«Mit Raiffeisen bleibe ich immer verbunden.»

Fr. 8.–
«Mit Raiffeisen
bleibe ich immer
verbunden.»
Pierin Vincenz, CEO Raiffeisen-Gruppe
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8. September 2015 – www.cash.ch
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EDITORIAL – IMPRESSUM
EDITORIAL
Tiefe Zinsen bleiben noch lange
bestehen. Immer wichtiger wird
dabei die Eigenverantwortung in
Finanzfragen.
Abschaffung der Kursuntergrenze zum Euro und Einführung von
Negativzinsen: Kein anderes Ereignis prägte das Schweizer Finanzjahr 2015 dermassen wie der geldpolitisch historische Akt der
Schweizerischen Nationalbank von Mitte Januar. Die Märkte haben sich nach wochenlangem Ausnahmezustand inzwischen weitgehend beruhigt.
Doch das kann noch Jahre dauern, und auf der Schattenseite der
Tief- und Negativzinsen stehen je länger, je mehr Pensionskassen,
Versicherer und Sparer. Sie erhalten kaum noch Erträge auf ihren Einlagen, Grossinvestoren müssen gar draufzahlen. Gerade bei
Pensionskassen wird in den nächsten Jahren mit einer deutlichen
Verschlechterung der Deckungsgrade gerechnet.
Doch Tief- oder Negativzinsen beschäftigen Anleger weiter, und
das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch diese Ausgabe
von cash VALUE, dem zweimal jährlich erscheinenden Magazin
für Geld und Anlageentscheide von cash. Zinsveränderungen beeinflussen Sparkontenerträge, Devisenkurse, Obligationenrenditen, Aktienmärkte, Edelmetallkurse. Und Zinsänderungen können
ganze Geschäfte beflügeln.
Umso wichtiger ist daher das persönliche Engagement und die Eigenverantwortung mit Blick auf die Altersvorsorge und die Vermögensvermehrung. Diese Ausgabe von cash VALUE bietet Ihnen
wie immer eine Fülle von Artikeln und Experten-Interviews mit
Tipps, wie Sie trotz Tiefzinsumfeld mehr aus Ihrem Geld machen
können – vor allem auf mittel- und langfristige Sicht.
Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit dem cash VALUE.
Das erfuhr auch die Raiffeisen-Gruppe, die dank des Tiefzinsumfelds ihr Hypothekenwachstum in den letzten Jahren massiv gesteigert hat. «Wir haben da Chancen gepackt, und ich bin zuversichtlich, dass unser Wachstum gesund ist», sagt der abtretende
Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz im Interview. Er hält im cash
­VALUE Rückschau auf seine 16 Jahre als Chef der drittgrössten
Bankengruppe der Schweiz. Wie sicher das Hypotheken-Wachstum ist, wird sich zeigen, wenn es zu Zinserhöhungen kommt.
Daniel Hügli, Chefredaktor cash
Impressum
cash VALUE vom 8. September 2015: Gedruckt als Spezialversand an Finanzindustrie und Anleger (Auflage: 25 000), als PDF auf
www.cash.ch Herausgeber: cash zweiplus ag, Bändliweg 20, 8048 Zürich, Telefon: 044 436 77 77, Mail: [email protected]
Geschäftsführer: Urban Scherrer (CEO) Chefredaktor: Daniel Hügli Redaktion: Marc Forster, Ivo Ruch, Pascal Züger Mitarbeit: Daniel
Dubach Layout: Haus der Kommunikation, Hinterdorfstr. 9, 8702 Zollikon Produktion/Bildredaktion: Thomas Demuth, Dominik Hertach
Titelbild: Paolo Dutto, Zürich Anzeigen: Marco Spadacini, Head of Sales, [email protected]; Pascal Weder, Senior Account
Manager, ­[email protected]; Urs Wolperth, Key Account Manager, [email protected] Marketing: Silvan Franchetto Werbung:
www.cash.ch/werbung Druck: Passen & Partner Copyright: cash zweiplus ag
3
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Ausführliche Hinweise zu Chancen und Risiken entnehmen Sie bitte dem letztgültigen Verkaufsprospekt. Massgeblich sind die Angaben im Verkaufsprospekt sowie der aktuelle Halbjahres- und
Jahresbericht. Den Verkaufsprospekt, die Berichte sowie die Wesentlichen Anlegerinformationen erhalten Sie kostenlos bei der Verwaltungsgesellschaft ETHENEA Independent Investors S.A.,
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(Schweiz) AG, Münsterhof 12, Postfach, CH-8022 Zürich.
SCHWERPUNKTE – INHALT
INHALT
32
14
30
08 INTERVIEW PIERIN VINCENZ
22 ANLEGEN IM NÄCHSTEN JAHRZEHNT
Der abtretende Raiffeisen-CEO blickt auf seine 19 Jahre
bei der Bank zurück.
Sechs Experten geben Anlage-Tipps.
24 FINANZPLANUNG KANN GELD WERT SEIN
11 DIVIDENDEN: VON KÖNIGEN UND PERLEN
Eine Finanzplanung ist nicht nur etwas für Millionäre.
Bei Dividendenaktien können die Begriffe nicht edel genug klingen. Doch das kann trügerisch sein.
14 DIE FIEBERMESSER DER AKTIENMÄRKTE
26 INTERVIEW GREGOR GREBER
Der Aktienspezialist Gregor Greber über sein Engagement
als Aktionär und Kaufmöglichkeiten an der Schweizer Börse.
Aktienindizes sind für Anleger Orientierungspunkte. Sie
wirken wie Fiebermesser für ganze Länder.
28 DIE BANK DER ZUKUNFT
17 AN DER BÖRSE RICHTIG INVESTIEREN
Die Banken sind im digitalen Umbruch.
Wer sich blindlings in die Börsen stürzt, kann leicht Schiffbruch erleiden. So grenzen Sie das Risiko ein.
30 BÖRSENEVENTS, DIE NIE EINTREFFEN
18 EIN TAG IM LEBEN EINER ANALYSTIN
Aktien-Analystin Sibylle Bischofberger plaudert aus dem
Nähkästchen.
Es gibt Events in der Schweizer Börsenwelt, die schlicht
nicht möglich sind. Oder vielleicht etwa doch?
32 VORSORGE: DAS MÜSSEN SIE WISSEN
Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Vorsorge.
20 ALLE KÖNNEN FONDSMANAGER SEIN
34 INTERVIEW ROLF HILTL
Mit Social Trading werden die Grenzen zwischen Profis
und Laien verwischt.
Der Gastronom über Erfolg und Investments.
5
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IN KÜRZE NEWS
UND EWIG LOCKT
DIE «AMEISE»
Die Schweizer horten mehr Bargeld. Die
1000er-Noten sind beliebt wie nie zuvor.
Treten Sie der
cash‑Community bei
D
as Finanzportal cash.ch liefert seinen Besuchern nicht bloss topaktuelle News zum Wirtschaftsgeschehen sowie Bankdienstleistungen. Seit Jahren ist
cash.ch auch fest verbunden mit seiner
Leserschaft – via Community mit Leserforum oder via Social Media. Hier ein Überblick:
VON DANIEL HÜGLI
Forum
Gegründet 1999, über 1000 aktive Schreiber, mehr als 100 Beiträge pro Tag: Das
cash-Forum ist das grösste und älteste Börsenforum der Schweiz. Diskutieren Sie mit!
(cash.ch/community)
D
as Porträt auf der Vorderseite der
Schweizer
1000-Franken-Note
zeigt den Kulturhistoriker Jacob
Burckhardt. Doch noch heute wird die Note
umgangssprachlich «Ameise» genannt, angelehnt an das Sujet auf der 1976 eingeführten Banknotenserie. Die «Ameise»
(oder der «Burckhardt») ist mittlerweile
die wertvollste und schwerste Banknote
der Welt, seit Singapur die Produktion des
10 000-Dollar-Scheins (etwa 7500 Franken) gestoppt hat.
Bereits in den letzten zehn Jahren war die
Anzahl der 1000er-Noten im Umlauf um
70 Prozent gestiegen. Die Einführung von
Negativzinsen der Schweizerischen Nationalbank führte zu einer weiteren sprunghaften Nachfrage nach 1000er-Noten gerade seit Dezember 2014.
Mehr Bargeld horten seither tendenziell Grossanleger wie Pensionskassen, die
die Strafzinsen der SNB damit umgehen
wollen. Aber auch Private, weil das Sparkonto kaum noch Zinsen abwirft und weil
Leserkommentare
Seit Jahren kommentieren die Leser eifrig
die Artikel auf cash.ch. Jüngst wurde die
Kommentarfunktion modernisiert.
Zum Horten von Bargeld besonders geeignet: die 1000er-Note.
Keystone
seit der Finanzkrise generell ein diffuses
Misstrauen gegenüber dem Finanzsystem
herrscht. So lässt sich das Phänomen des
Bargeldhortens etwa auch in Deutschland
beobachten.
Keinen Gefallen findet die SNB am Horten der 1000er-Noten. Denn im Extremfall
kann Bargeldbunkern die Stabilität des Finanzsystems bedrohen. Und je mehr Cash
gehortet wird, desto weniger wirken die
Negativzinsen der Nationalbank.
Social Media
Finden Sie die cash-News und Videos auf
Twitter, Facebook, Google+ und Youtube.
Social Trading
Sie möchten eigene Anlagestrategien erstellen, andere daran teilhaben lassen – oder
beobachten, welche Firmen im Netz am
meisten diskutiert werden? Dann benutzen
Sie Wikifolio und Sentifi auf cash (siehe
auch Seiten 21 und 22).
15-Jahr-Jubiläum für kotierte Indexfonds
S
eit 15 Jahren – genauer seit September
2000 – gibt es Exchange Traded Funds
(ETF) an der Schweizer Börse. Schon länger sind ETF an den Börsen in den USA
kotiert, wo sie in den frühen 1970er-Jahren erfunden wurden. ETF bilden Indizes
(Aktien, Geldmarkt, Obligationen, Immobilien, Hedgefonds, Währungen oder Rohstoffe) eins zu eins ab.
Die Schweiz ist in den letzten 15 Jahren
zum grössten ETF-Markt Europas emporgestiegen. Etwa 25 Prozent der rund 500
Milliarden Dollar, die in Europa in ETF
angelegt sind, sind über die Schweizer
Börse geflossen. Anfang Jahr wurde an der
Schweizer Börse erstmals die Marke von
1000 gehandelten ETF übertroffen.
Dennoch spielen ETF im A
­ nlageuniversum
der Schweizer eine relativ kleine Rolle. Der
Marktanteil der ETF am gesamten S­ chweizer
Fondsmarkt liegt bei etwa 10 Prozent – eine
geringe Zahl im Vergleich zu den USA. ETF
in der Schweiz sind vor allem ein Ding der
ins­titutionellen Investoren (Banken, Versicherer, Pensionskassen) – Privatanlegern
fehlt oft das nötige Wissen für einen Kaufentscheid zugunsten von ETF. Sie setzen in
der Regel lieber auf Einzeltitel.
Nicht nur News: cash.ch ist auch Heimat
einer grossen Community. cash
7
INTERVIEW PIERIN VINCENZ
«DER KAUF VON WEGELIN
WAR AUCH EIN RISIKO»
Pierin Vincenz blickt auf seine Zeit als Raiffeisen-CEO zurück.
Er sagt, was die Grundpfeiler seines Managementstils sind.
INTERVIEW: MARC FORSTER, IVO RUCH
BILDER: PAOLO DUTTO
Im Lauf der Jahre wurde er als Raiffeisen-CEO einer der bekanntesten Banker der Schweiz: Pierin Vincenz.
Herr Vincenz, in 19 Jahren bei Raiffeisen haben Sie häufig zu Politik und
Gesellschaft Stellung genommen. War
die Politik nie ein Thema für Sie?
Das «Milizsystem» erlaubt es, die Funktionsweise der Politik kennenzulernen. Darum müssen wir auch junge Banker für eine
politische Karriere motivieren. Bei mir hat
sich dies damals nicht ergeben – vielleicht,
wenn ich im Kanton Graubünden geblieben wäre, hätte ich die nötigen Kontakte
8
gehabt. Ich war aber damals nicht «sesshaft»: Ich war in Chicago, ich arbeitete in
der Industrie und war viel unterwegs. Erst
als ich 1996 zu Raiffeisen ging, war dies
ein bewusster Entscheid, in der Schweiz zu
bleiben. Erst dann hätte Politik wieder ein
Thema werden können.
Bei Themen wie dem Bankgeheimnis,
dem automatischen Informationsaustausch oder der Geldpolitik äusserten
Sie umstrittene Überlegungen. Liegt
es in Ihrer Natur, bewusst anecken zu
wollen?
Ich glaube, wenn man Trends, nicht Modetrends, langfristig beobachtet, dann muss
man sich positionieren. Zur unternehmerischen Verantwortung gehört es, Positionen zu beziehen, Klartext zu reden. Banken
sind keine eigene Welt: Wir sind im Grunde
­genommen wie ein Bäcker oder ein Elektriker – also jemand mit einem Produkt oder
PIERIN VINCENZ INTERVIEW
einer Leistung für den täglichen Gebrauch
– und sind so Teil der Gesellschaft.
Glauben Sie, in der Diskussion, etwa
um das Bankgeheimnis, etwas zur
Entwicklung beigetragen zu haben?
Für den Finanzplatz war sehr wichtig, sich
dem Trend zu deklarierten Geldern anzupassen. Das ist in einem entwickelten
Land auch eine gesellschaftspolitische
Frage.
gieren. Damit habe ich gute Erfahrungen
gemacht, zum Beispiel, als ich 2013 ein
zweimonatiges Sabbatical machte.
Entscheiden Sie gerne?
Ja, ich entscheide gerne, ich sage auch den
Führungskräften, sie sollen Entscheidungen fällen. Die können auch mal weh tun.
Es ist eine Stärke von Raiffeisen, dass wir
schnell entscheiden
können, trotz dezentraler Organisation.
Mit dem Helikopter
zu Terminen?
«Ich sagte immer:
Auch bei Raiffeisen
kommen wir nicht
mit dem Traktor.»
Was lief falsch?
Hätte man mit diversen Ländern früher
zu verhandeln angefangen, hätte man
im Sinne der Kunden mehr herausholen
können. Denn diese
Kunden vertrauten ja uns, den Schweizer
Banken. Man sperrte sich zu lange und
handelte am Ende unter Zwang. Jetzt haben wir den automatischen Informationsaustausch, der zu lange als Unwort galt,
aber wir haben wenig dafür bekommen, wie
beim EU-Marktzutritt.
Berichte, dass Sie mit dem Helikopter
zu Terminen flogen, kollidierten mit
dem bodenständigen Raiffeisen-Bild.
Störte Sie solche Kritik?
Ich sagte immer: Auch bei Raiffeisen kommen wir nicht mit dem Traktor. Es ging mir
darum, Selbstbewusstsein zu stärken, daher waren solche Dinge auch ein bisschen
provoziert. Man sollte ja nicht das Gefühl
haben, Raiffeisen sei «weniger» als die anderen. Aber klar, die Kritik kam und war
heftig. Gerne hat man das nicht, aber es
ist unvermeidlich. Und mir war schon bewusst, dass man nicht beliebig provozieren
konnte. Zu weit ging ich dann auch nicht,
ich habe daraus gelernt.
Beim Kauf e­ ines
Teils der Bank
­Wegelin 2013
­attestierte man
­Ihnen eine gewisse
Kaltblütigkeit. Ist
auch das Teil Ihrer
Persönlichkeit?
Bei Wegelin entschied gemäss der Governance natürlich der Verwaltungsrat, als
operativ Verantwortlicher sass ich aber auf
dem Fahrersitz. Wir konnten damals nicht
abschliessend beurteilen, ob nicht amerikanische Rechtsfälle auf Raiffeisen überschwappen könnten. Das Risiko ging man
bewusst ein, und wäre es schiefgelaufen,
wäre es für mich ungemütlich geworden.
Dessen war ich mir bewusst. Aber auch das
ist unternehmerische Verantwortung!
Raiffeisen ist 2014 als systemrelevant
eingestuft worden. Gibt das nicht
Kritikern recht, die sagten, Raffeisen
nehme zu viele Risiken auf sich?
Wenn man so wächst und über viele Jahre
eine Erfolgsgeschichte schreiben kann
wie Raiffeisen, dann hat man auch Kritiker und Neider. Das Hypothekenwachstum
war ein solches Thema. Aber unser Portfolio ist ausbalanciert, wir finanzieren vor
allem das selbstbewohnte Wohneigentum.
Wir haben pro Jahr 70 000 bis 80 000 Zuwanderer, und die wohnen nicht in Zelten,
sondern in Beton. Wir haben da Chancen
gepackt, und ich bin sehr zuversichtlich,
dass unser Wachstum gesund ist. Die Systemrelevanz ist auch ein Zeichen, dass
Raiffeisen gross und bedeutend geworden
ist. Eigentlich sind das Good News. Der
Kunde weiss auch, dass wir dadurch noch
sicherer geworden sind.
In Ihre Zeit als CEO fällt ein Digita­
lisierungsschub bei den Banken.
­Haben Sie schnell genug reagiert?
Die Bankenwelt ist vorerst stark damit beschäftigt, zu industrialisieren und zu auFORTSETZUNG AUF SEITE 10
­ luster
Raiffeisen ist ein dezentraler C
kleiner Banken, aber Sie wurden
über die Jahre immer prominenter.
Wie verträgt sich das?
Wissen Sie, in Délémont ist der Bankleiter vor Ort das Gesicht von Raiffeisen. Ich
bin ja nicht deren Chef, die Banken sind
selbstständig. Wir schauten, dass die Banken ihre regionale Identität behalten. In
den Belangen der Raiffeisen-Gruppe war
es aber schon so, dass ich in den Fokus gelangt bin.
PIERIN VINCENZ
Wie beschreiben Sie Ihren
­Managementstil – und warum ist
­dieser der richtige?
Ich setze stark auf unternehmerische Verantwortung und Freiheit. Das heisst auch,
dass die Mitarbeiter Ideen bringen und
Chancen packen müssen. Für mich gilt der
Satz: Kontrolle ist gut, aber Vertrauen ist
besser, und nicht umgekehrt. Man muss
auch interessante Arbeiten weiterdele-
Lag dies auch an den allgemeinen
Veränderungen in der Schweizer
Bankenwelt?
Das Wachstum, die Strategie oder auch
die Finanzkrise führten dazu, dass jemand
die Marke vertreten musste. Heute braucht
man ein Gesicht, einen Namen. Die Fokussierung auf Personen ist natürlich viel stärker geworden. Mein Nachfolger Patrik Gisel wird sofort in diese Rolle eintreten.
CEO RAIFFEISEN-GRUPPE
Geboren 1956 im Kanton Graubünden,
begann der Betriebswirtschafter seine Laufbahn 1979 bei Banken in der Schweiz und
im Ausland. 1996 ging er zu Raiffeisen und
­wurde 1999 Vorsitzender der Geschäftsleitung. Anfang Oktober gibt er sein Amt ab
und wird Präsident der Helvetia Versicherungen. Der begeisterte Sportler spielte in
jungen Jahren unter anderem beim FC Chur.
9
INTERVIEW PIERIN VINCENZ
FORTSETZUNG VON SEITE 9
tomatisieren. Digitalisierung ist eine Entwicklungsphase, in der noch vieles offen
und schwer abschätzbar ist.
Was heisst dies für Raiffeisen?
Ob «physisches» Bankgeschäft oder digital, es geht immer um einen Markennamen und um die Kunden und den Inhalt:
Die Marke Raiffeisen erweckt Sympathie
und steht für Kompetenz. Wir haben vier
Millionen Kunden in der Schweiz, davon
die Hälfte Eigentümer. Das ist eine starke
«Community». Und was den Content betrifft: Wir sind mehr als nur ein Bankdienstleister, wir bewegen im Jahr 1,5 Millionen Menschen zu Events. Wir müssen
aber agil bleiben und die Community weiter an uns binden, aber auch den Content
weiterentwickeln. Das wird auch im digitalen Geschäft weitergehen.
Wie reagieren Ihre mehrheitlich
auf dem Land ansässigen Kunden
­darauf?
Wir haben es schon bei der Einführung des
E-Bankings gesehen: Die ländliche Bevölkerung braucht diese digitalen Möglichkeiten viel mehr, als man denkt. Das liegt
daran, dass dort die Bank örtlich meistens
weiter weg ist. Digital kommt man näher an
den Kunden.
Mussten Sie angesichts dieser
­Veränderungen, Entscheidungen
und Initiativen Raiffeisen nicht
­letztlich zentralisieren?
Wir haben nach wie vor die Autonomie und
die Agilität von rund 300 selbststän­digen
­Banken, aber
schliesslich haben wir auch eine Gruppe
gebildet. Das Verhältnis von Mitarbeitern
in den Banken und in der Zentrale – drei
Viertel zu einem Viertel – ist immer in etwa
gleich geblieben. Klar, die Informatik und
teilweise die Verarbeitung sind zen­tralisiert.
Die Regulierung führt
auch zu einer gefühlten
Zent­ralisierung.
«Die ländliche
­Bevölkerung braucht
die digitalen
­Möglichkeiten mehr,
als man gemeinhin
denkt.»
Wie haben Sie dann
die RaiffeisenBeson­derheiten bewahrt?
Der unternehmerische
Spirit und die Kompetenzen sind ausgeprägt
und bewusst vor Ort geblieben. Das Wachstum mussten wir natürlich über die Gruppe sicherstellen, weil
wir erst dann kapitalmarktfähig wurden.
Hätten Sie rückblickend gewisse
Dinge anders gemacht? Gibt es
v­ erpasste Chancen?
Das sind immer Sachen, die man etwas
verdrängt (lacht). In einer unternehmerischen Entwicklung gibt es immer wieder
Entscheidungen, die man auch hinterfragen kann. Aber für mich ist wichtig, dass
man Initiativen ergreift. Es läuft auch mal
etwas nicht so gut. Das muss es auch geben. Aber es gibt substanziell nichts, wo
ich einen grossen Fehler sehe.
Sie bleiben über Ihr Mandat bei
der Private-Equity-Gesellschaft
­Investnet stark mit Raiffeisen verbunden. Ganz
Pierin Vincenz (rechts) im Gespräch mit den cash-Redaktoren Ivo Ruch (links) und
Marc Forster.
10
l­oslösen können oder wollen Sie sich
­offenbar doch nicht?
Mit Raiffeisen bleibe ich immer verbunden. Die Aufgabe bei Investnet ist eine
interessante und fruchtbringende Kombination. Ich kenne den Finanzpartner und
seine Anliegen bestens
und kann unternehmerische Initiativen fördern.
Hören wir ­weiter
von Ihnen als
P
­ räsident der
Helvetia Ver­
sicherungen?
Die Rollen eines Verwaltungsratspräsidenten und eines CEO sind verschieden. Ich
möchte sie bei der Helvetia so spielen wie
bei Raiffeisen, also dass der CEO sich öffentlich engagiert. Das ist auch gut so. Es
wird eine neue Herausforderung sein, eine
neue Rolle als Verwaltungsratspräsident zu
bekleiden. Aber das ist auch gewollt.
Werden Sie Ihren Status in der
­Öffentlichkeit auch etwas vermissen?
Ich bin überzeugt, dass ich sehr gut vorbereitet bin. Das macht mir keine Sorgen.
Die Präsenz war immer auch Aufwand, ich
musste dies pflegen. Es hat positive Seiten,
wenn dies nicht mehr so stark ist.
Ist der Schritt zum Helvetia-­
Präsidium eine Art «Früh­
pensionierung» oder arbeiten Sie
nur noch Teilzeit?
Ich gehe davon aus, dass ich weiterhin 100
Prozent arbeite. Mein Modell war: 30 Jahre
ging ich zur Schule und hatte auch viele
Freiheiten, dann habe ich 30 Jahre intensiv gearbeitet, und wenn es die Gesundheit
erlaubt, kommen noch einmal 30 Jahre.
Diese müssen auch noch gestaltet werden. Ich werde meine Zeit anders einteilen
müssen, und natürlich werden nicht mehr
die meisten Termine auf ein Jahr hinaus fixiert sein. Darauf freue ich mich.
Sieht man Sie auch wieder auf
dem Fussballplatz?
Nur als Zuschauer, spielend eher nicht, so
schnell bin ich nicht mehr (lacht). Aber ich
werde mehr in der Natur sein, Ski fahren
oder Golf spielen.
DIVIDENDEN RENDITE
DIVIDENDE IST NICHT GLEICH
DIVIDENDE
Aristokraten, Könige, Perlen: Bei Dividendenaktien können die
­Begriffe nicht edel genug tönen. Doch das kann trügerisch sein.
VON IVO RUCH
D
ie historisch tiefen Zinsen bedeuten Anlagenotstand für Investoren.
Bei ihrer Suche nach Rendite sind
die Anleger in den letzten Jahren immer
häufiger auf Aktien mit hohen Dividenden
gestossen. Jahr für Jahr robuste Auszahlungen zu bekommen, ist verlockend. Doch
Dividende ist nicht gleich Dividende. Denn
das alleinige Lechzen nach möglichst viel
Gewinnbeteiligung führt nicht selten in die
falsche Richtung. Anleger müssen bei hohen Dividendenrenditen aufpassen.
Nebst der Höhe ist auch die Konstanz
der Dividende entscheidend
Denn eine zu hohe Ausschüttung des Gewinns an die Aktionäre kann die Substanz
einer Firma aushöhlen. Hohe Dividenden
können zudem auch ein Zeichen sein, dass
Firmen ihre Probleme zuschütten und die
Aktionäre zufriedenstellen wollen.
Für Anleger ist deshalb neben der Höhe
der Ausschüttung vor allem ihre Konstanz
entscheidend. Nur Unternehmen, die auf
einem gesunden Fundament stehen und
einen regelmässigen Cashflow generieren,
können die Dividende über einen langen
Zeitraum garantieren. Hinzu kommt, dass
die Beliebtheit von dividendenstarken Titeln vielerorts zu hohen Bewertungen der
Aktien geführt hat. Am Schweizer Aktienmarkt ist dies beispielsweise bei Kaba,
­Valora oder Burkhalter der Fall.
An den Börsen gibt es echte und selbst
gekrönte Dividendenkönige.
Pixabay
Auch Starinvestor Warren Buffett
steht auf die Coca-Cola-Aktie
Neben Dividenden muss eine Aktie somit
auch Potenzial in ihrem zukünftigen Kursverlauf aufweisen. Erst dann wird sie zur
«Perle». Um solche Titel zu identifizieren,
lohnt sich ein Blick auf den Ausschüttungsverlauf vergangener Jahre. Börsianer
nennen Aktien «Aristokraten», wenn sie in
den mindestens letzten 25 Jahren ihre Ausschüttung regelmässig erhöhten. «Könige»
schafften das sogar während 50 Jahren.
Solche Musterschüler sind häufig in Branchen wie Nahrungsmittel oder Konsumgüter zu finden, wie zum Beispiel CocaCola. Der Getränke-Gigant hat in diesem
Jahr die Dividende zum 53. Mal gesteigert. Seit 1920 erhalten die Aktionäre
nun schon eine Dividende, zuletzt wurde
sie um 9 Prozent erhöht. Kein Zufall also,
dass Staranleger Warren Buffett ebenfalls
FORTSETZUNG AUF SEITE 13
So funktioniert die Dividendenzahlung
Beantragung
Ex-Tag
GV
unterschiedliche Dauer
ca. 2 Börsentage
Auszahlung
Stichtag
1 Börsentag
1 Börsentag
Der Verwaltungsrat schlägt
Ex-Dividend-Day: Die Aktie wird «Ex-Divi-
Stichtag: Die Aktiengesellschaft legt fest, wel-
eine Dividende vor, die an der Generalver-
dende» gehandelt, das heisst, der Wert der
che Aktionäre Anrecht auf eine Dividende ha-
sammlung zur Abstimmung kommt.
Auszahlung wird vom Aktienkurs abgezogen.
ben. In der Regel ist der Stichtag zwei Börsen­
An und nach diesem Tag haben neue Aktien-
tage nach «Ex-Dividende».
Beantragung:
Generalversammlung (GV): Aktionäre stim-
käufer keinen Anspruch mehr auf die aktuelle
men der Dividende zu oder lehnen sie ab.
Dividende.
Auszahlung: Die Ausschüttung wird ausgelöst.
11
GASTBEITRAG UBS
TIEFE ZINSEN RUFEN NACH
ALTERNATIVEN
Langfristig stehen die AHV und auch einige Pensionskassen vor
grossen Problemen. Private Vorsorge wird daher immer wichtiger.
A
HV und wohl einige Pensionskassen können ihre Verpflichtungen
langfristig nur noch bedingt erfüllen. Umso wichtiger ist die private Vorsorge, besonders über die steuerbegünstigte Säule 3a. Doch die Kontozinsen sind
auf einem Rekordtief. Eine Alternative
stellen Vorsorgefonds dar, mit denen Sie
an der Entwicklung der Finanzmärkte teilhaben und langfristig von höheren Ertragschancen profitieren können.
Unsere Altersvorsorge basiert auf drei Säulen: der AHV (1. Säule), der Pensionskasse
(2. Säule) und dem privatem Vorsorgesparen (3. Säule). Doch das staatlich propagierte Bild von den drei Säulen ist unglücklich gewählt. Denn eigentlich müsste
unser Vorsorgesystem eher von drei Bäumen mit kräftigen Wurzeln, einem mächtigen Stamm und weit ausladenden Ästen
getragen sein. Statt statischen Säulen, die
unter Wind und Wetter leiden und mit dem
Alter bröckeln, brauchen wir viel eher gesunde Bäume, die sich den Umwelteinflüssen anpassen, wachsen und viele Früchte
tragen.
Notwendigkeit einer Reform scheint
unausweichlich
Ohne das Bild zu strapazieren, zeigt sich
rasch, dass zwei der Bäume an ihre Wachstumsgrenzen gelangt sind und teils kräftige
Verwitterungszeichen zeigen: Die AHV
kann ihre heutigen Leistungen in absehbarer Zukunft wahrscheinlich nicht mehr
erbringen. Die Zahl der erwerbstätigen
Prämienzahler sinkt, die Zahl der Rentenbezüger steigt. Wo heute noch 3,5 Beitragszahler auf einen AHV-Rentner kommen, werden es bereits in 20 Jahren bloss
noch zwei sein. Die Notwendigkeit einer
Reform scheint unausweichlich. Nicht viel
besser steht es um die berufliche Vorsorge:
Aus dem ursprünglichen Topf, in den jeder
12
für sein eigenes Alter einzahlt, ist längst
eine Umverteilungsmaschinerie entstanden – vor allem von Jung zu Alt, denn die
heute und künftig ausbezahlten Renten
sind längst nicht mehr selbstfinanziert. Die
garantierten Leistungen sind zu hoch und
die sicher erzielbaren Kapitalerträge sind
zu gering, um das entstandene Loch stopfen zu können.
Vorsorgekonten der Säule 3a bringen
nur noch bescheidenen Zins
Umso wichtiger ist, dass sich der dritte
Stamm – die private Vorsorge –, gesund
entwickeln kann und möglichst viele
Früchte trägt. Doch Zinsen gibt es auf den
steuerbegünstigten Konten der Säule 3a
kaum mehr. Einige Anbieter sind sogar zu
einer Nullverzinsung übergegangen, nachdem sich die Zinsen weltweit bereits seit
Längerem auf historisch tiefem Niveau bewegten. Auslöser war der Negativzins für
Giroguthaben, den die Nationalbank verfügt hat. Damit wollte sie der Aufwertung
des Schweizer Frankens entgegentreten.
Vorsorgefonds eröffnen deutlich höhere Renditechancen
Interessant könnten Vorsorgefonds sein,
welche unter Einhaltung der BVG-Richtlinien breit diversifiziert über Anleihen,
Aktien und Immobilien mit Fokus auf weltweite Anlagen investieren. Damit nehmen
Sie an der Entwicklung der Finanzmärkte
teil und können dadurch von höheren Ertragschancen profitieren – vor allem dann,
wenn Ihr Anlagehorizont noch viele Jahre
beträgt. Investitionen in Aktien bergen jedoch auch Risiken. Ihre Kurse schwanken
in der Regel stärker als etwa jene von Anleihen. Das setzt eine entsprechende Risikofähigkeit voraus. Deshalb sollten Ihre
Reserven gross genug sein, um einen möglichen Verlust oder temporäre Schwankun-
gen zu kompensieren. Ebenso wichtig ist
es, dass Anleger trotz steigender oder fallender Kurse noch ruhig schlafen können.
Fachleute sprechen von der Risikotoleranz.
Ist das eine oder das andere nicht gegeben,
empfiehlt sich eine tiefere Aktienquote.
Gibt es einen optimalen Zeitpunkt für
den Einstieg in Vorsorgefonds?
Der optimale Zeitpunkt kann leider nicht
vorhergesehen werden. Um das Risiko des
falschen Einstiegszeitpunkts zu minimieren, können die Einzahlungen mittels einer automatisierten Anlageinstruktion investiert werden. So erhöhen Sie die Chance
eines günstigen durchschnittlichen Einstandspreises.
Einige wenige Vorsorgelösungen bieten die
Flexibilität, bei Erreichen des Pensionsalters über einen Verkauf, Teilverkauf oder
Übertrag ins private Wertschriftendepot zu
entscheiden.
Nehmen Sie mit den UBS Vitainvest Vorsorgefonds an der Entwicklung der Finanzmärkte teil und profitieren Sie langfristig
von höheren Ertragschancen. Die Fonds
bieten sich für das gesamte Vorsorgespektrum an und sind besonders beim langen
Anlagehorizont der 2. und 3. Säule die optimale Ergänzung zur Kontolösung.
Infos: ubs.com/vitainvest
VINCENT DUVAL
UBS
Vincent Duval ist
Portfolio Manager von
UBS Vitainvest Funds
bei UBS Global Asset
Management.
DIVIDENDEN RENDITE
FORTSETZUNG VON SEITE 11
Coke-Aktien in seinem Portfolio hat. Ähnlich beeindruckende Zahlen kann der USKonsumgüterkonzern Procter & Gamble
liefern. Die Dividendenrendite – also das
Verhältnis von Dividende pro Aktie zum
Aktienkurs – liegt sogar noch höher. Weitere internationale Dividendenperlen sind
Danone, Novo Nordisk oder McDonald’s.
Regelmässig höhere Dividenden sind
positiv für den Aktienkurs
Die kanadische Bank of Montreal gibt ihren Eigentümern sogar seit 1829 Gewinnanteile ab. Und der Werkzeughersteller
Stanley Black & Decker beweist seit 1877
Ausschüttungsdisziplin. Daten aus den
USA zeigen überdies, dass Firmen, die
ihre Dividenden regelmässig erhöhen, eine
bessere
Kursperformance hinlegen als der
Gesamtmarkt. Gleichzeitig kann eine Dividendenkürzung ein
deutliches Warnsignal
sein, sich von einem
Investment zu trennen.
Eine Studie zum amerikanischen Aktienmarkt über einen Zeitraum von 40 Jahren
ergab eine deutlich schlechtere Performance von Aktien, die ihre Dividenden
kürzen oder sogar streichen mussten.
Auch am Schweizer Aktienmarkt gibt es
Dividendentitel mit internationalem TopFormat.
Als Vorbild schlechthin galt lange Zeit
Swisscom. Zwischen dem Börsengang
1998 und 2011 ist die Dividende kontinuierlich gewachsen und hat sich von 11 auf
22 Franken verdoppelt. Doch seither stagniert die Dividende. Mit einer Dividendenrendite von 4,1 Prozent ist Swisscom
aber immer noch ein beachtenswerter Dividendentitel. Ebenfalls interessant sind
die Schwergewichte Nestlé, Novartis und
Roche. Nicht in erster Linie wegen der
Höhe ihrer Ausschüttungen, sondern weil
die Aktien defensiven Charakter haben
und die Unternehmen einen soliden Cashflow erwirtschaften. Wer vor zehn Jahren
eine Nestlé-Aktie gekauft und die Dividende jedes Jahr reinvestiert hat, konnte
sein Geld locker ver­doppeln.
Dividendenfonds oder Indexfonds
bieten sich an
Wie schnell sich Dividendenträume indes in Luft auflösen können, zeigt das Beispiel von Transocean.
Die Ölservicefirma war
2014 noch die grosszügigste Firma des Swiss
Market Index (SMI).
Nach massiven Wertberichtigungen
und
Abschreibungen sowie
einem heftigen Kurssturz wurde die Dividende von 3 Dollar auf 0,6 Dollar heruntergekürzt.
Wem die Beschäftigung mit Einzeltiteln
zu aufwendig oder kompliziert ist, sollte
einen Dividendenfonds oder einen börsengehandelten Indexfonds (ETF) kaufen.
Die Schweizer Börsenbetreiberin SIX erstellt seit einigen Monaten einen Dividendenperlen-Index, der die zwanzig besten
Aktien des Schweizer Aktienmarktes abbildet. Voraussetzungen: stabile Dividendenzahlungen und solide Rentabilität.
Dividendenträume
können sich sehr
schnell in Luft auf­
lösen. Transocean ist
ein Beispiel dafür.
AUF DIE STEUERN ACHTEN
Dividenden werden in der Schweiz mit 35
Prozent Verrechnungssteuer belangt, die
aber von den Behörden zurückverlangt werden kann. Die ausbezahlte Dividende muss
allerdings als Einkommen versteuert werden.
Eine Ausnahme gibt es: Seit der Unternehmenssteuerreform vom Februar 2008 ist es
Schweizer Firmen möglich, den Aktionären
steuerbefreite Dividenden in Form von Kapitalrückzahlungen auszurichten. Beim Kauf
von ausländischen Dividendenaktien werden
die Steuerfragen noch kniffliger.
DIVIDENDENAKTIEN IM SMI
Dividendenrendite in %
Titel
Performance
2015 in %
Swiss Re
5,7
+5
Zurich
5,7
–4
Transocean
4,6
–33
Swisscom
3,9
+9
ABB
3,8
–6
SGS
3,7
–10
Quelle: cash.ch, Stand Ende August
Immer Ende Jahr wird abgerechnet.
© Gina Sanders/fotolia.com
Was ist die Strategie
«Dogs of the Dow»?
D
ogs of the Dow» ist eine Anlagestrategie in den USA. Dabei kaufen Investoren am ersten Handelstag des Jahres
jene zehn Aktien des Leitindex Dow Jones
(oder eines anderen Index), die die besten Dividendenrenditen aufweisen. Diese
Aktien werden ein Jahr gehalten. Nach einem Jahr schaut man sich die Liste der
zehn renditestärksten Aktien nochmals an
und ergänzt die Top Ten im eigenen Portfolio mit Aktienverkäufen oder -käufen.
Dieses Vorgehen wird jedes Jahr wiederholt. Langfristig soll eine bessere Performance als der zugrunde liegende Index
erreicht werden.
Knausrige Firmen
in Europa
D
ie liquiden Mittel der Firmen, die im
europäischen Aktienindex Stoxx Europe 600 enthalten sind, haben die Summe
von 2,2 Billionen Euro erreicht. Das ist so
viel wie seit 2003 nicht mehr. Dennoch
werden die Firmen bloss etwa 30 Prozent
ihres Cashflows in diesem Jahr für Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe ausgeben. Das ist der geringste Anteil seit 2010. In den USA geben Firmen
fast doppelt so viel Geld zurück. Firmen
wollen erst abwarten, bis die Wirtschaftserholung in Europa real ist, begründet die
Bank of America in einer Studie die Zurückhaltung europäischer Firmen.
13
ANLEGEN SCHWEIZER INDIZES
DIE FIEBERMESSER DER
­AKTIENMÄRKTE
Aktienindizes sind für Anleger wichtige Orientierungspunkte. Sie
wirken wie Fiebermesser für ganze Länder oder Branchen.
VON PASCAL ZÜGER
Aktienindizes zeigen an, ob sich das investierte Geld vermehrt hat.
A
nleger sollten auf der Hut sein,
der SMI steht vor einer Korrektur:
Während Börsenkenner genau wissen, wie mit so einer Meldung umzugehen
ist, sind Börsenlaien damit schnell einmal
überfordert. Was ist überhaupt der SMI?
Wieso sollte dessen Korrektur Einfluss auf
die Investitionen haben?
In der Börsenwelt nehmen Aktienindizes
wie etwa der Schweizer Leitindex Swiss
Market Index (kurz SMI) oder der US-Leitindex Dow Jones eine bedeutende Stellung
ein. Sie stehen für einen Korb von Aktien
aus einzelnen Ländern oder Branchen. Sie
sind somit auch ein Gradmesser für die
wirtschaftliche Entwicklung eines Landes
oder einzelner Sektoren.
In Spitzenjahren kann der SMI durchaus
um 20 Prozent zulegen, so geschehen im
Jahr 2013. Der Verlauf eines Index hängt
14
© dessauer/fotolia.com
zum einen von den einzelnen Kursen der
im Index enthaltenen Aktien ab. Zum anderen aber auch davon, welches Gewicht
die Einzelaktien im Index haben. Eine
Kursveränderung des Grossunternehmens
Novartis wirkt sich stärker auf den Index
SMI aus als eine Aktienkursschwankung
der um einiges kleineren Firma Swatch,
die ebenfalls Teil des
SMI ist.
Man unterscheidet des
Weiteren
Kursindizes, (auch Preisindizes
genannt) von Performanceindizes. Erstere
bilden die reine Veränderung der Kurse der
enthaltenen Aktien ab. Performanceindizes zählen Dividenden und sonstige Einnahmen, die mit dem Aktienbesitz einher-
gehen, dazu. Performanceindizes werden
deshalb erstellt, weil die ausbezahlten
­Dividenden häufig wieder in die Aktie
reinvestiert werden.
Aktienindizes sind für Anlage-Profis wichtige Orientierungspunkte: Die Indizes nehmen eine Benchmark-Funktion ein, indem zum Beispiel die Performance einer
Einzelaktie oder eines
Anlagefonds mit derjenigen des Index verglichen wird.
In der Schweiz existieren verschiedene Aktienindizes, die sich auf
eine unterschiedliche
Zahl Aktientitel fokussieren und zum Teil Kursindizes, zum Teil
Performanceindizes sind – was einen direktenVergleich der Indizes erschwert.
In Spitzenjahren
kann der SMI
schon mal 20 Prozent
oder mehr zulegen.
SCHWEIZER INDIZES ANLEGEN
ÜBERBLICK: DIE WICHTIGSTEN AKTIENINDIZES DER SCHWEIZ
Swiss Performance Index (SPI)
Finanzprodukte herangezogen. Der SPI und
­
Der Swiss Performance Index (SPI) wurde Mit-
vor allem der SMI stehen bei Börsenbetrach-
te 1987 eingeführt und enthält nahezu alle an
tungen in der Schweiz klar im Vordergrund, es
der Schweizer Börse, der SIX Swiss Exchange,
gibt jedoch noch zahlreiche weitere Indizes:
gehandelten Aktien aus der Schweiz. Er gilt
deshalb als Gesamtmarktindex für den schwei-
Swiss Leader Index (SLI)
zerischen Aktienmarkt. Auch ausländische Fir-
Er enthält die 30 grössten Titel des Schweizer
men, die an der Schweizer Börse kotiert sind,
können auf Antrag aufgenommen werden. Der
österreichische Halbleiterhersteller AMS ist ein
Beispiel hierfür. Aktuell finden sich 208 Aktien
im SPI. Der SPI ist, wie der Name bereits sagt,
ein Performanceindex. Das heisst, dass Dividendenzahlungen bei der Indexentwicklung
berücksichtigt werden.
Swiss Market Index (SMI)
Der Swiss Market Index (SMI), der Leitindex
und damit auch das international bekannteste
Aktienmarktes. Die vier grössten Titel haben je
9 Prozent Indexgewicht, die restlichen im SLI
vertretenen Titel je 4,5 Prozent. Der SLI wurde
2007 wegen der ausgeglicheneren Gewichtung
der Einzeltitel als Alternative zum SMI eingeführt.
Swiss Market Mid Caps Index (SMIM)
Der SMIM, oder SMI Mid, besteht aus den 30
grössten Mid-Cap-Titeln des Schweizer Aktienmarktes, die nicht schon im Blue-Chip-Index
Aktienbarometer der Schweiz, startete Mitte
SMI vertreten sind. Er wurde 2004 aus der
1988 bei einer Indexbasis von 1500 Punkten.
Taufe gehoben.
Er hat sich seither versechsfacht. Der SMI
­beinhaltet die 20 liquidesten und grössten
Special Industry Index (SXI)
Titel – auch Blue-Chips genannt – aus dem
Im SXI sind Branchen enthalten, die für die
SPI. Im Gegensatz zum SPI ist der SMI ein
Kurs­index. Der Indexstand wird also aufgrund
der Aktienkurse ermittelt, Dividendenzahlungen sind nicht im Index enthalten. Die drei
Schwergewichte des wichtigsten Index der
Schweiz ­bilden die Pharmaunternehmen Novartis und Roche sowie der Nahrungsmittel-
Schweizer Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. So gibt es den SXI Life Sciences,
den SXI Real Estate und den SXI Bio+Medtech.
Swiss All Share Index
Dieser Index beinhaltet sämtliche Aktien der
konzern Nestlé. Mit einer Indexgewichtung
Schweiz, also auch Aktien von Firmen, de-
von über 60 Prozent beeinflussen diese drei
ren Anteil frei handelbarer Aktien unter der
Flaggschiffe den SMI-Kurs massgeblich. Der
Schwelle von 20 Prozent des Firmenkapitals
SMI gilt als repräsentativ für den Schweizer
liegt, was eine Aufnahme in den SPI verun-
Markt und wird als Basiswert für zahlreiche
möglicht. Der Index wurde 1998 eingeführt.
«Mit den ETF auf
Indizes setzen»
Wie kann man
in Aktien­
indizes investieren?
Mit Exchange
Traded Funds,
oder kurz ETF,
mit Indexfonds
und mit Indexzertifikaten.
Alex Hinder, Inhaber
Hinder Asset Management in Zürich.
zvg
Wieso sollen
Anleger auf
­indexbasierte Anlagen setzen?
Man erhält kostengünstig die Performance
des breiten Aktienmarkts. Unzählige Studien zeigen, dass 80 bis 90 Prozent der
aktiven Anlagefonds ihre Vergleichsindizes nach Kosten nicht schlagen. Langfristig verschlechtert sich der Performancevergleich noch mehr.
Was sollten Anleger beachten, wenn
sie auf ein Indexprodukt setzen?
Fünf Kriterien spielen hier eine Rolle: der
zugrunde liegende Index, die Höhe der Gebühren, die Replikationsmethode, die Liquidität des Fonds und das Domizil des
Fonds wegen Steuerimplikationen.
Spielt es eine Rolle, ob man in Kursoder Performanceindizes investiert?
Ja, weil Dividenden langfristig die wichtigste Performancekomponente darstellen.
Da aber die meisten Indexprodukte die
vereinnahmten Dividenden an die Anleger
weitergeben, kann der Anleger auch bei einem Preisindex die gesamte Performance
vereinnahmen. Nur bei manchen Indexzertifikaten kann es Ausnahmen geben.
TIPPS FÜR INDEX-ANLAGEN
Index
Produktname
Valor
SMI
UBS ETF CH-SMI CHF
1714271
SPI
Swissc. CH SPI Index
11101051
SLI
UBS ETF CH-SLI CHF
3291273
SMIMC * UBS ETF CH-SMIM CHF 11176253
Anleger verlieren bei der Fülle von Indizes bald einmal den Überblick.
Keystone
* Swiss Market Mid Caps Total Return Index
15
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VON IVO RUCH
T
itelauswahl,
Trading-Gebühren,
Zeitpunkt der Anlage: Auf dem
Börsenparkett lauern viele Fallgruben. Das richtige Handling beim Kaufen
und Verkaufen von Aktien ist aber genauso
wichtig. Denn je nach Auftragsart können
die Gewinne zusätzlich erhöht oder Verluste eingedämmt werden. Folgende Auftragsarten gehören deshalb zum Basiswissen jedes Traders:
Der Bestens-Auftrag
Für diejenigen Trader, die eine Aktie oder
eine andere Wertschrift schnellstmöglich verkaufen oder kaufen wollen. Der
Trade wird ausgeführt, sobald im Orderbuch eine Gegenpartei auftaucht – unabhängig davon, wie sich der Aktienkurs in
der Zwischenzeit verändert hat. Die Krux
bei diesem Instrument ohne Kurslimite:
Die Kontrolle über den finalen Preis geht
verloren. Denn die Aktie muss eventuell
zu einem überhöhten Preis gekauft oder
zu einem unerwartet tiefen Preis verkauft
werden. Gerade bei Aktien mit einem tiefen Handelsvolumen kann die fehlende Liquidität zu überraschenden Kurssprüngen
führen. Deshalb sollten Bestens-Aufträge
nur bei häufig gehandelten Titeln eingesetzt werden. Ein Blick ins Orderbuch vor
dem Trade ist zudem immer zu empfehlen.
Der limitierte Kaufauftrag
Anders verhält es sich bei einem Auftrag
mit Limite. Dabei wird eine Kurslimite gesetzt und ein Zeitfenster definiert. Bei einem Kaufauftrag bestimmt die Limite den
maximalen Kurs, die der Trader zu zahlen
bereit ist. Wenn man also für eine Aktie bei
einem Kurs von aktuell 52 Franken nicht
mehr als 50 Franken bezahlen will, setzt
man die Limite von 50. Sobald der Kurs
schützt der limitierte Auftrag davor, dass
man zu hohe Preise bezahlt oder zu wenig
für ein Produkt erhält. Speziell für Investoren, die ihr Portfolio nicht ständig überwachen können, sind solche Aufträge sinnvoll.
Auch beim Aktienhandel gilt: Vorsicht vor
Untiefen! © Wouter Tolenaars/fotolia.com
die Marke von 50 Franken berührt, wird
der Kaufauftrag ausgeführt. Achtung: Bei
limitierten Aufträgen kann es zu Teilausführungen kommen – je nach Stückzahl der
in Auftrag gegebenen Aktien und je nach
Nachfrage der Gegenpartei.
Der limitierte Verkaufsauftrag
Diese Order stellt sicher, dass der Trader
einen bestimmten Betrag für sein Wertpapier erhält. Erreicht der Kurs diese Limite
nicht, kommt kein Handel zustande. Limitierte Aufträge machen besonders bei Aktien kleiner Unternehmen Sinn, die in geringer Stückzahl gehandelt werden. Zudem
Der Stop Loss
Geeignet für etwas geübtere Trader. StopLoss-Aufträge kommen in der Regel beim
Verkauf von Wertschriften zum Einsatz
und werden erst dann ausgelöst, wenn
der Wertschriftenkurs eine bestimmte
Schwelle (Trigger) berührt. Dieses Instrument wird genutzt, um mögliche Verluste
einzugrenzen.
Ein Beispiel: Wenn man eine Wertschrift
mit aktuellem Kurs bei 120 Franken gegen
einen Absturz absichern möchte, kann man
einen Stop Loss bei 80 Franken setzen. Sobald der Kurs diese Marke nach unten
durchbricht, wird die Aktie «bestens» verkauft. Allerdings ist auch diese Strategie
nicht ganz sicher. Wenn sich ein Kurs im
freien Fall befindet (zum Beispiel der Eurokurs nach der Aufhebung der SNB-Kursuntergrenze), ist eine Preisbildung nicht
möglich. Der Stop-Loss-Auftrag wird erst
ausgeführt, wenn wieder ein stabiler Handel möglich ist – unter Umständen deutlich
unter der angegebenen Schwelle.
Daneben gibt es den Alternative Stop Loss
mit Limite. Dieser Auftrag wird nicht bestens, sondern bis zu einer vordefinierten
Limite verkauft. Fällt der Kurs unter diese
Schwelle, wird der Verkauf gestoppt.
Market-to-Limit, One-Cancels-Other, Order-on-Event oder Iceberg-Order sind weitere Varianten von Auftragsarten. Doch
nicht auf allen Trading-Plattformen ist die
Auswahl an diesen Orders gleich gross.
Verwenden Sie deshalb nur Instrumente,
die Sie auch verstehen.
17
PORTRÄT ANALYSTIN
EINE GEHÖRIGE PORTION
STRESSRESISTENZ
Ihr Urteil kann Aktienkurse erschüttern und Manager entlarven:
Ein Tag im Leben der Aktien-Analystin Sibylle Bischofberger.
VON IVO RUCH
N
ein, für Morgenmuffel ist dieser
Job nichts. Wenn Sibylle Bischofberger in ihr Büro im Zürcher
Kreis 5 kommt und ihren Computer hochfährt, ist es manchmal erst kurz vor halb
sieben. Häufig ist es einer dieser Tage, an
denen Sonova, Straumann oder Actelion
ihre Geschäftszahlen vorlegen. Sibylle Bischofberger analysiert Aktien von zehn
Schweizer Medizinaltechnik- und BiotechUnternehmen und gibt ihren Kunden eine
Investitionsempfehlung ab. Sie tut das seit
2006 bei der Zürcher Kantonalbank.
Auf das Studium der Biochemie an der
ETH liess Bischofberger einen Master in
Wirtschaft folgen, weil es ihr im Labor
«zu einsam» war. Heute sind beide Aspekte ihrer Ausbildung gleich wichtig. Sie
muss Medikamente, Hörgeräte oder Zahnimplantate genau verstehen. «Schliesslich
muss ich dieses Wissen in Zahlen ausdrücken, um zu empfehlen, ob sich ein Investment lohnt oder nicht», wie sie sagt.
Um sieben Uhr morgens geht
der Zahlensturm los
In der Ruhe vor dem Zahlensturm öffnet
die Analystin vorbereitete Text- und Tabellendokumente: Es sind Schätzungen zum
Geschäftsverlauf der Gesellschaft. Landet
dann gegen sieben Uhr die Mitteilung der
Firma in ihrer Mailbox, überträgt sie die offiziellen Kennzahlen zu Umsatz, EBIT, Gewinn etc. in ihre Dokumente und vergleicht
sie mit den vorab gemachten Prognosen.
Gleichzeitig folgt die eigentliche Analyse:
nach Gründen für die Abweichung zu den
Schätzungen zu suchen, diese zu gewichten und in Worte zu fassen.
Am Ende einer aufwendigen Analyse steht
der faire Wert einer Aktie. Ist dieser höher
als der aktuelle Aktienkurs, empfiehlt Si-
18
Für Analysten in einer Bank beginnt der Arbeitstag oft schon frühmorgens.zvg
bylle Bischofberger ihren Kunden, den Titel zu kaufen. «Wenn dieser tiefer ist, lautet mein Urteil: Hände weg von der Aktie.»
Und für den Fall, dass die Bewertung fair
ist, kommt das Rating «Marktgewichten»
zum Zuge.
Noch vor acht Uhr
muss die erste Einschätzung den internen und externen
Kunden zugeschickt
werden, genauso wie
ein Audiodokument
mit den wichtigsten Informationen. Eine
halbe Stunde später folgt eine ausführlichere Beurteilung mit den wichtigsten
Kennzahlen und weiteren Erwartungen für
die Gesellschaft. Ebenfalls vor der Börsen­
eröffnung um neun Uhr steht eine Besprechung mit der Handelsabteilung der ZKB
und mit externen institutionellen Kunden
an. Auch diese werden von Sibylle Bischofberger bezüglich der betreffenden
Aktie auf den neusten Stand gebracht.
Es gibt Firmen, die
zittern vor den Einschätzungen der Analysten. Verändern
diese ihr Rating, kann der Aktienkurs heftig reagieren. Entscheidend sind aber die
Wenn der faire Wert
tiefer ist als der Aktienkurs, heisst es: Hände
weg vom Wertpapier.
ANALYSTIN PORTRÄT
Grösse einer Firma und die Anzahl Analysten, die das Unternehmen abdecken.
Früher kam es vor, dass sich Analysten für
wohlwollende Ratings belohnen liessen.
Heute ist das aufgrund strenger Regeln
kaum mehr möglich. Der intensive Kontakt mit dem Management der analysierten Firma gehört aber nach wie vor zum
Arbeitsalltag. Genauso wie Produktionsbesichtigungen oder Kongresse – schlicht alles, was dazu dient, ein Unternehmen besser zu verstehen.
Auch wenn der Analysten-Beruf viel mit
Kopfarbeit zu tun hat, ist das Bauchgefühl
mitentscheidend. «Ich muss einschätzen
können, wann mich das Management anlügt oder mir etwas verschweigt», sagt Analystin Bischofberger.
Bischofbergers Job: Die Zukunft
­eines Kurses voraussagen
Nach neun Uhr ist der Handel an der Börse
in vollem Gange. Bischofbergers nächster
Termin ist eine Analystenkonferenz, wo sie
mit Berufskollegen das Management einer
Firma mit Fragen löchern kann. Danach –
am Nachmittag – beginnt ihr Arbeitsalltag
erst richtig. Die Analystin bringt Modelle
auf den neusten Stand, beantwortet Kundenfragen oder publiziert eine Studie.
Schliesst die Börse um halb sechs, ist ein
erstes Fazit möglich. Stimmt die eigene
Schätzung mit der Performance an der
Börse überein? Daran wird eine Analystin
gemessen. Ob sie richtig oder falsch liegt,
ist Teil ihrer Zielvereinbarung. «Mein Job
ist es, die Zukunft einer Aktienkursentwicklung vorherzusagen», sagt Sibylle Bischofberger. Da das ja nicht möglich ist, sei es ihr
Ziel, öfter richtig als falsch zu liegen. «Damit gehören Misserfolge automatisch dazu.»
«Mein Beruf befindet sich in einer
grossen Umbruchphase»
Sibylle Bischofberger, welche
­Eigenschaften muss eine Analystin
mitbringen?
Man muss stressresistent sein, darf keine
Mühe mit Schreiben haben und muss analytisch denken können. Auch das ständige
kritische Hinterfragen von Aussagen ist
sehr wichtig.
Arbeiten Sie in einem Traumberuf?
Ja. Er ist sehr abwechslungsreich. Am Morgen weiss ich oft nicht, was mich erwartet.
Vielleicht trifft eine Gewinnwarnung ein,
vielleicht passiert sonst etwas Unerwartetes. Zudem erhalte ich Einblick in viele
Details eines Unternehmens und dessen
Entwicklung.
Welche Veränderungen kommen auf
Ihren Beruf zu?
Er ist in einer grossen Umbruchphase. Als
ich in den 1990er-Jahren anfing, gab es in
der Schweiz etwa 20 Medizinaltechnologie-Analysten, heute sind es noch vier. Die
meisten Banken haben diese Arbeit entweder ins Ausland ausgelagert oder bieten
das Research nicht mehr an.
Welche Grundregeln geben Sie
­Privatanlegern mit auf den Weg?
Für nicht spezialisierte Privatanleger ohne
ratung sind Aktieninvestments risikoBe­
reich. Mir haben schon Leute angerufen, die
das wenige Geld, das sie gespart hatten, mit
Biotech-Aktien verloren haben. Wer keine
Ahnung hat, sollte Expertenrat zuziehen.
SIBYLLE BISCHOFBERGER
ANALYSTIN
Bevor Sibylle Bischofberger zur ZKB stiess,
analysierte sie bei den Banken Leu und Vontobel Firmen in den Bereichen Medizinal- und
Biotechnologie sowie Chemie. Zuvor studierte
sie von 1986 bis 1995 Biochemie an der ETH
Zürich sowie Wirtschaft an den Unis Zürich
und St. Gallen. Nach einem Abstecher in die
Unternehmensberatung stieg die Zürcherin
im Jahr 2000 in die Finanzindustrie ein.
Wie stehen Sie persönlich zu
­Aktienanlagen?
Es gibt strikte Regeln zu meinen persönlichen Investments. Ich darf nur in Aktien aus dem Swiss Leader Index investieren und muss jede Transaktion im Voraus
absegnen lassen. Zudem gilt eine lange
Haltefrist, und Aktien aus meinem Analyse-Universum sind tabu.
DREI AKTIEN AUS DEM ANALYSE-UNIVERSUM VON SIBYLLE BISCHOFBERGER
Sonova
Straumann
Galenica
Der weltweit führende
Die Basler stellen
Einerseits Pharmaunter-
Anbieter von Hörsyste-
Zahnimplantate im
nehmen, andererseits
men ist auch Markt­
Premiumbereich her,
Apotheken- und Logistik-
leader in der drahtlosen
was ein kleiner, sehr
Dienstleister. Eisen-
Kommunikation und
kompetitiver Markt ist.
medikamente sind das
entwickelt sowie produ-
Laut Bischofberger hat
wichtigste Geschäft, in
ziert Cochlea-Implan­
Straumann langfristig
dem sich aber vermehrt
tate. Sibylle Bischofberger empfiehlt die
gute Wachstumsaussichten. Rating: «Markt-
Konkurrenten tummeln. Rating: «Unterge-
Aktie zum Kauf. Im ersten Halbjahr 2015
gewichten», Performance in den ersten
wichten», Performance in den ersten sechs
hat sie 13 Prozent verloren.
sechs Monaten: plus 2 Prozent.
Monaten: plus 23 Prozent.
19
SOCIAL TRADING WIKIFOLIO
JETZT KÖNNEN ALLE FONDS­
MANAGER SEIN
Facebook und Co. ebneten den Weg: Social Trading wird in
der ­Anlagewelt immer grösser und beliebter.
VON PASCAL ZÜGER
Privatanleger und professionelle Vermögensverwalter präsentieren ihre Anlagestrategien im Internet.
S
ocial Trading hat längst Einzug gehalten in die Welt der Anlageentscheide. Privatanleger und professionelle Vermögensverwalter können auf
speziellen Online-Plattformen Investmentstrategien von anderen
Anlegern nicht bloss
einsehen oder kommentieren.
Anleger
können solche Strategien übernehmen oder
selber Anlageideen ent­
wickeln.
In Europa führend für
Online-Anlagestrategien ist die 2012 in Wien gegründete Firma
wikifolio.com. Seit März 2015 können auch
Schweizer Anleger die Wikifolio-Dienste
in Anspruch nehmen. cash.ch ist in der
Schweiz Wikifolio-Kooperationspartner.
Wie aber funktioniert Wikifolio? Teilneh-
mer setzen ihre Handelsideen in Musterportfolios, das heisst in sogenannte Wikifolios um. Wenn ein Wikifolio Anklang
findet in der Community, also bei mindestens zehn potenziellen Anlegern, die
gemeinsam eine Mindestsumme investieren
würden, und wenn es
eine interne WikifolioPrüfung besteht, kann
es investierbar werden.
Auf seine Wertentwicklung wird ein Index als
Basis für das WikifolioZertifikat berechnet.
Diese kann man schon ab etwa 100 Euro
erwerben.
Aktuell stehen dem Social Trader über
3100 investierbare Wikifolios zur Auswahl, ein paar Hundert sind in der Schweiz
zum Vertrieb zugelassen. Als Anleger hat
Anleger können beim
Social Trading
­Strategien über­
nehmen oder selber
Ideen entwickeln.
20
© Rawpixel/fotolia.com
man also die Chance, sein Geld in ein
Wikifolio-Zertifikat zu investieren und an
der Wertentwicklung teilzuhaben. Handkehrum kann jeder auch selbst zum Fondsmanager werden, indem er sein eigenes
Wikifolio veröffentlicht und für andere zugänglich macht. Die Macher dieser Plattform generieren ihre Einnahmen durch
eine Zertifikate-Gebühr und eine Performance-Gebühr, die zwischen 5 und 30 Prozent der Gewinne beträgt.
Wikifolio eines M
­ olekularbiologen ist
äusserst erfolgreich
Die Fülle von Wikifolio-Anlagestrategien
kann Hobby-Anleger schnell einmal überfordern. Mit einer Suchfunktion kann man
die Auswahl der Wikifolios aber beschränken. Dazu fallen erfolgreiche Wikifolios
schnell einmal auf: bei der Performance
des Depots, der Anzahl gekaufter Index-
WIKIFOLIO SOCIAL TRADING
zertifikate und beim Total des investierten
Kapitals. Zu den erfolgreichsten Zertifikaten im Wikifolio-Universum gehört «Umb­
rella» von Richard Dobetsberger, einem
Molekularbiologen. Der Fokus liegt auf
Pharmawerten und Hightech-Aktien weltweit. Über 8 Millionen Euro steckten Anleger bis anhin in diese Investment-Idee.
Die Performance seit der Emission im September 2012 liegt bei 280 Prozent. Wichtigster Einzeltitel ist Apple mit einem Anteil von 15 Prozent.
Auch beim Social Trading gilt: Sich
nicht vom Erfolg blenden lassen
Beim Social Trading gelten die gleichen
Regeln wie beim anderen Anlegen: Eine
hohe Rendite geht immer auch mit einem
hohen Risiko einher. Diversifikation ist das
A und O einer guten Investmentstrategie.
Ausserdem sollten Anleger, die noch über
wenig Finanzmarkterfahrung verfügen, den
Verstand walten lassen: Die Strategien der
Trader, denen man folgt, sollten zumindest
ansatzweise verstanden werden.
SENTIFI: DIE WEISHEIT DER MASSE HAT DAS WORT
Eine Gruppe als Ganzes ist intelligenter als ihre
tien oder Personen mitverfolgen und den Puls
einzelnen Mitglieder. Dem Grundsatz der «Wis-
des Marktes besser fühlen. Mehr als sechs Mil-
dom of the Crowd» («Weisheit der Masse»
lionen Nachrichten werden täglich analysiert.
oder «Schwarmintelligenz») folgt die Schwei-
Sentifi stellt danach die TOP 5 Tweets, Nach-
zer Firma Sentifi. Sie bezeichnet sich selber als
richten und Blogs auf Basis von Ranking-Algo-
«Finanzmarktintelligenz-Plattform». Aus dem
rithmen von Autoren und Inhalten auf. Diese
breiten Strom von Twitter, News und Blogs fil-
Marktinformationen sollen Anleger zu besse-
tert Sentifi, deren Dienste auch cash.ch in An-
ren Investitionsentscheidungen verhelfen.
spruch nimmt, die relevanten Meldungen über
Sentifi erfasst auch den Schweizer Markt. Über
ein Unternehmen heraus. Somit kann man als
diese Schweizer Aktien wurde im ersten Halb-
Beobachter die heiss diskutierten Themen, Ak-
jahr 2015 am meisten diskutiert:
SENTIFI-SPITZENREITER
SMI Name
Der Schwarm findet den Weg besser als
der Einzelne – darauf setzt Sentifi.
© Matthias Krüttgen/fotolia.com
SPI Name
1.
Nestlé
1.
Logitech
2.
UBS
2.
Valiant
3.
Syngenta
3.
Siegfried
4.
Credit Suisse
4.
Sika
5.
Transocean
5.
Comet
6.
Roche
6.
Kuoni
Quelle: Sentifi.com
21
ANLEGEN EXPERTENMEINUNGEN
AKTIEN, OBLIGATIONEN – ODER
GIBTS NOCH ALTERNATIVEN?
cash VALUE möchte wissen, wie man in den nächsten zehn ­Jahren
sein Geld anlegen soll. Die Meinung von sechs Experten.
AUFGEZEICHNET VON MARC FORSTER
Florian Schubiger,
geschäftsführender Partner
Vermögens­partner
«
Warum denn in die Ferne schweifen?
Wer Geld langfristig anlegen möchte,
muss sich zunächst überlegen, wie viel netto
überhaupt zur Verfügung steht. Zuerst sollte
man den Notgroschen vom Vermögen abziehen und in bar auf dem Konto halten. Idealerweise eine Summe, die einen während
mindestens sechs Monaten über Wasser
hält. Dann stellt sich die Frage nach dem
Zinseinkommen. Falls man nicht über ein
regel­
mässiges Einkommen verfügt, sollte
man hier den nötigen Betrag identifizieren
und in Unternehmensanleihen guter Bonität investieren. Wer über die nächsten fünf
Jahre nicht auf das Ersparte zurückgreifen
muss, kann sich den Aktien zuwenden. Die
Vergangenheit zeigt, dass Schweizer Anleger mit Schweizer Ak­tien am besten ge­
fahren sind, wenn man Währungseffekte
be­rücksichtigt. Ein ausgewogenes P
­ ortfolio
von Quali­tätsaktien hat die höchste Chance zur Wertsteigerung.
«
22
profitiert man mit dem Konto relativ rasch
davon. Nach ­einem ­allgemeinen Zinsanstieg ist ein Wechsel in
Obligationen möglich.
«
«
Thomas Stucki,
Anlagechef
St. Galler Kantonalbank
«
Die Balance ist entscheidend – die
Zinsen liegen bei oder gar unter null
Prozent. Dennoch ist auf der Suche nach
‹Zusatzrendite› vorsichtig vorzugehen. Der
Teil des Vermögens, der unbedingt gehalten
werden muss, sollte auf dem Konto bei der
Bank oder in normalen Franken-Anleihen
guter Schuldner angelegt sein, auch wenn
damit über die nächsten fünf Jahre nichts
verdient wird. Dies gibt den nötigen Spielraum, um den anderen Teil des Vermögens
in riskantere Anlagen zu investieren und
damit eine Mehrrendite zu erzielen. Dabei
bevorzuge ich Aktien. Die drei Argumente,
die für gute Aktienmärkte sprechen, sind
nach wie vor intakt: Die Weltwirtschaft,
angeführt von den USA, wächst solide. Die
Zentralbanken werden trotz Zinserhöhungen in den USA die Geldmenge im System
weiter hoch halten, und die attraktiven Alternativen zu den Aktien und ihren
Dividenden werden immer weniger.
«
Christian Gattiker,
Chefstratege
Bank Julius Bär
Wer einen Anlagehorizont von mehr
als zehn Jahren hat, kommt an Aktien
auch künftig nicht vorbei. Langfristig betrachtet haben die Beteiligungspapiere mit
Sachwertcharakter vor allem zwei Vorteile:
Die Renditechancen sind hoch und es besteht indirekt ein kosteneffizienter, krisenresistenter Inflationsschutz. Wir empfehlen
ein weltweit diversifiziertes Portfolio. Für
Frankenanleger ist ein Übergewicht der
Schweiz im Vergleich zum Weltaktienmarkt
sinnvoll. Die Umsetzung erfolgt am besten
mit ETF (Exchange Traded Funds). So sind
Risiken breit gestreut und die Kosten tief.
Wer nicht risikofreudig ist, kann sein Geld
aktuell auf einem möglichst gut verzinsten
Konto belassen. Der Zins ist nach Abzug
aller Gebühren höher als bei vielen Obligationen. Und steigen die Zinsen,
EXPERTENMEINUNGEN ANLEGEN
Samy Ibrahim,
Leiter Asset Management
Alternative Bank Schweiz
Thomas Steinemann,
Anlagechef
Bank Bellerive
sozial und ökologisch orientierten Geschäftsmodell können attraktiv sein. Fazit:
Die Zeiten waren noch nie so gut, um
verantwortungsbewusst zu investieren.
«
Daniel Kalt,
Chefökonom Schweiz
UBS
«
Was macht einen Anleger erfolgreich? Das Wichtigste ist ein systematisches Vorgehen. Am Anfang wird
immer die Fähigkeit des Anlegers, Wertschwankungen zu tragen, definiert. Dann
wird ein passendes, breit diversifiziertes
Portfolio aufgebaut, mit Fokus auf Aktien,
Unternehmensanleihen und auch alternativen Anlagen wie Hedge Fonds. Staatsanleihen sollten je nach Risikoprofil nur in
geringem Ausmass beigemischt werden,
denn bei steigenden Zinsen werden diese
leiden. Von Rohstoffanlagen wie Gold oder
Öl raten wir seit zwei Jahren ab; Immobilienfonds weisen zwar attraktive Ausschüttungsrenditen aus, sind aber derzeit recht
teuer. Wir empfehlen keine zu hohe Bargeldquote. Die einmal definierte Anlageverteilung muss konsequent durchgezogen
und die strategische Ausrichtung alle ein
bis zwei Jahre überprüft und
wenn nötig angepasst werden.
«
Für Anlegerinnen und Anleger, die
mit ihrem Geld etwas Sinnvolles bewirken wollen, bietet sich im Moment eine
interessante Ausgangslage: Einerseits verunsichert die politische Entwicklung in
Europa die Finanzmärkte. Niemand weiss,
ob und wie sich die Schuldenkrisen auf die
Aktienmärkte durchschlagen. Andererseits
dämpft das anhaltend tiefe bis negati­
ve
Zinsniveau die Renditeerwartungen. In diesem Umfeld sind Anlagen vielversprechend, deren Entwicklung nicht von den
Finanzmärkten abhängt. Dazu zählen Titel,
die einen hohen positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft haben. Zu nennen
sind etwa Engagements im Bereich Mikrofinanz oder Windenergie. Aber auch Investitionen in Banken und weitere Unternehmen mit einem ausschliesslich
Seit der globalen Rezession
2009/2010 hat sich die Weltkonjunktur nicht zuletzt wegen beherzter geld- und
fiskalpolitischer Massnahmen erholt. Die
USA sind einmal mehr die Wachstumslokomotive und werden daher als Erste eine
geldpolitische Normalität herstellen und
vermutlich noch 2015 die Leitzinsen anheben. Das ist ein gutes Zeichen! Bis Europa,
Japan, China und die Schweiz folgen, wird
es noch einiges länger dauern – früher oder
später wird es aber auch da passieren. Obligationen-Renditen werden zwangsläufig
steigen. Dies bedeutet langfristig Verluste
bei Obligationen, und wir empfehlen daher, keine zu halten. Für einen Zeitrahmen
bis zu zehn Jahren sollte der grösste Teil
des Depots mit Aktien bestückt sein. Wir
empfehlen Blue Chips 40 Prozent
Schweiz, 30 Prozent Europa, 20 Prozent
USA und 10 Prozent Schwellenländer, wobei die Fremdwährungen weitestgehend abgesichert sein sollten.
«
«
«
Frankenstärke und Geldpolitik der US-Notenbank prägen die Börsen im zweiten Halbjahr 2015
Für welche Schweizer Aktien steht es 2015
Gas- und Ölindustrie haben. Die Uhrenindus­
USA. Bei den Versicherungen ist entscheidend,
gut? Bei der Industrie ist die Stimmung ge-
trie hat im ersten Semester ihre Exporte hin-
dass sich keine grossen Katastrophen ereig-
mischt. Der starke Franken prägt die Schweizer
gegen erhöht und geht mit verbesserten Vor-
nen. Auf die Auswirkungen der Tiefzinsen ha-
Exportwirtschaft weiterhin. Nach über einem
zeichen ins weitere Jahr.
ben sich die Versicherer hingegen schon längst
halben Jahr ohne die Kursuntergrenze von 1.20
Industriekonzerne mit hochwertigen und ge-
eingestellt. Ein Fels in der Brandung ist die
Franken zum Euro ist die Währungssituation
fragten Produkten werden sich ebenfalls gut
Pharmabranche. Die Nahrungsmittelbranche
aber in den Aktienkursen meist eingepreist.
schlagen. Die grossen Banken haben im ersten
hält sich ebenfalls gut und profitiert nach wie
Zudem können sich die Unternehmen darauf
Halbjahr mit soliden Zahlenausweisen über-
vor von ihrem Ruf als defensives Investment.
einstellen, dass sich die Eurozone auf einem
zeugt. Sie sind aber angewiesen auf eine gute
Auch die Telekombranche hat sich im ersten
leichten Erholungskurs befindet. Unter Druck
Stimmung an den Finanzmärkten sowie eine
Halbjahr von den Marktturbulenzen weitge-
stehen Unternehmen, die ihre Kunden in der
nur behutsame Anhebung der Leitzinsen in den
hend unbeeindruckt gezeigt.
23
VORSORGE FINANZPLANUNG
EINE FINANZPLANUNG KANN
GELD WERT SEIN
Pensionskasse, Steuern, Versicherungen: Wem diese Dinge zu
­kompliziert sind, sollte einen Finanzplaner engagieren.
VON DANIEL DUBACH
F
inanzplanung ist eh nur etwas für
Leute mit Millionenvermögen: Diesen Satz hört man immer wieder.
Meist wegen mangelnder Kenntnis über
wichtige Fragen behandeln die Schweizer ihre persönliche Finanz- und Vorsorgeplanung stiefmütterlich. Doch spätestens
ab Mitte Vierzig, wenn man in die zweite
Hälfte der Berufskarriere einmündet, stellen sich immer häufiger Fragen zur langfristigen, finanziellen Absicherung. Für
sich und seine Familie.
Ob dabei der Versicherungs- oder Bankberater, den man eben so kennt, wirklich
weiterhelfen kann und ob dieser auch den
unabhängigen Blick wahrt, muss meist
angezweifelt werden. Besser ist es, sich
­
einer Fachperson anzuvertrauen, die sich
mit der gesamten Palette der Fragestellungen auskennt und die unabhängig von
­Produkteanbietern arbeitet.
Fragen, um die sich
ein Finanzplaner kümmert
Eine seriöse Finanzplanung beginnt mit einer Analyse der aktuellen Lebenssituation
sowie den Bedürfnissen und Zielen. In einem persönlichen Erstgespräch versucht
der Finanzplaner zuerst, sich ein Bild vom
Klienten zu verschaffen. Er fordert alle
notwendigen Daten und Unterlagen ein wie
etwa Angaben zur Familie, Vermögenssituation, Versicherungspolicen, Steuererklärung oder Angaben zur Pensionskasse.
Wichtig ist, dass die einzelnen Parameter
wie Budgetsituation, Steuerfragen, Erbrecht, Vorsorgesituation und Wohneigentum gesamtheitlich mit ihren Wechselwirkungen betrachtet und zu einem Ganzen
ineinander verwoben werden. Nur so lässt
sich das persönliche Optimierungspotenzial erkennen. Der Optimierungsweg hängt
24
Geruhsam dem Ruhestand entgegenblicken? Dazu sollte die Vorsorgeplanung früh­
zeitig in Angriff genommen werden.
Keystone
FINANZPLANUNG VORSORGE
CHECKLISTE FÜR EINE SERIÖSE FINANZPLANUNG
Budget und Liquidität
Versicherungs- und Anlageberatung
❒W
ie hoch sind meine fixen und variablen Ein-
❒W
elches ist unter Berücksichtigung der Steu-
nahmen und Ausgaben heute und zukünftig?
❒W
o habe ich Sparpotenzial?
❒W
ie hoch soll meine Hypothek zukünftig
ern meine Risikofähigkeit und -willigkeit?
❒H
abe ich Potenzial für Direktanlagen oder
eher Fonds?
❒W
elcher Versicherungsschutz ist für welches
sein?
❒W
ann brauche ich zukünftig welche Geldbe-
Risiko notwendig?
❒W
elche Versicherungsgesellschaft zahlt die
träge?
❒W
ann und woher erhalte ich zukünftig meine
Geldbeträge zum Leben?
besten Zinsen auf Einmaleinlagen?
❒W
elches sind für meine Situation geeignete
Fonds und Versicherungsprodukte?
Vorsorgeberatung
❒ Mit wie viel Pensionskassenrente oder -kapital kann ich bei der Pensionierung rechnen?
❒G
enügen die Renten aus der 1. und 2. Säule,
um meinen Lebensstandard zu sichern?
❒W
elche Möglichkeiten gibt es für ein zusätzliches, gesichertes Einkommen im Ruhestand?
❒W
ie sieht meine Einkommenssituation im
Invaliditätsfall aus?
Geschützter Titel
Finanzplaner kann sich jeder nennen. Es
gibt jedoch Lehrgänge und Titel, die auf
eine seriöse Ausbildung und daher eine gewisse Qualität des Beraters hinweisen, wie
eidg. dipl. Finanzplanungsexperte (höchste
Stufe), dipl. Financial Consultant NDS FH
oder Finanzplaner mit eidgenössischem
Fachausweis.
Erbrechtliche Fragen
❒B
rauche ich einen Ehevertrag oder ein Testa­
ment?
❒W
ie kann ich meinen Partner über den
Pflichtteil hinaus optimal begünstigen?
ie regle ich meinen Nachlass möglichst
❒W
steuergünstig?
❒W
en setze ich für die Teilung meines Nachlasses ein?
❒W
ird bei Invalidität meines Eheoder
Wie finde ich einen
Finanzplaner?
Konkubinatspartners
eine Rente oder ein Kapital
bezahlt?
❒ Was erhält mein Ehe- oder
Konkubinatspartner im Falle meines Todes?
Unabhängige Produkteauswahl
Unabhängige Finanzplaner sind keiner
Bank oder Versicherung verpflichtet und
können Produkte nach den Bedürfnissen
der Kunden im Markt selektieren.
Kosten für eine Finanzplanung
Finanzplaner arbeiten auf Honorarbasis.
Die Stundenansätze variieren zwischen
150 und 250 Franken. Das Erstgespräch ist
gratis. Darauf folgt eine detaillierte Offerte.
Ein einfacher Finanzplan, der in ein paar
Stunden erstellt ist, kostet einige Hundert
Franken. Komplexere Fälle können auch
mehrere Tausend Franken kosten.
❒ Ist meine Familie
im Falle meines
Todes
genügend
abgesichert?
❒W
elche Steuern fallen
für die Begünstigten bei
den
verschiedenen
Versi-
cherungen an?
direkt von den individuellen zukünftigen Zielen und Bedürfnissen ab. Idealerweise hält der Kunde einen Kompass in der
Hand, der zeigt, wie sich seine finanziellen
Lebensumstände entwickeln und ob sich
seine Ziele und Wünsche zukünftig realisieren lassen. Der Weg dorthin ist mit konkreten Empfehlungen versehen.
Geld sparen bei der Umsetzung
des Planes
Erst nach eingehender Besprechung der
Ist-Situation und dieses Finanzplanes
geht es in einem zweiten Schritt in die
Umsetzungsphase, bei der geeignete Versicherungs- und Bankprodukte gekauft
werden. Der Finanzplaner begleitet hier
die Umsetzung und zeigt mit Produktver-
© anoli/fotolia.com
gleichen auf, wie Geld gespart werden
kann. Der Finanzplan zeigt aber oft noch
viel grundsätzlicheres Potenzial zum
Geldsparen auf. Ein Beispiel: Durch das
Einrichten mehrerer Säule-3a-Konti und
die geschickte Planung eines zeitlich gestaffelten Bezugs der Gelder aus der zweiten und dritten Säule lassen sich mehrere
Tausend Franken Steuern einsparen. Oder
man erhält bei der Frage «Lebenslange
Rente versus Kapitalbezug aus der beruflichen Vorsorge» eine gezielte Antwort,
weil sie auf einer Berechnung der eigenen Lebens- und Steuerumstände beruht.
Eine Fehlberatung durch einen unqualifizierten Berater kann einem in dieser entscheidenden Frage buchstäblich lebenslänglich teuer zu stehen kommen.
Offenlegung von Provisionen
Eine Gratisberatung, die durch Provisionen der angebotenen Produkte finanziert
wird, ist wenig seriös. Provisionen und
Kommissionen sollten dem Kunden in jedem Fall offengelegt oder vergütet werden.
Geeigneten Beratungspartner finden
Auf der Internetseite des FinanzplanerVerbands (www.myfinancepro.ch) lässt
sich eine Namensliste möglicher Berater
erstellen (ohne Qualitätsgewähr).
Mundpropaganda
Bewährt hat sich auch, bei Freunden und
Bekannten nach geeigneten Beratern nachzufragen, mit denen sie gute Erfahrungen
gemacht haben.
Qualitätsstandards für Finanzplaner
Der Finanzplaner-Verband Schweiz hat
für seine Mitglieder Standesregeln entwickelt. Ob jemand Mitglied im Finanzplaner-Verband Schweiz ist, lässt sich auf der
Verbands-Homepage (www.fpvs.ch) durch
Eingabe des Namens überprüfen.
25
INTERVIEW GREGOR GREBER
«AKTIENANLAGEN SIND IMMER
RISIKOREICH»
Aktienspezialist Gregor Greber über sein Engagement als aktiver
Aktionär und Kaufmöglichkeiten an der Schweizer Börse.
INTERVIEW: DANIEL HÜGLI
BILDER: NIK HUNGER
Herr Greber, Sie haben mit V
­ eraison
Capital 2015 einen Vermögens­
verwalter und den Sicav-Fonds
­gegründet. Bekannt wurden Sie
als Aktionärsrechtler wegen ­Ihrer
­früheren Firmen zRating und
­zCapital. Weshalb die Neugründung?
Es ist ein konsequenter und logischer
Schritt auch in meiner beruflichen Karriere. Ich sagte mir: Man soll nicht bloss Verantwortung predigen, die Aktionäre sollten
die Rechte auch tragen. Deshalb die Gründung von Veraison Capital als engagierter
und verantwortungsvoller Aktionär.
Im Vergleich zu angelsächsischen
Ländern gehen Schweizer Aktionäre
mit Firmen immer noch sanft um.
Das ist so und ist auch nicht falsch. Schweizer sind etwas diskreter und zurückhaltender. Man zieht die Diskussion am runden
Tisch dem Schritt an die Öffentlichkeit vor.
Dieser Weg ist sehr konstruktiv und zielorientierter. Asset Manager bei den Schweizer
Banken müssen sich aufgrund der bank­
internen Interessenkonflikte zurückhalten.
Andere Grossinvestoren wie
Pensions­kassen haben diese ­Konflikte
aber weniger. Sollten die ihre
­Aktionärsrechte nicht mehr wahr­
nehmen?
Ich will nicht über andere urteilen. Mit dem
Kauf einer Aktie erwirbt der Aktionär nicht
nur Chancen auf Kapitalgewinne oder Dividenden, sie bietet auch ein Mitspracherecht. Unser Einsatz früher schon bei zRating oder zCapital war, für den Grundsatz
«Eine Aktie, eine Stimme» einzustehen.
Der Aktionär erhebt sich in vielen Fällen
erst dann, wenn der Schaden angerichtet
26
Gregor Greber: «Schweizer Aktionäre sind etwas diskreter und zurückhaltender. Man
zieht die Diskussion am runden Tisch dem Schritt an die Öffentlichkeit vor.»
GREGOR GREBER INTERVIEW
ist. Beispiele in der Schweiz sind die Fälle
Petroplus, Aryzta oder Sika. Verantwortung
wahrnehmen als Aktionär ist auch verbunden mit hohem Aufwand und Kosten. Das
lohnt sich offensichtlich nicht für Anleger,
die sehr indexnah oder passiv investieren.
Tiefe Gebühren stehen über allem.
Jemand aus der Branche soll
Sie mal als «selbst ernannter
­Aktionärsrechtler»
bezeichnet haben. Es
finden offenbar nicht
alle toll, wie Sie sich
exponieren.
Wer keine Neider oder
Feinde hat, der hat auch
keine Freunde. Das
muss man sich erarbeiten. In der Vergangenheit konnten wir bei Firmen einige Dinge
bewirken, sei es öffentlich mit Traktandierungsbegehren oder dann still und leise im
Dialog. Viele Erfolge oder solche Begehren stossen nicht immer auf sofortiges Verständnis.
ren. Zudem investieren wir das Kapital unserer Geldgeber erst dann in eine Firma,
wenn wir deren Aktien zu einem Abschlag
von 30 bis 50 Prozent zum intrinsischen
Wert des Unternehmens an der Börse erwerben können.
Wie lange werden die Titel gehalten?
Unsere Fonds-Anleger haben sich zu langfristigem Anlegen im Schnitt von über drei
Jahren ohne fixen Ausstieg verpflichtet. Dies
ermöglicht uns die Positionierung als institutioneller Ankeraktionär bei den Firmen.
So müssen wir uns
beim Kauf nicht schon
über den Ausstiegszeitpunkt kümmern.
Das Bewertungsniveau und die Chancen
der Firmen stehen im Vordergrund. Es kann
sein, dass die Aktie beim ersten Einstiegszeitpunkt etwas teurer war und es dann zu
einer Börsenkorrektur kommt. Wichtig ist
dann, dass wir der Firma die Stange halten
und nicht verkaufen müssen, um in Panik
geratene Geldgeber zu befriedigen.
«Fast ein Drittel aller
kotierten Schweizer
Firmen handelt zu
tieferen Aktienkursen
als vor sechs Jahren.»
Der Fonds «Veraison Sicav», mit dem
Sie bislang in Firmen wie Orell Füssli
oder Goldbach investiert haben, ist
laut Eigenwerbung in der Schweiz
einzigartig. Weshalb?
Wir haben eine Sicav-Struktur, die in der
Schweiz für Aktienanlagen noch nicht bekannt ist. Es ist eine Kombination aus einer
Aktiengesellschaft mit flexiblem Kapitalband und einem bewährten, transparenten
Anlagefonds. Der Anleger erhält ein Stimmrecht wie bei einer Beteiligungsgesellschaft.
Zudem kann eine Sicav grössere Positionen eingehen. Unsere Geldgeber haben ein
langfristiges Investment mittels Lock-ups
zugesichert. Ihre investierte Summe ist für
eine bestimmte Zeit blockiert. Dies ermöglicht ein langfristiges Anlegen.
Sie legen Geld von Investoren in
unter­bewertete Firmen an. Ist
das nicht riskant? Diese Firmen
­werden vom Markt ja nicht grundlos
­abgestraft.
Aktienanlagen sind stets risikoreich. Wir
werden nie jemandem erzählen, Aktienanlagen seien ein Ersatz für Bargeld oder
Obligationen. Wir betreiben einen grossen
Aufwand, bevor wir in eine Firma investie-
Wie viele von den insgesamt 260 im
Swiss Performance Index kotierten
Firmen sind auf Ihrem Radar?
Wir meiden Aktien von Kantonalbanken
und Stromversorgern. Hier spielt die politische Komponente hinein, die der Aktionär kaum beurteilen kann. Wir wären auch
nicht die besten Eigentümer bei BiotechAktien, dafür gibt es genügend Spezialisten. Es bleibt eine Liste von etwa 160 Firmen. Von diesen kaufen wir konsequent
nur unterbewertete Value-Aktien. Derzeit
sehen wir bei drei, vier Dutzend Firmen
eine Unterbewertung. Wir disziplinieren
uns auf acht bis zwölf Engagements.
Wir haben seit Jahren steigende
­ örsen. Gibt es überhaupt noch so
B
viele ­unterbewertete Firmen?
Die Börse hat eine Art Zweiteilung hinter sich. Das Geld der Investoren wurde
in den letzten Jahren vor allem in passive
Anlagen, indexnah und in ETF angelegt.
Gros­se Firmen wurden deutlich teurer. Daneben handelt fast ein Drittel aller kotierten Schweizer Unternehmen zu tieferen
Aktienkursen als vor sechs Jahren. Diese
Firmen wurden vernachlässigt oder ­haben
ganz offensichtlich ihre Hausaufgaben
noch nicht vollständig erledigt.
Wie sehen Sie die Entwicklung der
Aktienmärkte bis 2020?
Langfristig setze ich persönlich immer auf
Aktienanlagen. Mein Credo ist: Unternehmen sind immer besser aufgestellt und
handeln haushälterischer und langfristiger
als der Staat oder die Politik. Derzeit haben wir an den Märkten sicher keine Unterbewertung mehr, es ist aber auch keine
Überbewertung feststellbar. Wir sehen etliche Anlagechancen.
Ihre andere Passion ist der Fussball.
2012 traten Sie nach einem verlo­
renen Machtkampf gegen FC-ZürichPräsident Ancillo Canepa als Vizepräsident zurück. Kehren Sie beim
FCZ in eine Top-Position zurück?
Der FCZ ist in erster Linie eine persönliche
Herzensangelegenheit. Als Verwaltungsrat
darf man aber nicht wie ein Fan handeln. Daran krankt der Fussball. Ich fühlte mich bei
meinem Abgang vor drei Jahren nicht mehr
wohl in der Finanzierungs- und Führungsstruktur. Es war kein Machtkampf, sondern
eine strategische Überlegung. Prinzipiell
schliesse ich im Leben nie etwas aus. Bloss
möchte ich nie zweimal das Gleiche tun.
Das Original ist immer besser als das
Remake.
GREGOR GREBER
ÖKONOM UND VERMÖGENSVERWALTER
Gregor Greber ist Chairman der 2015 von
ihm mitgegründeten Veraison Capital in Zürich. Zuvor war er Aktienspezialist und Leiter
Aktien bei diversen Banken und CorporateFinance-Chef bei der Bank am Bellevue. Danach gründete er den Vermögensverwalter
zCapital und den Aktionärsberater zRating.
27
ZUKUNFT BANKING 2.0
DER BANKER DER ZUKUNFT
IST EIN INFORMATIKER
Crowdfunding, digitale Brieftasche, Online-Anlagen: Die Banken
sind im technologischen Umbruch. Das sind die Trends.
VON IVO RUCH
V
on einem Tsunami ist die Rede,
vom Ende einer Ära und immer
wieder vom Kampf Mensch gegen Maschine. Keine Frage, die Bankenbranche ist im Umbruch. Weltweit haben
Tausende von Kleinunternehmen vor, die
Finanzwelt zu revolutionieren. Sie setzen dabei auf neue Technologien, kreative
Ideen und einen einfacheren Umgang mit
Geld. Man nennt sie Fintechs. Sie entwickeln beispielsweise Software, um in Sekundenschnelle die Kreditwürdigkeit von
Antragstellern zu prüfen. Oder sie erstellen digitale Plattformen, die Kreditnehmer
und Privatleute zusammenbringen.
Crowdfunding kontra Bankkredit –
Alternative der Finanzierung
Gerade diese Crowdfunding genannte alternative Form der Finanzierung könnte
die Banken dereinst Umsatz kosten. Denn
sie ermöglicht es, für verschiedenartige
Projekte Geld zu beschaffen – ob es nun
die Unterstützung eines Musikprojekts,
die Anschubfinanzierung eines Start-ups
oder der Kleinkredit für einen Sportplatz
ist. Gegenstand des Deals ist in der Regel
auch eine Gegenleistung. Sie ist entweder
monetärer (Zinsertrag)
oder nicht-monetärer
Art (Produkte, Dienstleistungen).
In der Schweiz hat sich
diese Art der Kreditvergabe in den letzten drei Jahren verfünffacht. 15,8 Millionen Franken wurden
2014 durch Crowdfunding vermittelt – 36
Prozent mehr als im Vorjahr. Weltweit betrug das Volumen im letzten Jahr 14,8
Milliarden Franken, wobei der Schweizer
Online-Banking: Vieles ist heute über das Smartphone möglich.
Markt im internationalen Vergleich noch
wenig entwickelt ist. Insbesondere eine
massvolle Regulierung fehlt hierzulande.
Zu diesem Resultat kommt eine Studie der
Hochschule Luzern in
Zusammenarbeit mit
der Swisscom.
Am weitesten fortgeschritten ist der Crowdfunding-Markt in den
USA. Man rechnet
dort bis 2025 mit einem Wachstum bis auf
150 Milliarden Dollar.
Kommt dieser Trend in ähnlichem Verhältnis in der Schweiz an, könnten auf
Klein- und Privatkredite spezialisierte
Banken unter Druck geraten. Dass sich
die Art und Weise, wie wir mit Geld um-
Der Markt von
Crowdfunding hat
sich in den
letzten drei Jahren
verfünffacht.
28
© pictoores/fotolia.com
gehen, derzeit stark verändert, zeigt schon
das Verschwinden der klassischen Bankfiliale. Schweizer Banken dampfen zunehmend ihr Filialnetz ein und schlies­
sen Standorte, genauso wie europäische
Grossbanken. Mit entsprechenden Folgen
wie Jobabbau.
Auch der Zahlungsverkehr befindet
sich im Umbruch
Auch das Ausführen von Zahlungen ist im
Umbruch. Mit Selbstverständlichkeit kaufen wir heute Dinge übers Internet. Zahlen
aus Deutschland zeigen, dass ein Viertel
aller Online-Einkäufe bereits über Paypal
laufen. Zudem wollen Apple Pay, Google
Wallet und andere Anbieter das Bezahlen
per Smartphone in Bars und Res­taurants
etablieren. Auch in der Schweiz gibt es
BANKING 2.0 ZUKUNFT
mehrere Lösungen für eine digitale Brieftasche oder für das elektronische Überweisen von Geld zwischen Privatpersonen.
Weiteres Ungemach droht der Bankenwelt
vom Trend zu digitaler Vermögensverwaltung, der sich in verschiedenen Ausprägungen zeigt.
Dazu gehört auch das
in der Schweiz präsente Wikifolio. Ähnlich wie bei sozialen
Netzwerken kann dabei die Anlagestrategie
eines anderen Users
verfolgt oder nachgebildet werden (siehe
auch Seite 20). Daneben gibt es vollständig automatisierte Online-Anlageplattformen, wie sie etwa die Zürcher Firma True
Wealth anbietet.
zeigt. In vielen dieser erwähnten Finanzbereiche mischen nebst kleinen ­Anbietern
auch die etablierten Bankinstitute selbst
mit. So ist beispielsweise die Glarner Kantonalbank mit mehreren digi­talen Produkten am Start. Mit wenigen Klicks ist dort der
Abschluss eines Pri­
vatkredits oder einer
­Hypothek möglich.
Während für kleinere
Retail-Banken digitale
Angebote durchaus einen bedeutenden Teil
zum Umsatz beitragen
können, sind sie für globale Universalbanken wie die UBS noch nicht match­
entscheidend. Diese mischen viel eher im
digitalen Markt mit, um den Anschluss
nicht zu verpassen, falls die Nachfrage
rasant zunehmen sollte. Die UBS tut das
vor allem im Bereich der digitalen Vermögensverwaltung mit ihrer Anwendung
«UBS Advice».
Mit wenigen Klicks
ist der Abschluss
­eines Privatkredits
oder einer
Hypothek möglich.
Die Universalbanken wollen den
­ nschluss nicht verpassen
A
Am meisten Zukunftspotenzial dürfte
aber die Online-Vermögensverwaltung in
Kombination mit Beratung haben. Denn
Bankkunden informieren sich vor Anlage­
entscheiden noch immer am liebsten via
Kundenberater, wie eine Umfrage des Zuger
Instituts für Finanzdienstleistungen (IFZ)
DIE VIER ARTEN VON CROWDFUNDING
Crowdinvesting
Beteiligung über Kapital an einem Unternehmen. Oft Firmen in einem frühen Entwicklungsstadium. Als Gegenleistung erhalten
Investoren Anteile am Unternehmen oder sie
haben am möglichen Erfolg teil.
Crowdsupporting
Besonders beliebt bei kreativen, kulturellen
oder kommerziellen Projekten. Der Investor
erhält ein Kunstwerk, ein Produkt oder eine
Dienstleistung.
Crowddonating
Die bezahlten Beträge sind reine Spenden
ohne Gegenleistung. Hier stehen soziale oder
karitative Motive im Vordergrund.
Crowdlending
Die Kapitalgeber erhalten für ihr Darlehen
Zinsen, die abhängig sind vom Risiko des
­Kapitalnehmers. Besonders beliebt bei Unternehmen oder Privaten.
Markt für digitales Anlegen noch
im Anfangsstadium
Auch wenn sich der Schweizer Markt für
digitales Anlegen insgesamt noch in einem
Anfangsstadium befindet, soll er in Zukunft
stark wachsen. Bis im Jahr 2020 soll das
digital angelegte Vermögen in der Schweiz
auf 54 Milliarden Franken, in einem progressiven Szenario gar auf 89 Milliarden
ansteigen, wie Zahlen der IFZ-Studie andeuten.
Was die Studie auch sagt: Die Gewinner dieses Trends dürften die etablierten
Banken sein – und nicht die innovativen
Fintech-Unternehmen. Denn die Kunden
schätzen die Erfahrung eines Anbieters als
wichtig ein. Dafür und für das jahrelange
Know-how sind Kunden im Moment noch
bereit, in die Tasche zu greifen.
Die Banken sind noch in anderen Bereichen Platzhirsche. Sie beackern komplexe
Geschäftsfelder wie Fusionen von Unternehmen, Übernahmen oder Börsengänge.
Und noch einen Trumpf haben die etablierten Geldhäuser: persönliche Daten.
Mit den Unmengen von Informationen, die
sie während langer Zeit über ihre Kunden
in Erfahrung gebracht haben, wissen sie
genau, woran diese interessiert sind und
woran nicht. Und woher im Banking der
Wind weht.
Mit der Smartphone-App «Paymit» ­digital
Geld verschieben.
Keystone
Umkämpfter Markt
fürs digitale Zahlen
D
er Schweizer Markt fürs Bezahlen via
Smartphone ist in Bewegung. Wegen
Erfolglosigkeit bietet Swisscom die mit Salt
und Sunrise lancierte App «Tapit» nur noch
bis Sommer 2016 an. Stattdessen schliesst
sich Swisscom der Bezahllösung «Paymit»
an, die von SIX, UBS und der Zürcher
Kantonalbank ins Leben gerufen wurde.
Paymit soll ein Schweizer Gegengewicht
zur internationalen Konkurrenz wie Apple,
Google oder Facebook sein, deren Lösungen in der Schweiz noch nicht funktionieren. Im Schweizer Markt der Bezahl-Apps
tummeln sich zudem einige Start-ups.
Investoren stehen
auf Fintech
D
ie Fintech-Branche lockt zunehmend
Geld an. Das jährlich in Fintech-Firmen fliessende Risikokapital stieg zwischen 2008 und 2014 von 1,5 Milliarden
auf mehr als 12 Milliarden Dollar weltweit
an. Allein zwischen 2013 und 2014 haben
sich die Investitionen mehr als verdreifacht. Wer als Anleger auf den Fintech-Zug
aufspringen will, sollte sich am «Solactive
FinTech 20 Total Return Index» orientieren. Der Index bildet die Wertentwicklung
der 20 grössten kotierten Fintech-Unternehmen eins zu eins ab. Die UBS bietet ein
Zertifikat auf den Index an.
29
ORAKEL BÖRSENEVENTS
Die Welt der Finanzmärkte und das Leben der Firmenchefs ist voller Überraschungen. © mitrija/fotolia.com
WIRTSCHAFTS-NEWS, DIE SIE
­SICHER NIE LESEN WERDEN!
Es gibt Events in der Schweizer Börsenwelt, die schlicht nicht möglich sind. Oder vielleicht doch? Sechs News aus der Fantasiewelt.
VON MARC FORSTER UND DANIEL HÜGLI
N
ick Hayek (Bild) hat die Nase voll: Immer diese
Banken, immer dieser Börsenkurs! Hayek beschäftigt unzählige Mitarbeitende, welche die
Börsen­
regulierung umsetzen müssen, Investorenbeziehungen pflegen und endlos Geschäfts- und Quartalsberichte schreiben.
Dabei sollten sie doch das tun, wofür der
glanzvolle Name Swatch steht: flippige
Plastik­uhren herstellen, edle Chronometer
zusammensetzen und Schmuckstücke unter
die Leute bringen, und zwar auf der ganzen
Welt. Ein tieferer Aktienkurs – seit Anfang
2014 eine Tatsache im Konzern, dessen Führung Nick 2010 von seinem erfinderischen Vater
Nico­las Hayek übernommen hat – hilft dem CEO
30
bei seinem Plan: Er kauft die Swatch Group
von der Börse zurück. Bei einem Börsenwert von über 20 Milliarden Franken kein
leichtes Unterfangen. Aber Hayek bringt
die Mittel zusammen, auch wenn er dafür hohe Schulden bei den ungeliebten
Banken machen muss. Gemunkelt
wird, dass es noch andere Geldquellen gibt. Dass die Uhrenmarke Omega ausgerechnet
ihre Präsenz in der qatarischen Hauptstadt Doha und
in Singapur vergrös­sert hat,
wird dabei aber als reiner
Zufall abgetan.
BÖRSENEVENTS ORAKEL
Wunschdenken: ABB-Aktie steigt nachhaltig
über die Marke von 20 Franken
D
ie Aktionäre des Industrie- und Technologieriesen ABB haben die Hoffnung auf
Performance längst aufgegeben. Seit Mitte 2009 klebt der Aktienkurs von ABB
an der Marke von 20 Franken, mit gelegentlichen Zuckungen nach unten und
oben. ABB-Aktionäre sind geduldig und brav. Zu nachhaltig ist ihnen der Nahtod von
ABB im Jahr 2002 eingefahren, als der Kurs auf 1,12 Franken absackte. Nun aber
kommt «Deus ex Machina» Peter Voser (Bild), der wie in der antiken Tragödie
in letzter Sekunde als Gott auf die Bühne schwebt und die als unvermeidlich angesehene (Aktien-)Katastrophe abwendet. Voser,
als ABB-Präsident seit April 2015 im Amt, nimmt die Dinge
entschlossen in die Hand. Er verkauft Unternehmensteile und
fokussiert die konglomeratsähnliche ABB auf die wesentlichen
Geschäfte. Voser hievt die ABB-Aktie damit auf derartige Höhen,
dass die Investoren das Augenwasser kriegen. Ganz uneigennützig
werden Vosers Taten aber nicht sein. Denn in seinen viereinhalb
Jahren als CEO von Royal Dutch Shell stand Voser in permanenter
Kritik von Aktionärsrechtlern, dass er zu viel Bonus (auch in Form
von Aktien der Firma) im Verhältnis zum Fixlohn kassierte.
Bilder Keystone
Traum: Tanner lässt
die Bombe platzen
E
rnst
Tanner
kommt zur Einsicht: Die Namen­aktie
des Schokoladenriesen Lindt & Sprüngli
aus Kilchberg ZH ist
mit einem Preis von
gegen 70 000 Franken
endgültig zu «schwer» geworden. Er kündigt den lange ersehnten Aktiensplit im
Verhältnis 1:50 an. Das Papier ist nun für
1400 Franken zu haben. Heimatverbundene und schokoladensüchtige Kleinanleger greifen nun in Scharen nach der Aktie
der traditionsreichen Firma. Versüsst wird
ihnen der Besitz mit einer zusätzlichen Naturaldividende in Form von 10 Kilogramm
Edel-Schoggi. Der Kurs steigt bald wieder
auf 2000 Franken, die Analysten bleiben
weiterhin voller Lob. Da kann CEO Tanner
getrost die nächste Bombe platzen lassen:
Er verzichtet auf sein Doppelmandat und
bleibt nur noch für zwei Jahre Verwaltungsratspräsident. Die frei gewordene Zeit verbringt er häufig auf der Terrasse über dem
Zürichsee mit dem ebenfalls nicht mehr
vollbeschäftigten Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter. Die Anlagestiftung Ethos preist Lindt
zum ersten Mal als Vorbild in Sachen Corporate Governance.
Fantasie: Vasella vollendet sein Lebenswerk
D
a war im Jahr 2001 dieser Angriff von Daniel Vasella auf Roche.
Auf einmal besass Novartis 33 Prozent am Basler Lokalkonkurrenten. Novartis-CEO Vasella wollte die Fusion der Pharmakonzerne,
bei der noblen Roche biss er auf Granit. Nun, fast 15 Jahre später,
ist vieles anders. Vasellas Erzfeind bei Roche, Franz Humer, ist (fast)
weg, der Konsolidierungsdruck steigt, die Roche-Familienaktionäre
wollen Bares. Novartis-Ehrenpräsident Vasella zieht im Hintergrund
die Fäden, und eines Morgens wacht Basel mit der «Novaroche» auf.
Fiktion: Hildebrand wird UBS-Präsident
P
hilipp Hildebrand war 2008 Direktoriumsmitglied der Nationalbank, als diese die UBS vor dem Untergang rettete. Später musste
Hildebrand als SNB-Präsident wegen einer Devisenaffäre abtreten.
Diese Schmach hat er nie verschmerzt. In seinem Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung will er unbedingt wieder eine Schweizer Spitzenposition. Die UBS erinnert sich an die guten Dienste und
schanzt Hildebrand den Posten des VR-Präsidenten zu. Somit löst
ein Ex-Zentralbankchef einen Ex-Zentralbankchef (Axel Weber) ab.
Utopie: Banken haken ihre Rechtsfälle ab
B
ald ist Griechenland wieder solvent, die Euro-Krise vorüber und
die Staatshaushalte sind wieder im Plus. Wer denkt da noch an
unversteuertes Geld auf Schweizer Banken? Und weil die Trader sich
an alle Regeln halten, geht den Regulatoren die Arbeit aus. CreditSuisse-Präsident Urs Rohner (Bild) fliegt nur noch für Opernaufführungen in der New Yorker «Met» über den Atlantik. Auf der Bühne
sieht er alte Bekannte: US-Juristen in Diensten der UBS und der CS
sind mittlerweile arbeitslos und versuchen sich im Kulturbetrieb.
31
VORSORGE WICHTIGE FRAGEN
WAS SIE ÜBER DIE VORSORGE
WISSEN MÜSSEN
Vorsorge ist kompliziert. cash VALUE beantwortet
die wichtigsten Fragen zur Altersfinanzierung.
VON MARC FORSTER
Was ist eigentlich mein Ziel?
Zentral ist die Finanzplanung zum Erhalt
des Lebensstandards im Alter. Es gilt also,
rechtzeitig eine Abschätzung über den Betrag zu treffen, den man nach der Pensionierung benötigt. Damit lässt sich klarer
ein Sparziel festlegen. Das Altersvermögen
setzt sich zusammen aus den Beträgen und
finanziellen Anrechten, die sich aus den
drei Säulen AHV, Berufsvorsorge und private Vorsorge ergeben. Es muss in zwei Teilen betrachtet werden: Geld, das man zum
täglichen Leben braucht und das sich damit im Laufe der Jahre reduziert, und Geld,
das man möglichst lange erhalten will.
Warum muss ich überhaupt sparen?
AHV und Berufsvorsorge reichen meist
nicht, um den Lebensstandard zu erhalten.
Regelmässig Geld zur Seite legen lohnt
sich. Mit einem Säule-3a-Konto, bei dem
pro Jahr maximal 6768 Franken einbezahlt
werden können, spart man zudem Steuern.
Nicht zu unterschätzten ist auch der Zinseffekt: Zahlt man ab dem 25. Lebensjahr
im Monat 100 Franken auf ein Säule-3aKonto ein, das bis zur Pensionierung im
Schnitt 3 Prozent Zinsen gibt, hat man mit
65 Jahren (vor Steuern) 92 000 Franken.
44 000 Franken ergeben sich dank Zinsen
und Zinseszinsen.
Wann muss ich anfangen?
In jungen Jahren ist es wichtig, rechtzeitig
einen Grundstock zu legen: Schon ein diszipliniert geführtes Jugendsparkonto kann
den Anfang bilden. Wer studiert hat, muss
sich auch bewusst sein, dass er während
der Ausbildung länger nicht in die AHV
und die Pensionskasse einbezahlt hat als
Menschen, die Anfang 20 ins Berufsleben
eingetreten sind.
32
Es genügt nicht, einfach etwas Geld fürs Alter beiseitezulegen. Wichtig ist, ein Ziel zu
definieren und sich dafür einen Plan zurechtzulegen.
© sakkmesterke/fotolia.com
Steigt mit dem Alter das Einkommen, wird
der finanzielle Spielraum grösser: Vor allem Lebensversicherungsprodukte richten
sich zum Teil gezielt an Menschen über 45
Jahre. Es ist ratsam, zwischen 45 und 50
Jahren eine Zwischenbilanz vorzunehmen
und sich vertieft mit der weiteren Finanzplanung auseinanderzusetzen.
Wer eine Frühpensionierung, einen Kapitalbezug oder Einkäufe in die Pensionskasse ins Auge fasst, sollte sich auch schon
in diesem Alter die ersten Gedanken über
die Umsetzung machen.
Was für Produkte soll ich wählen?
Möglichkeiten zum Alterssparen gibt es
zahlreiche. Banken und Versicherungen
halten dafür eine grosse Palette bereit.
Säule-3a-Konten gehören zu den gängigsten Vorsorgeformen, bei denen man sich
aber bewusst sein muss, dass ein Bezug vor
dem Pensionsalter nur etwa beim Wegzug
WICHTIGE FRAGEN VORSORGE
in ein anderes Land, für gewisse Immobilienfinanzierungen oder für die berufliche
Selbstständigkeit möglich sind.
Lebensversicherungen enthalten die Garantie, dass das Geld einmal ausbezahlt
wird. Man muss aber genau darauf achten,
welche regelmässigen Zahlungsverpflichtungen man eingeht, denn aus Lebensversicherungen vorzeitig auszusteigen ist
kostspielig.
Fonds und Bankenangebote können für die
Vorsorge verwendet werden, sind streng genommen aber Anlageprodukte und damit
etwa nicht steuerbegünstigt. Bankprodukte
sind, salopp gesagt, so sicher wie die Bank,
die sie zur Verfügung stellt.
Ist ein Pensionskassen-Einkauf
­sinnvoll?
Wem Beitragsjahre fehlen, beispielsweise
durch einen späten Beginn des Berufslebens oder eine Mutterschafts- oder Vaterschaftspause, sollte sich überlegen, wie er
die Lücken schliessen kann.
Zusätzlich in die Pensionskasse einzu­
zahlen kann aber auch mit der Überlegung
zu tun haben, dass die Renten künftig eher
kleiner werden: Der Umwandlungssatz,
mit dem Pensionsguthaben verzinst werden – aktuell mit 6,2 Prozent berechnet –
wird ziemlich sicher sinken.
Oder man will eine zusätzliche Absicherung für den Fall, dass man länger lebt
als gedacht. Der Vorteil von Pensionskassen-Einkäufen ist, dass sie steuerbegünstigt sind. Der Nachteil ist wie etwa beim
Säule-3a-Konto, dass Vorbezüge erschwert
sind. Wichtig ist auch: Beim Einkauf müssen der zusätzliche Finanzbedarf und der
Netto-Steuereffekt ausgerechnet werden.
«Man muss beim Bezug von Kapital
­vorsichtig sein»
Willi Graf, wann kann ich mir eine
Früh­pensionierung erlauben?
Wenn die Einnahmen aus Renten das
Haushaltsbudget decken. Darunter verstehen wir alle Ausgaben für den Lebensstandard inklusive Steuern. Bei den Renten zählt man die nach Alter 64 bei Frauen
und Alter 65 bei Männern zustehende
AHV-Rente und die beim geplanten Pensionierungsdatum aus dem Pensionskassenausweis heute schon ersichtliche Rente zusammen. Sind diese beiden höher als das
Haushaltsbudget, ist eine Frühpensionierung möglich. Falls genügend Geld in der
Säule 3a angespart ist, eine Erbschaft ausstehend ist oder sonst genügend zusätzliche Mittel verfügbar sind, dürfen die Renteneinnahmen ausnahmsweise unter dem
Haushaltsbudget liegen. Eine unabhängige
Beratung ist aber auf jeden Fall sinnvoll.
Soll ich Pensionskassengeld für
Wohneigentum beziehen?
Was heute in Beton gegossen wird, kann in
der Pension nicht zur Deckung des Haushaltsbudgets beigezogen werden. Also aufgepasst! Wenn die Renteneinnahmen aus
AHV und Pensionskasse das Budget trotz
Bezugs decken, dann ist das problemlos
möglich. Sonst gilt es, vorsichtig mit dem
Kapital umzugehen. Man sollte zudem bei
einer Rentenlücke das Bezogene wenigstens teilweise wieder in die Pensionskasse
einzahlen. Der Bezug kann dann ein Vorteil
sein, wenn jemand über genügend andere
Willi Graf ist Inhaber und Geschäftsführer
der Beratungsfirma VVK Vorsorge- und
Vermögenskonzepte in Teufen AR.
zvg
Mittel verfügt, weil dann die Hinterbliebenen bei einem Todesfall über das Kapital
verfügen können und es nicht in der Pensionskasse verbleibt.
Soll ich Kapital oder Rente wählen?
Das ist eine der schwierigsten Fragen in der
Vorsorgewelt und kann nur individuell beantwortet werden. Das Kapital kann beim
Tod vererbt werden. Andererseits wird man
immer gesünder älter und so gesehen ist
die Rente wohl attraktiver, weil die Pen­
sionskasse die Rente lebenslänglich zahlt.
Möglich ist eine Mischform. Die Lücke bei
einem teilweisen Kapitalbezug berechnet
man, indem man den Umwandlungssatz
mit der gewünschten Kapitalmenge multipliziert. Ein Beispiel: Man bezieht 100 000
Franken bei einem Umwandlungssatz von
6 Prozent, dann reduziert sich die Rente
um 6000 Franken pro Jahr.
Soll man für die Vorsorge an den Finanzmärkten anlegen? Und welche Rolle spielen die Zinsen?
Aktien, Fonds und Obligationen sind ein Mit-
sind aber Ausnahmen. In der langen Frist sind
nungslos frustrierend erscheinen. Auf einem
tel zur Geldvermehrung. Aber eignen sie sich
Aktien oder Obligationen valable Alternativen
Bankkonto gibt es im Moment kaum noch
auch, um Vorsorge zu betreiben?
– oder besser: Ergänzungen – zu den klassi-
Zins, und mehr und mehr Banken und Ver-
Im Gegensatz zu typischen Vorsorgeprodukten
schen Vorsorgelösungen. Eine Aktie berechtigt
sicherungen senken auch die Zinsen auf den
bieten
vordergründig
zum Bezug von Dividenden und kann ihren
Vorsorgeplänen.
keine Garantien. Aktienkurse können drastisch
Wert über die Jahre enorm steigern. Das Wich-
Zu bedenken gilt aber, dass die Vorsorge auf
sinken, auf den sicheren Obligationen erhält
tigste bei Wertschriften ist aber, nur in Aktien
20, 30 oder 40 Jahre angelegt ist. In einem
man kaum noch Rendite. Im schlechtesten
und Strategien zu investieren, die man kennt
solchen Zeitraum schwanken die Zinsen be-
Fall geht ein Unternehmen Konkurs und des-
und versteht. Viele Langfristanleger setzen auf
trächtlich. Vor der Finanzkrise 2007/2008 lag
sen Aktien und Unternehmensanleihen wer-
sogenannte Qualitätsaktien wie etwa Nestlé,
der Leitzins der Schweizerischen Nationalbank
den wertlos. In dramatischer Weise geschah
Novartis oder Coca-Cola.
bei 2,75 Prozent, jener der US-Notenbank Fed
dies 2001 mit der Swissair, auf deren Aktien
Stichwort Zinsen: Die aktuellen Tief- und Ne-
bei 5,25 Prozent. Gewiss ist: In den nächsten
manche Anleger zwecks Vorsorge setzten. Das
gativzinsen lassen Sparanstrengungen hoff-
40 Jahren werden Zinsen auch wieder steigen.
Finanzmarktgeschäfte
33
INTERVIEW ROLF HILTL
«EIN BÖRSENGANG KÖNNTE
EINE VERLOCKUNG SEIN»
Gastronom Rolf Hiltl über die Konkurrenz unter Vegi-Restaurants,
das Problem mit dem Filet und einen möglichen Börsengang.
INTERVIEW: IVO RUCH
Wird sich der Trend zu vegetarischer
und veganer Küche in Zukunft noch
verstärken?
Es ist wirklich unglaublich. Ursprünglich
wurde das Hiltl als Wurzelbunker, seine
Gäste als Grasfresser bezeichnet, die das
Restaurant oft durch den Hintereingang
betraten. Mein Urgrossvater würde sich im
Grab umdrehen, wenn er wüsste, wie es
heute abgeht. Der Trend zum Veganen ist
sehr gross, insbesondere bei jungen Leuten
in Grossstädten. Diese Entwicklung wird
sich vor allem in aufgeklärten Gesellschaften im Westen noch verstärken.
Gleichzeitig strömt immer mehr
­Konkurrenz auf den Markt. Wie
­behaupten Sie sich?
Ich finde es gut, dass es mehr vegane und
vegetarische Restaurants gibt. Denn wir
verfolgen auch ein übergeordnetes Ziel.
Es ist nicht in Ordnung, wenn alle ständig
Filet essen und die Fleischindustrie völlig
aus dem Ruder läuft. Ich wundere mich,
dass es nicht mehr Konkurrenz gibt, denn
vegetarische Ernährung ist definitiv kein
Nischenthema mehr.
34
Gibt es in der Lebensmittelindustrie
spannende Entwicklungen?
Die Fleischindustrie überlegt sich, auch
vegetarische oder vegane Optionen anzubieten. In unserer vegetarischen Metzgerei
hatten wir schon Besuch von Grossmetzgern. Es gibt neue Hersteller von Fleisch­
ersatzprodukten. In den USA wird viel
Geld in die Erforschung von Laborfleisch
gesteckt. Mich stört, dass viele Leute beim
Fleischkonsum sehr heikel sind und nur
die schönsten und teuersten Stücke essen.
Bei Familienunternehmen stellt
sich früher oder später die Frage
der Nachfolge. Haben Ihre Kinder
­Interesse am Geschäft?
Wie es momentan ausschaut, ja. Wir haben
drei Kinder. Die älteste Tochter möchte die
Hotelfachschule in Lausanne absolvieren,
was mich sehr freut. Die mittlere Tochter
hat bereits eine Schnupperlehre in unserem Betrieb gemacht. Und unser Sohn hat
kürzlich gesagt, er wolle entweder Autorennfahrer, Fussballer oder Hiltl-Chef werden. Die Chancen stehen also gut. Unsere
Kinder sind frei. Sie sollen und dürfen selber entscheiden, was sie tun wollen.
Die Schweizer essen viel Fleisch ...
Da spielt die Tradition mit. Leute, die
sagen, sie bräuchten immer Fleisch,
­
finde ich amüsant. Sie brauchen es
nicht. Sie sind es sich einfach
gewohnt.
Haben Sie je daran gedacht, mit Hiltl
an die Börse zu gehen?
Nein, grundsätzlich nicht. Wir sind eigenständig und wollen unser Geschäft selber
steuern. Natürlich könnte es eine Ver­
lockung sein.
Sind Sie selber an der Börse aktiv?
Vor ein paar Jahren habe ich entschieden,
dass ich vor allem in meine eigenen Gas­
tronomie-Projekte investieren will.
zvg
Rolf Hiltl, das Hiltl-Restaurant gibt
es seit mehr als 100 Jahren. Was ist
das Erfolgsrezept?
Wir haben einerseits eine tolle Geschichte.
Gegründet wurde das Unternehmen von
meinem Urgrossvater 1898, damit sind wir
das älteste vegetarische Restaurant der
Welt. Andererseits sind wir immer sehr innovativ geblieben. Schon meine Vorfahren
haben die Dinge hinterfragt. Ganz wichtig ist auch unser Menschenbild. Für uns
steht der Mensch im Vordergrund. Natürlich geht es auch ums Finanzielle, aber wir
wollen in erster Linie die Leute begeistern.
ROLF HILTL
GASTRONOM
Der Zürcher Rolf Hiltl (50) führt die Hiltl AG
in vierter Generation. Er absolvierte eine
Kochlehre im Grand Hotel Dolder in Zürich.
Nach der Hotelfachschule in Lausanne und
mehreren Stationen im Ausland übernahm er
1998 die volle Verantwortung für das ä
­ lteste
vegetarische Restaurant der Welt. Hiltl be­
zeichnet sich selbst als «Flexitarier» – ein
Vegetarier, der gelegentlich auch Fleisch isst.
Das hat sich offenbar gelohnt.
Ja, sehr. Wir profitieren vom aktuellen
Zeitgeist und sind sehr dankbar, dass es so
gut läuft.
Welche Tipps können Sie jungen
­Unternehmern geben?
Das Wichtigste ist, dass man am Ball
bleibt. Viele haben gute Ideen, aber entscheidend ist die hartnäckige Umsetzung.
Zweitens sollte man nur das tun, was man
gerne macht und wofür man Talent hat.
Und drittens sollte man nicht andere kopieren, sondern einzigartig bleiben.
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Mode machen wir nicht.
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