Arbeitspapiere – Haufe Redaktion, Petra Straub, Dipl.-Finw. (FH) Holm Geiermann, Manfred Geiken – TK Lexikon Sozialversicherung – 18. April 2016 Arbeitspapiere HI520226 Zusammenfassung LI1924226 Begriff Als Arbeitspapiere werden Dokumente bezeichnet, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis vorlegen muss. Nur so kann der Arbeitgeber seine gesetzlichen Verpflichtungen, z. B. Sozialversicherungsbeiträge, korrekt erfüllen. Im ELStAM-Verfahren ist die Vorlage der Lohnsteuerkarte grundsätzlich nicht mehr erforderlich. Der Arbeitgeber erhält die Lohnsteuerabzugsmerkmale direkt von der Finanzverwaltung. Auch Unterlagen, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aushändigen muss, werden als Arbeitspapiere bezeichnet. Dazu zählen die Kindergeldbescheinigung, der Sozialversicherungsausweis, die Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub, das Arbeitszeugnis, Unterlagen über vermögenswirksame Leistungen und die Arbeitsbescheinigung. Im Baugewerbe kommt die Lohnnachweiskarte, in der Lebensmittelbranche das Gesundheitszeugnis, bei ausländischen Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten die Arbeitserlaubnis und bei Jugendlichen die Gesundheitsbescheinigung hinzu. Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung Arbeitsrecht: § 2a Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz enthält spezielle Regelungen zur Mitführung von Personaldokumenten. Für die Vorlagepflicht des Sozialversicherungsausweises gilt § 18h SGB IV. Zu den wichtigen gesetzlichen Vorschriften gehören aus arbeitsrechtlicher Sicht noch Folgende: Bescheinigung über den im Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Erholungsurlaub, § 6 Abs. 2 BUrlG, Arbeitserlaubnis, § 284 SGB III bzw. Aufenthaltstitel gem. AufenthG, § 11 Abs. 1 AÜG bei Leiharbeitnehmern, Gesundheitsbescheinigung für Jugendliche (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG). Lohnsteuer: § 39 Abs. 1 EStG ordnet den Lohnsteuerabzug auf Basis der ELStAM an. Zum Abruf der ELStAM muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Daten mitteilen; vgl. § 39e Abs. 4 Satz 1 EStG. Unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, denen keine Identifikationsnummer zugeteilt wurde, müssen dem Arbeitgeber gem. § 39e Abs. 8 Sätze 1 und 4 EStG die vom Wohnsitzfinanzamt ausgestellte Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug vorlegen. Zur Ausstellung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für Kalenderjahre ab 2015 s. BMF, Schreiben v. 15.9.2014, IV C – S 2378/14/10001. Sozialversicherung: Für die Vorlagepflicht des Sozialversicherungsausweises gilt § 18h SGB IV. Beratungsblatt Weitere Informationen und Unterstützung zu diesem Thema finden Sie im Firmenkunden-Beratungsblatt Lohn- und Gehaltsunterlagen. HI7663077 Arbeitsrecht HI726514 1 Pflicht des Arbeitnehmers HI660592 Der Arbeitnehmer hat die Arbeitspapiere – außer Zeugnis und Arbeitsbescheinigung – bei Beginn des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber zu übergeben, der sie mit der erforderlichen Sorgfalt zu verwahren und bei schuldhaftem Verlust auf Schadensersatz zu haften hat. Seit dem 1.1.2009 besteht für Arbeitnehmer im Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbunden Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, bei Unternehmen der Forstwirtschaft, im Gebäudereinigungsgewerbe, bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen und in der Fleischwirtschaft eine Mitführungs- und Vorlagepflicht der sog. Personaldokumente. Die Vorlage oder Abgabe der Arbeitspapiere ist für die rechtliche Wirksamkeit des Arbeitsvertrags ohne Bedeutung. Allein wegen der Nichtvorlage des Sozialversicherungsausweises bei Beginn der Beschäftigung kann der Arbeitgeber weder fristlos noch fristgerecht kündigen, weil die Vorlagepflicht eine rein sozialversicherungsrechtliche Ordnungsvorschrift ist und kein Beschäftigungsverbot bei Nichtvorlage besteht. Im Übrigen kann der Arbeitgeber bei Nichtvorlage der Arbeitspapiere trotz wiederholter Aufforderung das Arbeitsverhältnis nur dann fristlos kündigen, wenn seine eigenen Interessen in einer Weise verletzt sind, dass bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung dem Arbeitgeber die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zuzumuten ist. Eine ordentliche Kündigung in den ersten 6 Monaten ist stets zulässig, danach in Betrieben mit mehr als 5 bzw. 10 Arbeitnehmern nur, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft durch die Nichtvorlage der Arbeitspapiere trotz wiederholter Aufforderung die Interessen des Arbeitgebers derart verletzt hat, dass die fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei umfassender Interessenabwägung sozial gerechtfertigt erscheint. Fristgemäße, u. U. sogar fristlose Kündigung ist z. B. gerechtfertigt, wenn ein ausländischer Arbeitnehmer die erforderliche Arbeitserlaubnis nicht vorlegt oder eine abgelaufene Arbeitserlaubnis nicht erneuern lässt. In diesen Fällen drohen dem Arbeitgeber bei Weiterbeschäftigung Strafen. Er ist zur Kündigung berechtigt, soweit das Arbeitsverhältnis nicht wegen bewusster Umgehung des § 284 SGB III (Arbeitserlaubnis für Ausländer) von vornherein nichtig ist. Der Arbeitnehmer kann eine Quittung über die Übergabe der Arbeitspapiere verlangen. 2 Ausfüllung und Herausgabe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses HI660593 Nach tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitspapiere herauszugeben. Der Arbeitnehmer hat sie abzuholen. Noch nicht fertig gestellte Arbeitspapiere hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf seine Kosten und Gefahr zu übersenden. Ist die sofortige Aushändigung aller Arbeitspapiere am Tag des Ausscheidens aus betriebstechnischen Gründen nicht möglich, so empfiehlt es sich, dem Arbeitnehmer zu bescheinigen, dass sich die Arbeitspapiere noch beim Arbeitgeber befinden und demnächst ausgehändigt werden. Schuldhaft verspätete Rückgabe oder falsche Ausfüllung führt zum Schadensersatzanspruch. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitspapieren steht dem Arbeitgeber selbst dann nicht zu, wenn er nicht befriedigte Forderungen hat. Das gilt auch bei Arbeitsvertragsbruch, wobei dem Arbeitgeber aber eine angemessene Frist zur Erledigung zu gewähren ist. Macht ein Arbeitnehmer neben der Herausgabe der ausgefüllten Lohnsteuerkarte zugleich für den Fall nicht fristgerechter Ausfüllung und Herausgabe ohne Einschränkung als Teilbetrag eine Entschädigung nach § 61 Abs. 2 ArbGG geltend, sind mit der Entschädigung in der Regel sämtliche Schadensersatzansprüche wegen der Nichtherausgabe abgegolten, auch solche wegen entgangener Lohnsteuererstattung. [ 1 ] 3 Gerichtliche Zuständigkeit HI660594 Für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten über Arbeitspapiere sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. [ 2 ] Klagen auf Herausgabe von ausgefüllten Arbeitspapieren sind bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten in diesem Sinne. Lohnsteuer HI726515 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses HI2330332 1.1 Elektronische Lohnsteuerkarte HI7362520 Im ELStAM-Verfahren [ 3 ] muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur noch in besonderen Fällen papierbasierte Dokumente für den Lohnsteuerabzug vorlegen. Grundsätzlich kann der Lohnsteuerabzug vorgenommen werden, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bei Eintritt in das Dienstverhältnis mitteilt: seine Identifikationsnummer und seinen Geburtstag. Des Weiteren muss der Arbeitnehmer angeben, ob und in welcher Höhe ein festgestellter Lohnsteuerfreibetrag im ELStAMVerfahren abgerufen werden soll. [ 4 ] Hinweis Papier-Lohnsteuerkarte wurde abgeschafft Bis zum Jahr 2013 musste der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für den Lohnsteuerabzug die Lohnsteuerkarte 2010 oder eine sog. Ersatzbescheinigung vorlegen. Mit Einführung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) gehört die Lohnsteuerkarte aus Papier der Vergangenheit an. 1.2 Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug HI7362521 Wurde einem unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer [ 5 ] keine Identifikationsnummer [ 6 ] zugeteilt, können ELStAM weder gebildet noch vom Arbeitgeber abgerufen werden. In diesem Fall stellt das für den Arbeitnehmer zuständige Wohnsitzfinanzamt auf dessen Antrag eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug aus. [ 7 ] Diese Bescheinigung ist ein Dokument, das der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber vorlegen muss. [ 8 ] Der Arbeitgeber muss diese entgegennehmen und während der Dauer des Dienstverhältnisses aufbewahren - längstens bis zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres. [ 9 ] Eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug ist auch in den Fällen vorzulegen, in denen einem nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtigen oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandelnden oder beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer keine Identifikationsnummer erteilt wurde. [ 10 ] Diese Bescheinigung ist auf Antrag des Arbeitnehmers allerdings vom Betriebsstättenfinanzamt zu erteilen. [ 11 ] Auch diese Bescheinigung ist vom Arbeitgeber als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen. [ 12 ] 2 Ende des Arbeitsverhältnisses HI2330333 Übermittelt der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigung elektronisch an die Finanzverwaltung, muss er dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder nach Ablauf des Kalenderjahres einen nach amtlichem Muster erstellten Ausdruck der elektronisch übermittelten Lohnsteuerbescheinigung aushändigen oder elektronisch bereitstellen. [ 13 ] Sozialversicherung 1 Der Sozialversicherungsausweis HI726516 HI2330334 Zu den Arbeitspapieren gehört der Sozialversicherungsausweis. Den Sozialversicherungsausweis erhält jeder Arbeitnehmer. Er wird bei erstmaliger Vergabe einer Versicherungsnummer vom Rentenversicherungsträger von Amts wegen ausgestellt. 1.1 Vorlagepflicht HI2767696 Der Beschäftigte hat dem Arbeitgeber den Sozialversicherungsausweis bei Beginn der Beschäftigung zur Bekanntgabe der Rentenversicherungsnummer vorzulegen. [ 14 ] Kann der Beschäftigte den Sozialversicherungsausweis bei Beschäftigungsbeginn nicht vorlegen, ist dies umgehend nachzuholen. 1.2 Hinterlegung HI660597 Der Sozialversicherungsausweis muss nicht beim Arbeitgeber hinterlegt werden. 1.3 Ersatz HI660596 Wenn der Sozialversicherungsausweis zerstört oder unbrauchbar wurde bzw. abhanden gekommen ist, wird auf Antrag ein neuer ausgestellt. Der Beschäftigte muss den Verlust der zuständigen Krankenkasse mitteilen. Unbrauchbare oder doppelte Sozialversicherungsausweise sind dort zurückzugeben. Jeder Beschäftigte darf nur einen, auf seinen Namen ausgestellten Ausweis besitzen. 2 Mitführung von Arbeitspapieren HI660595 Eine Pflicht zur Mitführung des Sozialversicherungsausweises besteht für den Arbeitnehmer nicht. Allerdings sind Arbeitnehmer bestimmter Branchen verpflichtet, amtliche Personaldokumente mitzuführen und bei Kontrollen der Zollverwaltung auf Verlangen vorzulegen [ 15 ] . Solche Dokumente sind der Personalausweis, der Reisepass oder deren Ersatzdokumente. Folgende Branchen sind davon betroffen: Bauwirtschaft, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Personenbeförderungsgewerbe, Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe, Schaustellergewerbe, Land- und Forstwirtschaft, Garten- und Landschaftsbau, Gebäudereinigungsgewerbe, Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen, Nahrungs- und Genussmittelherstellung, Sicherheitsdienstleistungsunternehmen, Briefdienstleistungsunternehmen, Telefondienstleistungsunternehmen, Entsorgungs- und Recyclinggewerbe. 2.1 Informationspflicht des Arbeitgebers HI2767697 Die Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer schriftlich über die Mitführungs- und Vorlagepflicht von Personaldokumenten zu informieren [ 16 ] . Arbeitgeber, die vorsätzlich oder fahrlässig ihre Arbeitnehmer nicht über deren Pflichten informieren, handeln ordnungswidrig. Diese Ordnungswirdrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 1.000 EUR geahndet werden. [ 17 ] Praxis-Tipp Informationspflicht des Arbeitgebers Die Informationspflicht sollte bei Beginn der Beschäftigung wahrgenommen und schriftlich dokumentiert werden. Geldbußen können so vermieden werden. [ 1 ] BAG, Urteil v. 20.2.1997, 8 AZR 121/95. [ 2 ] § 2 Abs. 1 Nr. 3e ArbGG. [ 3 ] S. Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale. [ 4 ] § 39e Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1-3 EStG. [ 5 ] § 1 Abs. 1 EStG. [ 6 ] §§ 139a, 139b AO. [ 7 ] § 39e Abs. 8 Satz 1 EStG. [ 8 ] § 39e Abs. 8 Satz 4 EStG. [ 9 ] § 39e Abs. 8 Satz 6 EStG. [ 10 ] § 39 Abs. 3 Satz 1 EStG. [ 11 ] § 39 Abs. 3 Satz 1 EStG. [ 12 ] § 39 Abs. 3 Satz 4 EStG. [ 13 ] BMF, Schreiben v. 15.9.2014, IV C 5 – S 2378/14/10001. [ 14 ] § 18h Abs. 3 SGB IV. [ 15 ] § 2a Abs. 1 SchwarzArbG. [ 16 ] § 2a Abs. 2 SchwarzArbG. [ 17 ] § 8 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG.
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