Wir ziehen sicher nicht zurück

26 BASELLAND
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
MITTWOCH, 16. DEZEMBER 2015
«Wir ziehen sicher nicht zurück»
Bruderholzspital Heinrich Schaefer vom Initiativkomitee teilt rechtliche Bedenken nicht
VON MICHAEL NITTNAUS
Die Initiative «Ja zum Bruderholzspital»
sei «wahrscheinlich rechtswidrig»,
schrieb die «Basler Zeitung» vergangene Woche und befeuerte damit Rückzugsforderungen an die Initianten.
Konkret stehen zwei Vorwürfe im
Raum: Zum einen sieht das Krankenversicherungsgesetz (KVG) vor, dass die
Kantone ihre Spitalplanung untereinander koordinieren. Ein Ja zum Erhalt der
erweiterten Grundversorgung an den
Standorten Bruderholz und Liestal sowie der Grundversorgung in Laufen,
wie es die Initiative fordert, könnte dagegen Fakten schaffen, die eben nicht
mit der restlichen Gesundheitsregion
und vor allem Basel-Stadt abgesprochen wären, wie von der Zeitung angefragte Juristen sagen.
Der zweite Vorwurf warnt mit Bezug
auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts davor, dass bei einem Ja zur Initiative plötzlich sämtliche Kosten des
Bruderholzspitals vom Kanton zu tragen wären und nichts mehr durch die
Krankenkassen. Dies, wenn «nicht bedarfsnotwendige Spitalkapazitäten aufrechterhalten werden». Gegenüber der
bz nehmen nun die Initianten Stellung.
Der ehemalige Bruderholz-Arzt Heinrich Schaefer sagt dabei, unter welchen
Voraussetzungen ein Rückzug doch
noch denkbar wäre.
Heinrich Schaefer (76) aus Bottmingen
engagiert sich im Initiativkomitee. Er
erlebte die Anfangsjahre des Bruderholzspitals in den 1970ern als Oberarzt
und stv. Chefarzt Geriatrie und arbeitete dann von 1975 bis zur Pensionierung
1994 als Hausarzt in Binningen. Schaefer sitzt im erweiterten Vorstand der
ZVG
Ärztegesellschaft Baselland.
Der Regierungsrat soll endlich die Karten auf den Tisch legen, was er genau
plant. Doch das weiss er selbst noch
nicht, da er im vergangenen Sommer
vorschnell an die Öffentlichkeit ging.
Weber wollte damit beruhigen, löste
stattdessen aber eine gewaltige Unruhe
aus. Er konnte doch nicht ernsthaft erwarten, dass das Personal des Kantonsspitals ganz normal weiterarbeiten
würde, bis im Herbst 2016 dann die
konkreten Pläne da sind. Das war eine
dramatisch falsche Informationspolitik.
Dabei bin ich überzeugt, dass Weber
nur zu genau weiss, dass eine Tagesklinik auf dem Bruderholz nicht aufgehen
kann. Am Ende wird er wohl verkünden, dass dort gar nichts mehr bestehen bleibt und man das wertvolle Land
anderweitig verwenden wird.
Herr Schaefer, es bestehen Zweifel,
dass Ihre Initiative rechtskonform
ist. Was sagen Sie dazu?
Heinrich Schaefer: Das ist an den Haaren herbeigezogen. Selbstverständlich
haben wir im Vorfeld der Lancierung
die Rechtskonformität der Initiative selber durch Juristen abklären lassen.
Aber durch ein Ja würden doch tatsächlich Fakten geschaffen, die
nicht mit den umliegenden Kantonen koordiniert wären?
Im Gegenteil. Die Initiative unterstützt
die regionale Planung, wie sie das
Krankenversicherungsgesetz
fordert.
Was wir bekämpfen, ist lediglich eine
regionale Fehlplanung. Es kann doch
nicht im Sinne des KVG sein, dass ein
Kanton vorschreibt, ob und wo die Spitäler im anderen Kanton stehen dürfen.
Die gemeinsame Spitalgruppe beider Basel mit dem Projekt der Tagesklinik für ambulante Eingriffe
auf dem Bruderholz wurde aber
von beiden Regierungen erarbeitet.
Aber es ist Fakt, dass es vor allem in Basel-Stadt zu viele Spitalbetten gibt und
nicht in Baselland. Durch die Streichung des stationären Angebots des
Bruderholzspitals werden letztlich Betten von Basler Privatspitälern am Leben erhalten. Deshalb glaube ich nicht,
dass die Spitalgruppe die Kosten im Gesundheitswesen dämpfen kann. Zudem
bezweifle ich, dass Baselland wirklich
viel mitbestimmen können wird.
INSERAT
Heinrich Schaefer: «Die Versorgung liegt mir am Herzen – nicht das Gebäude.»
Kann man der Initiative also nicht
vorwerfen, «nicht bedarfsnotwendige Spitalkapazitäten» erhalten zu
wollen?
Auf keinen Fall. Das Bruderholzspital
hat 2014 im Durchschnitt an die 300
stationäre Patienten pro Tag behandelt.
Das entspricht einer Auslastung von
fast 90 Prozent. Es ist also sicher kein
unnötiges Spital. Wir bezwecken mit
der Initiative weder einen Bettenausbau noch eine Konkurrenzstrategie gegenüber der hoch spezialisierten Medizin des Basler Universitätsspitals.
Also steht ein Rückzug der Initiative
nicht zur Debatte?
Wegen der rechtlichen Bedenken ziehen wir sie sicher nicht zurück. Wir haben nun 4400 Unterschriften zur Gültigkeitsprüfung bei der Landeskanzlei
eingereicht und planen noch vor Weihnachten die offizielle Übergabe.
Das Initiativkomitee betonte immer
BRU
wieder, dass es nicht generell gegen
die gemeinsame Spitalgruppe ist.
Welche Lösung würde Sie denn zufriedenstellen?
Es geht mir um eine adäquate Versorgung der Bevölkerung des Unterbaselbiets. Das liegt mir am Herzen – und
nicht etwa das Bruderholzspital als Gebäude. Wenn also ein cleverer Vorschlag kommen würde, der das sicherstellt, könnten wir die Initiative durchaus zurückziehen. Ich verstehe zum
Beispiel bis heute nicht, wieso mit dem
Unispital das grösste Spital der Region
mitten in einem viel befahrenen Stadtzentrum mit wenig Parkiermöglichkeiten stehen muss.
Im bz-Interview betonte der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas
Weber Anfang Monat ja nochmals,
dass die Tagesklinik auf dem Bruderholz noch nicht die definitive
Lösung sei. Stimmt Sie das zuversichtlich?
Dann halten Sie wohl nicht viel von
Webers Aufruf an die KSBL-Angestellten, doch Freude an ihrem Job
zu haben und das Glas halb voll
statt halb leer zu sehen.
Das ist fast schon zynisch, vor allem
wenn man bedenkt, wie rücksichtslos
etwa der Wechsel der Frauenklinik
vom Bruderholz ans Bethesda-Spital
durchgepeitscht wurde.
Weber überraschte in dem Interview mit der Aussage, dass er es für
grundsätzlich richtig halte, wenn
die Spitalleitung und der Verwaltungsrat des KSBL nicht alle ÄrzteAbgänge der letzten Monate eins zu
eins ersetzen wollen.
Das zeigt, um was es ihm und der
KSBL-Leitung um CEO Jürg Aebi wirklich geht: Sie nehmen die Abgänge gerne in Kauf, um die Personaldecke am
Bruderholz auszudünnen und Führungsstrukturen zu bereinigen. Das ist
hochgradig unanständig. Die Strategie
ist klar: Der Standort Liestal wird auf
Kosten vom Bruderholz gestärkt. Das
führt aber dazu, dass das BruderholzPersonal sehr unzufrieden ist, da es
trotz der zahlreichen Abgänge dieselbe
Leistung wie bisher erbringen muss.
Unternehmenssteuerreform
Regierung strebt
Steuersenkungen an
Die Baselbieter Regierung begrüsst die
Entscheide des Ständerats zur Unternehmenssteuerreform III (siehe bz von
gestern). Die Reform ist eines der wichtigsten nationalen Politik-Geschäfte der
angelaufenen Legislatur: Die Schweiz
muss aufgrund anhaltender Kritik Steuerprivilegien für Statusgesellschaften
wie etwa Holdings aufgeben. Damit die
betroffenen Firmen nicht wegziehen,
müssen aber Ersatzmassnahmen her.
Der Ständerat hat die Einführung sogenannter Patentboxen beschlossen. Sie
erlauben eine reduzierte Besteuerung
für Erträge aus Patenten und patentähnlichen Immaterialgütern. Für den Forschungsstandort Nordwestschweiz sei
diese Massnahme sehr wichtig, schreibt
die Regierung. Dasselbe gelte für die
ebenfalls beschlossene Regelung, wonach die Kantone den Unternehmen einen erhöhten Steuerabzug für Forschung und Entwicklungsaufwendungen im Inland gewähren können. Ein
weiteres Element der Reform, das allerdings nicht Bestandteil des Geschäfts im
Parlament ist, bilden die kantonalen Gewinnsteuern. Die Baselbieter Regierung
fordert eine Steuersenkung, da ansonsten die Statusgesellschaften den Kanton
verlassen würden. Dies, weil davon auszugehen sei, dass die erwähnten Massnahmen bloss einen Teil der wegfallenden Steuerprivilegien auffangen. (BZ)
Mehr Demokratie
Für Volks-Initiative
in allen Gemeinden
Die Baselbieter Regierung will das Initiativrecht auf kommunaler Ebene in allen
Gemeinden ermöglichen: Sie hat dazu
eine Teilrevision des Gemeindegesetzes
in die Vernehmlassung geschickt. Anstoss gegeben hatte eine vom Landrat
überwiesene SP-Motion. Initiativen auf
Gemeindeebene sind derzeit im Kanton
Baselland nur in jenen Gemeinden möglich, die einen Einwohnerrat haben. Die
Motion verlangte, dass dies auch in Gemeinden mit Gemeindeversammlung
möglich werden soll.
Die formellen Details für die Volksinitiative in Gemeinde-Angelegenheiten entsprechen denjenigen der bestehenden Initiativmöglichkeit in Gemeinden mit Einwohnerrat, teilte die
Regierung mit. Die Vorlage sei für
Kanton und Gemeinden kostenneutral. Damit eine Gemeindeversammlung nicht abschliessend die Einführung des Initiativrechts verhindern
kann, sieht der Gesetzesentwurf für
alle Gemeinden eine separate «Initiative zur Einführung des Initiativrechts» vor. Diese ist analog zur geltenden Initiative zur Einführung des
Einwohnerrats geregelt. Im Landrat
war die Motion im März mit 52 zu 24
Stimmen deutlich überwiesen worden. (SDA)