Eigenverwaltung

Heilbronn · Stuttgart · Tübingen
Forum
Dezember 2015
Insolvenzrecht
Editorial
Die Eigenverwaltung ist für viele Unternehmen, bei denen sich
Gründe zur Insolvenzeröffnung abzeichnen, eine vorzugswürdige Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren durchzustehen. Die Geschäftsführung behält dabei sozusagen das „Ruder in der Hand“
(wenn auch weiterhin unter der Aufsicht eines Sachwalters), d.h.
sie ist nicht gezwungen ihr Verwaltungs- und Verfügungsrecht über
das Schuldnervermögen einem Insolvenzverwalter übertragen zu
müssen, der möglichweise nicht imstande sein wird, das Unternehmen vor Zerschlagung und Liquidation zu retten.
Seit Einführung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG) ist der Zugang zur Eigenverwaltung im Insolvenzverfahren erleichert, indem es das Regel-Ausnahme-Verhältnis umkehrt: Von nun an ist die Ablehnung
der Eigenverwaltung und die Bestellung eines Insolvenzverwalters
die Ausnahme, mithin besonders zu begründen.
Das Privileg der Eigenverwaltung kommt für Unternehmen in
Betracht, für die ein Sanierungs- und Fortführungspotential zu
attestieren ist und das vorhandene Know-How der bisherigen
Geschäftsleitung für den gedeihlichen Verlauf eines Insolvenzverfahrens (in erster Linie für die Befriedigung der Gläubiger) unerlässlich erscheint.
Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen eine weitere
Ausgabe unseres Forums zu präsentieren.
Der Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung durch
das Insolvenzgericht hat eine Gläubigergefährdungsprognose vorauszugehen, bei der alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls in
einer wertenden Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen sind. Die
Befriedigung der Gläubiger hat hierbei zuvörderst im Fokus zu stehen (ein wesentliches Ziel des Insolvenzverfahrens, vgl. § 1 Satz
1 InsO).
Der nebenstehende Artikel von
Herrn Hubert Preisner befasst sich
mit dem Thema „Eigenverwaltung“.
Für Fragen sowie ausführliche Beratung stehen wir gerne zur Verfügung.
Auf der anderen Seite steht der Insolvenzschuldner, dessen Interesse der Befreiung von Verbindlichkeiten nur dann schützenswert
und in eine Interessenabwägung mit den Gläubigern zu setzen ist,
wenn dieser redlich ist, vgl. § 1 Satz 2 InsO.
Ihr
Im Lichte dieser Grundfesten eines jeden Insolvenzverfahrens
reicht nach allgemeiner Ansicht für die Versagung der Eigenverwaltung bereits eine „gewisse Wahrscheinlichkeit“ von Umständen, die für den Eintritt von Nachteilen für die Gläubiger sprechen.
Dr. Erik Silcher
Dass ein erfolgreicher Antrag auf Eigenverwaltung kein bloßer
Selbstläufer ist, sondern das entscheidende Insolvenzgericht stets
ein Entscheidungsermessen im Einzelfall walten lassen muss, zeigt
ein Fall aus dem Raum Essen (Nordrhein-Westfalen):
Das Amtsgericht -Insolvenzgericht- Essen entschied in einem Beschluss vom 01.09.2015 (Az. 163 IN 14/15), dass auch bei drohender Schließung einer Apotheke gemäß § 5 ApoG die Anordnung der
Eigenverwaltung zu versagen ist, wenn schwerwiegende Umstände bekannt geworden sind, die eine zukünftige Benachteiligung der
Gläubiger erwarten lassen (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO).
Der Schuldner beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
unter Anordnung der Eigenverwaltung. Ein Insolvenzplan wurde
dem Insolvenzgericht dabei auch vorgelegt.
Nach den Feststellungen des Gerichts ist der Schuldner wegen verschiedener Strafbarkeiten auffällig geworden, welche nach allgemeiner Ansicht eine Gläubigergefährdungsprognose zu begründen
geeignet ist.
Der Schuldner hat sich wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB strafbar gemacht, indem er teilweise über einen Zeitraum von bis zu sieben Monate keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt und so Verbindlichkeiten bei Sozialversicherungsträgern in der Größenordnung
von knapp 27.000 r angehäuft hatte.
Überdies wurde gegen den Schuldner ein steuerstrafrechtliches
Ermittlungsverfahren anhängig. Durch eine Software wurde das
Kassensystem des Schuldners im Zeitraum von 2007 bis 2011 dergestalt manipuliert, dass er gegenüber dem Finanzamt zu geringe
Umsätze erklärte. Der steuerliche Schaden belief sich dabei auf ca.
38.000 r. Hierdurch wurden einer Hauptgläubigerin des Insolvenzverfahrens, eine Bank, welche durch eine Globalzession gesichert
war, bestehende Forderungen verschleiert.
Verstärkung des
M\S\L Teams
Seit
­November
die­sen
Jahres
wird das Team
der
Kanzlei
M\S\L Dr. Silcher durch Herrn
Hubert Preisner
verstärkt.
Hubert Preisner hat
sein Studium der Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit
dem Schwerpunkt „Wirtschaft
und Steuern“ abgeschlossen.
Das darauffolgende Referendariat absolvierte er am Landgericht
Heilbronn, mit Stationen u.a. bei
M\S\L Dr. Silcher, der Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer sowie seinem
Schwerpunkt „Wirtschaft“ bei der
Kaufland Stiftung & Co. KG im
Bereich „Recht und Compliance
International“.
Wir heißen Herrn Preisner
Bei der schuldnerischen Buchhaltung gab es ebenfalls Unstimmig- herzlich willkommen!
keiten, die der Steuerberater sogar als „Verfälschungen“ titulierte.
Unterlagen wurden nicht fristgerecht und unvollständig vorgelegt und bar ausgezahlte Löhne verschwiegen.
Dadurch konnten nur unplausible betriebswirtschaftliche Auswertungen herausgeschickt werden.
Der vom Insolvenzgericht im weiteren Verlaufe bestellte vorläufige Gläubigerausschuss (§ 270 Abs. 3 Satz
1 InsO) hat sich schließlich nicht einstimmig für eine Eigenverwaltung ausgesprochen. Vor allem hatte die
Bank als Hauptgläubigerin die mangelnde Redlichkeit des Schuldners moniert und deshalb dem vorgelegten
Insolvenzplan nicht zugestimmt. Das Gericht war damit von Gläubigerseite nicht durch die in § 270 Abs. 3
Satz 2 InsO vorgesehene Fiktion gebunden, die Anordnung als nicht nachteilig anzusehen.
Durch die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen und der zu gering erklärten Steuer gelangte
das Gericht zu dem Schluss, dass der Schuldner öffentlich-rechtlichen Pflichten keine Beachtung schenkt.
Außerdem würde er aller Voraussicht nach angehäufte Verbindlichkeiten durch die Insolvenzmasse zu seiner Entlastung befriedigen, was den Gläubigerinteressen zuwiderliefe. Hieraus schließt das Insolvenzgericht
eine mangelnde Redlichkeit des Schuldners, die eine angeordnete Eigenverwaltung als nachteilig für die
Gläubiger erscheinen lassen.
Da der Schuldner mit dem Insolvenzeröffnungsantrag als Insolvenzgrund seine Zahlungsunfähigkeit - und
damit gerade nicht die drohende Zahlungsunfähigkeit - angab, bedurfte es eines gerichtlichen Hinweis nach
§ 270a Abs. 3 InsO nicht.
Das Amtsgericht Essen war sich bei seiner Entscheidung durchaus bewusst, dass die abgelehnte Eigenverwaltung voraussichtlich zur Schließung der Apotheke, mithin zur Liquidation führen würde und damit
gerade das gegenteilige Ziel des Insolvenzeröffnungsantrags (Sanierung und Fortführung der Apotheke)
erreicht würde. Es ist im Rahmen seiner Gläubigergefährdungsprognose allerdings kurzum zu dem Schluss
gekommen, dass eine geschlossene Apotheke und Verwertung des noch vorhandenen Vermögens den
Gläubigerinteressen eher entgegen kommen würde als eine durch den unredlich eingestuften Schuldner
weiter geführte Apotheke.
Es zeigt sich also, dass das Privileg, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführen zu dürfen,
durch die Redlichkeit des Schuldners begründet sein muss. Nur der redliche Schuldner genießt auch einen
Schutz im Insolvenzverfahren, vgl. § 1 Satz 2 InsO.
Nicht nur das Insolvenzgericht, sondern auch der Schuldner haben für den Einstieg in ein Insolvenzverfahren alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Welcher Weg für den Schuldner der geeignetste ist,
insbesondere welche realistischen Möglichkeiten aufgrund der gegenwärtigen Faktenlage für ein positiv
verlaufendes Insolvenzverfahren offen stehen und welche Fallstricke zu beachten sind, ist für einen Schuldner selbstständig kaum zu überschauen.
Für die richtige Weichenstellung steht Ihnen das Team der Kanzlei M\S\L Dr. Silcher mit seiner langjährigen
Erfahrung in Bereichen der Unternehmenssanierung in Krisenzeiten als kompetenter Berater zur Verfügung.
Hubert Preisner
M\S\L Dr. Silcher Rechtsanwälte • Steuerberater Heilbronn • Stuttgart • Tübingen
Gymnasiumstraße 39, 74072 Heilbronn Tel. 07131- 919030 [email protected]
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