Asylverfahren aus Sicht des Verwaltungsrichters

Asylverfahren aus Sicht
des Verwaltungsrichters
Dr. Thomas Smollich Asylverfahren aus Sicht des Verwaltungsrichters
Gliederung
1.
2.
3.
4.
Grundbegriffe
Grundvoraussetzungen
Rechtsschutz
Fallbeispiele
Dr. Thomas Smollich Asylverfahren aus Sicht des Verwaltungsrichters
1. Grundbegriffe
• Asyl
• Sicherer Drittstaat
• Sicherer Herkunftsstaat
• Flüchtlingseigenschaft
• Subsidiärer Schutz
• Abschiebungsverbot
• Dublin-Verfahren
• Offensichtliche Unbegründetheit
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Asyl
Art 16a Grundgesetz
(1)
Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
aber:
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Sicherer Drittstaat
Art 16a Grundgesetz
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat
der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat
einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten
außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die
Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der
Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des
Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von
einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
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Sicherer Drittstaat
• § 26a AsylG
• alle Mitgliedsstaaten der EU, Norwegen, Schweiz
• Folge: bei Einreise aus diesen Staaten keine
Asylanerkennung
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Sicherer Herkunftsstaat
Art. 16a Grundgesetz
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können
Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der
Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse
gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch
unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung
stattfindet. Es wird vermutet, dass ein Ausländer aus einem solchen
Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die
Annahme begründen, dass er entgegen dieser Vermutung politisch
verfolgt wird.
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Sicherer Herkunftsstaat
• § 29a AsylG
• Mitgliedstaaten der EU, Albanien, BosnienHerzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien,
Montenegro, Senegal, Serbien
• Folge: Asylantrag offensichtlich unbegründet,
Abschiebungsandrohung in Heimatstaat
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Flüchtlingseigenschaft
§ 3 AsylG Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
(Auszug)
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über
die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion,
Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe
2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet
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Subsidiärer Schutz
§ 4 AsylG Subsidiärer Schutz (Auszug)
(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige
Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem
Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:
1. die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2. Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder
Bestrafung oder
3. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der
Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen
eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
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Abschiebungsverbote
§ 60 Abs. 7 AufenthG Verbot der Abschiebung
(Auszug)
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll
abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche
konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
= sog. zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot
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Dublin-Verfahren
• § 27a AsylG
Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von
Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines
völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens
zuständig ist.
• Alle Mitgliedsstaaten der EU, Norwegen, Island, Schweiz,
Liechtenstein
• Folge: Asylantrag unzulässig, Abschiebungsanordnung (§ 34a AsylG)
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Offensichtliche
Unbegründetheit
• § 30 AsylG Offensichtlich unbegründete
Asylanträge (Auszug)
(2) Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn
nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der
Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer
allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält.
• Folge: Abschiebungsandrohung (§ 34 AsylG), Ausreisefrist eine
Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG)
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Grundvoraussetzungen
• Asylantrag umfasst: Asylanerkennung,
Feststellung Flüchtlingseigenschaft, subsidiären
Schutz, Abschiebungsverbot
• Einheitliche Zuständigkeit des Bundesamtes für
Migration und Flüchtlinge
• vor Entscheidung: Anhörung (§ 25 AsylG)
• Befristung Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 75
Nr. 12 i.V.m § 11 Abs. 1 und 7 AufenthG
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Grundvoraussetzungen
• Verfolgungsgründe (§ 3 AsylG)
• Verfolgungshandlung (§ 3a AsylG)
• Akteure, von denen Verfolgung ausgeht (§ 3c
AsylG)
• Kein interner Schutz (§ 3e AsylG)
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Verfolgungsgründe
• Rasse,
• Religion,
• Nationalität,
• politischen Überzeugung oder
• Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen
Gruppe
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Verfolgungshandlung
Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung
der grundlegenden Menschenrechte darstellen
(Auszug)
• Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich
sexueller Gewalt,
• gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle
Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in
diskriminierender Weise angewandt werden,
• Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder
gegen Kinder gerichtet sind.
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Akteur
•
der Staat,
• Parteien oder Organisationen, die den Staat oder
einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets
beherrschen, oder
• nichtstaatliche Akteure, soweit der Staat oder
Parteien/Organisationen keinen Schutz bieten
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Interner Schutz
•
in Teil des Herkunftslandes keine begründete
Furcht vor Verfolgung und
• sichere und legale Reise in diesen Landesteil,
dortige Aufnahme und Erwartung, sich dort
niederzulassen.
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Rechtsschutz
AsylG
VwGO
• Klage
1. Frist: 1 Monat (§ 74)
• Klage
1. Frist:
a) 2 Wochen (§ 74 Abs. 1 1. HS );
Begründung innerhalb 1 Monat
b) aber: 1 Woche (§ 74 Abs. 1 2.
HS), wenn Antrag nach § 80 Abs.
5 VwGO innerhalb einer Woche
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Rechtsschutz
AsylG
VwGO
2. Gerichtsbesetzung: grds.
Kammer (§ 6); Proberichter
Einzelrichter erst nach 1 Jahr
3. Rechtsmittel:
Berufungszulassung (§ 124;
ernstl. Zweifel an Richtigkeit,
rechtl. oder tatsächl.
Schwierigkeit, grds. Bedeutung,
Abweichung, Verfahrensfehler)
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2. Gerichtsbesetzung: grds.
Einzelrichter (§ 76 Abs. 1);
Proberichter Einzelrichter nach
einem halben Jahr
3. Rechtsmittel:
a.
Berufungszulassung (§ 78 Abs.
2; grds. Bedeutung,
Abweichung, Verfahrensfehler)
Rechtsschutz
VwGO
AsylG
b) Unanfechtbarkeit (§ 78 Abs.
1; Klage als offensichtlich
unbegründet oder unzulässig
abgewiesen)
• Berufungszulassung durch VG
und OVG
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• Berufungszulassung nur durch
OVG
Rechtsschutz
VwGO
• Antrag nach § 80 Abs. 5
1. grundsätzlich keine Frist
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AsylG
• Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
1. Frist
a. 1 Woche (§ 34a Abs. 2 =
sicherer Drittstaat, Dublin)
b. 1 Woche (§ 36 Abs. 2 =
unbeachtlicher oder
offensichtlich unbegründeter
Asylantrag
Rechtsschutz
VwGO
2. Gerichtsbesetzung: grds.
Kammer (§ 6)
3. Keine Vorgaben zu
Prüfungsmaßstab und
Entscheidungsfristen
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AsylG
2. Gerichtsbesetzung:
obligatorischer Einzelrichter (§ 76
Abs. 4)
3. Prüfungsmaßstab: § 36 Abs. 4
(ernstl. Zweifel an Rechtmäßigkeit;
kein Amtsermittlungsgrundsatz)
4. Entscheidungsfrist: § 36 Abs. 3 (1
Woche)
Rechtsschutz
VwGO
4. Rechtsmittel: Beschwerde (§
146)
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AsylG
4. Rechtsmittel: Ausschluss der
Beschwerde (§ 80; gilt für alle
Beschlüsse im Asylverfahren,
z.B. Prozeskostenhilfe)
Fallbeispiele
Prüfungsschema
1. Verfolgungshandlung durch einen Verfolgungsakteur
2. Begründete Furcht, verfolgt zu werden („beachtliche
Wahrscheinlichkeit“, aber: Beweiserleichterung Art. 4 Abs.4
Qualifikationsrichtlinie)
3. Verknüpfung Verfolgungshandlung mit Verfolgungsgründe
4. Fehlender effektiver Schutz im Herkunftsstaat
5. Keine Ausschluss- oder Beendigungsgründe
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Fallbeispiel
• Posttraumatische Belastungsstörung
• Glaubenswechsel, Religionsausübung
• Offensichtlich unbegründeter Asylantrag
• Homosexualität
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Fallbeispiele
Posttraumatische Belastungsstörung
(BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 8/07 – BVerwGE
129, 251 ff. = NVwZ 2008, 330 ff.)
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Fallbeispiele
Glaubenswechsel
(OVG Lüneburg, U. v. 7.9.2015 – 9 LB 98/13 –, juris =
Rechtsprechungsdatenbank für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit)
Religionsausübung
(grundlegend: BVerwG, U. v. 20.2.2013 – 10 C 21.08 -,
NVwZ 2013, 936 ff.)
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Fallbeispiele
Homosexualität
(grundlegend: EuGH, U. v. 7.11.2013 – Rs. C-199/12
bis C-201/12 -, juris = NVwZ 2014, 132 ff.)
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