MÄRZ/APRIL 2016 WWW.BDOLEGAL.DE SPECIAL - NEWS Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus Notärzte in Not - Aktuelle Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht Interview mit dem Bundesverband der Honorarärzte Machen Sie mit! Aktuelle Umfrage in Kooperation mit der Notarztbörse ÜBER BDO LEGAL Als deutscher Rechtsberatungspartner von BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft begleiten wir unsere Mandanten mit zurzeit über 50 Anwälten an 6 Standorten in Deutschland bei der Findung und Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen in allen wesentlichen wirtschaftsrechtlichen Disziplinen. Gemeinsam mit Kollegen von BDO bieten wir unseren Mandanten einen integrativen Beratungsansatz. Eingebunden in das internationale Netzwerk von BDO agieren wir in 154 Ländern weltweit mit über 64.000 Mitarbeitern in 1.400 Büros. HERAUSGEBER BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Im Zollhafen 22 50678 Köln Editorial Sehr geehrte Damen und Herren, der Einsatz externer Ärzte ist nicht nur in Krankenhäusern ein Thema. Auch im Rettungsdienst nutzen viele Notarztstandorte externe Rettungsärzte. Dieses Geschäftsmodell kommt durch zahlreiche Prüfungen der Deutschen Rentenversicherung unter Druck, in denen das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung festgestellt wird. Klageverfahren vor den Sozialgerichten sind die Konsequenz - oftmals mit wenig erfreulichem Ausgang für die Rettungsdienste. Wir haben das Thema deshalb zum Schwerpunkt unseres aktuellen Newsletters gemacht. Wir informieren Sie über den aktuellen Stand der Rechtsprechung und zeigen Ihnen Handlungsmöglichkeiten auf. Strafrechtliche Risiken beim Einsatz externer Notärzte im Hinblick auf ein Vorenthalten von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung stehen im Mittelpunkt eines weiteren Beitrags. Neben vier aktuellen Entscheidungen zum Honorararzt im Krankenhaus sollten Kranken- häuser auch einen Beschluss des LG Stade zur Abrechnung radiologischer Leistungen beachten. Das Krankenhaus hatte seine Radiologie an einen Kooperationspartner outgesourct. Wir fassen die Entscheidungen zusammen. Gemeinsam mit der Notarzt-Börse und dem Bundesverband der Honorarärzte versuchen wir, Netzwerke von Betroffenen (Ärzte, Krankenhäuser, Träger des Rettungsdienstes usw.) zusammenzuführen. Machen Sie mit! Alles, was Sie dafür wissen müssen, haben wir für Sie zusammengestellt. Wer mehr wissen möchte, dem empfehlen wir dazu unser aktuelles Inhouse-Seminar zum Thema „Notarzt in Not – Sind externe Notärzte angestellt?“ Bitte sprechen Sie uns bei Interesse gerne an. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre! Ursula Notz Rechtsanwältin Dr. Stephan Porten Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht www.bdolegal.de © 2016 BDO LEGAL Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 2 Externe Notärzte - Auch weiterhin ein Zukunftsmodell? Die Rechtsprechung zu nicht fest angestellten Ärzten hat noch keine klare Linie gefunden, wann eine ärztliche Tätigkeit noch als selbständig zu beurteilen ist und wann sie zur abhängigen Beschäftigung wird. Die Problematik hat nunmehr auf den Rettungsdienst übergegriffen. Dort ist der Einsatz von „Freelancern“ seit langem verbreitet, aber bislang kaum sozialversicherungsrechtlich hinterfragt worden. Die uneinheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte sorgt nun für Unsicherheit. Wie wird das BSG zur Sozialversicherungspflicht von Notärzten entscheiden? Zunächst stellt sich die Frage, ob das Gericht überhaupt zu Notärzten entscheiden wird. BDO Legal führt derzeit ein Verfahren vor dem BSG durch. Hierbei geht es aber zunächst nur darum, ob das Gericht überhaupt die Revision annimmt. Betrachtet man die bisherige Rechtsprechung des BSG, so macht diese im Falle einer Revision grundsätzlich Hoffnung. Große Ähnlichkeit mit Notärzten hat ein Fall aus dem Jahr 2008, den das BSG zu entscheiden hatte. Hierbei ging es um Piloten, die Charterflüge auf der Grundlage von Einzelaufträgen durchführten. Mit diesen waren als Rahmenverträge "Dienstverträge über freie Mitarbeit (Freelance) eines Flugzeugführers im Flugbetrieb eines Luftfahrtunternehmens" abgeschlossen. In diesen war niedergelegt, dass kein Arbeitsverhältnis geschlossen werden solle. Es wurde ein Festhonorar je Einsatztag vereinbart. Die Piloten konnten über die Annahme eines Auftrags frei entscheiden. Übernahmen sie ihn, mussten sie aber alle gesetzlichen Vorschriften und wesentlichen Unterlagen, die den Betrieb reglementieren, beachten, insbesondere das Flugbetriebshandbuch und das Technische Handbuch. Das Bundessozialgericht hielt die Piloten für selbständig. Es betonte, dass dem Parteiwillen eine indizielle Bedeutung zukomme, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde - oder eben die Zuordnung nicht eindeutig möglich sei. Im Rettungsdienst ist die Thematik besonders explosiv. Der Rettungsdienst ist in Deutschland ohne ärztliche „Freelancer“ kaum vorstellbar. Fast alle Rettungsdienstorganisationen greifen zur Abdeckung der Dienste verbreitet auf „Externe“ zurück. Nicht selten finden sich Notarztstandorte, in denen es überhaupt keine angestellten Ärzte gibt. Aus vielerlei Gründen ist eine Umstellung auf Angestellte - selbst wenn man sie denn wollte - mittelfristig nur schwer möglich: Es entstünden gravierende Mehrkosten durch Sozialversicherungsabgaben und Ausgleiche steuerlicher Nachteile; viele Arbeitszeitmodelle müssten personalintensiv umgestellt werden; genügend „anstellungsbereite“ Ärzte stehen außerhalb der Ballungsräume häufig nicht zu Verfügung. Es ist daher zu erwarten, dass die wesentlichen Auseinandersetzungen zum Status ärztlicher „Freelancer“ im Bereich des Rettungsdienstes erfolgen werden. Was ist zu tun? Bislang haben erst drei Landessozialgerichte entschieden. Es ist wichtig, dass keine weiteren negativen LSG-Entscheidungen ergehen. Wir sehen hier mit Blick auf die BSG-Rechtsprechung durchaus gute Argumente. Es wäre ärgerlich, wenn diese aus Unerfahrenheit oder Unkenntnis keinen Eingang in laufende Verfahren fände. Weiterhin sollten die beauftragten Rettungsdienstorganisationen Kontakt mit den Landkreisen aufnehmen. Wir gehen davon aus, dass die nun entstandenen Risiken bei Übernahme der Rettungsdienstaufgaben nicht bekannt waren, so dass möglicherweise laufende Verträge anzupassen wären. Zuletzt sollten die betroffenen Organisationen alles unternehmen, um Widersprüche und Klagen fristgerecht einzulegen. Kontakt: Was bedeutet die bisherige Rechtsprechung für den Rettungsdienst? Die bisherige Rechtsprechung verunsichert Rettungsdienstorganisationen und Notärzte gleichermaßen. Die Landessozialgerichte haben noch zu keiner einheitlichen Linie gefunden und das BSG schweigt. Dr. Stephan Porten Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht Tel.: 0221/97357-480 [email protected] Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 3 Zur Sozialversicherungspflicht von externen Notärzten - Eine Rechtsprechungsübersicht Bislang liegen insgesamt fünf Entscheidungen aus Niedersachsen, Brandenburg und MecklenburgVorpommern vor. Diese wollen wir nachfolgend kurz darstellen: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29.08.2013 (L 10 R 519/09) Der 10. Senat hat mit Urteil vom 29.08.2013 einen Fall entschieden, bei dem ein bei einem DRK-Krankenhaus angestellter Anästhesist neben der Anstellung im Krankenhaus Einsätze im Rettungsdienst übernommen hatte. Der Notarzt erhielt eine Pauschale je Dienst, mit der drei Einsätze abgegolten waren. Darüber hinausgehende Einsätze wurden gesondert vergütet. Ohne nähere Begründung behauptet der 10. Senat, dass die Tätigkeit von Notärzten sowohl in abhängiger Beschäftigung als auch selbständiger Tätigkeit möglich sei. Die Rettungsdiensttätigkeit des Anästhesisten sei unabhängig von der Tätigkeit als Krankenhausarzt zu beurteilen. Bei der Gesamtabwägung misst er dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, dass der Arzt frei über die Annahme und Ablehnung der Aufträge entscheiden konnte und das den Rettungsdienst durchführende Krankenhaus nicht verpflichtet sei, Aufträge anzubieten. Dies stelle für Arbeitsverhältnisse untypische Regelungen dar. Der Notarzt sei im Übrigen nicht weisungsgebunden. Er sei während seiner Einsätze nur den Regeln ärztlicher Kunst unterworfen. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.12.2013 (L 2 R 64/10) und Urteil vom 04.06.2014 (L 2/12 R 81/12) Die beiden Urteile des 2. Senats sind begründungsgleich und stellen eine abhängige Beschäftigung fest. Im Mittelpunkt der Begründung steht, dass Notärzte keine unternehmerischen Risiken und Chancen trügen. Solche sucht der Senat aber nur in den Umständen des einzelnen Rettungseinsatzes. Unbeachtet lässt das Gericht, dass Ärzte, die sich für eine selbständige Tätigkeit entscheiden, insgesamt eine deutlich größere Unabhängigkeit und höhere Verdienstchancen haben, aber eben auch das spezielle Risiko tragen, keine Aufträge zu bekommen. Dies kann aber nicht gänzlich ausgeklammert werden (so auch BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R). LSG Brandenburg-Berlin, Urteil vom 20.03.2015 (L 1 KR 105/13) Das LSG nahm eine selbständige Tätigkeit des Notarztes an. Der Notarzt war weder in das Unternehmen eingegliedert noch weisungsabhängig. Hierbei arbeitete das LSG heraus, dass der Rettungsdienst im konkreten Fall von dem kommunalen Träger an eine beauftragte Organisationen vergeben worden war. Beim Träger waren aber zentrale Organisationsstrukturen zurückgeblieben. Er - nicht aber die mit dem Rettungsdienst beauftragte Organisation - hielt eine integrierte Leitstelle vor, die den Rettungsdienst lenkte und beschäftigte einen fachlich weisungsbefugten Ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes. Diese Struktur spreche aber gegen eine Eingliederung bei der mit dem Rettungsdienst betrauten Organisation. LSG Mecklenburg-Vorpommern, 28.04.2015 (L 7 R 60/12) Urteil vom Das LSG Mecklenburg-Vorpommern entschied auf eine abhängige Beschäftigung eines Notarztes. Seine Begründung weist einige Abweichungen von der „Freelancer“-Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf. Zwar stellt das Landessozialgericht in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung fest, dass für die Beurteilung des Vorliegens einer Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV allein die tatsächlichen Verhältnisse bezogen auf den einzeln vergebenen, durchgeführten Auftrag nach Annahme maßgeblich seien. Das Bundessozialgericht trifft diese Aussage aber vor dem Hintergrund, dass die Rahmenvereinbarung lediglich die Bedingungen zukünftiger Aufträge festlegt und daher die einzelnen Aufträge Gegenstand der Prüfung sind. Demgegenüber leitet das Landessozialgericht hieraus ab, dass alle vor Annahme liegenden Umstände, wie die Vertragsanbahnung, die Freiwilligkeit der Auftragsannahme und Auftragsablehnung, die Umstände des Vertragsschluss und sogar die Inhalte des Rahmenvertrages überhaupt nicht beachtlich seien. Dies steht aber im Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die gebietet, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt und abgewogen werden müssen. Entsprechend diesem Ansatz prüft das Landessozialgericht auch unternehmerische Chancen und Risiken ausschließlich bezogen auf den einzelnen Auftrag. Das Gericht kommt damit zu keiner Auseinandersetzung darüber, ob ein Verwertungsrisiko als Kehrseite großer Freiheiten in der Gestaltung der Arbeitsumstände zu berücksichtigen ist. Wenn der Senat weiterhin ausführt, dass dem Fehlen von Abreden und Verfahrensweisen, die für Arbeitsverhältnisse typisch sind, grundsätzlich keine Aussagekraft zukomme, wenn die Vertragsparteien in einem Vertrag den Willen zum Ausdruck bringen, kein Arbeitsverhältnis abzuschließen, entfernt er sich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, denn das Bundessozialgericht hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien, die typischerweise für Selbständigkeit sprechen, nicht bereits deshalb unbeachtlich sind, weil der Vertrag gerade unter der "Prämisse" gestanden hat, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht gewollt ist. Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus Verfahren vor dem Bundessozialgericht Unter dem Aktenzeichen B 12 R 19/15 B führt BDO Legal derzeit eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG. Mit dieser soll erreicht werden, dass das BSG die Revision gegen die Entscheidung des LSG MecklenburgVorpommern annimmt. Die Erfolgsaussichten sind bei solchen Beschwerden erfahrungsgemäß eher durchwachsen. Ein früherer Versuch, gegen die Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.06.2014 vorzugehen, war im September letzten Jahres gescheitert (BSG - 11.09.2015 - B12R 26/14 B). Helfen Sie mit! Wir führen gemeinsam mit der eine Umfrage durch. Wir wollen wissen, wo derzeit Verfahren zur Sozialversicherungspflicht von Notärzten geführt werden. Da die Rechtsprechung derzeit noch nicht gefestigt ist, müssen wir jedes gerichtliche und außergerichtliche Statusverfahren im Rettungsdienst mit allem Nachdruck vorantreiben, um zu verhindern, dass noch weitere Gerichte auf die Seite der Deutschen Rentenversicherung wechseln. Bitte melden Sie uns laufende Verfahren und helfen Sie uns so, einen besseren Überblick über die Situation zu erhalten. Wir haben zu diesem Zweck zwei verschiedenen Fragebögen vorbereitet, einmal für Notärzte und einmal für Auftraggeber - weitere Informationen zu diesem Themenkomplex finden Sie in unserem Newsletter. 4 Kontakt: Juliane Pogadl Rechtsanwältin Tel.: 0221/97357-154 [email protected] Dr. Stephan Porten Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht Tel.: 0221/97357-480 [email protected] Interview zur BV-H-Studie: Ohne externe Notärzte geht es nicht Der Einsatz externer Notärzte ist - wie die aktuelle Rechtsprechung der Sozialgerichte zeigt - rechtlich hoch problematisch. Wie groß die praktische Bedeutung ist, zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Online-Umfrage zur Organisation des Notarztdienstes, die der Bundesverband der Honorarärzte (BV-H e.V.) im Sommer 2015 durchgeführt hat. Zwischenzeitlich liegen erste Ergebnisse der Umfrage vor. BDO Legal hat hierzu ein Interview mit Dr. Nicolai Schäfer, 1. Vorsitzender und Geschäftsführer des BV-H e.V. geführt. Worum ging es bei der Umfrage und zu welchen Ergebnissen ist der BV-H e.V. gelangt? Schäfer: „Wir hatten im Zusammenhang mit sich häufenden Berichten von Statusfeststellungsverfahren und Betriebsprüfungen im Bereich des Rettungsdienstes unsere Mitglieder bilden ein bundesweit wachsames Netzwerk diese Online-Umfrage konzipiert. Es gab keine validen Zahlen, wie viele Notarztstandorte auf externe bzw. selbständig tätige Notärzte angewiesen sind. Unsere Schätzung lautet 70%, wobei das natürlich stark vom System abhängt. In Sachsen, Bayern und Thüringen werden die Notarztdienste über die KV organisiert. In anderen Bundesländern über die Träger oder zwischengeschaltete Firmen. Es ging um die Überprüfung der These, dass 70% aller Notarztstandorte in Deutschland mit Honorarärzten zusammenarbeiten. Wir haben die Zahl von 60% ermittelt. Die Umfrage ist aber nicht repräsentativ. Man müsste sie nochmals in einem größeren Umfang und unter Berücksichtigung der verschiedenen Notarztgestellungsmodelle in den Bundesländern durchführen. An unserer Umfrage nahmen Notärzte, Ärztliche Leiter, Rettungsdienst und Sachbearbeiter von Behörden teil. Der Adressverteiler basierte auf eigenhändigen Recherchen, da es nach unserem Wissen keine Datenbank gibt, die alle Standorte erfasst.“ Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus Wie sieht der BV-H e.V. die zukünftige Entwicklung, wenn sich die Deutsche Rentenversicherung mit ihrer Rechtsansicht letztlich durchsetzt? Schäfer: „Zunächst muss man feststellen: In unserem Bereich geht es nicht um ungewollt in die Selbständigkeit gedrängte und in unerträglichen prekären Verhältnissen leidende Ärzte. Viele Notärzte arbeiten in Nebentätigkeit (neben Praxisbetrieb oder Klinikjob) gelegentlich als Notarzt. Man kann aber auch hauptberuflich davon leben. Manche bewegen sich dann bundesweit und sind an verschiedenen Standorten im Einsatz. Viele Mediziner kombinieren auch ihre selbständige Tätigkeit. Sie sind abwechselnd als Notarzt, dann wieder als Honorararzt in Kliniken und in der Zwischenzeit beispielsweise als ärztlicher Gutachter tätig. Ein europa-, ja sogar weltweit offener Arbeitsmarkt eröffnet Ärzten seit einigen Jahren generell hervorragende Tätigkeitsfelder. Kliniken und andere Gesundheitseinrichtungen suchen auch in Deutschland händeringend qualifizierte Ärzte, die sie sofort unter unbefristeten(!) Vertrag nehmen würden. Wir haben es also mit einer herausragenden Nachfrage nach Ärzten zu tun und nicht etwa mit Arbeitgebern, die über dubiose Honorarmodelle Sozialversicherungsbeiträge einsparen wollen. Zudem sind alle Ärzte regelmäßig zwangsversichert (Versorgungswerk oder gesetzliche Rentenversicherung). Es muss klar sein, dass ein Angestelltenmodell einfach nicht praktikabel ist. Wir reden ja vor allem über Einsatzgebiete und Notarzt-Standorte im ländlichen und strukturarmen Raum. Die Anfahrtswege dorthin sind mitunter lang und das lohnt sich nicht für 12Stunden-Schichten. Das Arbeitszeitgesetz würde ja dann greifen. Spätestens mit dem zweiten Auftraggeber wandert man in die ungünstigste Steuerklasse. Die Meldeordnungen der Ärztekammern und Ärzteversorgungswerke machen eine Tätigkeit über Landesgrenzen hinaus ebenfalls zur bürokratischen Tortur und das gefährdet aufgrund der geänderten Überleitungsabkommen dann tatsächlich die Altersvorsorge der Ärzte. Fazit: Das Notarztsystem dürfte in der jetzigen Form zusammenbrechen. Gerade in Zeiten von Flüchtlingsansturm und internationalem Terrorismus ist das keine Entwicklung, die man sich wünscht. Bedenken Sie: Ärzte auf Honorarbasis einsetzen zu können, eröffnet 5 auch flexible Möglichkeiten auf akute Situationen, wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise, reagieren zu können. Will die DRV dort etwa auch die Sozialversicherungspflicht feststellen? Auch beim Elbe-Hochwasser 2013 wurden vermehrt selbständige Ärzte eingesetzt. Das geschieht in beiderseitigem Einvernehmen und bedarf keiner Bewertung oder rechtsphilosophischer Betrachtungen durch die Deutsche Rentenversicherung.“ Wie könnte nach Ansicht des BV-H e.V. eine Lösung des Problems aussehen? Schäfer: „Die Notarzttätigkeit muss als wesentliches Element der Daseinsvorsorge von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht befreit sein. Österreich hat es gerade genau so geregelt. Ärzte sind im Übrigen grundsätzlich von der gesetzlichen Rentenversicherung nach SGB VI zu befreien und im berufsständigen Versorgungswerk versichert. Von mir aus kann man noch über eine Sonderregelung oder gar eine Sonderabgabe an die gesetzliche Rentenversicherung nachdenken, wie es etwa in der Schweiz der Fall ist. Dort zahlen alle Selbständigen auch einen Teil ihrer Einnahmen in die gesetzliche Sozialversicherung, allerdings umsatzabhängig. Es geht also darum, eine solche Honorar-Tätigkeit zu ermöglichen und nicht zu verunmöglichen, wie es aktuell durch das Vorgehen der DRV geschieht. Legislative und Judikative müssen aber insgesamt die Veränderungen der Arbeitswelten wahrnehmen und endlich in einer modernen Gesetzgebung umsetzen. Man muss sich vom Schwarz-Weiß-Bild des armen Scheinselbständigen verabschieden und bei der Betrachtung mehr auf den Willen der Vertragspartner eingehen. Heute reicht doch ein Laptop und ein Sitzplatz im Kaffee um die Ecke, um tatsächlich selbständig über das Internet eine Fabrik am anderen Ende der Welt zu steuern. Was ist dann die Betriebsstätte? Wie hoch ist unternehmerisches Risiko? Unsere Vorstellungen vom abhängig Beschäftigten oder Selbständigen stammen doch noch aus den Zeiten, als das Ruhrgebiet der Motor der Deutschen Wirtschaft war.“ Mit Dr. Nicolai Schäfer sprach Dr. Stephan Porten, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Medizinrecht Anmerkung: Das Interview gibt die persönliche Meinung von Dr. Nicolai Schäfer wieder und nicht unbedingt die von BDO Legal. Strafrechtliche Risiken beim Einsatz von externen Notärzten Viele Träger des Rettungsdienstes haben bereits Bescheide oder Anhörungen der Deutschen Rentenversicherung erhalten, in denen festgestellt wird, dass Notärzte abhängig beschäftigt werden. Diese Bescheide beenden die Unwissenheit, dass der Einsatz von externen Ärzten sozialversicherungsrecht- lich problematisch sein könnte. Wer nun weiterhin auf externe Notärzte setzt, ohne Beiträge abzuführen, sollte wenigstens risikomindernde Maßnahmen ergreifen. Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus Vorenthalten von SV-Beiträgen § 266a Abs. 1 StGB stellt Fälle unter Strafe, bei denen der Arbeitgeber der Einzugsstelle Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers vorenthält oder gegenüber der Einzugsstelle unvollständige oder unrichtige Angaben macht. Strafbar ist dies, wenn das Vorenthalten vorsätzlich erfolgt. Der Grat zwischen strafbarem Vorsatz und strafloser Fahrlässigkeit ist schmal. Ob ein Vorenthalten von Arbeitsentgelt gebilligt wird (dann Vorsatz) oder auf ein Ausbleiben des Vorenthaltens aufgrund fehlender Sozialversicherungspflicht gehofft wird (dann Fahrlässigkeit), hängt oft von winzigen Details im Sachverhalt ab. Steuerhinterziehung und Steuerverkürzung Wer externe Notärzte nicht als Arbeitnehmer anmeldet, muss im schlimmsten Fall auch steuerstrafrechtliche Folgen befürchten. Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Täter den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Denkbar wäre eine Steuerhinterziehung in Bezug auf die Lohnsteuer. Diese schuldet der Arbeitgeber. Er hat die Pflicht die Lohnsteuer beim Finanzamt anzumelden. Unterlässt er diese Anmeldung, begeht er eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Dass der Arbeitnehmer auch selbst gem. § 149 AO i.V.m. § 25 Abs. 3 EStG verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wird nur bei der Strafzumessung Beurteilung finden. Die Strafbarkeit bleibt aber. Ob es letztlich zu einer Verurteilung kommt, hängt wie beim Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen davon ab, ob ein Vorsatz zu bejahen ist. Selbst bei bloßer Fahrlässigkeit ist aber Vorsicht geboten. In diesem Fall wird nämlich regelmäßig eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 278 AO zu prüfen sein. Die Annahme eines leichtfertigen Handelns geschieht in der Praxis bereits dann, wenn sich der Steuerpflichtige bei der Beurteilung steuerlicher Fragen unsicher ist, sich trotzdem aber keines Rechtsbeistandes bedient und somit zu einer unzutreffenden steuerlichen Würdigung kommt. Die Gerichte können dann eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro verhängen. Ansätze zur Risikominimierung Die Organisationen des Rettungsdienstes stehen vor einem Dilemma: Wer externe Notärzte weiterhin einsetzt, muss persönlich Strafe fürchten. Wer auf der anderen Seite vorsorglich diese Ärzte als Arbeitnehmer anmeldet und Beiträge und Steuern abführt, wird schnell keine Ärzte mehr zur Verfügung haben. Für Organisationen, die nicht anmelden wollen oder können, verbleibt daher als einzige Risikominimie- 6 rungsstrategie nur die vollständige schriftliche Offenbarung des Sachverhalts gegenüber der zuständigen Sozialversicherungsbehörde und dem für die Lohnsteueranmeldung zuständigen Finanzamt unter Darlegung der eigenen Rechtsansicht und einer monatlichen Mitteilung des möglicherweise lohnsteuerpflichtigen bzw. sozialversicherungspflichtigen Sachverhalts unter Nennung der beteiligten Notärzte bei den zuständigen Behörden. Bis zu einer obergerichtlichen Klärung, ob externe Notärzte selbständig oder abhängig beschäftigt sind, bleibt nichts anderes übrig, als bei dann eingehenden Nachforderungsbescheiden Stundung bzw. Aussetzung der Vollziehung zu beantragen oder gerichtlichen Einstweiligen Rechtsschutz zu erwirken. Fazit: Die inzwischen zahlreichen Bescheide der DRV und die uneinheitliche Rechtsprechung können dazu führen, dass Gerichte bei Organisationen, die externe Notärzte weiterhin einsetzen, eine Strafbarkeit nach §§ 266a StGB bzw. 370 AO annehmen könnten. Strafpräventives Handeln ist daher geboten. Kontakt: Dr. Florian Modlinger Rechtsanwalt/ Fachanwalt für Steuerrecht/ Certified Fraud Examiner (CFE) Tel.: 089/76906-343 [email protected] Simone Brenner Steuerberaterin Tel.: 0381/49302-834 [email protected] Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 7 Honorarärzte im Krankenhaus - Neues vom BSG Auch im Krankenhaus sind die mit der Beschäftigung nicht fest angestellter Ärzte verbundenen rechtlichen Probleme seit Jahren ein Thema. Diskutiert wird nicht nur die Frage der Sozialversicherungspflicht („Scheinselbständigkeit“) oder die der Befugnis zur Liquidation wahlärztlicher Leistungen. Ebenso problematisch war die Erbringung von Krankenhausleistungen durch nicht angestellte Ärzte unter dem Aspekt des KHEntgG, soweit es um die Erbringung der Hauptleistung ging. Erst mit Inkrafttreten der durch das PsychEntgG erfolgten Änderungen im KHEntgG zum 01.01.2013 änderte sich dies. Seitdem ist gesetzlich bestimmt, dass Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärzte erbracht werden dürfen. Doch für die Behandlungsfälle aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des PsychEntgG blieb durchaus streitig, ob die Rechtslage vor 2013 überhaupt eine andere war. Zu dieser Diskussion hat das Bundessozialgericht nun mit Urteil vom 17.11.2015 (Az. B 1 KR 12/15 R) einen wichtigen Beitrag geleistet und für den konkreten Behandlungsfall aus dem Jahr 2006 entschieden, dass die Erbringung der Hauptleistung durch den seinerzeit am Krankenhaus tätigen Vertragsarzt nicht zulässig war. Der Fall Geklagt hatte ein Krankenhaus, in dem der bei der beklagten Krankenkasse Versicherte im Jahr 2006 stationär behandelt worden war. Die erforderliche Bandscheibenoperation war seinerzeit von einem Vertragsarzt durchgeführt worden, der zu dem maßgeblichen Zeitpunkt im Krankenhaus der Klägerin operierte, allerdings ohne Anstellungsverhältnis. Die Krankenkasse lehnte die Vergütung der in Rechnung gestellten Behandlungskosten mit der Begründung ab, dass die Leistung nicht zum Versorgungsauftrag der Klägerin gehöre. Die daraufhin seitens des Krankenhauses erhobene Klage wies das Sozialgericht ab und führte aus, dass dem Krankenhaus keine Vergütung zustehe, wenn die den Krankenhausaufenthalt als Hauptleistung bestimmende Operation durch einen niedergelassenen Vertragsarzt erbracht werde, der nicht zugleich Angestellter des Krankenhauses sei. Auf die Berufung des Krankenhauses hob das LSG das Urteil des Sozialgerichts auf und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Seine Entscheidung begründete das Gericht letztlich damit, dass die Rechtslage es den Krankenhäusern auch bereits 2006 erlaubt habe, ihre Leistungen mit nicht festangestellten Ärzten zu erbringen, da die gesetzlichen Regelungen eine entsprechende Beschränkung nicht erkennen ließen. Diese Auffassung stehe auch im Einklang mit der späteren Änderung des § 2 KHEntgG durch das PsychEntgG mit der der Gesetzgeber lediglich das gesetzlich verankert habe, was nach seiner Ansicht auch schon zuvor die rechtlich zutreffende Lösung war. Die beklagte Krankenkasse zog vor das BSG - mit Erfolg. Die Entscheidung Nach Ansicht des BSG zeigen die 2006 maßgeblichen Bestimmungen und ihre weitere Rechtsentwicklung, dass die Krankenhäuser jedenfalls 2006 verpflichtet waren, ihre Hauptleistungen durch eigenes Personal erbringen zu lassen. Ein entsprechend regelmäßiges und umfangreiches Tätigwerden von Vertragsärzten schied somit seinerzeit aus. Erst mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006 sei eine Flexibilisierung der Tätigkeit von Vertragsärzten erfolgt, die es ihnen erlaube, sowohl vertragsärztlich tätig zu sein, als auch als angestellter Arzt im Krankenhaus zu arbeiten. Eine weitere Abkehr von der noch 2006 geltenden Rechtslage habe das PsychEntgG mit den Änderungen in § 2 KHEntgG bewirkt. Damit - so das BSG habe ausdrücklich verankert werden sollen, dass die Krankenhausleistungen (also auch die Hauptleistungen) auch durch nicht fest angestellte Ärzte erbracht werden können. Diese Regelung habe jedoch im hier maßgeblichen Zeitraum noch nicht gegolten. Auch für eine Rückwirkung der Bestimmung spreche nichts - weder der Wortlaut noch ihre Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Regelungszweck. Der Weg über § 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG (vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter) sei demgegenüber versperrt, da auf diese Weise nur der Bezug von unterstützenden/ergänzenden Leistungen möglich sei. Fazit: Das BSG hat entscheidend auf die Rechtslage für (honorarärztlich tätige) Vertragsärzte im Jahr 2006 abgestellt. Das bedeutet zum einen, dass streitige Abrechnungsfälle aus anderen Behandlungszeiträumen bis 2012 sowie solche von Honorarärzten, die nicht zugleich Vertragsärzte sind, mit dem Urteil nicht zwingend „vom Tisch“ sind (soweit noch nicht verjährt). Zum anderen hat das BSG anknüpfend an sein Urteil vom 28.02.2007 (B 3 KR 17/06 R) deutlich gemacht, dass zwischen Hauptleistungen und ergänzenden/unterstützenden Leistungen zu differenzieren ist und nur für letztere der Weg über § 2 Abs. 2 Nr. 2 KHEntgG offen ist. Kontakt: Christiane Beume Rechtsanwältin Tel.: 0221/97357-151 [email protected] Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 8 ++ AKTUELLE URTEILE +++ AKTUELLE URTEILE +++ AKTUELLE URTEILE 3 aktuelle Entscheidungen zur Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten im Krankenhaus • LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.08.2015 (L 4 R 1001/15) Das Krankenhaus hatte mit einem in freier Praxis niedergelassenen Arzt einen Vertrag geschlossen, dessen Gegenstand die Einbindung des Arztes in den Rufbereitschaftsdienst der Sektion Kinderchirurgie der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses war. Hauptberuflich war der Arzt in eigener Praxis tätig. Aufträge für das Krankenhaus übernahm er nur ca. 1-2 Mal im Monat. Die Leistungserbringung erfolgte nach Bedarf und in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Ärzten des Krankenhauses. Erhobene Befunde, Röntgenaufnahmen etc. hatte der Arzt dem zuständigen ltd. Abteilungsarzt für die Krankenakte zur Verfügung zu stellen. Auch die Richtlinien des Krankenhauses waren von dem Arzt zu beachten. Das zur Leistungserbringung notwendige Personal, die Räumlichkeiten sowie Gerätschaften und Material wurden ihm vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt. Das LSG BadenWürttemberg kam - wie schon die Vorinstanz - zu dem Ergebnis, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. So der Arzt für das Krankenhaus tätig wurde, sei er hinsichtlich der Zeitpunkte und der Orte der Verrichtung seiner Dienste weisungsgebunden gewesen und habe übernommene Aufträge gemäß den Vorgaben des Krankenhauses erfüllen müssen, dessen Kontrolle er somit unterlag. • SG Darmstadt, Urteil vom 16.11.2015 (S 8 KR 54/14) Der Arzt (Facharzt für Anästhesiologie) hatte zeitweise Tag- und Bereitschaftsdienste im Krankenhaus übernommen, um Auslastungsspitzen bzw. Personalmangel im Krankenhaus abzufangen. Das SG Darmstadt gelangte zu der Ansicht, dass eine abhängige Beschäftigung gegeben sei. Der Arzt habe nahezu ausschließlich mit den Betriebsmitteln des Krankenhauses gearbeitet, ohne die der Arzt seine Tätigkeit gar nicht hätte ausüben können. Zudem habe sich das Krankenhaus des Arztes bedient, um eigene gesetzliche und vertragliche Pflichten zu erfüllen, was ebenfalls zeige, dass der Arzt seine Leistungen in einer fremd vorgegebenen und übergeordneten Arbeitsorganisation erbracht habe. Auch hätten Arzt und Krankenhaus konkret abgesprochen, auf welchen Stationen und in welchen Schichten der Arzt tätig werden sollte. Das Argument, dass derartige Umstände quasi in der Natur der Dienstleistung lägen, wies das Gericht zurück. Des Weiteren seien Tätigkeitsort und Tätigkeitsdauer durch den jeweiligen Auftrag des Krankenhauses vorgegeben, so dass dem Arzt gerade kein eigener Spielraum mehr blieb, wenn er den Auftrag einmal angenommen hatte. Dass der Arzt die Möglichkeit gehabt habe, Aufträge abzulehnen, sei unerheblich. Im Ergebnis lägen somit zahlreiche Merkmale vor, die ganz oder stark für eine abhängige Beschäftigung sprechen; für eine selbständige Tätigkeit spreche demgegenüber nur wenig. • SG Berlin, Urteil vom 03.11.2015 (S 122 KR 2119/12) Anders als das SG Darmstadt gelangte das SG Berlin im Fall eines ebenfalls am Krankenhaus auf Grundlage eines Honorararzt-Vertrages tätigen Anästhesisten zu dem Ergebnis, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gerade nicht vorliege. Zwar sprächen einige Tatsachen für eine abhängige Beschäftigung (Nutzung der Einrichtungen den Krankenhauses, Führen eines Tätigkeitsnachweises, Dokumentationspflichten nach Maßgabe interner Vorgaben, Vergütung durch fest vereinbarte Stundensätze). Doch fielen diese gegenüber den Tatsachen, die für eine selbständige Tätigkeit sprächen, nicht ins Gewicht. Der Arzt habe mangels Vorhandenseins eines anästhesiologischen Chefarztes oder eines anderen Anästhesisten seine Tätigkeit weisungsfrei ausüben können, auch wenn kollegiale Abstimmungen notwendig gewesen seien. Er sei berechtigt gewesen, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen. Zwar sei er in den Krankenhausbetrieb eingegliedert gewesen, allerdings nur so weit, wie dies seine Tätigkeit ihrem Wesen nach mit sich gebracht habe. Auch war die zeitliche und organisatorische Einordnung des Arztes in das Dienstplansystem des Krankenhauses nur mit seinem Einverständnis möglich. Als maßgeblich empfand es die Kammer zudem, dass der Arzt eben diese fehlende Eingliederung auch nach außen hin mit einem selbst angefertigten Namensschild dokumentierte, auf dem nur sein Name vermerkt war, also ein Hinweis auf das Krankenhaus gänzlich fehlte. Schließlich vermochte das Gericht auch ein - wenngleich schwach ausgeprägtes - eigenes unternehmerisches Risiko zu erblicken. Denn der Arzt habe sich aktiv darum bemühen müssen, von dem Krankenhaus, das seinen Personalbedarf häufig per Email und an mehrere Anästhesisten gleichzeitig übermittelte, beauftragt zu werden. …….. und schließlich noch dies: Kooperationen mit externen Radiologen in Gefahr? (LG Stade, Beschluss vom 20.05.2015, 4 S 45/14) Viele Krankenhäuser haben ihre Abteilungen für Radiologie bereits vor Jahren geschlossen und sich für den Bezug der benötigen Leistungen bei niedergelassenen Radiologen entschieden. Gang und Gäbe war es dabei bislang, dass die erbrachten radiologischen Leistungen (inkl. Sachleistungen) bei Wahlleistungspatienten über die sogenannte Wahlleistungskette des § 17 KHEntgG gegenüber dem Patienten abgerechnet wurden. Die Grundlage für die Beauftragung des externen Radiologen bildete dabei der mit dem Krankenhaus geschlossene Kooperationsvertrag, wenngleich die jeweilige radiologische Leistung selbst durch den Wahlarzt ver- Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 9 anlasst wurde. Das LG Stade entschied nun, dass in diesen Fällen der Weg über die Wahlarztkette nicht gangbar sei. Zum einen handele es sich bei der Veranlassung durch den Wahlarzt um eine bloße Formalie, da die Beauftragung letztlich immer aufgrund des Kooperationsvertrages erfolge. Zum anderen würde die Berechnung eines zusätzlichen Entgelts in Frage gestellt, wenn auch Standardleistungen von einem externen Arzt berechnet werden könnten, die dieser aufgrund des Kooperationsvertrages ebenso gegenüber Nicht-Wahlleistungspatienten erbringt, weil das Krankenhaus über keine radiologische Abteilung mehr verfügt. Es handele sich daher um allgemeine Krankenhausleistungen; eine Vergütung der Leistungen über die Wahlarztkette des § 17 KHEntg sei nicht zulässig. begehrte die Feststellung, dass das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei. Kontakt: - er berechtigt ist, auch für dritte Auftraggeber tätig zu werden, ohne dass es hierfür einer vorherigen Zustimmung des Krankenhausträgers bedarf; Das Hessische LAG wies die Klage, wie auch schon das Arbeitsgericht Kassel (Urteil vom 11. März 2015, 8 Ca 325/14), ab. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer. Das LAG wertete zunächst die in den Verträgen von den Parteien getroffenen Vereinbarungen als freies Dienstverhältnis. Es war vereinbart, dass - der Kläger selbstständig tätig ist; - er keinem Weisungs- und Direktionsrecht des Krankenhausträgers unterliegt; - er das Recht hat, einzelne Aufträge ohne Angabe von Gründen abzulehnen; Ferner waren jeweils konkrete Einsatzzeiträume für die Tätigkeit des Klägers vereinbart worden. Ursula Notz Rechtsanwältin Tel.: 0221/97357-145 [email protected] Christiane Beume Rechtsanwältin Tel.: 0221/97357-151 [email protected] • LAG Hessen, Urteil vom 30. 11. 2015 (16 Sa 583/15) Zwar sind das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das zivilrechtliche Arbeitsverhältnis voneinander unabhängig, doch gleichen sich die vom BSG und BAG aufgestellten Grundsätze zur Statusbestimmung weitestgehend; bei Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses liegt regelmäßig auch ein Beschäftigungsverhältnis vor. Das Hessische Landesarbeitsgericht verneinte mit Urteil vom 30. November 2015 (16 Sa 583/15) den Arbeitnehmerstatus eines Honorararztes. Der Kläger war seit Juli 2010 für jeweils unterschiedlich lange Zeiträume als Honorararzt für den beklagten Krankenhausträger tätig. Im September 2014 kündigte der Träger das Vertragsverhältnis. Der Honorararzt Diese von den Parteien klar getroffene Vereinbarung eines freien Dienstverhältnisses sah das LAG nicht durch die tatsächliche Vertragsdurchführung als widerlegt an. Das regelmäßig vorgebrachte Argument, dass die räumliche und organisatorische Eingliederung des Honorararztes in die Klinik und die Zusammenarbeit mit dem Team für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen, ließ das LAG nicht gelten. Die Tätigkeit eines Honorararztes könne regelmäßig nur in den Räumlichkeiten und mit dem Hilfspersonal des Dienstgebers erbracht werden; sie ergebe sich insoweit aus dem Inhalt des Vertragsgegenstandes. Das LAG wertete ferner zu Gunsten des freien Dienstverhältnisses, dass der Kläger keinem allgemeinen Weisungsrecht der Beklagten im Hinblick auf die Lage seiner Arbeitszeit unterlag. Denn in den einzelnen Verträgen mit dem Kläger war jeweils eine Vertragslaufzeit genannt und innerhalb dieser wurden konkrete Einsatzzeiträume festgelegt. Daraus zog das LAG den Schluss, dass außerhalb dieser Zeiten ein Einsatz des Klägers vertraglich ausgeschlossen war und der Kläger daher gerade keinem allgemeinen Weisungsrecht hinsichtlich der Lage seiner Arbeitszeit, sondern nur innerhalb der eng umgrenzten Einsatzzeiträume, unterlag. Überdies schuldete der Kläger im Gegensatz zu seinen in einem Angestelltenverhältnis stehenden Kollegen keine Ruf- oder Hintergrunddienste. Das LAG hat die Revision zum BAG nicht zugelassen. Der Kläger hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (9 AZN 76/16). Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 10 Fazit Die Entscheidung des Hessischen LAG zeigt, wie wichtig eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist. Sie ist die Grundlage für die arbeitsrechtliche und die sozialversicherungsrechtliche Statusbestimmung. Bereits bei Begründung des Vertragsverhältnisses müssen deshalb aus Sicht des Krankenhausträgers die vertraglichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das Rechtsverhältnis als freies Dienstverhältnis qualifiziert werden kann. Dr. Stephanie Lenze, LL.M. Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Tel: 0211/1371-360 [email protected] Kontakt: Literaturempfehlung: Handbuch Honorararztrecht tun, sind viele Rechtsfragen offen. Dieses Buch möchte den aktuellen Streitstand aufbereiten und Antworten auf einige grundlegende Fragen geben: Was ist ein Honorararzt? Wann ist der Honorararzt eigentlich Arbeitnehmer? Dürfen Krankenhäuser Leistungen von Honorarärzten abrechnen? Wo sind die Grenzen? Was gilt bei Privatpatienten? Wieweit reicht das legitime Arzthonorar und wo beginnt das Zuweiserentgelt?“ Autor: Dr. Stephan Porten, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht (Bestellung: Springer Verlag ISBN 978-3-642-38274-1) Aus dem Vorwort zu diesem Buch: „Das Honorararztwesen ist ein sperriges und zugleich facettenreiches Thema. (…). Mit diesem Buch liegt nunmehr eine eingehende Untersuchung zu den rechtlichen Grundlagen der Tätigkeit von Honorarärzten vor. Die praktische Relevanz dürfte hoch sein. Das Honorararztwesen ist zwar faktisch, aber längst noch nicht rechtlich zum unbestrittenen Bestandteil des Gesundheitssystems geworden. Obwohl inzwischen in fast allen Krankenhäusern Honorarärzte ihren Dienst Externe Ärzte in Rettungsdienst & Krankenhaus 11 Inhouse-Schulung: „Notarzt in Not“ – Sind externe Notärzte angestellt? Gemeinsam mit dem Bundesverband der Honorarärzte e.V. Die bisher ausschließlich instanzgerichtliche Rechtsprechung zu nicht fest angestellten Ärzten hat noch keine klare Linie gefunden, wann eine ärztliche Tätigkeit noch als selbständig zu beurteilen ist und wann sie zur abhängigen Beschäftigung wird. Die Problematik ist nunmehr auf den Rettungsdienst übergegriffen. Dort ist der Einsatz von „Freelancern“ seit langem verbreitet, aber bislang kaum sozialversicherungsrechtlich hinterfragt worden. Die uneinheitliche Rechtsprechung der Landessozialgerichte sorgt nun für Unsicherheit. Möglicherweise könnte das Notarztwesen bundesweit vor einschneidenden Veränderungen stehen. Inhalt In dem halbtägigen Seminar soll eine Darstellung und vertiefte Auseinandersetzung der bisherigen Rechtsprechung der Instanzgerichte vor dem Hintergrund der vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze erfolgen. Es sollen konkrete Handlungsoptionen für Verfahren mit der Deutschen Rentenversicherung und für die Risikominimierung aufgezeigt werden. Zielgruppe Notärztinnen und Notärzte, Träger des Rettungsdiensts, beauftragte Organisationen, Ärztliche Leiter Rettungsdienst, Krankenhausmanagement Referent Dr. Stephan Porten, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht Dr. med. Nicolai Schäfer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Honorarärzte, Notarzt Anmeldung Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung. Ihre Ansprechpartnerin: Angelika Rudek Sekretariat Tel.: 0211/1371-149 [email protected] STANDORTE BERLIN Katharina-Heinroth-Ufer 1 10787 Berlin Telefon: +49 30 885722-725 Telefax: +49 30 885722-710 Hamburg Berlin DÜSSELDORF Georg-Glock-Str. 8 40474 Düsseldorf Telefon: +49 211 1365-8970 Telefax: +49 211 1365-8973 HAMBURG Fuhlentwiete 12 20355 Hamburg Telefon: +49 40 30293-800 Telefax: +49 40 30293-300 Kassel Düsseldorf Köln KASSEL Theaterstraße 6 34117 Kassel Telefon: +49 561 9219068-0 Telefax: +49 561 9219068-9 München KÖLN Im Zollhafen 22 50678 Köln Telefon: +49 221 97357-800 Telefax: +49 221 97357-290 MÜNCHEN Landaubogen 10 81373 München Telefon: +49 89 74325-513 Telefax: +49 89 74325-544 BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH Im Zollhafen 22 50678 Köln Telefon: +49 221 97357-800 Telefax: +49 221 97357-290 www.bdolegal.de BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung deutschen Rechts, ist eingebunden in das internationale BDO Netzwerk voneinander unabhängiger Mitgliedsfirmen. 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