Verbunden unter quasistatischer und statisch/dynamischer

PRÜFEN UND MESSEN
TESTING AND MEASURING
PPS-Faser • Haftverbund • Elastomer •
Verbundwerkstoff
Im Rahmen der Untersuchungen wurde
die Haftkraft von PPS-Faser-ElastomerVerbunden unter quasistatischer (TTest) und statisch/dynamischer Belastung (Eplexor) im Zugmodus bei verschiedenen Temperaturbelastungen bestimmt. Die PPS-Faser wurde dabei mit
verschiedenen Verarbeitungsschlichten
und variierenden zweistufigen nasschemischen Beschichtungen eingesetzt.
Exzellente Verbesserungen des Haftverbundes konnten durch eine zweistufige
Beschichtung mit Vordipp und RFLDipp, unter Einsatz eines NBR-Latex, bei
niedrigen Temperaturen erreicht werden. Hohe Temperaturbelastungen senken den Haftverbund deutlich, was bis
zur Wirkungslosigkeit der Beschichtung
führen kann. Sowohl der T-Test als auch
die statisch/dynamische Haftprüfung
am Eplexor sind zur Charakterisierung
der PPS-Faser-Matrix-Haftung geeignet.
Beide Messmethoden ergänzen sich gegenseitig.
Comparison of fibre-matrix
adhesion of elastomer-PPScomposites under quasi static
and static-dynamic load in the
tension mode as function of
temperature
PPS-Fibre • Adhesion Composite • Elastomer • Composite Material
During the investigations, the adhesion
of PPS fiber elastomer composites under quasi-static (T-Test) and static/dynamic loading (Eplexor) was determined in tensile mode at different temperatures. Therefore, PPS fibers with different sizings and various 2-step
wet-chemical coatings were used.
Excellent improvements in adhesion
were achieved using the 2-step coating
process consisting of a pre-coating and
a RFL-coating, with a NBR-latex, at low
temperatures. Higher temperatures reduce the adhesion significantly as the
coating leads no more positive effect.
Both T-test and the test with the Eplexor are feasible for the characterization
of fiber matrix adhesion.
Abbildungen und Tabellen:
Mit freundlicher Unterstützung der Autoren.
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Vergleich der Faser-MatrixHaftung von Elastomer-PPSVerbunden unter quasistatischer
und statisch/dynamischer
Belastung im Zugmodus in
Abhängigkeit von der Temperatur
Faserverstärkte Elastomerverbunde finden ihren Einsatz in immer mehr und
immer vielfältigeren technischen Anwendungsgebieten, bspw. im Fahrzeugbau. Insbesondere bei hochdynamischen
Wechselbelastungen unter Einfluss hoher Temperaturen stoßen derzeit eingesetzte Werkstoffe an ihre Grenzen. Das
Potential für den Einsatz der erst seit
kurzer Zeit als hochfeste Endlosfaser am
Markt verfügbaren PolyphenylensulfidFaser (PPS) als Verstärkungsfaser liegt
dabei in einer hohen Energieaufnahme,
einer geringen Kriechneigung, hoher Dimensionsstabilität, Ermüdungsbeständigkeit und Temperaturbeständigkeit
dieses Faserstoffes.
Die Ausnutzung des Potentials dieses
Hochleistungsfaserwerkstoffes in Kunststoffverbunden wird bei hohen Belastungen vor allem aufgrund der durch die
inerte Oberfläche bedingten mangelnden Haftung zwischen Verstärkungsfaser
und Matrix erheblich erschwert. Bei der
PPS-Faser ist bisher keine Grenzschichtaktivierung zur Haftungsverbesserung
für Anwendungen in Kombination mit
Elastomeren bzw. Thermoplasten bekannt. Ein wesentlicher Schwerpunkt der
Entwicklungen liegt somit in einer gezielten, im industriellen Fertigungsprozess durchführbaren Oberflächenmodifizierung von PPS-Faserstoffen.
Experimente
Material
Die industrielle Kautschukrohmischung
auf der Basis von Ethylen-Acrylat-Kautschuk wurde von der Veritas AG (Gelnhausen) zur Verfügung gestellt. Als Füllstoff kam der Halbaktivruß N550 mit einem Gewichtsanteil von 70 phr (parts
per hundred rubber) je 100 Teile Kautschuk zum Einsatz. Die Rohmischung
vernetzt aminisch.
Die PPS-Garne (Typ 170) mit einer
Feinheit von 330 tex, bestehend aus 576
Filamenten und verdreht mit 60 tpm
(turns per meter) wurden von der Performance Fibers GmbH (Bad Hersfeld) bezogen. Als Ausgangsstoff kommt das kristallinisierte Granulat Fortron 0320CO
zum Einsatz, aus dem durch Schmelzspinnen das PPS-Garn hergestellt wird.
Die für die zweistufig nasschemische
Beschichtung erforderlichen Chemikalien einschließlich der Mischrezeptur lieferte die Firma MEP OLBO GmbH (Fulda).
Weitere im RFL-Dipp eingesetzte Latextypen wie ein selbstvernetzender Vinyl-Acrylat-Latex (Emultex DX 638, La5) und ein
carboxylierter Acrylnitril-Butadien-Latex
(Litex NX 1172, La6) bemusterte die Firma Synthomer Deutschland GmbH
(Marl).
Versuchsablauf / verwendete Geräte
Der Auftrag der verschiedenen Dipps erfolgte mit einer kontinuierlichen Beschichtungsanlage vom Typ KTF (Mathis
AG, Oberhäsli, Schweiz). Diese besteht
aus einem Pressenteil (Foulard), einer
Autoren
Thomas Götze, Rico Hickmann,
André Hürkamp, Sven Wießner,
Gert Heinrich, Olaf Diestel, Chokri
Cherif, Michael Kaliske, Dresden
Korrespondenz:
Thomas Götze
Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V.
Hohe Straße 6
01069 Dresden
E-Mail: [email protected]
KGK · 9 2015
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1
Abb. 1: Pressform zur Herstellung von T-Test-Prüfkörpern (links), Probenhalter für statisch/
dynamische Zugprüfung am Eplexor (rechts).
25
2.5
dyn. Dehnung [%]
dyn. Dehnung
stat. Dehnung
2
20
1.5
15
1
10
stat. Dehnung [%]
2
5
0.5
0
0
0
500
1000
1500
2000
Zeit [s]
Abb. 2: Prinzipieller Aufbau des zeitabhängigen Sequenzsweeps, Darstellung der 16 Belastungsstufen der statischen und dynamischen Dehnung über der Zeit.
Vortrocknung (IR-Strahler) und einem Linearofen sowie einem Aufwickelsystem.
Standardmäßig werden die Garne mit
einer zweistufigen nasschemischen Beschichtung ausgerüstet, wobei basierend
auf einem haftvermittelnden Vordippp
ein RFL-Dipp aufgebracht wird.
Die Garne werden in einer speziellen
Pressform (siehe Abbildung 1 links) mit
der Kautschukmatrix bei 175 °C unter
Druck in einer Laborpresse TP 1000 (Fortune, Holland) 20 Minuten lang dauerhaft aminisch vernetzt. Der Elastomerstreifen hat die Abmessungen 11 mm x
170 mm x 7 mm (Breite x Länge x Höhe)
und bettet zehn Prüfgarne ein.
Die Bestimmung der maximalen
Garnfestigkeit (nach ISO 3341) erfolgte
an der Zugprüfmaschine (Universalprüf-
42
KGK · 9 2015
maschine) Zwick 2.5 mit einer Prüfgeschwindigkeit von 100 mm/min.
Die quasistatischen Garnauszugsversuche (T-Test) der Faserverbund-werkstoffprüfkörper wurden in Anlehnung an
die ASTM-Standardprüfmethode D 4776
für die Adhäsion von Cord zur Elastomermatrix durchgeführt. Dafür wurde bei
Raumtemperatur (RT) die Zugprüfmaschine Goodbrand Micro 350 der Firma
Karl Schröder KG (Weinheim, Deutschland) und für Prüfungen bei höheren
Temperaturen die IR-beheizte Universalprüfmaschine Zwick 1456 (Ulm, Deutschland) eingesetzt. Die Prüfgeschwindigkeiten betrugen jeweils 200 mm/min bei
einer freien Messlänge von 100 mm.
Für die statisch/dynamischen Zugprüfungen wurde das Dynamisch-Mecha-
nisch-Thermische Spektrometer (DMTS)
Eplexor 2000 N (Gabo Qualimeter® Testanlagen, Ahlden, Deutschland) eingesetzt. Der Eplexor verfügt über zwei unabhängige Antriebe für statische und
dynamische Belastungen. Das rechte Foto der Abbildung 1 veranschaulicht den
Versuchsaufbau unter Verwendung spezieller Probenhalter und Klemmen. Auf
die obere Halterung wirkt die statische
und auf die untere Klemme die dynamische Kraft ein.
Als Prüfprogramm am Eplexor wurde
ein zeitabhängiger Sequenzsweep mit
kontinuierlich steigender Belastung mit
maximal 16 Sequenzen, basierend auf
den Prüfdaten von Deckmann [1], bei einer Frequenz von 10 Hz durchgeführt.
Das Verhältnis von statischer zu dynamischer Belastung war konstant 10:1. Bei
Versuchen unter Temperaturbelastung
betrug die Konditionierzeit bei Solltemperatur jeweils 20 Minuten. Abbildung 2
veranschaulicht den prinzipiellen Aufbau
des Prüfprogramms. Es sind die jeweiligen Belastungsstufen der statischen und
dynamischen Dehnung in Abhängigkeit
von der Zeit dargestellt, wobei die Zeitdauer der Messung eines Prüfwertes mit
10 s festgelegt wurde. Die prozentuale
statische und dynamische Dehnung ist
immer auf die freie Garnweglänge (l0)
bezogen, die gleich 100 % gesetzt wird.
Die Belastungssequenzen steigern sich
wie folgt: 0,5 % statisch und 0,05 % dynamisch, 1 % statisch und 0,1 % dynamisch
usw. Ab der zehnten Belastungsstufe
wird die Schrittweite verdoppelt.
Mit Hilfe der Röntgenphotoelektronenspektroskopie (XPS) wurde die atomare Zusammensetzung der Garnoberfläche bestimmt. Das verwendete Gerät
war ein Amicus-Spektrometer (Kratos
Analytical, Manchester, Großbritannien),
welches mit nichtmonochromatischer
Mg Kα Röntgenstrahlung bei einer Leistung von 240 W und einer Spannung von
8 kV arbeitet.
Ergebnisse / Diskussion
Vergleich zwischen PPS-Garn ohne
Schlichte, mit verschiedenen Verarbeitungsschlichten und mit einer industriellen Vorbeschichtung
Einleitende Untersuchungen wurden
durchgeführt, um zu klären, inwieweit
verschiedene Verarbeitungsschlichten
bzw. eine industrielle Vorbeschichtung
einen Einfluss auf die Garnfestigkeit und
den Haftverbund haben. Damit soll dem
Anwender eine Hilfe zur Auswahl geeigwww.kgk-rubberpoint.de
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neter, industriell verfügbarer Beschichtungen gegeben werden. Alle Arbeiten
sind mit der gleichen Garnkonstruktion
PPS Typ 170 330 tex Z60 durchgeführt
worden, was die Vergleichbarkeit der Beschichtungsvarianten gewährleistet. In
diesem Untersuchungsteil sind jeweils
das „reine“ PPS-Garn ohne Schlichte (ohne) mit einem Garn mit silikonhaltiger
Verarbeitungschlichte (MS) sowie einem
Garn mit einer Verarbeitungschlichte ohne Silikon (SDT) und einem industriell
voraktivierten Garntyp (AA) gegenübergestellt.
Die Ergebnisse der XPS-Analysen sind
in Tabelle 1 zusammengefasst. Der theoretische Wert der Elementzusammensetzung der PPS-Faser wurde aus der Strukturformel mit dem Verhältnis C-Atome
zu S-Atome von 6 : 1 berechnet. Aus den
Messergebnissen lassen sich folgende
Aussagen ableiten:
■ Das „reine“-PPS-Garn ohne Verarbeitungsschlichte weicht deutlich von der
theoretischen Zusammensetzung ab. Ursachen dafür sind einmal in Verunreinigungen und einer Oxidation der Oberfläche begründet. Die Detailauswertungen
der C 1s – und S 2p-Spektren (nicht dargestellt) zeigen, dass Sauerstoff ausschließlich an Kohlenstoff gebunden ist.
Im C 1s -Spektrum sind höherenergetische Komponenten sichtbar. Diese können folgenden chemischen Gruppen im
Polymer mit steigender Bindungsenergie
zugeordnet werden: C-S Bindung, einfach an Kohlenstoff gebundener Sauerstoff (C-O) sowie Carbonsäuren bzw. Carbonsäureestern. Im S 2p-Spektrum ist
lediglich die 2p-Aufspaltung infolge der
Spin-Bahn-Kopplung erkennbar. Diese
Struktur ist für Schwefel inhärent und
1 XPS-Analysen der chemischen Zusammensetzung der PPS-Oberflächen ohne, mit einer
silikonhaltigen (MS) und mit einer silikonfreien Verarbeitungsschlichte (SDT) sowie einer
industriellen Vorbeschichtung (AA)
Garntyp
C [At. %]
O [At. %]
S [At. %]
Si [At. %]
N [At. %]
PPS theoretisch
85,7
–
14,3
–
–
PPS 330 ohne
85,8
9,8
3,5
0,6
–
PPS 330 SDT
79,8
19,3
0,6
0,1
–
PPS 330 AA
84,0
12,4
0,1
0,5
2,9
PPS 330 MS
83,8
12,9
1,6
1,8
–
nicht durch Oxidationen bedingt. Bei separaten Untersuchungen an spritzgegossenen PPS-Platten konnte eine Zunahme
des Sauerstoffgehaltes durch Lagerung
gemessen werden. Daraus kann abgeleitet werden, dass die PPS-Oberfläche sensitiv für Oxidationen ist und bereits unter Luftatmosphäre immer einen entsprechenden atomaren Sauerstoffgehalt
aufweist.
■ Bei allen anderen Garntypen werden
mit der oberflächensensitiven Messmethode nur die jeweiligen Schlichten/Beschichtungen vermessen. Dabei weist
die silikonhaltige Verarbeitungsschlichte
erwartungsgemäß einen entsprechenden Si-Gehalt auf, die Schlichte ohne Silikon zeichnet sich durch einen hohen
Sauerstoffgehalt aus und die voraktivierte Type (AA) enthält zusätzlich Stickstoffverbindungen.
In Abbildung 3 (links) sind die feinheitsbezogenen Höchstzugkräfte der
PPS-Garne mit verschiedenen Beschichtungen mit der unbeschichteten Bezugsprobe im Garn-Zugversuch gegenübergestellt. Sowohl die Verarbeitungsschlichten mit und ohne Silikon als auch
die industrielle Vorbeschichtung haben
innerhalb der Fehlergrenzen keinen sig-
3
45
41.2
39.9
40.8
4
35
F dyn. [N]
Fmax [cN/tex]
40
30
25
20
5
41.6
nifikanten Einfluss auf die Garnfestigkeit.
Die rechte Grafik der Abbildung 3
zeigt die maximale dynamische Belastung (F dyn. [N]) des Verbundprüfkörpers, bei der noch kein Haftversagen
eintritt, in Abhängigkeit von der Temperatur. Diese Werte wurden aus dem statisch/dynamischen Zugversuch der Verbundprüfkörper am Eplexor ermittelt.
Die Charakterisierung der Temperaturabhängigkeit trägt industriellen Anforderungen Rechnung. So werden derzeit unbeschichtete PPS-Gestricke in
Hydraulikschläuchen eingesetzt. Bei Hydraulikschläuchen liegt die maximale
Betriebstemperatur bei ca. 110 °C. Als
Prüftemperatur für diese Bauteile wird
vom Gesetzgeber eine Temperatur von
150 °C gefordert, weshalb die Prüfungen bis zu dieser Temperatur durchgeführt wurden. Zusätzlich zu diesen Temperaturen wurde der Haftverbund bei
einer Temperaturbelastung unterhalb
der Glasübergangstemperatur (Tg) der
PPS-Faser geprüft, deren Wert im Campus® Datenblatt [2] mit 90 °C angegeben wird.
Bei dynamischen Belastungen (Frequenz 10 Hz) unter Raumtemperatur ha-
ohne
4.4
4.1
MS
SDT
4.4 4.4
4.1
3.1 3
3
AA
3.4
3.7
3.4 3.4 3.3
4.1
3.5
3.3
3.6
2
1
ohne
MS
SDT
AA
0
20°C
70°C
110°C
150°C
Abb. 3: Feinheitsbezogene Höchstzugkraft (links) und maximale Belastungsgrenze Fdyn [N] des Verbundprüfkörpers bei der noch kein Haftversagen eintritt, bei statisch/dynamische Haftprüfung im Zugmodus am Eplexor in Abhängigkeit von der Temperaturbelastung (rechts).
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4
12
128
140
120
100
80
unbeschichtet
10
VD1+RFL1_La1
8
F dyn. [N]
max. Auszugskraft [N]
160
57
60
32
40
20
0
RT
43
23
27
125°C
150°C
24 26
6
4
10.5
unbeschichtet
VD1+RFL1 La1
7.7
4.1
3
3.4
4.2
3.3
3.8
2
0
175°C
RT
70°C
110°C
150°C
Abb. 4: Maximale Auszugskraft beim T-Test (links) und maximale Belastungsgrenze bei
statisch/dynamischer Haftprüfung im Zugmodus am Eplexor (rechts) bei verschiedenen
Temperaturbelastungen.
ben die untersuchten Verarbeitungsschlichten und die industrielle Vorbeschichtung keinen Einfluss auf den Haftverbund. Wird die Prüftemperatur auf
70 °C erhöht, führt dies zu einer generellen Abnahme der Fadenauszugskraft.
Weitere Temperatursteigerungen auf
110 °C bzw. 150 °C bewirken jedoch nur
marginale Veränderungen und reduzieren die Haftung zwischen Faser und Elastomer nicht weiter. Tatsächlich zeigt der
haftungsfreudig voraktivierte Garntyp
(AA) gegenüber der unbeschichteten Vergleichsprobe und den Garnen mit Verarbeitungsschlichte bei allen untersuchten
Temperaturbelastungen ein höheres
Haftniveau.
Vergleich T-Test und Haftung bei
statisch/dynamischer Belastung im
Zugmodus am Eplexor bei verschiedenen nasschemischen Beschichtungsvarianten
Zur Verbesserung der Haftung zwischen
PPS-Faser und Elastomer wird die unpolare PPS-Faser mit einer zweistufigen
14
12
VD1+RFL1_La1
4
VD1+RFL1_La5
10
F dyn. [N]
5
Raumtemperatur
Raumtempe
mperatur
unbeschichtet
VD1+RFL1_La6
8
F dyn. [N]
5
nasschemischen Beschichtung ausgerüstet. Auf einen haftvermittelnden Vordipp
(VD1) wird ein sogenannter ResorcinFormaldehyd-Latex-Dipp (RFL1) aufgetragen. Dieser RFL-Dipp hat sich über
viele Jahre bei anderen Fasern bewährt
und ist derzeit noch nicht durch andere
gleichwertige Beschichtungen/Modifizierungsvarianten ersetzbar. Das Recorcin-Vorkondensat vernetzt mit dem
Formaldehyd zu einem dreidimensionalen Netzwerk, in das die Latexkügelchen
eingebettet sind. Der Auswahl des jeweiligen Latextyps und dessen Zusammensetzung kommt dabei für den zu erzielenden Haftverbund zur Elastomermatrix eine entscheidende Bedeutung zu.
Die Ergebnisse des T-Tests in Abbildung 4 linke Darstellung veranschaulichen die maximale Auszugskraft, die erforderlich ist, um das Garn aus dem
Elastomer herauszuziehen. Im Vergleich
zur ungedippten Probe ist mit einer
zweistufigen Beschichtung aus VD1 und
Resorcin-Formaldehyd-Latex-Dipp (RFL1)
unter Einsatz eines NBR-Latex (La1) eine
6
3
beachtliche Vervierfachung des Ausgangshaftniveaus bei Raumtemperatur
erreichbar. Bei 125 °C reduziert sich die
für das Haftversagen erforderliche Kraft
ca. um die Hälfte. Eine weitere Temperaturerhöhung erniedrigt das Haftvermögen des RFL-Dipps weiter. Bei 175 °C wird
das Haftniveau einer unbeschichteten
Probe erreicht.
Zusammengefasst kann folgendes
festgestellt werden: Die Steigerung des
Haftverbundes zwischen PPS-Faser und
Elastomermatrix ist bei einer zweistufigen Beschichtung unter Verwendung eines NBR-Latex im RFL-Dipp, gemessen als
maximale Auszugskraft beim T-Test, bei
Raumtemperatur exzellent (Vervierfachung), nimmt bei Temperaturbelastung
aber kontinuierlich ab und fällt bei 175 °C
auf das Niveau eines Garnes ohne Beschichtung.
Die PPS-Faser-Matrix-Haftung unter
statisch/dynamischer Belastung am
Eplexor (Abbildung 4 rechts) bei einem
Temperaturniveau von 70 °C (< Tg) nimmt
ab, das Verhältnis der maximal möglichen dynamischen Kraft im Vergleich
zum unbeschichteten Garn bleibt jedoch
konstant. Erst höhere Temperaturen senken auch hier die Haftkraft des RFL-Dipps
deutlich bis fast auf den Wert der unbeschichteten Probe bei 150 °C.
Werden die Absolutwerte in Abbildung 4 in Prozent betrachtet, so ergeben
sich beim quasistationären T-Test bis 150
°C deutlich höhere Werte als unter statisch/dynamischer Belastung am Eplexor. Bei der Prüfung des zweistufig beschichteten Garns (VD1+RFL1_La1) mittels T-Test wird also eine höhere Haftung
als dynamisch am Eplexor gemessen.
In Abbildung 5 wurde die Darstellung
der Zeitabhängigkeit der dynamischen
unbeschichtet
150 °C
VD1+RFL1_La1
_La
VD1+RFL1_La5
VD1+RFL1_La6
_La
2
4
1
2
0
0
1000
Zeit [s]
2000
3000
0
1000
2000
Zeit [s]
3000
4000
Abb. 5: Vergleich der Zeitabhängigkeit der dynamischen Kraft verschiedener zweistufiger Beschichtungsvarianten anhand eines Sequenzsweeps
mit kontinuierlich steigender Belastung bei Raumtemperatur (links) und 150 °C (rechts), (La 1: NBR-Latex; La 5: V-ACR-Latex; La 6: XNBR-Latex).
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Kraft gewählt um den Prüfablauf des Sequenzsweeps mit kontinuierlich steigender Belastung zu veranschaulichen. In
einer Belastungsstufe sind je 20 Messwerte als gefüllte Punkte dargestellt.
Durch Striche wird das Erreichen der
nächsthöheren Belastungsstufe angezeigt. Haftversagen tritt dann ein, wenn
in der jeweiligen Belastungsstufe eine
kontinuierliche Senkung der dynamischen Kraft beobachtet werden kann
bzw. die nächsthöhere Belastungsstufe
nicht mehr erreicht wird. In Abbildung 5
wird der RFL-Dipp unter Verwendung des
NBR-Latex (La1) mit RFL-Dipps bei Einsatz eines Vinyl-Acrylat-Latex (La5) und
eines carboxylierter Acrylnitril-ButadienLatex (La6) verglichen. Die Haftung unter
Einsatz von La5 und La6 ist sowohl bei
Raumtemperatur als auch bei 150 °C
deutlich geringer als mit dem NBR-Latex.
Die Belastungsgrenzen (F dyn.) bei beiden Temperaturvarianten liegen sogar
wesentlich unter denen der unbeschichteten Probe. Positiv sticht hingegen das
Verhalten der unbeschichteten Probe bei
150 °C heraus (siehe Abbildung 5 rechts,
schwarze Kurve). Hier wird die gleiche
Belastungsstufe wie bei der RFL-gedippten Vorzugsvariante (VD1+RFL1_La1) mit
dem NBR-Latex erreicht.
Zusammenfassung
■ Ziel der Untersuchungen war es, die
Haftung zwischen PPS-Faser und Elastomermatrix zu verbessern. Dafür werden
verschiedene Schlichten und Beschichtungen unter quasistatischer und statisch/dynamischer Belastung im Zugmodus verglichen.
■ Ein Einsatz unbeschichteter PPS-Fasern in Verbundwerkstoffen ist besonders bei hohen Temperaturen sinnvoll, da
nach einem anfänglich moderaten Rückgang des Haftniveaus bei weiterer Temperatursteigerung die Grenzflächenhaftung erhalten bleibt. Die Untersuchungen der PPS-Faser-Matrix-Haftung zeigten weiterhin, dass ein zweistufig
beschichtetes PPS-Garn mit einem finalen RFL-Dipp unter Einsatz eines NBR-Latex eine ausgezeichnete Haftung zur
Elastomermatrix bei Raumtemperatur
hat. Bei höheren Temperaturbelastungen
oberhalb Tg der PPS-Faser nimmt die
Haftkraft deutlich ab. Beide Messmethoden führen hier zu differenzierten Aussagen (siehe Abbildung 4). Der RFL-Dipp
hat bei 150 °C im Vergleich zur unbeschichteten Probe beim T-Test noch eine
um 60 % höhere Haftung während unter
statisch/dynamischer Belastung die Be-
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schichtung nahezu wirkungslos wird.
■ Werden im RFL-Dipp andere Latextypen wie Vinyl-Acrylat-Latex oder ein carboxylierter NBR-Latextyp eingesetzt, reduziert sich der Haftverbund im statisch/
dynamischen Versuch drastisch und
sinkt deutlich unter das Haftniveau des
unbeschichteten Garns. Sowohl die
Messmethode T-Test als auch die statisch/dynamische Haftprüfung im Zugmodus am Eplexor sind zur Charakterisierung der PPS-Faser-Matrix-Haftung
geeignet. Aufgrund der unterschiedlichen Belastungen ist ein direkter Methodenvergleich nicht sinnvoll. Da der T-Test
an häufig zur Verfügung stehenden Universalzugprüfmaschinen durchgeführt
wird und eine Durchschnittsbildung aus
mindestens 10 Einzelmessungen erfolgt,
sollte für orientierende Messungen im
ersten Schritt der T-Test durchgeführt
werden. An ausgewählten Vorzugsvarianten kann als eine sinnvolle Ergänzung
des T-Tests die statisch/dynamische
Haftprüfung im Zugmodus am Eplexor
erfolgen. Damit können praxisrelevante
dynamische Belastungen realistischer im
Prüflabor nachgestaltet werden.
Danksagung
Das IGF-Vorhaben 17590 BR PPS-Polymermatrix-Haftung der Forschungs-vereinigung Forschungskuratorium Textil
e.V., Reinhardtstr. 12-14, 10117 Berlin
und der Deutschen Kautschuk-Gesellschaft e. V., Zeppelinallee 69, 64087
Frankfurt/Main wurde über die AiF im
Rahmen des Programms zur Förderung
der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des
Deutschen Bundestages gefördert.
Wir danken den genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.
Weiterhin danken wir den Firmen des
projektbegleitenden Ausschusses für die
fachliche Unterstützung und die Bereitstellung von Versuchsmaterial sowie allen weiteren Partnern, die uns in der
Forschungsarbeit zu diesem Themenkreis unterstützen. Weiterhin danken die
Autoren Herrn Holzschuh für die Durchführung der XPS-Analysen.
tet die Abteilung Elastomere am IPW
und ist Juniorprofessor für Elastomerwerkstoffe an der TU-Dresden. Prof. Dr.
Gert Heinrich ist Leiter des IPW und Professor für Polymerwerkstoffe und Elastomertechnik am Institut für Werkstoffwissenschaft der TU Dresden. Dipl.-Ing.
Rico Hickmann ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden. Dr.-Ing.
Olaf Diestel ist Leiter der Forschungsgruppe „Textilien für den Leichtbau“ am
ITM sowie der Leiter des Forschungsvorhabens „PPS-Polymermatrixhaftung“,
Prof. Dr. Chokri Cherif ist Institutsdirektor
des ITM und Inhaber der Professur für
Textiltechnik. Dr. André Hürkamp ist wissenschaftliche Mitarbeiter im Institut für
Statik und Dynamik der Tragwerke (ISD)
der TU Dresden. Prof. Dr. Michael Kaliske
leitet das ISD.
Abkürzungsverzeichnis:
330_z60:
PPS-Garn mit 330 tex und
60 U / m
330_z60:
ohneohne Verarbeitungsschlichte
330_z60 MS: Verarbeitungsschlichte
mit Silikon
330_z60 SDT: Verarbeitungsschlichte
ohne Silikon
330_z60 AA: industrielle haftaktive
Vorbeschichtung
VD1:
haftvermittelnder Vordipp
RFL 1:
Resorcin-FormaldehydLatex-Dipp
La 1:
NBR-Latex (AcrylnitrilButadien-Latex)
La 5:
Vinyl-Acrylat_Latex
(Emultex DX 638)
La 6:
Carboxylierter NBR-Latex
(Litex NX 1172)
Literaturverzeichnis
[1] H. Deckmann, Haftungsprüfung von Reifenkorden, KGK 10 (2008) 498.
[2] Campus® Datenblatt Fortron0320, www.
Campusplastics.com, erstellt 08.01.2014.
Autoren:
Dipl.-Chem. Thomas Götze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für
Polymerwerkstoffe (IPW) des Leibniz-Instituts für Polymerforschung Dresden e.V.
(IPF). Jun.-Prof. Dr.-Ing. Sven Wießner leiKGK · 9 2015
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