Mit seiner No.11 gelang ihm der Durchbruch und er
vollbrachte, wie auch Hubert Latham, hervorragende Leistungen im
Verlauf des Jahres 1909. Hervorheben muss man den Flug von
Bleriot mit zwei Passagieren über 300 Meter Weite.
Der Anglo-Franzose Latham benutzte den von Leon Levavasseur
konstruierten Eindecker „Antoinette VII“. Dieser Eindecker war
neben der Bleriot XI das erfolgreichste Fluggerät des Jahres 1909.
Während der Flugwoche bei Reims holte er sich den Preis für die
größte erreichte Höhe mit 155 Metern.
Vom 23. bis 27. September zeigte Latham sein Können über dem
Tempelhofer Feld (Berlin) und flog unter anderem von dort nach
Johannisthal.
Dieser 10- Kilometer-Flug dauerte etwas mehr als 14 Minuten und
endete mitten in den Vorführungen der Eröffnungsveranstaltung der
Internationalen Flugwochen.
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Ende der Leseprobe von:
Deutsche Fluggeschichte - 30 Artikel zur deutschen Fluggeschichte
Rainer Lüdemann
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