Passend zum Thema - Bundesverband der Honorarärzte eV

MÄRZ/APRIL 2016
WWW.BDOLEGAL.DE
SPECIAL - NEWS
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
Notärzte in Not - Aktuelle
Rechtsprechung zur
Sozialversicherungspflicht
Interview mit dem Bundesverband
der Honorarärzte
Machen Sie mit! Aktuelle Umfrage in
Kooperation mit der Notarztbörse
ÜBER BDO LEGAL
Als deutscher Rechtsberatungspartner von
BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
begleiten wir unsere Mandanten mit
zurzeit über 50 Anwälten an 6 Standorten
in Deutschland bei der Findung und
Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen in allen wesentlichen wirtschaftsrechtlichen Disziplinen.
Gemeinsam mit Kollegen von BDO bieten
wir unseren Mandanten einen integrativen
Beratungsansatz. Eingebunden in das
internationale Netzwerk von BDO agieren
wir in 154 Ländern weltweit mit über
64.000 Mitarbeitern in 1.400 Büros.
HERAUSGEBER
BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Im Zollhafen 22
50678 Köln
Editorial
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Einsatz externer Ärzte ist nicht nur in
Krankenhäusern ein Thema. Auch im Rettungsdienst nutzen viele Notarztstandorte externe
Rettungsärzte. Dieses Geschäftsmodell kommt
durch zahlreiche Prüfungen der Deutschen
Rentenversicherung unter Druck, in denen das
Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung festgestellt wird.
Klageverfahren vor den Sozialgerichten sind die
Konsequenz - oftmals mit wenig erfreulichem
Ausgang für die Rettungsdienste. Wir haben das
Thema deshalb zum Schwerpunkt unseres
aktuellen Newsletters gemacht.
Wir informieren Sie über den aktuellen Stand
der Rechtsprechung und zeigen Ihnen Handlungsmöglichkeiten auf.
Strafrechtliche Risiken beim Einsatz externer
Notärzte im Hinblick auf ein Vorenthalten von
Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung stehen
im Mittelpunkt eines weiteren Beitrags.
Neben vier aktuellen Entscheidungen zum
Honorararzt im Krankenhaus sollten Kranken-
häuser auch einen Beschluss des LG Stade zur
Abrechnung radiologischer Leistungen beachten. Das Krankenhaus hatte seine Radiologie an
einen Kooperationspartner outgesourct. Wir
fassen die Entscheidungen zusammen.
Gemeinsam mit der Notarzt-Börse und dem
Bundesverband der Honorarärzte versuchen
wir, Netzwerke von Betroffenen (Ärzte, Krankenhäuser, Träger des Rettungsdienstes usw.)
zusammenzuführen. Machen Sie mit! Alles, was
Sie dafür wissen müssen, haben wir für Sie
zusammengestellt.
Wer mehr wissen möchte, dem empfehlen wir
dazu unser aktuelles Inhouse-Seminar zum
Thema „Notarzt in Not – Sind externe Notärzte
angestellt?“ Bitte sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre!
Ursula Notz
Rechtsanwältin
Dr. Stephan Porten
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht
www.bdolegal.de
© 2016 BDO LEGAL
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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Externe Notärzte - Auch weiterhin ein Zukunftsmodell?
Die Rechtsprechung zu nicht fest angestellten Ärzten
hat noch keine klare Linie gefunden, wann eine
ärztliche Tätigkeit noch als selbständig zu beurteilen
ist und wann sie zur abhängigen Beschäftigung wird.
Die Problematik hat nunmehr auf den Rettungsdienst
übergegriffen. Dort ist der Einsatz von „Freelancern“
seit langem verbreitet, aber bislang kaum sozialversicherungsrechtlich hinterfragt worden. Die uneinheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte sorgt
nun für Unsicherheit.
Wie wird das BSG zur Sozialversicherungspflicht von
Notärzten entscheiden?
Zunächst stellt sich die Frage, ob das Gericht überhaupt zu Notärzten entscheiden wird. BDO Legal führt
derzeit ein Verfahren vor dem BSG durch. Hierbei geht
es aber zunächst nur darum, ob das Gericht überhaupt
die Revision annimmt.
Betrachtet man die bisherige Rechtsprechung des BSG,
so macht diese im Falle einer Revision grundsätzlich
Hoffnung. Große Ähnlichkeit mit Notärzten hat ein Fall
aus dem Jahr 2008, den das BSG zu entscheiden hatte.
Hierbei ging es um Piloten, die Charterflüge auf der
Grundlage von Einzelaufträgen durchführten. Mit
diesen waren als Rahmenverträge "Dienstverträge über
freie Mitarbeit (Freelance) eines Flugzeugführers im
Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens" abgeschlossen. In diesen war niedergelegt, dass kein Arbeitsverhältnis geschlossen werden solle. Es wurde ein
Festhonorar je Einsatztag vereinbart. Die Piloten
konnten über die Annahme eines Auftrags frei
entscheiden. Übernahmen sie ihn, mussten sie aber
alle gesetzlichen Vorschriften und wesentlichen
Unterlagen, die den Betrieb reglementieren, beachten, insbesondere das Flugbetriebshandbuch und das
Technische Handbuch.
Das Bundessozialgericht hielt die Piloten für selbständig. Es betonte, dass dem Parteiwillen eine indizielle
Bedeutung zukomme, wenn dieser dem festgestellten
sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich
widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt
werde - oder eben die Zuordnung nicht eindeutig
möglich sei.
Im Rettungsdienst ist die Thematik besonders explosiv. Der Rettungsdienst ist in Deutschland ohne
ärztliche „Freelancer“ kaum vorstellbar. Fast alle
Rettungsdienstorganisationen greifen zur Abdeckung der Dienste verbreitet auf „Externe“ zurück.
Nicht selten finden sich Notarztstandorte, in denen
es überhaupt keine angestellten Ärzte gibt. Aus
vielerlei Gründen ist eine Umstellung auf Angestellte - selbst wenn man sie denn wollte - mittelfristig nur schwer möglich: Es entstünden gravierende Mehrkosten durch Sozialversicherungsabgaben und Ausgleiche steuerlicher Nachteile; viele
Arbeitszeitmodelle müssten personalintensiv umgestellt werden; genügend „anstellungsbereite“ Ärzte stehen außerhalb der Ballungsräume häufig
nicht zu Verfügung. Es ist daher zu erwarten, dass
die wesentlichen Auseinandersetzungen zum Status
ärztlicher „Freelancer“ im Bereich des Rettungsdienstes erfolgen werden.
Was ist zu tun?
Bislang haben erst drei Landessozialgerichte entschieden. Es ist wichtig, dass keine weiteren negativen LSG-Entscheidungen ergehen. Wir sehen hier
mit Blick auf die BSG-Rechtsprechung durchaus
gute Argumente. Es wäre ärgerlich, wenn diese aus
Unerfahrenheit oder Unkenntnis keinen Eingang in
laufende Verfahren fände.
Weiterhin sollten die beauftragten Rettungsdienstorganisationen Kontakt mit den Landkreisen aufnehmen. Wir gehen davon aus, dass die nun entstandenen Risiken bei Übernahme der Rettungsdienstaufgaben nicht bekannt waren, so dass möglicherweise laufende Verträge anzupassen wären.
Zuletzt sollten die betroffenen Organisationen
alles unternehmen, um Widersprüche und Klagen
fristgerecht einzulegen.
Kontakt:
Was bedeutet die bisherige Rechtsprechung für den
Rettungsdienst?
Die bisherige Rechtsprechung verunsichert Rettungsdienstorganisationen und Notärzte gleichermaßen. Die
Landessozialgerichte haben noch zu keiner einheitlichen Linie gefunden und das BSG schweigt.
Dr. Stephan Porten
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht
Tel.: 0221/97357-480
[email protected]
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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Zur Sozialversicherungspflicht von externen Notärzten - Eine Rechtsprechungsübersicht
Bislang liegen insgesamt fünf Entscheidungen aus Niedersachsen,
Brandenburg
und
MecklenburgVorpommern vor. Diese wollen wir nachfolgend kurz
darstellen:
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.08.2013
(L 10 R 519/09)
Der 10. Senat hat mit Urteil vom 29.08.2013 einen Fall
entschieden, bei dem ein bei einem DRK-Krankenhaus
angestellter Anästhesist neben der Anstellung im Krankenhaus Einsätze im Rettungsdienst übernommen
hatte. Der Notarzt erhielt eine Pauschale je Dienst,
mit der drei Einsätze abgegolten waren. Darüber hinausgehende Einsätze wurden gesondert vergütet.
Ohne nähere Begründung behauptet der 10. Senat,
dass die Tätigkeit von Notärzten sowohl in abhängiger
Beschäftigung als auch selbständiger Tätigkeit möglich
sei. Die Rettungsdiensttätigkeit des Anästhesisten sei
unabhängig von der Tätigkeit als Krankenhausarzt zu
beurteilen. Bei der Gesamtabwägung misst er dem
Umstand wesentliche Bedeutung bei, dass der Arzt frei
über die Annahme und Ablehnung der Aufträge entscheiden konnte und das den Rettungsdienst durchführende Krankenhaus nicht verpflichtet sei, Aufträge
anzubieten. Dies stelle für Arbeitsverhältnisse untypische Regelungen dar. Der Notarzt sei im Übrigen nicht
weisungsgebunden. Er sei während seiner Einsätze nur
den Regeln ärztlicher Kunst unterworfen.
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2013
(L 2 R 64/10) und Urteil vom 04.06.2014 (L 2/12 R
81/12)
Die beiden Urteile des 2. Senats sind begründungsgleich und stellen eine abhängige Beschäftigung fest.
Im Mittelpunkt der Begründung steht, dass Notärzte
keine unternehmerischen Risiken und Chancen trügen.
Solche sucht der Senat aber nur in den Umständen des
einzelnen Rettungseinsatzes. Unbeachtet lässt das
Gericht, dass Ärzte, die sich für eine selbständige
Tätigkeit entscheiden, insgesamt eine deutlich größere
Unabhängigkeit und höhere Verdienstchancen haben,
aber eben auch das spezielle Risiko tragen, keine
Aufträge zu bekommen. Dies kann aber nicht gänzlich
ausgeklammert werden (so auch BSG, Urteil vom 28.
September 2011 - B 12 R 17/09 R).
LSG Brandenburg-Berlin, Urteil vom 20.03.2015 (L 1
KR 105/13)
Das LSG nahm eine selbständige Tätigkeit des Notarztes an. Der Notarzt war weder in das Unternehmen
eingegliedert noch weisungsabhängig. Hierbei arbeitete das LSG heraus, dass der Rettungsdienst im konkreten Fall von dem kommunalen Träger an eine beauftragte Organisationen vergeben worden war. Beim
Träger waren aber zentrale Organisationsstrukturen
zurückgeblieben. Er - nicht aber die mit dem Rettungsdienst beauftragte Organisation - hielt eine integrierte Leitstelle vor, die den Rettungsdienst lenkte
und beschäftigte einen fachlich weisungsbefugten
Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes. Diese Struktur
spreche aber gegen eine Eingliederung bei der mit
dem Rettungsdienst betrauten Organisation.
LSG
Mecklenburg-Vorpommern,
28.04.2015 (L 7 R 60/12)
Urteil
vom
Das LSG Mecklenburg-Vorpommern entschied auf eine
abhängige Beschäftigung eines Notarztes. Seine Begründung weist einige Abweichungen von der
„Freelancer“-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
auf.
Zwar stellt das Landessozialgericht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest,
dass für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV allein die tatsächlichen
Verhältnisse bezogen auf den einzeln vergebenen,
durchgeführten Auftrag nach Annahme maßgeblich
seien. Das Bundessozialgericht trifft diese Aussage
aber vor dem Hintergrund, dass die Rahmenvereinbarung lediglich die Bedingungen zukünftiger Aufträge
festlegt und daher die einzelnen Aufträge Gegenstand
der Prüfung sind. Demgegenüber leitet das Landessozialgericht hieraus ab, dass alle vor Annahme liegenden Umstände, wie die Vertragsanbahnung, die Freiwilligkeit der Auftragsannahme und Auftragsablehnung, die Umstände des Vertragsschluss und sogar die
Inhalte des Rahmenvertrages überhaupt nicht beachtlich seien. Dies steht aber im Widerspruch zu der
ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts,
die gebietet, dass alle nach Lage des Einzelfalls als
Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt
und abgewogen werden müssen. Entsprechend diesem
Ansatz prüft das Landessozialgericht auch unternehmerische Chancen und Risiken ausschließlich bezogen
auf den einzelnen Auftrag. Das Gericht kommt damit
zu keiner Auseinandersetzung darüber, ob ein Verwertungsrisiko als Kehrseite großer Freiheiten in der Gestaltung der Arbeitsumstände zu berücksichtigen ist.
Wenn der Senat weiterhin ausführt, dass dem Fehlen
von Abreden und Verfahrensweisen, die für Arbeitsverhältnisse typisch sind, grundsätzlich keine Aussagekraft zukomme, wenn die Vertragsparteien in einem
Vertrag den Willen zum Ausdruck bringen, kein Arbeitsverhältnis abzuschließen, entfernt er sich von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung, denn das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die typischerweise für Selbständigkeit sprechen,
nicht bereits deshalb unbeachtlich sind, weil der Vertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden hat, dass
ein Beschäftigungsverhältnis nicht gewollt ist.
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
Verfahren vor dem Bundessozialgericht
Unter dem Aktenzeichen B 12 R 19/15 B führt BDO
Legal derzeit eine Nichtzulassungsbeschwerde beim
BSG. Mit dieser soll erreicht werden, dass das BSG die
Revision gegen die Entscheidung des LSG MecklenburgVorpommern annimmt. Die Erfolgsaussichten sind bei
solchen Beschwerden erfahrungsgemäß eher durchwachsen. Ein früherer Versuch, gegen die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.06.2014
vorzugehen, war im September letzten Jahres gescheitert (BSG - 11.09.2015 - B12R 26/14 B).
Helfen Sie mit!
Wir führen gemeinsam mit der
eine Umfrage
durch. Wir wollen wissen, wo derzeit Verfahren zur
Sozialversicherungspflicht von Notärzten geführt werden. Da die Rechtsprechung derzeit noch nicht gefestigt ist, müssen wir jedes gerichtliche und außergerichtliche Statusverfahren im Rettungsdienst mit allem
Nachdruck vorantreiben, um zu verhindern, dass noch
weitere Gerichte auf die Seite der Deutschen Rentenversicherung wechseln.
Bitte melden Sie uns laufende Verfahren und helfen
Sie uns so, einen besseren Überblick über die Situation
zu erhalten. Wir haben zu diesem Zweck zwei verschiedenen Fragebögen vorbereitet, einmal für
Notärzte und einmal für Auftraggeber - weitere Informationen zu diesem Themenkomplex finden Sie in
unserem Newsletter.
4
Kontakt:
Juliane Pogadl
Rechtsanwältin
Tel.: 0221/97357-154
[email protected]
Dr. Stephan Porten
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht
Tel.: 0221/97357-480
[email protected]
Interview zur BV-H-Studie: Ohne externe Notärzte geht es nicht
Der Einsatz externer Notärzte ist - wie die aktuelle Rechtsprechung der Sozialgerichte zeigt - rechtlich hoch problematisch. Wie groß die praktische Bedeutung ist, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Online-Umfrage zur Organisation des Notarztdienstes, die der Bundesverband der Honorarärzte (BV-H e.V.) im Sommer 2015 durchgeführt hat.
Zwischenzeitlich liegen erste Ergebnisse der Umfrage vor. BDO Legal hat hierzu ein Interview mit Dr. Nicolai Schäfer,
1. Vorsitzender und Geschäftsführer des BV-H e.V. geführt.
Worum ging es bei der Umfrage und zu welchen
Ergebnissen ist der BV-H e.V. gelangt?
Schäfer: „Wir hatten im Zusammenhang mit sich häufenden Berichten von Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungen im
Bereich des Rettungsdienstes unsere Mitglieder bilden ein bundesweit wachsames Netzwerk diese Online-Umfrage konzipiert.
Es gab keine validen Zahlen, wie viele Notarztstandorte auf externe bzw. selbständig tätige Notärzte angewiesen sind. Unsere Schätzung lautet 70%, wobei das
natürlich stark vom System abhängt. In Sachsen, Bayern und Thüringen werden die Notarztdienste über die
KV organisiert. In anderen Bundesländern über die
Träger oder zwischengeschaltete Firmen. Es ging um
die Überprüfung der These, dass 70% aller Notarztstandorte in Deutschland mit Honorarärzten zusammenarbeiten. Wir haben die Zahl von 60% ermittelt.
Die Umfrage ist aber nicht repräsentativ. Man müsste
sie nochmals in einem größeren Umfang und unter
Berücksichtigung der verschiedenen Notarztgestellungsmodelle in den Bundesländern durchführen. An
unserer Umfrage nahmen Notärzte, Ärztliche Leiter,
Rettungsdienst und Sachbearbeiter von Behörden teil.
Der Adressverteiler basierte auf eigenhändigen Recherchen, da es nach unserem Wissen keine Datenbank
gibt, die alle Standorte erfasst.“
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
Wie sieht der BV-H e.V. die zukünftige Entwicklung,
wenn sich die Deutsche Rentenversicherung mit
ihrer Rechtsansicht letztlich durchsetzt?
Schäfer: „Zunächst muss man feststellen: In unserem
Bereich geht es nicht um ungewollt in die Selbständigkeit gedrängte und in unerträglichen prekären Verhältnissen leidende Ärzte. Viele Notärzte arbeiten in
Nebentätigkeit (neben Praxisbetrieb oder Klinikjob)
gelegentlich als Notarzt. Man kann aber auch hauptberuflich davon leben. Manche bewegen sich dann bundesweit und sind an verschiedenen Standorten im
Einsatz. Viele Mediziner kombinieren auch ihre selbständige Tätigkeit. Sie sind abwechselnd als Notarzt,
dann wieder als Honorararzt in Kliniken und in der
Zwischenzeit beispielsweise als ärztlicher Gutachter
tätig.
Ein europa-, ja sogar weltweit offener Arbeitsmarkt
eröffnet Ärzten seit einigen Jahren generell hervorragende Tätigkeitsfelder. Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen suchen auch in Deutschland händeringend qualifizierte Ärzte, die sie sofort unter unbefristeten(!) Vertrag nehmen würden. Wir haben es also
mit einer herausragenden Nachfrage nach Ärzten zu
tun und nicht etwa mit Arbeitgebern, die über dubiose
Honorarmodelle Sozialversicherungsbeiträge einsparen
wollen. Zudem sind alle Ärzte regelmäßig zwangsversichert (Versorgungswerk oder gesetzliche Rentenversicherung).
Es muss klar sein, dass ein Angestelltenmodell einfach
nicht praktikabel ist. Wir reden ja vor allem über
Einsatzgebiete und Notarzt-Standorte im ländlichen
und strukturarmen Raum. Die Anfahrtswege dorthin
sind mitunter lang und das lohnt sich nicht für 12Stunden-Schichten. Das Arbeitszeitgesetz würde ja
dann greifen. Spätestens mit dem zweiten Auftraggeber wandert man in die ungünstigste Steuerklasse. Die
Meldeordnungen der Ärztekammern und Ärzteversorgungswerke machen eine Tätigkeit über Landesgrenzen hinaus ebenfalls zur bürokratischen Tortur und das
gefährdet aufgrund der geänderten Überleitungsabkommen dann tatsächlich die Altersvorsorge der Ärzte.
Fazit: Das Notarztsystem dürfte in der jetzigen Form
zusammenbrechen. Gerade in Zeiten von Flüchtlingsansturm und internationalem Terrorismus ist das keine
Entwicklung, die man sich wünscht. Bedenken Sie:
Ärzte auf Honorarbasis einsetzen zu können, eröffnet
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auch flexible Möglichkeiten auf akute Situationen, wie
zum Beispiel die Flüchtlingskrise, reagieren zu können.
Will die DRV dort etwa auch die Sozialversicherungspflicht feststellen? Auch beim Elbe-Hochwasser 2013
wurden vermehrt selbständige Ärzte eingesetzt. Das
geschieht in beiderseitigem Einvernehmen und bedarf
keiner Bewertung oder rechtsphilosophischer Betrachtungen durch die Deutsche Rentenversicherung.“
Wie könnte nach Ansicht des BV-H e.V. eine Lösung
des Problems aussehen?
Schäfer: „Die Notarzttätigkeit muss als wesentliches
Element der Daseinsvorsorge von der gesetzlichen
Sozialversicherungspflicht befreit sein. Österreich hat
es gerade genau so geregelt. Ärzte sind im Übrigen
grundsätzlich von der gesetzlichen Rentenversicherung
nach SGB VI zu befreien und im berufsständigen Versorgungswerk versichert.
Von mir aus kann man noch über eine Sonderregelung
oder gar eine Sonderabgabe an die gesetzliche Rentenversicherung nachdenken, wie es etwa in der
Schweiz der Fall ist. Dort zahlen alle Selbständigen
auch einen Teil ihrer Einnahmen in die gesetzliche
Sozialversicherung, allerdings umsatzabhängig. Es geht
also darum, eine solche Honorar-Tätigkeit zu ermöglichen und nicht zu verunmöglichen, wie es aktuell
durch das Vorgehen der DRV geschieht.
Legislative und Judikative müssen aber insgesamt die
Veränderungen der Arbeitswelten wahrnehmen und
endlich in einer modernen Gesetzgebung umsetzen.
Man muss sich vom Schwarz-Weiß-Bild des armen
Scheinselbständigen verabschieden und bei der Betrachtung mehr auf den Willen der Vertragspartner
eingehen. Heute reicht doch ein Laptop und ein Sitzplatz im Kaffee um die Ecke, um tatsächlich selbständig über das Internet eine Fabrik am anderen Ende der
Welt zu steuern. Was ist dann die Betriebsstätte? Wie
hoch ist unternehmerisches Risiko? Unsere Vorstellungen vom abhängig Beschäftigten oder Selbständigen
stammen doch noch aus den Zeiten, als das Ruhrgebiet
der Motor der Deutschen Wirtschaft war.“
Mit Dr. Nicolai Schäfer sprach Dr. Stephan Porten,
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht
Anmerkung: Das Interview gibt die persönliche Meinung von Dr. Nicolai Schäfer wieder und nicht unbedingt die von BDO Legal.
Strafrechtliche Risiken beim Einsatz von externen Notärzten
Viele Träger des Rettungsdienstes haben bereits
Bescheide oder Anhörungen der Deutschen Rentenversicherung erhalten, in denen festgestellt wird,
dass Notärzte abhängig beschäftigt werden. Diese
Bescheide beenden die Unwissenheit, dass der Einsatz von externen Ärzten sozialversicherungsrecht-
lich problematisch sein könnte. Wer nun weiterhin
auf externe Notärzte setzt, ohne Beiträge abzuführen, sollte wenigstens risikomindernde Maßnahmen
ergreifen.
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
Vorenthalten von SV-Beiträgen
§ 266a Abs. 1 StGB stellt Fälle unter Strafe, bei denen der Arbeitgeber der Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers vorenthält oder
gegenüber der Einzugsstelle unvollständige oder
unrichtige Angaben macht. Strafbar ist dies, wenn
das Vorenthalten vorsätzlich erfolgt. Der Grat zwischen strafbarem Vorsatz und strafloser Fahrlässigkeit ist schmal. Ob ein Vorenthalten von Arbeitsentgelt gebilligt wird (dann Vorsatz) oder auf ein Ausbleiben des Vorenthaltens aufgrund fehlender Sozialversicherungspflicht gehofft wird (dann Fahrlässigkeit), hängt oft von winzigen Details im Sachverhalt
ab.
Steuerhinterziehung und Steuerverkürzung
Wer externe Notärzte nicht als Arbeitnehmer anmeldet, muss im schlimmsten Fall auch steuerstrafrechtliche Folgen befürchten. Eine Steuerhinterziehung
nach § 370 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Täter den
Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht
oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Denkbar wäre eine Steuerhinterziehung in Bezug auf die
Lohnsteuer. Diese schuldet der Arbeitgeber. Er hat
die Pflicht die Lohnsteuer beim Finanzamt anzumelden. Unterlässt er diese Anmeldung, begeht er eine
Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dass
der Arbeitnehmer auch selbst gem. § 149 AO i.V.m.
§ 25 Abs. 3 EStG verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wird nur bei der Strafzumessung Beurteilung finden. Die Strafbarkeit
bleibt aber. Ob es letztlich zu einer Verurteilung
kommt, hängt wie beim Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen davon ab, ob ein Vorsatz zu
bejahen ist.
Selbst bei bloßer Fahrlässigkeit ist aber Vorsicht
geboten. In diesem Fall wird nämlich regelmäßig
eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 278 AO zu
prüfen sein. Die Annahme eines leichtfertigen Handelns geschieht in der Praxis bereits dann, wenn sich
der Steuerpflichtige bei der Beurteilung steuerlicher
Fragen unsicher ist, sich trotzdem aber keines
Rechtsbeistandes bedient und somit zu einer unzutreffenden steuerlichen Würdigung kommt. Die Gerichte können dann eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro verhängen.
Ansätze zur Risikominimierung
Die Organisationen des Rettungsdienstes stehen vor
einem Dilemma: Wer externe Notärzte weiterhin
einsetzt, muss persönlich Strafe fürchten. Wer auf
der anderen Seite vorsorglich diese Ärzte als Arbeitnehmer anmeldet und Beiträge und Steuern abführt,
wird schnell keine Ärzte mehr zur Verfügung haben.
Für Organisationen, die nicht anmelden wollen oder
können, verbleibt daher als einzige Risikominimie-
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rungsstrategie nur die vollständige schriftliche Offenbarung des Sachverhalts gegenüber der zuständigen Sozialversicherungsbehörde und dem für die
Lohnsteueranmeldung zuständigen Finanzamt unter
Darlegung der eigenen Rechtsansicht und einer
monatlichen Mitteilung des möglicherweise lohnsteuerpflichtigen bzw. sozialversicherungspflichtigen
Sachverhalts unter Nennung der beteiligten Notärzte
bei den zuständigen Behörden.
Bis zu einer obergerichtlichen Klärung, ob externe
Notärzte selbständig oder abhängig beschäftigt sind,
bleibt nichts anderes übrig, als bei dann eingehenden Nachforderungsbescheiden Stundung bzw. Aussetzung der Vollziehung zu beantragen oder gerichtlichen Einstweiligen Rechtsschutz zu erwirken.
Fazit:
Die inzwischen zahlreichen Bescheide der DRV und
die uneinheitliche Rechtsprechung können dazu
führen, dass Gerichte bei Organisationen, die externe Notärzte weiterhin einsetzen, eine Strafbarkeit
nach §§ 266a StGB bzw. 370 AO annehmen könnten.
Strafpräventives Handeln ist daher geboten.
Kontakt:
Dr. Florian Modlinger
Rechtsanwalt/
Fachanwalt für Steuerrecht/
Certified Fraud Examiner (CFE)
Tel.: 089/76906-343
[email protected]
Simone Brenner
Steuerberaterin
Tel.: 0381/49302-834
[email protected]
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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Honorarärzte im Krankenhaus - Neues vom BSG
Auch im Krankenhaus sind die mit der Beschäftigung
nicht fest angestellter Ärzte verbundenen rechtlichen
Probleme seit Jahren ein Thema. Diskutiert wird nicht
nur die Frage der Sozialversicherungspflicht („Scheinselbständigkeit“) oder die der Befugnis zur Liquidation
wahlärztlicher Leistungen. Ebenso problematisch war
die Erbringung von Krankenhausleistungen durch nicht
angestellte Ärzte unter dem Aspekt des KHEntgG,
soweit es um die Erbringung der Hauptleistung ging.
Erst mit Inkrafttreten der durch das PsychEntgG erfolgten Änderungen im KHEntgG zum 01.01.2013 änderte sich dies. Seitdem ist gesetzlich bestimmt, dass
Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärzte erbracht werden dürfen. Doch für die
Behandlungsfälle aus der Zeit vor dem Inkrafttreten
des PsychEntgG blieb durchaus streitig, ob die Rechtslage vor 2013 überhaupt eine andere war. Zu dieser
Diskussion hat das Bundessozialgericht nun mit Urteil
vom 17.11.2015 (Az. B 1 KR 12/15 R) einen wichtigen
Beitrag geleistet und für den konkreten Behandlungsfall aus dem Jahr 2006 entschieden, dass die Erbringung der Hauptleistung durch den seinerzeit am Krankenhaus tätigen Vertragsarzt nicht zulässig war.
Der Fall
Geklagt hatte ein Krankenhaus, in dem der bei der
beklagten Krankenkasse Versicherte im Jahr 2006
stationär behandelt worden war. Die erforderliche
Bandscheibenoperation war seinerzeit von einem Vertragsarzt durchgeführt worden, der zu dem maßgeblichen Zeitpunkt im Krankenhaus der Klägerin operierte,
allerdings ohne Anstellungsverhältnis. Die Krankenkasse lehnte die Vergütung der in Rechnung gestellten
Behandlungskosten mit der Begründung ab, dass die
Leistung nicht zum Versorgungsauftrag der Klägerin
gehöre. Die daraufhin seitens des Krankenhauses erhobene Klage wies das Sozialgericht ab und führte aus,
dass dem Krankenhaus keine Vergütung zustehe, wenn
die den Krankenhausaufenthalt als Hauptleistung bestimmende Operation durch einen niedergelassenen
Vertragsarzt erbracht werde, der nicht zugleich Angestellter des Krankenhauses sei. Auf die Berufung des
Krankenhauses hob das LSG das Urteil des Sozialgerichts auf und verurteilte die beklagte Krankenkasse
zur Zahlung. Seine Entscheidung begründete das Gericht letztlich damit, dass die Rechtslage es den Krankenhäusern auch bereits 2006 erlaubt habe, ihre Leistungen mit nicht festangestellten Ärzten zu erbringen,
da die gesetzlichen Regelungen eine entsprechende
Beschränkung nicht erkennen ließen. Diese Auffassung
stehe auch im Einklang mit der späteren Änderung des
§ 2 KHEntgG durch das PsychEntgG mit der der Gesetzgeber lediglich das gesetzlich verankert habe, was
nach seiner Ansicht auch schon zuvor die rechtlich
zutreffende Lösung war. Die beklagte Krankenkasse
zog vor das BSG - mit Erfolg.
Die Entscheidung
Nach Ansicht des BSG zeigen die 2006 maßgeblichen
Bestimmungen und ihre weitere Rechtsentwicklung,
dass die Krankenhäuser jedenfalls 2006 verpflichtet
waren, ihre Hauptleistungen durch eigenes Personal
erbringen zu lassen. Ein entsprechend regelmäßiges
und umfangreiches Tätigwerden von Vertragsärzten
schied somit seinerzeit aus. Erst mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 sei eine Flexibilisierung der Tätigkeit von Vertragsärzten erfolgt,
die es ihnen erlaube, sowohl vertragsärztlich tätig zu
sein, als auch als angestellter Arzt im Krankenhaus zu
arbeiten. Eine weitere Abkehr von der noch 2006 geltenden Rechtslage habe das PsychEntgG mit den Änderungen in § 2 KHEntgG bewirkt. Damit - so das BSG habe ausdrücklich verankert werden sollen, dass die
Krankenhausleistungen (also auch die Hauptleistungen)
auch durch nicht fest angestellte Ärzte erbracht werden können. Diese Regelung habe jedoch im hier maßgeblichen Zeitraum noch nicht gegolten. Auch für eine
Rückwirkung der Bestimmung spreche nichts - weder
der Wortlaut noch ihre Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Regelungszweck. Der Weg über § 2
Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG (vom Krankenhaus veranlasste
Leistungen Dritter) sei demgegenüber versperrt, da
auf diese Weise nur der Bezug von unterstützenden/ergänzenden Leistungen möglich sei.
Fazit:
Das BSG hat entscheidend auf die Rechtslage für (honorarärztlich tätige) Vertragsärzte im Jahr 2006 abgestellt. Das bedeutet zum einen, dass streitige Abrechnungsfälle aus anderen Behandlungszeiträumen bis
2012 sowie solche von Honorarärzten, die nicht zugleich Vertragsärzte sind, mit dem Urteil nicht zwingend „vom Tisch“ sind (soweit noch nicht verjährt).
Zum anderen hat das BSG anknüpfend an sein Urteil
vom 28.02.2007 (B 3 KR 17/06 R) deutlich gemacht,
dass zwischen Hauptleistungen und ergänzenden/unterstützenden Leistungen zu differenzieren ist
und nur für letztere der Weg über § 2 Abs. 2 Nr. 2
KHEntgG offen ist.
Kontakt:
Christiane Beume
Rechtsanwältin
Tel.: 0221/97357-151
[email protected]
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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++ AKTUELLE URTEILE +++ AKTUELLE URTEILE +++ AKTUELLE URTEILE
3 aktuelle Entscheidungen zur Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten im Krankenhaus
•
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom
20.08.2015 (L 4 R 1001/15)
Das Krankenhaus hatte mit einem in freier Praxis niedergelassenen Arzt einen Vertrag geschlossen, dessen
Gegenstand die Einbindung des Arztes in den Rufbereitschaftsdienst der Sektion Kinderchirurgie der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses war. Hauptberuflich war der Arzt in eigener Praxis tätig. Aufträge
für das Krankenhaus übernahm er nur ca. 1-2 Mal im
Monat. Die Leistungserbringung erfolgte nach Bedarf
und in enger Abstimmung mit den verantwortlichen
Ärzten des Krankenhauses. Erhobene Befunde, Röntgenaufnahmen etc. hatte der Arzt dem zuständigen
ltd. Abteilungsarzt für die Krankenakte zur Verfügung
zu stellen. Auch die Richtlinien des Krankenhauses
waren von dem Arzt zu beachten. Das zur Leistungserbringung notwendige Personal, die Räumlichkeiten
sowie Gerätschaften und Material wurden ihm vom
Krankenhaus zur Verfügung gestellt. Das LSG BadenWürttemberg kam - wie schon die Vorinstanz - zu dem
Ergebnis, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. So der Arzt für das
Krankenhaus tätig wurde, sei er hinsichtlich der Zeitpunkte und der Orte der Verrichtung seiner Dienste
weisungsgebunden gewesen und habe übernommene
Aufträge gemäß den Vorgaben des Krankenhauses
erfüllen müssen, dessen Kontrolle er somit unterlag.
•
SG Darmstadt, Urteil vom 16.11.2015 (S 8 KR
54/14)
Der Arzt (Facharzt für Anästhesiologie) hatte zeitweise
Tag- und Bereitschaftsdienste im Krankenhaus übernommen, um Auslastungsspitzen bzw. Personalmangel
im Krankenhaus abzufangen. Das SG Darmstadt gelangte zu der Ansicht, dass eine abhängige Beschäftigung
gegeben sei. Der Arzt habe nahezu ausschließlich mit
den Betriebsmitteln des Krankenhauses gearbeitet,
ohne die der Arzt seine Tätigkeit gar nicht hätte ausüben können. Zudem habe sich das Krankenhaus des
Arztes bedient, um eigene gesetzliche und vertragliche Pflichten zu erfüllen, was ebenfalls zeige, dass
der Arzt seine Leistungen in einer fremd vorgegebenen
und übergeordneten Arbeitsorganisation erbracht
habe. Auch hätten Arzt und Krankenhaus konkret abgesprochen, auf welchen Stationen und in welchen
Schichten der Arzt tätig werden sollte. Das Argument,
dass derartige Umstände quasi in der Natur der Dienstleistung lägen, wies das Gericht zurück. Des Weiteren
seien Tätigkeitsort und Tätigkeitsdauer durch den
jeweiligen Auftrag des Krankenhauses vorgegeben, so
dass dem Arzt gerade kein eigener Spielraum mehr
blieb, wenn er den Auftrag einmal angenommen hatte.
Dass der Arzt die Möglichkeit gehabt habe, Aufträge
abzulehnen, sei unerheblich. Im Ergebnis lägen somit
zahlreiche Merkmale vor, die ganz oder stark für eine
abhängige Beschäftigung sprechen; für eine selbständige Tätigkeit spreche demgegenüber nur wenig.
•
SG Berlin, Urteil vom 03.11.2015 (S 122 KR
2119/12)
Anders als das SG Darmstadt gelangte das SG Berlin im
Fall eines ebenfalls am Krankenhaus auf Grundlage
eines Honorararzt-Vertrages tätigen Anästhesisten zu
dem Ergebnis, dass ein sozialversicherungspflichtiges
Beschäftigungsverhältnis gerade nicht vorliege. Zwar
sprächen einige Tatsachen für eine abhängige Beschäftigung (Nutzung der Einrichtungen den Krankenhauses,
Führen eines Tätigkeitsnachweises, Dokumentationspflichten nach Maßgabe interner Vorgaben, Vergütung
durch fest vereinbarte Stundensätze). Doch fielen
diese gegenüber den Tatsachen, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, nicht ins Gewicht. Der Arzt
habe mangels Vorhandenseins eines anästhesiologischen Chefarztes oder eines anderen Anästhesisten
seine Tätigkeit weisungsfrei ausüben können, auch
wenn kollegiale Abstimmungen notwendig gewesen
seien. Er sei berechtigt gewesen, einzelne Aufträge
ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Zwar sei er in
den Krankenhausbetrieb eingegliedert gewesen, allerdings nur so weit, wie dies seine Tätigkeit ihrem Wesen nach mit sich gebracht habe. Auch war die zeitliche und organisatorische Einordnung des Arztes in das
Dienstplansystem des Krankenhauses nur mit seinem
Einverständnis möglich. Als maßgeblich empfand es
die Kammer zudem, dass der Arzt eben diese fehlende
Eingliederung auch nach außen hin mit einem selbst
angefertigten Namensschild dokumentierte, auf dem
nur sein Name vermerkt war, also ein Hinweis auf das
Krankenhaus gänzlich fehlte. Schließlich vermochte
das Gericht auch ein - wenngleich schwach ausgeprägtes - eigenes unternehmerisches Risiko zu erblicken.
Denn der Arzt habe sich aktiv darum bemühen müssen,
von dem Krankenhaus, das seinen Personalbedarf häufig per Email und an mehrere Anästhesisten gleichzeitig übermittelte, beauftragt zu werden.
…….. und schließlich noch dies: Kooperationen mit
externen Radiologen in Gefahr? (LG Stade, Beschluss
vom 20.05.2015, 4 S 45/14)
Viele Krankenhäuser haben ihre Abteilungen für Radiologie bereits vor Jahren geschlossen und sich für den
Bezug der benötigen Leistungen bei niedergelassenen
Radiologen entschieden. Gang und Gäbe war es dabei
bislang, dass die erbrachten radiologischen Leistungen
(inkl. Sachleistungen) bei Wahlleistungspatienten über
die sogenannte Wahlleistungskette des § 17 KHEntgG
gegenüber dem Patienten abgerechnet wurden. Die
Grundlage für die Beauftragung des externen Radiologen bildete dabei der mit dem Krankenhaus geschlossene Kooperationsvertrag, wenngleich die jeweilige
radiologische Leistung selbst durch den Wahlarzt ver-
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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anlasst wurde. Das LG Stade entschied nun, dass in
diesen Fällen der Weg über die Wahlarztkette nicht
gangbar sei. Zum einen handele es sich bei der Veranlassung durch den Wahlarzt um eine bloße Formalie,
da die Beauftragung letztlich immer aufgrund des
Kooperationsvertrages erfolge. Zum anderen würde
die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts in Frage
gestellt, wenn auch Standardleistungen von einem
externen Arzt berechnet werden könnten, die dieser
aufgrund des Kooperationsvertrages ebenso gegenüber
Nicht-Wahlleistungspatienten erbringt, weil das Krankenhaus über keine radiologische Abteilung mehr verfügt. Es handele sich daher um allgemeine Krankenhausleistungen; eine Vergütung der Leistungen über
die Wahlarztkette des § 17 KHEntg sei nicht
zulässig.
begehrte die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis
ein Arbeitsverhältnis sei.
Kontakt:
- er berechtigt ist, auch für dritte Auftraggeber tätig
zu werden, ohne dass es hierfür einer vorherigen Zustimmung des Krankenhausträgers bedarf;
Das Hessische LAG wies die Klage, wie auch schon das
Arbeitsgericht Kassel (Urteil vom 11. März 2015,
8 Ca 325/14), ab. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer.
Das LAG wertete zunächst die in den Verträgen von
den Parteien getroffenen Vereinbarungen als freies
Dienstverhältnis. Es war vereinbart, dass
- der Kläger selbstständig tätig ist;
- er keinem Weisungs- und Direktionsrecht des Krankenhausträgers unterliegt;
- er das Recht hat, einzelne Aufträge ohne Angabe von
Gründen abzulehnen;
Ferner waren jeweils konkrete Einsatzzeiträume für
die Tätigkeit des Klägers vereinbart worden.
Ursula Notz
Rechtsanwältin
Tel.: 0221/97357-145
[email protected]
Christiane Beume
Rechtsanwältin
Tel.: 0221/97357-151
[email protected]
•
LAG Hessen, Urteil vom 30. 11. 2015 (16 Sa
583/15)
Zwar sind das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das zivilrechtliche Arbeitsverhältnis voneinander unabhängig, doch gleichen sich die
vom BSG und BAG aufgestellten Grundsätze zur Statusbestimmung weitestgehend; bei Vorliegen eines
Arbeitsverhältnisses liegt regelmäßig auch ein Beschäftigungsverhältnis vor.
Das Hessische Landesarbeitsgericht verneinte mit
Urteil vom 30. November 2015 (16 Sa 583/15) den
Arbeitnehmerstatus eines Honorararztes.
Der Kläger war seit Juli 2010 für jeweils unterschiedlich lange Zeiträume als Honorararzt für den beklagten
Krankenhausträger tätig. Im September 2014 kündigte
der Träger das Vertragsverhältnis. Der Honorararzt
Diese von den Parteien klar getroffene Vereinbarung
eines freien Dienstverhältnisses sah das LAG nicht
durch die tatsächliche Vertragsdurchführung als widerlegt an. Das regelmäßig vorgebrachte Argument, dass
die räumliche und organisatorische Eingliederung des
Honorararztes in die Klinik und die Zusammenarbeit
mit dem Team für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen, ließ das LAG nicht gelten. Die Tätigkeit eines
Honorararztes könne regelmäßig nur in den Räumlichkeiten und mit dem Hilfspersonal des Dienstgebers
erbracht werden; sie ergebe sich insoweit aus dem
Inhalt des Vertragsgegenstandes.
Das LAG wertete ferner zu Gunsten des freien Dienstverhältnisses, dass der Kläger keinem allgemeinen
Weisungsrecht der Beklagten im Hinblick auf die Lage
seiner Arbeitszeit unterlag. Denn in den einzelnen
Verträgen mit dem Kläger war jeweils eine Vertragslaufzeit genannt und innerhalb dieser wurden konkrete
Einsatzzeiträume festgelegt. Daraus zog das LAG den
Schluss, dass außerhalb dieser Zeiten ein Einsatz des
Klägers vertraglich ausgeschlossen war und der Kläger
daher gerade keinem allgemeinen Weisungsrecht hinsichtlich der Lage seiner Arbeitszeit, sondern nur innerhalb der eng umgrenzten Einsatzzeiträume, unterlag. Überdies schuldete der Kläger im Gegensatz zu
seinen in einem Angestelltenverhältnis stehenden
Kollegen keine Ruf- oder Hintergrunddienste.
Das LAG hat die Revision zum BAG nicht zugelassen.
Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
(9 AZN 76/16).
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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Fazit
Die Entscheidung des Hessischen LAG zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist. Sie ist die
Grundlage für die arbeitsrechtliche und die sozialversicherungsrechtliche Statusbestimmung. Bereits bei
Begründung des Vertragsverhältnisses müssen deshalb
aus Sicht des Krankenhausträgers die vertraglichen
Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das
Rechtsverhältnis als freies Dienstverhältnis qualifiziert
werden kann.
Dr. Stephanie Lenze, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel: 0211/1371-360
[email protected]
Kontakt:
Literaturempfehlung: Handbuch Honorararztrecht
tun, sind viele Rechtsfragen offen. Dieses Buch möchte den aktuellen Streitstand aufbereiten und Antworten auf einige grundlegende Fragen geben: Was ist ein
Honorararzt? Wann ist der Honorararzt eigentlich
Arbeitnehmer? Dürfen Krankenhäuser Leistungen von
Honorarärzten abrechnen? Wo sind die Grenzen? Was
gilt bei Privatpatienten? Wieweit reicht das legitime
Arzthonorar und wo beginnt das Zuweiserentgelt?“
Autor: Dr. Stephan Porten, Rechtsanwalt, Fachanwalt
für Medizinrecht
(Bestellung: Springer Verlag ISBN 978-3-642-38274-1)
Aus dem Vorwort zu diesem Buch:
„Das Honorararztwesen ist ein sperriges und zugleich
facettenreiches Thema. (…). Mit diesem Buch liegt
nunmehr eine eingehende Untersuchung zu den rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit von Honorarärzten
vor. Die praktische Relevanz dürfte hoch sein. Das
Honorararztwesen ist zwar faktisch, aber längst noch
nicht rechtlich zum unbestrittenen Bestandteil des
Gesundheitssystems geworden. Obwohl inzwischen in
fast allen Krankenhäusern Honorarärzte ihren Dienst
Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus
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Inhouse-Schulung: „Notarzt in Not“ – Sind externe Notärzte angestellt?
Gemeinsam mit dem Bundesverband der Honorarärzte e.V.
Die bisher ausschließlich instanzgerichtliche Rechtsprechung zu nicht fest angestellten Ärzten hat noch
keine klare Linie gefunden, wann eine ärztliche Tätigkeit noch als selbständig zu beurteilen ist und wann
sie zur abhängigen Beschäftigung wird. Die Problematik ist nunmehr auf den Rettungsdienst übergegriffen.
Dort ist der Einsatz von „Freelancern“ seit langem
verbreitet, aber bislang kaum sozialversicherungsrechtlich hinterfragt worden. Die uneinheitliche
Rechtsprechung der Landessozialgerichte sorgt nun für
Unsicherheit. Möglicherweise könnte das Notarztwesen
bundesweit vor einschneidenden Veränderungen stehen.
Inhalt
In dem halbtägigen Seminar soll eine Darstellung und
vertiefte Auseinandersetzung der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte vor dem Hintergrund
der vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze
erfolgen. Es sollen konkrete Handlungsoptionen für
Verfahren mit der Deutschen Rentenversicherung und
für die Risikominimierung aufgezeigt werden.
Zielgruppe
Notärztinnen und Notärzte, Träger des Rettungsdiensts, beauftragte Organisationen, Ärztliche Leiter
Rettungsdienst, Krankenhausmanagement
Referent
Dr. Stephan Porten, Rechtsanwalt, Fachanwalt für
Medizinrecht
Dr. med. Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Honorarärzte, Notarzt
Anmeldung
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gerne mit uns in Verbindung.
Ihre Ansprechpartnerin:
Angelika Rudek
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