PFERDEKLINIK BERN Vetsuisse Hochgradige osteochondrale Läsion im medialen Femurkondylus bei einem Warmblutfohlen P. Nussbaumer 1, C. Werren 1, D. Gorgas 2, G. Bodo 1, C. Koch 1 1Pferdeklinik und 2klinische Radiologie, Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern ANAMNESE Ein 3-Wochen altes Schweizer Warmblut-Hengstfohlen wurde aufgrund einer akuten Schwellung des linken Sprunggelenkes und der damit assoziierten Lahmheit an der Pferdeklinik Bern vorgestellt. Vor der Geburt hatte die Stute etwas Milch verloren, aber die Geburt verlief komplikationslos und das Fohlen entwickelte sich in den ersten paar Lebenstagen normal. Vier Tage postpartum zeigte das Fohlen erstmals eine Schwellung im Bereich des linken Sprunggelenkes. Es bestand der Verdacht, dass die Stute das Fohlen getreten hatte. KLINISCHE UNTERSUCHUNG Das Fohlen präsentierte sich in einem gutem Allgemeinzustand und es trank regelmässig bei der Mutter. Die Vitalparameter waren in der Norm, ebenfalls ergab die Untersuchung des Herz-/Kreislaufapparates, des Respirationstraktes und des Nabels keine Auffälligkeiten. Im Trab zeigte das Fohlen eine mittelgradige Stützbeinlahmheit hinten links. Weiter war das Sprunggelenk leicht angefüllt und im medialen Bereich der distalen Tibia war eine periartikuläre Schwellung sichtbar. Die übrigen Gelenke waren palpatorisch unauffällig. UNTERSUCHUNG DES RECHTEN KNIEGELENKES MITTELS COMPUTERTOMOGRAPHIE Bei diesem Bild handelt es sich um eine 3D volumetrische Bildrekonstruktion des CT-Scans. Wiederum ist auch auf dieser Aufnahme das OCD-Fragment sichtbar (weisser Pfeil) und eine deutlich unregelmässige Oberfläche des medialen Kondylus (gelber Pfeil). Mittels Röntgen und CT wurde eine umfangreiche, osteochondrale Läsion im medialen Femurkondylus diagnostiziert. Aufgrund der ausgedehnten Veränderungen gewichtstragender Gelenksflächen und der damit verbundenen, ungünstigen Prognose, wurde das Fohlen auf Wunsch der Besitzer euthanasiert. WEITERFÜHRENDE UNTERSUCHUNGEN Das Gelenkspunktat des linken Sprunggelenkes war entzündlich verändert (Gesamtprotein 26g/l, 17 Giga/L Leukozyten davon 90% Neutrophile). Die Blutuntersuchung war bis auf die erniedrigten Gammaglobuline (3,9g/l) in der Norm. Die radiologische Untersuchung des linken Sprunggelenkes ergab eine septischen Physitis im Bereich des medialen Malleolus. SEKTIONSBEFUNDE Die pathologische Untersuchung ergab ein ca. 4 cm grosses, osteochondrales Fragment. Im rechten Bild ist der beschädigte mediale Gelenksknorpel deutlich sichtbar (roter Pfeil). THERAPIE Das betroffene Gelenk wurde mehrmals gespült und mittels systemischer (Penicillin QID/Gentamicin SID) und lokaler Antibiose (Amikacin) behandelt. Weiter wurde dem Fohlen Entzündungshemmer (Meloxicam SID) und Plasma (total 6L über 3 Tage) verabreicht. Das Fohlen sprach zunächst gut auf die Therapie an, zeigte aber 3 Tage später eine mittelgradige Lahmheit hinten rechts und eine Schwellung im Bereich des rechten Femoropatellarund medialen Femorotibialgelenkes. Dieses Gelenkspunktat war ebenfalls entzündlich, aber nicht septisch verändert (Gesamtprotein 32g/l, 1.6 Giga/L Leukozyten davon 40% Neutrophile). LATEROMEDIALE UND CAUDOCRANIALE RÖNTGENAUFNAHME DES RECHTEN KNIEGELENKES Ein grosses halbmondförmiges ostechondrales Fragment ist cranial im medialen Femorotibialgelenk sichtbar (weisser Pfeil). Das Fragment scheint von dem medialen Femurkondylus zu kommen (schwarzer Pfeil). Die Wachstumsfugen (blaue Pfeile) und das rauhe erscheinungsbild der distalen Femurrollkämme entsprechen dem Alter des Fohlens und sind in der Norm. Das linke Kniegelenk war radiologisch unauffällig. DISKUSSION Osteochondrosis dissecans (= OCD) Läsionen im Kniegelenk sind meist im Bereich des lateralen Rollkammes lokalisiert, seltener am medialen Rollkamm oder an der Patella1. Berichte von Fohlen mit OCD Läsionen am lateralen oder medialen Femurkondylus sind selten. In einem Bericht von 20 Fällen2, werden Läsionen im Bereich der Femurkondylen aufgrund der radiologischen Veränderungen in 3 Typen unterteilt: -Typ I: Fokaler epiphysealer Defekt assoziiert mit septischer Osteomyelitis und Arthristis -Typ II : Lokale knöcherne Unregelmässigkeit der Gelenksoberfläche von <50% -Typ III: Lokale knöcherne Unregelmässigkeit der Gelenksoberfläche von >50% Bei den meisten der Fohlen im oben erwähnten Bericht2, ebenso wie bei unserem Fohlen, mit Typ III Läsion des Femurkondylus ging eine septische Komponente dem osteochondralen Defekt voraus. Ähnlich wie in den bisher publizierten Fallstudien, deuteten die histopathologischen Befunde auch in diesem Fall nicht auf eine direkte septische Genese der Veränderungen im rechten Kniegelenk hin. Eine thromboembolische Pathogenese dieser seltenen, schwerwiegenden Form von OCD wird daher als naheliegend betrachtet. REFERENZEN 1. McIlwraith C.W., Martin G.S. (1985) Arthroscopic surgery for treatment of osteochondrosis dissecans in the equine femoropatellar joint. Vet. Surg. 14, 105-116. 2. Hance S.R., Schneider R.K., Embertson R.M., Bramlage L.R., Wicks J.R.(1993) Lesions of the caudal aspect of the femoral condyles in foals: 20 cases (1980-1990). J. Am. Vet. Med. Assoc. 4, 637-46. OCD-Komplex VERLAUF
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