Arbeitsrecht im Betrieb Dr. jur. Joachim Ingendahl 4. Vorlesung Sommersemester 2015 Stand 01.06.2015 1 Arbeitsrecht im Betrieb Abkürzungen Allgemein AG AGB AN a.o. ArbG AvE BA BAG BG BMAS BR event. ff G Gf gg. grds. i.d.R. IG LAG MA MTV o. s. Std. TV UVV VO • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 2 Arbeitgeber Allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeitnehmer außerordentlich/-e Arbeitsgericht Allgemeinverbindlicherklärung Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Berufsgenossenschaft Bundesministerium Arbeit und Soziales Betriebsrat eventuell fortfolgende Gesetz Geschäftsführer gegen grundsätzlich in der Regel Industriegewerkschaft Landesarbeitsgericht Mitarbeiter Manteltarifvertrag oder siehe Stunde Tarifvertrag Unfallverhütungsvorschriften (BG) Verordnung 0 Arbeitsrecht im Betrieb Abkürzung AGG AEntG ArbMedVV ArbSchG ArSiG ArbZG BGB BBiG BDSG BEEG BetrVG BUrlG EntgFG GewO GG GmbHG HGB InsO JSchG KSchG MuSchG NachwG SGB SGG TVG TzBfG • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 3 Gesetz Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitnehmerentsendegesetz Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge Arbeitsschutzgesetz Arbeitssicherheitsgesetz Arbeitszeitgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Berufsbildungsgesetz Bundesdatenschutzgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bundesurlaubsgesetz Entgeltfortzahlungsgesetz Gewerbeordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz Handelsgesetzbuch Insolvenzordnung Jugendschutzgesetz Kündigungsschutzgesetz Mutterschutzgesetz Nachweisgesetz Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Tarifvertragsgesetz Teilzeit- und Befristungsgesetz 0 Arbeitsrecht im Betrieb 0 Arbeits- & Organisationspsychologe Ihr beruflicher Einsatz erfolgt in Personalabteilungen. Aus organisatorischen und Kostengründen müssen Personalverantwortliche das arbeitsrechtliche Tagesgeschäft überwiegend ohne fachanwaltliche Begleitung bewältigen. Nur wenn Sie die beteiligen Akteure, ihre Aufgaben & Rechte, die wesentlichen Rechtsvorschriften und einschlägige Rechtsprechung kennen & anwenden, können Sie den sozialen Frieden schonen, indem Sie 1. kompetent reagieren sowie 2. rechtssichere Entscheidungen treffen, die Ihre Mitarbeiter nachvollziehen und ggf. einer Überprüfung durch die Arbeitsgerichte standhalten. 4 Arbeitsrecht im Betrieb 0 Vor-& Nachbereitung Vorlesung • Power – Point auf Kanzlei-Homepage: – Datei gesamt & am Vorabend Kapitel aktuell – Vorlesungsmitschrift auf Facebook „Arbeitsrecht Online“ – für Vorbereitung (empfohlen) & Nacharbeit (erforderlich) • Arbeitsmittel: – Wichtige Arbeitsgesetze, 21. Auflage 2014/2015 mit • Hinweisreitern, nur auf Gesetze, beschriftet • ausschließlich handschriftlichen Anmerkungen im Buch zugelassenes Hilfsmittel in Abschlussklausur – Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage 2014, in Bibliothek • Arbeitsgemeinschaften: – 3 – 5 Teilnehmer – 2 – 3 Stunden, einmal wöchentlich 5 Arbeitsrecht im Betrieb 0 Beteiligte im Arbeitsrecht 1. 2. 3. 4. 1. 2. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 5. 6. 6 Arbeitsvertrag: Arbeitgeber Arbeitnehmer Direktionsrecht Existenzielle Abhängigkeit Sozialversicherungen, Behörden: Bundesanstalt für Arbeit + Arbeitsämter Krankenkassen & Pflegekassen Deutsche Rentenversicherung mit Prüfdienst Berufsgenossenschaft: Arbeitsunfälle und -sicherheit Finanzämter Abführung Lohnsteuer Zoll Bekämpfung Schwarzarbeit Gesetzgeber: Arbeitsrechtliche Gesetze Gewerkschaften: Arbeitsbedingungen, insbes. Löhne durch Tarifverträge Betriebsrat: Mitbestimmung AN zum Wohl des Betriebs Arbeitsgericht: Anwendung GG, Gesetze, TV Arbeitsrecht im Betrieb Vorlesung Thema 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 0 Grundrechte & Staatsgewalten im Arbeitsrecht BGB Allg.T, Verträge, juristische Pers., absolute Rechte Dienst- und Arbeitsverträge im Zivil- & SozialversR Sozialversicherungen & Sozialgesetzbücher SGB Allgemeiner Kündigungsschutz & -klage Gewerkschaften & Tarifverträge, AN-Überlassung Betriebsrat: Beteiligungsrechte, Betriebsvereinbarung Direktionsrecht Arbeitgeber & Arbeitsgesetze Arbeitsverträge: Gestaltungen und ihre Grenzen Recruting & Diskriminierungsverbote des AGG Arbeitsschutz & -sicherheit Kranke Mitarbeiter & Gesundheitsförderung Wiederholung & Vertiefung: Kündigungsschutz WuV: Rechtsträger & Rechte 1. Probeklausur WuV: Rechtsmittel & -wege 2. Probeklausur 7 Arbeitsrecht im Betrieb Grundrechte & Staatsgewalten im Arbeitsrecht 8 1 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Bundes- Republik Deutschland • Republik: Staatsform = Keine Monarchie • Bundesstaat: 16 Länder, NRW, Bayern, HH usw. Demokratie: Die Staatsgewalt (kratie = Herrschaft) geht vom Volke (= Demos-) aus • Wahlen: Direkt & unmittelbar, Mehrheitsprinzip, jede Stimme zählt grds. gleich • Urteile: „Im Namen des Volkes“ Verfassung: Grundgesetz • Verfassungsgeber: Das Volk • Erlass: Verfassungsgebende Versammlung 9 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Organe des Bundes: • Bundestag Wird vom Volk gewählt • Bundeskanzler vom Bundestag gewählt • Bundesregierung Bundeskanzler ernennt die Minister = Kabinett • Bundesrat Vertretung der Bundes-Länder • Bundespräsident Von Bundesversammlung gewählt Gesetzgebungsverfahren: • Bundesregierung bringt Gesetzesvorlagen ein • Bundestag beschließt mit Abstimmungsmehrheit der Regierungsparteien • Bundesrat muss teilweise zustimmen • Bundespräsident unterzeichnet,eigenes Prüfungsrecht 10 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Gewaltenteilung im Grundgesetz • Art. 70 ff • Art. 83 ff • Art. 92 ff Gesetzgebung Legislative Verwaltung Exekutive Gerichte Judikative - Bundestag, -rat, -präsident - Länderparlamente - Art. 80 Rechtsverordnung - Bundesministerien - Länderverwaltungen = Öffentliches Recht - Gerichtsbarkeiten - Rechtszüge http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/grundgesetz/index.html 11 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Zusammenwirken der Gewalten • Gesetze: Rahmen und Strukturen des Zusammenlebens in der Gesellschaft – Verbindlich für alle – Nicht systematisch, sondern Spiegel des politischen Willens in seiner historischen Entwicklung – Durchsetzung durch Verwaltung & Gerichte • Verwaltung: Gesetzesvollzug – Wahrnehmung der Aufgaben, z.B. Steuern einnehmen – Repressiv: Verteidigung gegen Verstöße • Gerichte: – Auf Klage: Anwendung der Gesetze, auch Aufsicht – Bundesverfassungsgericht: Kein „rechtsfreier Raum“ Sonderstatus als Hüter der Verfassung 12 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Öffentliches Recht • Strafrecht Strafgesetzbuch • Rechtsverhältnisse staatlicher Stellen zum untergeordneten Bürger – Öffentliches Recht – Sozialrecht – Steuerrecht Arbeitsschutzrecht ArbZG, ASiG Sozialgesetzbücher u.a. Abgabenordnung, EStG u.a. Privatrecht • Rechtsverhältnisse zwischen Bürgern Bürgerliches Gesetzbuch • Sonderprivatrecht: – Gesellschaftsrecht – Handelsrecht – Arbeitsrecht 13 Handelsgesetzbuch der Arbeitsverhältnisse Arbeitsrecht im Betrieb 1 Verwaltungen des • Bundes – Bundesministerien, z.B. für Arbeit und Soziales – Bundeseigene Verwaltung, z.B. Zoll • Landes: Polizei, Finanzämter, Regierungspräsidium • Kommunale: Städte, Kreise & Gemeinden Verwaltungsaufbau: • Historisch gewachsen über alle drei Ebenen • Grds. auf kommunaler Ebene, z.B. Gewerbeämter und - aufsicht • Land NRW: Rechtsaufsicht 14 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtsstaat • Rechtliches Gehör für Gegners vor – Verwaltungsakt / Bescheid – gerichtlicher Entscheidung Rechtsweggarantie – Art. 19 IV GG: • Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz gegen öffentliche Gewalt • Unabhängig von finanziellen Mitteln: Prozesskostenhilfe • Verbot überlanger Verfahrensdauern • Eilrechtsschutz • Grunds. aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Verwaltungsakt 15 Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtsschutz in Gerichtsbarkeiten Zivilgerichte: • • • • Klagen unter Privaten Amtsgerichte incl. Familien-, Insolvenzgerichte Landgerichte incl. Kammern für Handelssachen Oberlandesgerichte Bundesgerichtshof auch Strafgerichtsbarkeit • Arbeitsgerichte aus Arbeitsverhältnissen Weitere Gerichtsbarkeiten: • • • • 16 Verwaltungsgericht mit Ober-, BundesSozialgericht mit Landes-, BundesFinanzgericht und Bundesfinanzhof Bundesverfassungsgericht und Verfassungsgerichtshöfe der Länder: Stehen über Gesetzgeber Arbeitsrecht im Betrieb 1 Rechtszüge Zivilgerichtsbarkeit Amtsgericht Einschl. Familiengericht Handelsregister Insolvenzgericht Landgericht Strafkammern Berufung Revision Landgericht Strafkammern Schöffengericht OberlandesG BGH Arbeitsgerichte LandesarbeitsG BAG Sozialgericht Finanzgericht Verwaltungsgericht LandesSozG 17 BSozG BFH Oberverwaltungs- BVerwG Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitsrecht 1S • Sonderrecht der unselbständigen = abhängig beschäftigten Arbeitnehmer • Arbeitsgesetze: Einseitig zwingend zugunsten der Arbeitnehmer = Arbeitnehmerschutz • Arbeitsgerichte: – Selbständiger Zweig der Zivilgerichtsbarkeit – Zuständig für Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen • Sozialversicherungen: Zwangs- Mitgliedschaft knüpft an bestehendes Arbeitsverhältnis: – Gesamt- Sozialversicherungs– Beiträge zu Renten, Arbeitslosen-, Kranken-& Pflegeversicherung – Streitigkeiten vor Sozialgerichte 18 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Staatsgewalten im Arbeitsrecht • Gesetzgeber übt Zurückhaltung, Ausfüllung durch Kollektivarbeitsrecht: – Tarifverträge, Tarifvertragsgesetz: • Vereinbarung Gewerkschaft – Arbeitgeber, § 2 • Allgemeinverbindlichkeit, §§ 4 Abs. 5, 7 AEntG: Für alle Arbeitnehmer der Branche – Betriebsvereinbarungen, BetriebsVG • zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber • Gerichte: Bundesarbeitsgericht füllt Gesetzeslücken • Verwaltung: - Arbeitssicherheit - Sozialversicherungen SGB 19 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Ausstrahlung Grundrechte auf Arbeitsverhältnis: Verpflichtung AG • Glaubens- und Gewissensfreiheit, Art. 4: • Kopftuch am Arbeitsplatz: Einstellung, Kündigung? • Mahlzeiten ohne Schweinefleisch in Kantine • Frei Meinungsäußerung, Art. 5: • Sachliche Kritik am AG zulässig, nicht Schmähkritik • Familie, Art. 6: - „Zölibatsklausel“ in AV unwirksam • Kein Fragerecht nach Familienplanung • Keine Pflicht zur Mitteilung einer Schwangerschaft • Berufsfreiheit, Art. 12: • Berufswahl und Ausübung • Verwertung des Wissens nach Arbeitsvertragsende 20 Arbeitsrecht im Betrieb Grundgesetz: 1S Grundrechte: Schutz Bürger vor Staat Ausstrahlung auf Arbeitgeber • Art. 2 • • • • • • Freie Entfaltung, Schutz der körperlichen Integrität: - Weder Eingriff noch Untersuchung - Verbot: Verdeckt Mithören & Beweisverwertung - Schutz von Personalakte & Krankendaten der AN Art. 3 Gleichheit, insbes. Männer + Frauen Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung & AGG Art. 5 Freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit Art. 9 Vereinigungsfreiheit: Abs. 3 Gewerkschaften und Streikrecht Art. 12 Berufsfreiheit, freie Arbeitsplatzwahl Art. 14 Eigentum Art. 19 Gesetzesvorbehalt: Einschränkung von Grundrechten nur durch ein Gesetz 21 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Arbeitnehmerdatenschutz: • Recht des Arbeitnehmers auf „informationelle Selbstbestimmung“aus • Schutz allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 II 3 GG • § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz • Personalakten: Arbeitgeber – hat beschränktes Recht, Informationen über AN zu erheben, verarbeiten und zu nutzen: Nur soweit • rechtmäßig erworben • zur Begründung, Durchführung o. Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich, § 32 BDSG. – muss sorgfältig verwahren & vertraulich behandeln, – darf keine Detailinformationen zur Gesundheit des AN erheben; was AG mit Einwilligung erfährt, darf kein regulärer Teil der Personalakte sein, sondern muss besonders gesichert werden. 22 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Grundrechte und Arbeitsrecht: • Art. 3 GG: Gleichheitsgrundsatz • Abs. 1: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Abs. 2: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Abs. 3: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. • Ungleichbehandlung nur aus sachlichem Grund • Arbeitsrechtliche Gleichbehandlung, z.B. equal pay • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Diskriminierungsverbot, § 1 AGG • § 75 BetrVG: Behandlung der Mitarbeiter 23 Arbeitsrecht im Betrieb 24 1S Arbeitsrecht im Betrieb 1S Koalitionsvertrag „Große Koalition“ Gesetzgebung Arbeitsrecht bis 2017 • Allg. gesetzlicher Mindestlohn zum 01.01.2015: 8,50 €/Std. • Allgemeinverbindlich- Erklärung nach Tarifvertragsgesetz: Besonderes öffentlichen Interesseses genügt. Tarifgebundene AG müssen nicht mehr mindestens 50 % aller AN beschäftigen. • Arbeitnehmerüberlassung: „Überlassung von AN vorübergehend“ im AÜG wird auf eine Höchstdauer von 18 Monaten konkretisiert. Abweichungen nur in Tarifverträgen. • Scheinselbständigkeit, Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen: Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von AN verhindern. Die Kontroll- + Prüftätigkeit bei Schwarzarbeit konzentrieren + effektiver . • Teilzeitrecht: AN, die sich z. B. wegen Kindererziehung o. Pflege von Angehörigen zu einer Teilzeitbeschäftigung entschieden haben, können zur früheren Arbeitszeit zurückkehren. 25 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Arbeitsgesetzgebung aktuell • Mindestlohngesetz MiLoG: 01.01.2015 8,50 €/Std. – Anwendungsbereich: Alle Arbeitsverhältnisse – Ausnahmen: Ausbildung, Praktikanten, Jugendliche – Pflicht: Aufzeichnung der Arbeitszeiten, § 17 • Allgemeinverbindlicherklärung, § 5 TVG: Tarifgebundene AG müssen nicht mehr mindestens 50 % aller AN beschäftigen, besonderes öffentliches Interesse genügt. • Tarifeinheitsgesetz, Entwurf BMAS 04.11.2014: – Große Koalition mit DGB gegen Streikmacht der Spartengewerkschaften (aktuell insbes. Lokführer, Flugkapitäne) • Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen, Gesetzentwurf Bundesrat: Umgehung des Arbeitsrechts durch Scheinverträge zulasten von AN verhindern. 26 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Europäische Gemeinschaft „EU“ • Grundgesetz: • • Staatsziel, Art. 23: Vereinigtes Europa Hoheitsrechte , Art. 24: Auf zwischenstaatliche Einrichtungen • • Wahl durch alle EU- Bürger Rechtsetzungen durch: • Europäisches Parlament: – – Rechtsverordnungen: Unmittelbare Bindung Richtlinien: Auftrag an nationale Gesetzgeber zur Umsetzung • Europäische Kommission: – Executive – wie Regierung – Alleiniges Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren • Europäischer Gerichtshof EuGH, Luxemburg: Anrufung nur durch nationale Obergerichte • Arbeitnehmer- Freizügigkeit: Jeder Unionsbürger kann in jedem Mitgliedsstaat eine Beschäftigung aufnehmen und ausüben: Willkommens- und Integrationskultur 27 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Arbeitsrecht Europäische Union • Arbeitnehmerfreizügigkeit: Mobilität • Gleichbehandlung, Diskriminierungsverbot: – EU Länder, Männer/Frauen, Alter, Behinderung u.a – Unmittelbar & mittelbar • Mindest- Arbeitsbedingungen: – Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, z.B. 20 Tage Urlaub – Befristete Beschäftigungsverträge – Entsendung von Arbeitnehmern • Sicherheit & Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: Verbesserungen Arbeitsunfälle + Berufskrankheiten 28 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Arbeitsrecht Europäische Union • EU-Politik darauf ausgerichtet – hohe Beschäftigungsraten und starken Sozialschutz zu erreichen, – die Lebens- + Arbeitsbedingungen zu verbessern, – den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten • Ziele: – Sozialen Fortschritt zu fördern und – Lebens- + Beschäftigungsbedingungen zu verbessern 29 Arbeitsrecht im Betrieb 1S Europäischer Gerichtshof Luxemburg • Zuständig: Für Auslegung nationalen Rechts nach übergeordnetem Europäischen Recht • Vorabentscheidungsersuchen: Hat ein Gericht Zweifel hinsichtlich Auslegung oder Gültigkeit einer nationalen Rechtsnorm, kann es den EuGH anrufen. • Zu Urlaubsansprüchen gegen BAG : – 20.01.2009: Bei langfristiger Erkrankung verfällt Urlaub nicht am Jahresende (Schultz – Hoff) – 12.06.2015: Urlaubsansprüche sind auch nach dem Tod des AN – an die Erben – abzugelten BAG 12.03.2013 - 9 AZR 532/11 30 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Rechtsbeziehungen Privater • Bürgerliches Gesetzbuch BGB • Handelsgesetzbuch HBG 31 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Rechtsbeziehungen Privater • Subjekte: Inhaber von Rechten – Natürliche Personen – Personengesellschaften: GbR, OHG, KG – Juristische Personen: GmbH, Aktiengesellschaft • Objekte: Gegenstand von Rechten – Absolute Rechte: Abwehransprüche gegen jedermann • Körper & Gesundheit, Eigentum, Besitz, Urheberrechte – Relative Rechte: Ansprüche (nur) gegen Vertragspartner • Verträge: Begründen Ansprüche – Vertragsfreiheit: Abschluss- und Gestaltungsfreiheit – Durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen – Vertragstypen mit standardisierten Regelungen 32 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Träger von Rechten, Arbeitgeber • Natürliche Person – Rechtsfähigkeit mit Geburt – eingetragener Kaufmann e.K. • Juristische Personen § 1 BGB § 2 HGB Vertretung durch – Eingetragener Verein, § 21 BGB Vorstand – Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH + Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) Geschäftsführer – Aktiengesellschaft AktienG Vorstand – Stiftungen, Genossenschaft Vorstand Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Handelsregister • Gewerkschaften: Rechtsfähigkeit aus Art.9 II GG Ohne Eintragung in ein staatliches Register 33 Arbeitsrecht im Betrieb 2G Personengesellschaften Vertretung durch • Gesellschaft bürgerlichen Rechts, § 705 BGB • Gemeinsamer Zweck: beliebig alle Gesellschafter zusammen • Handelsgesellschaften: • Offene Handelsgesellschaft OHG § 105 HGB Gemeinsamer Zweck: Betrieb eines Handelsgewerbes jeden Gesellschafter allein • Kommanditgesellschaft KG § 161 HGB den Komplementär • Sonderform: GmbH & Co KG den Geschäftsführer der GmbH 34 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Absolute Rechte = Geschützt gegen jeden 1. Besitz, § 854 BGB = Tatsächliche Gewalt über eine Sache 2. Eigentum = Umfassende Herrschaft § 929 Übertragung durch Einigung + Übergabe § 985 Herausgabeanspruch gegen den Besitzer, z.B. Arbeitsmittel + Geschäftsunterlagen nach Ende des Arbeitsverhältnisses § 1004 Unterlassungsanspruch gegen Störer • z.B. Streikaufruf des Betriebsrats über Intranet 3. Leben und Gesundheit, § 823 BGB 35 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Immaterielle absolute Rechte: • Urheberrechte: Jedes Werk der Kunst – Bücher, Film, Fotografie, Musik, Baukunst, usw. – Grds. auch im „world wide web“ Durch Eintragung beim Deutschen Patentamt • Patent: PatentG & ArbeitnehmererfindungsG – Neu & Erfindungshöhe: Beträchtlicher Fortschritt – Nutzungsrecht durch Lizenzvertrag • Gebrauchsmuster GebrauchsmusterG – Geringere Anforderungen an Fortschritt • Marke: MarkenG Wort- oder Bildmarke • Eingetragenes Design DesignG 36 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Relative Rechte: Ansprüche A B § 433 BGB Verkäufer Käufer Kaufpreis Gegenstand 37 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vertragstypen des BGB § 433 Kaufvertrag § 516 Schenkung § 491 Darlehen Gegenstand gegen Kaufpreis Übertragung unentgeltlich Rückgabe vertretbarer Sachen Arbeitgeberdarlehen § 535 Miete, Pacht, Leihe Rückgabe derselben Sache § 576 Werkmietwohnungen § 611 Dienstvertrag Dienste gegen Vergütung Grundform des Arbeitsvertrages § 631 § 662 § 765 § 779 38 Werkvertrag Werk= Erfolg gegen Werklohn Auftrag, Geschäftsbesorgung Bürgschaft Einstehen für fremde Schuld Vergleich Ungewissheit + gegenseitiges Entgegenkommen Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vertragsschluss durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen : § 145 Angebot muss unter Anwesenden sofort angenommen werden § 147 Annahme: Akzeptieren ohne Änderung Auslegung: 1. Willenserklärungen, § 133: Nach Empfängerhorizont 2. Verträge, § 157 : - Wortlaut nach Treu und Glauben - mit Rücksicht auf die Verkehrssitte Abstraktionsprinzip: Zu unterscheiden sind 1. schuldrechtlich: Verpflichtungsgeschäft 2. dinglich: Verfügung = Eigentumsübertragung 39 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Willenserklärungen Wirksamkeit § 104 Geschäftsfähigkeit - ab 18 Jahre - außer dauernder Geschäftsunfähigkeit § 106 Beschränkte Geschäftsfähigkeit 7–17 Jahre Vertragsschluss wirksam nur mit § 107 Einwilligung oder § 108 Genehmigung der gesetzlichen Vertreter § 113 Ermächtigung zu Arbeitsverhältnissen: Für Rechtsgeschäfte zur Eingehung /Aufhebung unbeschränkt geschäftsfähig Berufsausbildung: Siehe §§ 10, 11 BBiG Jugendarbeitsschutzgesetz: Zulässig erst ab 15. Lebensjahr 40 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Willenserklärungen & Verträge: Grundsatz Formfreiheit–Ausnahmen: § 126 Schriftform Urkunde mit Namensunterschrift a) § 623 Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch - Kündigung -Aufhebungsvertrag b)Tarifvertrag, § 1 Abs. 2 TVG c) Betriebsvereinbarung, § 77 Abs. 2 BetrVG § 127 Vereinbarte Form, in Arbeitsvertrag: a) Schriftform für Änderung b) Doppelte Schriftform: Auch für Verzicht auf Schriftformerfordernis § 128 Notariell: Übertragung Grundstücke, GmbH - Anteile §125 Folge bei Formmangel: Nichtigkeit 41 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Kündigungserklärung, schriftlich: • Auslegung, § 133 BGB: – Nicht notwendig Wort „Kündigung“, jedoch – Wille zur Beendigung des Vertrages erkennbar • Wirksamwerden mit Zugang, § 130 BGB: – Unter Abwesenden: Empfänger hat normalerweise die Möglichkeit zur Kenntnisnahme: • Einwurf in Briefkasten: Vormittags bis 12:00 Uhr • Übliche Zeit der Postzustellung BAG 22.3.2012– 2 AZR 224/11 – Nachweis: • Deutsche Post: • Bote = Zeuge 42 Einschreiben / mit Rückschein Einwurf in Briefkasten oder persönliche Übergabe Arbeitsrecht im Betrieb 2 Verträge: Unwirksamkeitsgründe § 134 Gesetzliches Verbot: - Einseitiges Verbotsgesetz, BGH 2013: Handwerkervertrag Verstoß SchwarzarbeiterG: Vorsätzlicher Verstoß Unternehmer, den Besteller kennt und bewusst zu eigenem Vorteil ausnutzt - Arbeitsrecht: Auch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft: Wucher - Auffälliges Missverhältnis Leistung + Gegenleistung -- grds. doppelter Marktpreis, z.B. Zinsen 12% statt 6 % -- Lohn: Weniger als 2/3 des tariflichen / üblichen Entgeltes - Zwangslage, Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche - Ausbeutung der Schwächung, indiziert durch Missverhältnis BAG 22.04.2009 - 5 AZR436/08 43 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Anfechtung Willenserklärungen wegen §119 BGB Irrtums über Abs. 1 Abs. 2 § 121 Abgabe oder Inhalt der Erklärung: auch Aufhebungsvertrag, Kündigung Eine verkehrswesentliche Eigenschaft, - Schwerbehinderung: Nein - Approbation des angestellten Arztes: Ja Anfechtungsfrist: unverzüglich = » Ohne schuldhaftes Zögern“ §123 BGB Täuschung, falsche Angaben in Bewerbung oder Drohung mit empfindlichen Übel § 124 § 142 44 Anfechtungsfrist: 1 Jahr Wirkung: Unwirksam von Anfang an Arbeitsrecht im Betrieb 2 (Stell-) Vertretung, §§ 164 ff BGB § 164 Abgabe einer Prüfungsschema: eigenen Willenserklärungen für einen anderen mit Vertretungsmacht Wirkung unmittelbar für den Vertretenen § 174 Kündigung (einseitiges Rechtsgeschäft) durch Vertreter: Unwirksam, wenn - Erklärender keine Vollmacht vorgelegt - Empfänger „unverzüglich“ zurückweist (§ 121 „unverzüglich“ = ohne schuldhaftes Zögern BAG: Binnen 1 Woche) 45 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Vollmacht • Rechtsgeschäftlich: – formfrei, zu Beweiszwecken: schriftlich – Duldungs- und Anscheinsvollmacht • Gesetzliche: – – – – Geschäftsführer für GmbH, § 35 GmbHG Vorstand für Verein und Aktiengesellschaft Komplementär für KG, §§ 125, 164 HGB Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes • Gesetzlich normiert: – Prokura, § 49 HGB – Anmeldung Handelsregister – Handlungsvollmacht, § 54 HGB – Ladenangestellter, § 56 HGB 46 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Treu und Glauben, § 242 BGB • Neben vertragliche Leistungspflichten bestehen – Mitwirkungs-, Schutz- + Aufklärungspflichten • Unzulässige Rechtsausübung: Kleiner Kündigungsschutz - außerhalb KSchG – Versprechen, offensichtlich willkürlich oder zur Unzeit – in ehrverletzender Form oder – Diskriminierend, insbes. Verstoß gegen AGG, trotz § 2 IV • Verwirkung von Ansprüchen: – Erheblicher Zeitablauf, nicht bei kurzer Verjährung – Umstandsmoment = Vertrauenstatbestand aus Verhalten • Rechtsmissbrauch: Bei – Sachgrundbefristungen – Arbeitnehmerüberlassung – Widerspruchsrecht bei Betriebsübergang, § 613 a VI BGB 47 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Leistungsstörungen: Verzug Leistungsverzug: z.B. AG mit Lohnzahlung § 286 Abs. 1 Fällige Forderung und Mahnung oder Abs. 2 Fälligkeit kalendermäßig bestimmt Folge: Schadensersatz + § 288 Zinsen Annahmeverzug: des Arbeitgebers § 294 Grundsätzlich: Arbeitnehmer muss seine Arbeit so wie geschuldet tatsächlich anbieten § 242 Ein Angebot ist entbehrlich, wenn Arbeitgeber sich auf das fehlende Angebot nicht berufen kann, z.B. nach Hausverbot, Kündigung usw. Folge § 615 BGB: Verzugslohn ohne Arbeit geschuldet 48 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Annahmeverzug des AG: § 294 BGB Tatbestands- Voraussetzungen: - AN - Angebot der Arbeitsleistung: - Wie geschuldet: Am rechten Ort + Zeit - Entbehrlich, wenn AG bereits abgelehnt hat, insbes. a.o. Kündigung, Freistellung - Leistungswille und –fähigkeit des AN - Nichtannahme durch AG § 615 BGB + Betriebsrisiko: – Keine Nachleistungspflicht – Anrechnung • ersparter Aufwendungen • anderweitiger Verdienst, auch böswillig unterlassen 49 Arbeitsrecht im Betrieb Einreden: • Verjährung, 2 Berücksichtigung nur, wenn vom Schuldner erhoben: §§ 194, 199 I, 214 – Jedes relative Recht, z.B. Lohnanspruch – Frist: Jahresende + 3 Jahre, aus 2013 am 31.12.2016 • Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB: – Schuldner hat selbst einen fälligen Anspruch – gegen den Gläubiger – aus dem selben rechtlichen Verhältnis Folge: Schuldner kann eigene Leistung verweigern Arbeitsverweigerung Arbeitnehmer, § 273 BGB: - Nur, wenn Lohnrückstand erheblich, und zwar - sowohl nach Höhe als auch nach Dauer 50 Arbeitsrecht im Betrieb 2 Einwendungen: Untergang von Ansprüchen durch • § 362 • § 387 • § 397 Erfüllung, insbes. Zahlung Aufrechnung mit Gegenforderung Erlass bzw. Verzicht – z.B. Ausgleichsquittung , Klageverzicht – bei Beendigung des Arbeitsvertrages • Insolvenz: Restschuldbefreiung • Arbeitsrecht: Verfallklausel = Anspruch schriftlich geltend machen, Frist für – Tarifvertrag: Grds. 2 Monaten – Arbeitsvertrag: BAG mindestens 3 Monate 51 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Geschuldete Arbeitszeit Frau AT ist seit 2006 bei der I GmbH als Angestellte beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag erhält AT „für die Erfüllung ihrer Aufgaben“ ein Jahresgehalt von 95.000 € brutto, sowie eine vom Unternehmenserfolg abhängige Tantieme. Mit Schreiben vom 10.11.2010 forderte I dazu auf, täglich mindestens 7,6 Stunden zu arbeiten und eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten. Im Dezember 2010 arbeitet AT insgesamt 19,8 Stunden, vom 1. bis 19. Januar 2011 insgesamt 5,51 Stunden. AT meint, das Maß ihrer Arbeitsleistung sei die geschuldete Arbeitsleistung. Sie erhebt Klage zum Arbeitsgericht auf Feststellung, dass sie nicht zur Ableistung von 38 Stunden wöchentlich verpflichtet ist. Mit Erfolg? BAG 15.05.2013 – 10 AZR 325/12 52 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Geschuldeten Arbeitszeit bei Fehlen ausdrücklicher Vereinbarung Der Arbeitsvertrag enthält keine nähere Bezifferung des Umfangs der Arbeitszeit. Dann ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollen. Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner. Ein Vollzeitarbeitnehmer muss mangels anderer Anhaltspunkte davon ausgehen, dass er in gleichem Umfange wie andere Vollzeitarbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist, §§ 133, 157 BGB. Ergebnis: AT ist verpflichtet, die übliche Arbeitszeit für Vollzeitarbeitskräfte einzuhalten. 53 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Sprachunkundiger Arbeitnehmer P ist Portugiese mit Wohnsitz in Portugal und der deutschen Sprache nicht mächtig. Nach auf portugiesisch geführten Verhandlungen stellte ihn Spedition H 2009 als Kraftfahrer im internationalen Transport für monatlich 900 € brutto ein. Beide Parteien unterzeichneten einen Arbeitsvertrag in deutscher Sprache, der in § 12 beiderseitige Ausschlussfristen enthält: 3 Monate zur schriftlichen Geltendmachung, bei Ablehnung/ Nichterklärung 2 Monate zur gerichtlichen Geltendmachung. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.3.2011 macht P mit Schreiben vom 13.4.2011 das Entgelt für Dezember 2010 geltend und reicht am 12.05.2011 Klage ein. Mit Erfolg? BAG 19.03.2014 – 5 AZR 252/12 54 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Sprachunkundiger Arbeitnehmer 1. Vertragsschluss: 1. Arbeitsvertragsangebot & Zugang, § 130 Abs. 1 BGB: Auslegung objektiver Inhalt 2. Annahme durch P, auch wenn nicht verstanden 3. Ausschlussfrist § 12 2. Wirksamkeit: 1. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 Abs. 2 2. Eingeschränkte Kontrolle im Arbeitsrecht, § 10 Abs. 4 S. 2 3. Überraschende Klausel § 305 c Abs. 1: Die Vereinbarung von Verfallklauseln entspricht einer weitverbreiteten Übung im Arbeitsleben, Mindestfrist Arbeitsvertrag BAG: 3 Monate. 55 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Verzicht auf Kündigungsschutzkage A ist seit 2006 bei der InduService GmbH (über 10 MA) als Bauwerker beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall am 30.09.2009 mit langer Erkrankung und Rehabili tation kündigt die GmbH am 26.04.2011 das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2011. A unterzeichnet unter der Überschrift „Arbeitspapiere“ eine Ausgleichsquittung über den Empfang von Arbeitspapieren und – ganz am Ende - einen Verzicht auf Kündigungsschutzklage. A erhebt gleichwohl Kündigungsschutzklage und bestreitet, die Ausgleichsquittung unterzeichnet zu haben. Kann die Klage Erfolg haben? BAG 25.09.2014 – 2 AZR 788/13 56 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Verzicht Kündigungsschutzklage 1. Verzicht ist Vertrag 2. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 BGB: 1. Begriff, Abs. 1 BGB: Für mehrere Verwendungen vorformuliert 2. Einbeziehung, Abs. 2: Hinweis und Möglichkeit zur Kenntnisnahme 3. Wirksamkeit: 1. Transparenz, § 305 c Abs. 1: Klausel versteckt = überraschend 2. Keine Gegenleistung an Arbeitnehmer, § 10 Abs. 4 S. 2 57 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Anspruch auf Tantieme Herr J war bis zum 30.6.2011 für die Firma A als „Leiter IT“ tätig. Sein Arbeitsvertrag vom 22.12. 1995 enthält folgende Vergütungsvereinbarung: „J erhält ein Bruttogehalt von 120.000 DM p.a., das in 12 monatlichen Teilbeträgen ausgezahlt wird. Bei erfolgreicher Zusammenarbeit im 1. Jahr zahlt A zusätzlich eine Tantieme von 10.0000 DM.“ A zahlte jährlich eine Tantieme, in den Jahren 2004 bis 2006 erhielt J jeweils 34.103 €. J verlangt für die Jahre 2007 bis 2010 Tantiemen in gleicher Höhe. Zurecht? BAG 17.04.2013 - 10 AZR 251/12 58 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Annahmeverzug S nimmt als Sicherheitsmitarbeiter am Flughafen AirFurt Sicherungsaufgaben nach dem Luftsicherheitsgesetz als Beliehener der Luftsicherheitsbehörde wahr. Nachdem eine Kollegin S beschuldigt hatte, er habe gegen Geldzahlung die Mitnahme von Flüssigkeiten im Flugzeug erlaubt, wies die Polizei Airfurt AG an, S vorläufig nicht mehr zu beschäftigen. AG suspendiert S und zahlt an ihn auch nach Arbeitskraftangebot keine Vergütung. Als sich die gegen S erhobenen Vorwürfe als haltlos erweisen, hebt die Polizei das Einsatzverbot auf. S beansprucht für den Ausfall Verzugslohn. Mit Erfolg? LAG Berlin – Brandenburg 29.10.2014 – 17 SA 285/14 59 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Annahmeverzug Die AirFurt AG zur Zahlung einer Annahmeverzugsvergütung ververpflichtet. Die unternehmerische Tätigkeit der AirFurt AG bringt es mit sich, dass ihre Sicherheitsmitarbeiter einer behördlichen Aufsicht unterliegen. Es gehöre daher zum unternehmerischen Risiko, dass die Polizei einen Mitarbeiter auf seine Zuverlässigkeit überprüfen will und seinen Einsatz bis zu den Abschluss untersagt. Dies gilt jedenfalls wenn der Arbeitnehmer nichts zu dem Anlass der Untersuchung beigetragen hat und sich die behördliche Anordnung auch nicht an ihn richtet. Untersagt die Behörde dem Arbeitnehmer die Tätigkeit, entfällt der Vergütungsanspruch. 60 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Anspruch auf Tantieme 1. Schriftlicher Arbeitsvertrag: Nur für 1. Jahr 2. Betriebliche Übung: a) Wiederholte, mindestens 3- malige Zahlung ohne Freiwilligkeitsvorbehalt b) Enthält kollektives Element: Bezieht sich auf eine Vielzahl oder zumindest eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten. 3. Ergebnis: Zurückverweisung zur Aufklärung: a) Individueller Tantiemeanspruch kann durch eine schlüssige/konkludente Abrede entstanden sein, b) über deren Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen zu entscheiden hat, § 315 BGB 61 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Schwangere Schwangerschaftsvertretung Frau F schließt mit der S – AG einen auf 2 Jahre befristeten Arbeitsvertrag als Schwangerschaftsvertretung. Einen Monat nach Beschäftigungsbeginn setzt F die S- AG in Kenntnis, dass sie schwanger ist und in wenigen Monaten ein Kind gebären wird. Die S-AG ficht den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. F sei ihre Schwangerschaft bei Abschluss des Arbeitsvertrages bekannt gewesen. Sie hätte niemals eine Schwangere als Schwangerschaftsvertretung eingestellt. Besteht das Arbeitsverhältnis fort? LAG Köln 11.10.2012 - 6 Sa 641/12 62 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Schwangere Schwangerschaftsvertretung 1. Kündigung: Keine Zustimmung, § 9 I MuSchuG 2. Anfechtung wg. verschwiegener Schwangerschaft 1. Verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 Abs. 2 BGB 2. Täuschung mit Arglist, § 123 BGB: 1. 2. 3. Verschwiegen: Schweigerecht o. Offenbarungspflicht? Frage S-AG: Recht zu lügen? Auf unzulässige Frage! Rechtliche Wertung des Grundgesetz und AGG: Schwangere Frauen würden durch eine Offenbarungspflicht wegen ihres Geschlechtes diskriminiert. BAG 06.02.2003 - 2 AZR 621/01 Ergebnis: Kein Anfechtungsgrund, das Arbeitsverhältnis besteht fort. 63 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Insich- (Vertrag-)Geschäft G ist Geschäftsführer der Hochbau GmbH. Anlässlich der Auslieferung seines neuen Dienstwagens möchte er seinen bisherigen Dienstwagen für seinen Sohn erwerben, der demnächst 18 Jahre alt wird und bereits seinen Führerschein macht. Als er den schriftlichen Kaufvertrag aufsetzt, kommen ihm Bedenken. Abwandlung: G ist verwitwet. Die Hochbau GmbH soll mit seinem Sohn einen Ausbildungsvertrag abschließen. 64 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Insich- (Vertrag-)Geschäft Ein Vertrag kommt zustande, wenn sich Verkäufer und Käufer über Gegenstand und Preis einig werden. Die GmbH wird von ihrem Geschäftsführer vertreten. Fraglich ist, ob der Geschäftsführer die GmbH auch bei einem Vertrag mit sich selbst vertreten kann. § 181 BGB: Satzung und Eintragung ins Handelsregister • Abwandlung: Fraglich ist, ob der Geschäftsführer bei einem Vertragsschluss gleichzeitig die GmbH und seinen Sohn vertreten kann. 65 Arbeitsrecht im Betrieb 2S • Unterzeichnung der Kündigung weder – durch offenkundig Bevollmächtigten des Arbeitgebers ( insbes. Geschäftsführer, Leiter Personalabteilung) – noch Vorlage einer Vollmacht • Folgen, § 174 BGB: – Empfänger kann Kündigung binnen einer Woche zurückweisen. – Kündigung ist dann unwirksam, keine Heilung oder Genehmigung • Neue Kündigung erforderlich, • die Arbeitsverhältnis erst später beendet. • Solange ist Arbeitgeber in Annahmeverzug 66 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Kündigung durch Vertreter Wer muss einer von ihm unterschriebenen Kündigung seine schriftliche Vollmacht beifügen? 1. Abteilungsleiter Rechnungswesen GmbH Ja 2. Filialleiter einer Einzelhandelskette Ja 3. Kaufmännischer Leiter einer GmbH & Co KG Nein 4. Personalleiter einer GmbH Nein 5. Prokurist? ppa. § 54 HGB Nein 6. Geschäftsführer einer GmbH? Organ, bei nein bei mehreren grds. Gesamtvertretung, dann alle 7. Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts? Grds. alle Gesellschafter 67 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Personalleiter & Gesamtprokurist Die Kündigung wird vom Personalleiter allein unterzeichnet. Der Personalleiter ist Prokurist, aber nur zusammen mit einem Geschäftsführer oder anderen Prokuristen zusammen unterschriftsberechtigt. Vertretungsmacht sowohl als 1. Prokurist, § 49 HGB: Zusätzliche Unterschrift fehlt 2. Personalleiter: Kündigungsberechtigung unabhängig von zusätzlich erteilter Prokura BAG 25.09.2014 – 2 AZR 567/13 68 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Kündigung unter einer Bedingung: • „Wir kündigen fristgerecht zum 28.02.2015, falls Sie nicht bereit sind, ab dem 09.12.2013 zu folgenden anderen Bedingungen weiterzuarbeiten…..“ • Kündigung bedingungsfeindlich: Bei Gestaltungsrecht kann Erklärungsempfänger keine Ungewissheit / Schwebezustand zugemutet werden. Die bedingte Kündigung ist unwirksam. • Unbedenklich sind nur: – Rechtsbedingungen, • "außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung.“ Die außerordentliche wird unbedingt, die ordentliche Kündigung unter der Bedingung ausgesprochen, dass die außerordentliche unwirksam ist. – Potestativ- Bedingung: Hängt vom Willen des Erklärungsempfängers ab /versetzen ihn nicht in eine ungewisse Lage • z.B. Änderungskündigung bei gleichzeitigem Angebot der Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Bedingungen, die Erklärungsempfänger annehmen kann 69 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Anfechtung: Eigenkündigung + Aufhebungsvertrag 1. § 119 Abs. 1 BGB: a) Erklärungsirrtum: Abgabe einer Erklärung b) Inhaltsirrtum, z.B. bloße Entschuldigung gemeint 2. § 123 BGB: Drohung AG mit fristloser Kündigung ist nur dann ein empfindliches Übel, wenn verständiger Arbeitgeber a.o. Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte BAG 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06 3. Unbeachtlich: a) Irrtümer über Rechtsfolgen, z.B. steuer- und sozialversicherungsrechtliche, z.B. Sperrzeit b) Unkenntnis Sonderkündigungsschutz 70 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Fall: Verwirkte Schwerbehinderung Die G- AG beschäftigt seit dem 29.08.1989 Frau A in ihrem Betriebsteil in K bei der Herstellung von Gummidichtungen für die Automobilindustrie. Mit Schreiben vom 29.11.2006 kündigte die G-AG A zum 30.6.2007, weil sie die Produktion K schließt und teilweise nach Ungarn verlagert. A erhebt 15.12.2006 Kündigungsschutzklage. Den Gütetermin 23.1.2008 nimmt A selbst wahr. Dann beauftragt sie Rechtsanwalt R, der mit fristgerechtem Schriftsatz vom 2.03.2008 geltend macht, A sei gem. Bescheid des Versorgungsamtes vom 31.9.1988 zu 50 % schwerbehindert. Im Kammertermin 4.5.2008 macht die G-AG geltend, ihr sei die Schwerbehinderung erst durch den Schriftsatz vom 02.03.2008 bekannt geworden. Hat A mit ihrer Klage Erfolg? BAG 09.06.2011 – 2 AZR 703/09 und 23.02.2010 – 2 AZR 659/08 71 Arbeitsrecht im Betrieb 2S Lösung: Verwirkte Schwerbehinderung 1. Kündigungsschutz Schwerbehinderte, § 85 SGB IX: Kündigung nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle = Landschaftsverband Rheinland : Lag nicht vor. 2. Berufen auf Schwerbehinderung: Grundsätzlich unabhängig von Kenntnis des Arbeitgebers. 3. Verwirkung: Kennt der AG bei Ausspruch der Kündigung die Schwerbehinderung nicht, muss der Arbeitnehmer ihn binnen 3 Wochen informieren. Danach kann AN sich auf den Kündigungsschutz nicht mehr berufen. 72 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Dienstverträge & Arbeitsverhältnisse 73 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Dienst- und Arbeitsvertrag • (Freier) Dienstvertrag , §§ 611 ff BGB • Dienste jeder Art gegen vereinbarte Vergütung • Grund- und Auffangtatbestand auch für den • Arbeitsvertrag: Arbeitnehmerbegriff – Durch privatrechtlichen Vertrag – Arbeit als Eingliederung in Betrieb des AG & Weisungsgebundenheit, § 106 GewO – Soziale Abhängigkeit: Lebensunterhalt des AN Konflikte zwischen Vertragsfreiheit + zwingendem Arbeitsrecht =Arbeitnehmerschutz durch Gesetze 74 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Arbeitsverhältnis Zivilrecht, Grundlage §§ 611 ff BGB: Arbeitsverträge: • Vertragsfreiheit: Angebot + Annahme • Schlüssig: Zuweisung Arbeitsplatz= Eingliederung • Formfrei: Nachweisgesetz: – AG muss vorunterzeichneten Entwurf vorlegen – Wirkung: Deklaratorisch, Gegenbeweis möglich Einfühlungsarbeitsverhältnis: - Bloßes Beobachten der Arbeit, Ausprobieren - Ohne Eingliederung in Arbeitsabläufe - Maximal 3 - 5 Tage 75 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Dienst- und Arbeitsvertrag • Vergütung, § 612 BGB: • Ob: Gilt als stillschweigend vereinbart = Fiktion, wenn Vergütung üblich • Höhe: Übliche Vergütung, insbes. Tarifvertrag • Weihnachtsgeld: Prämie für zukünftige Betriebstreue? • Vereinbarter Lohn: • Grds. brutto geschuldet • Nettolohnvereinbarung: – Nur bei ausdrücklicher Vereinbarung der Parteien – Nicht aus § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV BAG 21.09.2011 - 5 AZR 629/10 • Tantieme nach Ertragslage & individueller Leistung: – Leistungsbestimmung durch Arbeitgeber, § 315 BGB 76 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Vorleistungspflicht Arbeitnehmer • Vergütung nach Leistung der Dienste, § 614: • Ohne Arbeit grds. kein Lohn • Fälligkeit am Monatsende • Annahmeverzug des Arbeitgebers, § 615 : • Tatsächliches Arbeitsangebot des AN, § 294: – Zur rechten Zeit am rechten (Arbeits-) Ort – Arbeitsleistung angeboten – Auch bei regelmäßiger Arbeitszeit erforderlich BAG 18.04.2012 – 5 AZR 248/11 • Ausnahmsweise genügt wörtliches Angebot: – Ablehnungserklärung / Kündigung des AG – Mitwirkungshandlung AG erforderlich, Unzumutbarkeit für AN 77 Arbeitsrecht im Betrieb 3G Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“ Ausnahmen: BGB • Annahmeverzug des Arbeitgebers • Kündigung oder Freistellung durch AG = §§ 293, 295, 615 als Verzicht auf Arbeitsangebot des AN § 297 • Zurückbehaltungsrecht § 273 • Lohnanspruch Arbeitnehmer: Nach Höhe + Zeit erheblich • Kein AG- Schutz gegen Belästigung § 14 AGG • Entgeltfortzahlung, EntgFG • an gesetzlichen Feiertagen §2 • bei Krankheit mit (Teil-) Arbeitsunfähigkeit § 3 • Urlaub: • 4 Wochen, bei 6- Tage- Woche 24 Tage, § 3 BUrlG • 5 Tage Schwerbehindertenurlaub, § 125 SGB IX • Arbeitsvertragliche o. tarifliche Regelung: Häufig 30 Tage 78 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Maßregelungsverbot, § 612 a: • Arbeitnehmer • übt seine Rechte zulässig aus – Auslegung: Nicht nur aus Arbeitsvertrag • Benachteiligende Maßnahme, z.B. – Kündigung, Abmahnung – Beschäftigung mit sinnlosen Arbeiten • des Arbeitgebers = AG – Funktion: Auch Entleiher bei Arbeitnehmerüberlassung • Rechtsfolge: Maßnahme unwirksam 79 Arbeitsrecht im Betrieb 3G Betriebsübergang, § 613 a BGB • Durch Rechtsgeschäft: Verkauf, Erbgang • Übergang von Betriebsmitteln: • Produktionsbetrieb: Sächliche Betriebsmittel • Handel + Dienstleistung = Betriebsmittelarm: Übernahme der identitätsprägenden Sachkunde • Nicht bloße Funktions- Nachfolge • Übernahme und wesentliche Beibehaltung des Wertschöpfungszusammenhangs: • • • • 80 Arbeitnehmer Kunden – + Lieferantenbeziehungen Telefon- Nummer, e-mail-Adresse Betriebliche Tätigkeiten: Ähnlich + nicht unterbrochen Arbeitsrecht im Betrieb 3G Rechtsfolgen § 613 a: • Erwerber tritt in Arbeitsverhältnisse ein • Veräußerer oder Erwerber: Unterrichtung der Arbeitnehmer, Abs. 5 – in Textform, § 126 b über – Umstände des Übergangs + Auswirkungen auf Arbeitsplatz, gem. Z. 1- 4 , wenn – unzureichend: Widerspruchsfrist beginnt nicht bis zur zeitlichen Grenze der Verwirkung • Widerspruchsrecht Arbeitnehmer, Abs. 6: – Frist: 1 Monat – Folge: Arbeitsverhältnis bleibt beim Veräußerer, + Veräußerer kündigt betriebsbedingt 81 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Weitere Rechtsfolgen § 613 a • Kündigungsverbot, Abs. 4 S. 1: Wenn Betriebsübergang für Kündigung ursächlich • Kollektiv- Vereinbarungen gelten weiter: – Tarifvertragsnormen + Betriebsvereinbarungen mit Rechten + Pflichten Arbeitsvertragsparteien – gelten als Inhalt des Arbeitsvertrages weiter + – dürfen ein Jahr nicht zu Lasten der Arbeitnehmer geändert werden Übergang der Anteile an GmbH / AG = share deal: Berührt Arbeitsverhältnis nicht 82 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Anwendungsfälle, § 613 a • Unternehmensübernahme durch „Asset Deal“: Übergang des Eigentums am wesentlichen Betriebsvermögen auf neuen Rechtsträger • Outsourcing, „outside recource using“: – Ausgliederung von Aufgaben, die nicht zum Kerngeschäft gehören – Beispiele: Reinigungsdienst oder Kantinen • Nicht: Bloßer Funktionsübergang ohne – Wesentliche Teile der Belegschaft oder – Identitätsprägende Betriebsmittel • Bewachungsdienstleister: Betriebsmittelgeprägt, wenn Gebrauch der Betriebsmittel durch Auftraggeber vorgeschrieben ist BAG 23.05.2013 – 8 AZR 207/12 83 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Übertragung von Abteilungen • § 613 a BGB: Betrieb oder Betriebsteil • Betriebsteil: Identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheiten eines Betriebes, BAG 13. Oktober 2011 – 8 AZR 455/10 • beim früheren Betriebsinhaber, • die beim Erwerber im Wesentlichen fortbesteht • Betriebsteil muss auch beim neuen Inhaber Mächtigkeit haben • Übertragung in Stufen / Tranchen: – Wesentlicher Teile der Belegschaft oder – Übergang identitätsprägender Betriebsmittel 84 Arbeitsrecht im Betrieb Vorübergehende 3 Verhinderung § 616 • AN ist für verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Dienstleistung gehindert: max. 5 Tage • Durch in seiner Person liegenden Grund: – – – – Subjektive, persönliche Leistungshindernisse Arztgang, der während Arbeitszeit erforderlich ist Familiäre Ereignisse (Hochzeit, Geburt, Begräbnis) Pflege erkrankter naher Angehöriger, insbes. Kinder • Ohne Verschulden • Anrechnung anderer Bezüge • Vertraglich abdingbar 85 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Arbeitgeber: Rechtsstellung • Pflichten bzw. Obliegenheiten: – Einrichtung des funktionsfähigen Arbeitsplatzes – Zuweisung der Arbeit • Fürsorgepflichten: – Schutzmaßnahmen, § 618 BGB, unabdingbar, § 619 » Räume Heizung, Hygiene ArbeitsstättenVO » Gerätschaften Arbeitsschutz Unfallverhütung UVV – Nebenleistungs- und Schutzpflichten, § 242 BGB: » Leben und Gesundheit der AN » Eigentum und Vermögen des AN » Schikane- und Mobbingverbot • Weisungsrecht, § 106 GewO: – Bestimmung von – Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung – nach billigem Ermessen 86 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Schadensersatz in Verträgen § 280 bei Pflichtverletzung - Ersatz des kausalen Schadens - Abs. 1 S. 2: Außer, wenn nicht zu vertreten § 276 Schuldner muss vertreten: - Vorsatz: Wissen und Wollen oder Inkaufnehmen des Erfolges - Fahrlässigkeit, Abs. 2: Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt - Garantie oder Risikoübernahme § 278 Schuldner verantwortlich für seine - gesetzlichen Vertreter (GmbH für Gf) - Erfüllungsgehilfen = AG für Arbeitnehmer 87 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Haftung Arbeitnehmer: Privilegiert §§ 280, 276, 619 a BGB: • Früher: Schadensgeneigte Arbeit • Schadensteilung mit Arbeitgeber nach Grad des Verschuldens – Leichte Fahrlässigkeit : Arbeitgeber allein – Mittlere Fahrlässigkeit : Schadensteilung – Grobe Fahrlässigkeit : Arbeitnehmer allein + Vorsatz • Mitverschulden des Arbeitgebers, § 254 BGB • bei Teilnahme am Straßenverkehr: AN haftet nur für Selbstbeteiligung in Kaskoversicherung 88 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Ersatzpflicht ohne Vertrag, § 823 • Verletzung : Von Körper, Gesundheit, Eigentum, Gewerbebetrieb usw. • Rechtswidrig: Keine Rechtfertigung, insbes. durch Notwehr, Einwilligung, Streik • Verschulden: Vorsatz oder Fahrlässigkeit im Hinblick auf Handeln + Schaden Psychische Erkrankung: Noch steuerungsfähig? Folge: Schädiger schuldet Schadensersatz • • Haftung für Verrichtungsgehilfen, § 831 BGB: – Deliktisch für den zur Verrichtung Bestellten, – nicht wenn sorgfältig ausgewählt & überwacht 89 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Beendigung Arbeitsvertrag Nur schriftlich, § 623 BGB: • Kündigung (ordentlich /außerordentliche) • Einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag Stillschweigende Verlängerung, § 625 • Dienstverhältnis nach Beendigung fortgesetzt mit Wissen des Arbeitgebers • kein unverzüglicher Widerspruch • Auslaufen Befristung: Arbeitsvertrag unbefristet 90 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Fristen ordentliche Kündigung, § 622 Abs. 1 4 Wochen zum 15. oder Ende des Kalendermonats Abs. 2 Verlängerung für Arbeitgeber S. 1 nach Dauer des Arbeitsverhältnisses: - 2 Jahre: 1 Monat zum Monatsende - 5 Jahre: 2 Monate zum Monatsende …… - 20Jahre: 7 Monate zum Monatsende S. 2 „Nichtberücksichtigung vor 25. Lebensj.“: Wegen Verstoß gg. Europarecht unanwendbar! 91 Arbeitsrecht im Betrieb 3 Fristen ordentliche Kündigung, § 622 Abs. 3 In vereinbarter Probezeit: 2 Wochen Abs. 4 Kürzere Fristen nur in Tarifvertrag Abs. 5 Arbeitsvertragliche Verkürzungen: - Einstellung zur vorübergehenden Aushilfe bis 3 Monate: Mindestfrist 1 Tag - In Kleinbetrieben bis 20 AN: Mindestfrist auch für AG nur 4 Wochen Außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund, § 626 Abs. 1 BGB: Sofortige Beendigung, wenn Abwarten der Kündigungsfrist unzumutbar. Eine Kündigung "zum nächsten möglichen Termin" ist nicht zu unbestimmt. BAG 20.06.2013 - 6 AZR 805/11 92 Arbeitsrecht im Betrieb 93 3S Arbeitsrecht im Betrieb 3S Fall: Verzugslohn während Pausen • Ruhepausen, § 4 ArbZG: • Anfang + Ende der Unterbrechung müssen • zu Beginn der Arbeit / Pause feststehen • Arbeitgeber: Weder Zuweisung noch Annahme von Arbeit • Arbeitnehmer: Kann keine Arbeit erbringen • Anordnung der Pause durch AG: • Weisungsrecht nach billigem Ermessen,§ 106 GewO • Mitbestimmung Betriebsrat, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG • Annahmeverzug des Arbeitgebers nur bei – tatsächlichem Arbeitsangebot während der Pause – zumindest wörtliches Angebot: AN muss zumindest gegen Pause protestieren BAG 25.02.2015 – 1 AZR 642/13 + 1 AZR 706/13 94 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Fall: Pflichtteil von Stiefmutter Der 72-jährige Vater stellt am 03.05.2011 seine 48-jährige Tochter T in seiner GmbH mit bislang 9 Mitarbeitern als Bürokauffrau ein. Weitere Geschäftsführerin ist seine 2. Ehefrau. Am 05.01.2012 verstirbt der Vater plötzlich und unerwartet. Er hat die 2. Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Als T ihren Pflichtteilsanspruch, § 2303 BGB, durch Rechtsanwalt erhebt, kündigt Geschäftsführerin mit Schreiben vom 10.02.2012 ordentlich zum 15.03.2012. Hat die Kündigungsschutzklage der Tochter vor dem Arbeitsgericht Aussicht auf Erfolg? 95 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Lösung: Pflichtteil von Stiefmutter 1. Kündigungsschutzgesetz: Nicht anwendbar, da nicht mehr als 10 Mitarbeiter, § 23 I 3 KSchG. 2. Die Kündigung könnte nach § 612 a BGB unwirksam sein: a) Fraglich, ob auch die Geltendmachung von Rechten, die mit dem Arbeitsverhältnis nichts zu tun haben (hier Pflichtteilsrecht), erfasst werden: so AK 5. Aufl. 2012. b) Die Kündigung ist eine Benachteiligung. c) Die Kausalität der Geltendmachung des Pflichtteilsrechtes für die Kündigung ist im Prozess vor dem Arbeitsgericht ggf. schwer nachweisbar. 96 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Siemens (S)- BenQ • Siemens verkauft seine Mobiltelefon- Produktion an taiwanesischen Weltmarktführer für Scanner BenQ : – 06.06.2005 Vorvertrag mit BenQ Corporation, Taiwan – 29.08.2005 Unterrichtungsschreiben S an Mitarbeiter: Übertragung – 30.08.2005 an BenQ Mobile GmbH & Co. OHG: Gesellschaftsvertrag - Gesellschafter: Zwei GmbHs, Stammkapital je 25.000 € - kein Hinweis auf Ausscheiden Siemens aus Altersversorgung – 16.09.2005 Eintragung ins Handelsregister – 20.09.2005 Kaufvertrag: S überträgt 2.000 Patente+ zahlt 350 Mio. € zum Ausgleich übernommener Schulden incl. Pensionszusagen – 30.09.2005 Übertragung des wirtschaftlichen Teilbetriebs • Insolvenz BenQ : – 30.09.2006: Eigenantrag • Mitarbeiter: 01.01.2007: Eröffnung – 13.03.2007 Formschreiben : Widerspruch gg. Übergang Arbeitsverhältnisse – klagen gegen Siemens auf Fortbestehen ihrer Arbeitsverträge BAG 23.07.2009 - 8 AZR 538/08 97 Arbeitsrecht im Betrieb Siemens Arbeitsvertrag 3S § 433 BenQ Widerspruchsrecht Arbeitnehmer 98 Arbeitsrecht im Betrieb 3S BAG zu Siemens - BenQ: • Belehrung unzureichend • Identität der Betriebserwerberin • Grund für Übergang: Schuldrechtlicher Vertrag • Rechtliche Folgen AN: Beschränkung Betriebsrenten auf Erwerber • Fortgeltung Tarifverträge + Betriebsvereinbarungen: als Arbeitsvertrag oder weiterhin kollektivrechtlich • Widerspruchsrecht: – Kollektive Ausübung, Beratung IG Metall – Nicht verwirkt: • Zeitmoment: AN hat längere Zeit nicht geltend gemacht, ggf. bereits nach 5-6 Monaten, BAG 17.10.2013 – 8 AZR 974/12 • Umstandsmoment: Und den Eindruck erweckt, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen • Ergebnis: Widerspruch wirkt auf Betriebsübergang zurück 99 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Fall: Schadensersatz wegen Trunkenheit A ist verheiratet, keine Kinder. Seit dem 02.04.2007 ist A bei der Spedition S GmbH als Fahrer mit einem Bruttomonatslohn von 2.726 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 27.04.2007 hat S GmbH den A hingewiesen, dass am Arbeitsplatz ein absolutes Alkoholverbot herrsche. Am 28.06.2008 kam A gegen 3:20 Uhr mit dem LKW bei trockener Fahrbahn von Autobahn ab, fuhr auf Grass, schleuderte in Richtung Mittelleitplanke und prallte wieder zurück. Der LKW stürzte um und verlor Ladung. Um 5:15 Uhr wurde eine Blutalkoholkonzentration von 0,94 Promille festgestellt. A wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr zu 35 Tagessätzen verurteilt. S GmbH verlangt von A den Ersatz ihres Schadens von 17.522,25 €. Zurecht? BAG 15.11.2012 – 8 AZR 705/11 100 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Lösung: Schadensersatz wg. Trunkenheit • Schadensteilung nach Grad des Verschuldens – Grobe Fahrlässigkeit : AN grds. alleine • Haftungserleichterungen, § 254: • Straßenverkehr: Nur Selbstbeteiligung in Kaskoversicherung (hier Ausschluss) • Verdienst in deutlichem Missverhältnis zum Schadensrisiko: Keine starre Haftungsobergrenze, z.B. 3- facher Monatslohn 101 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Fall: Schmerzensgeld vom Azubi Der 19- jährige A ist Auszubildender in einem KFZ Handel mit Werkstatt und Lager. Am Morgen des 24.02.2011 wuchtet er Reifen aus, während der 17- jährige B mehrere Meter entfernt in der Nähe der Aufzugtüre steht. Ohne Vorwarnung wirft A mit von B abgewandter Körperhaltung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses trifft B am linken Auge, am Augenlied und an der linken Schläfe. Im Frühjahr 2012 wird B eine Kunstlinse eingesetzt, Seheinschränkungen aufgrund der Hornhautnarbe verbleiben. Die BG zahlt eine monatliche Rente von 204,40 €. B verklagt A beim Arbeitsgericht auf ein angemessenes Schmerzensgeld. Mit Erfolg? BAG 19.03.2015 - 8 AZR 67/14 102 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Lösung: Schmerzensgeld vom Azubi 1. Schadensersatzanspruch: a) Haftungsgrundlage: § 823 Abs. 1 BGB b) Verschulden: Fahrlässigkeit c) Schmerzensgeld, § 253 Abs. 2 BGB 2. Haftungsprivileg als a) Arbeitnehmer, § 619 a: Nur gegen Arbeitgeber Auszubildender: Nein b) Kollege des Verletzten: (1 Haftungsausschluss, §§ 105 I, 106 I SGB VII: Alle Ansprüche, auch Schmerzensgeld (2 Nur bei betrieblicher Veranlassung: Verneint 3. Schmerzensgeld ausgeurteilt: 25.000 € 103 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Fall: Heimliche Video - Observation S ist seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27.11.2011 war sie zunächst mit einer Bronchialerkrankung arbeitsunfähig. Für die Zeit bis zum 28.02.2012 legte sie 6 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, erst 4 eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31.01. 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer bezweifelt den telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragt einen Detektiv mit der Observation. Der Observationsbericht enthält 11 Bilder von S vor ihrem Haus, mit Hund und in einem Waschsalon, neun davon aus Videosequenzen. S klagt vor dem Arbeitsgericht auf ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 3 Gehältern = 10.500 €. Mit Erfolg? BAG 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13 104 Arbeitsrecht im Betrieb 3S Lösung: Heimliche Video- Observation Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegen Bild- und Videoaufnahmen: 1. Geschützt durch Art 2 Abs. 1 GG 2. Rechtfertigung des Arbeitgebers: Kein objektiv begründeter Verdacht eines Betruges, sondern hoher Indizwert der Arztatteste 3. Angemessenes Schmerzensgeld 1.000 €. 105 Arbeitsrecht im Betrieb 3S German Wings 24.03.2015: Juristisch • Indizien - Beweise? Andere Ursache möglich? – Verriegelung der Cockpittüre – Reiseflughöhe, keine technischen Probleme – Flugmanöver manuell: Sinkflug beschleunigt – Absturzort in den französischen Hochalpen – Äußerung gegenüber Freundin/Affäre + Internet • Copilot A: Vorsätzliche Tötung • § 211 StGB: Anvertrauter, argloser Passagiere • § 823 BGB: Schadensersatz Hinterbliebene & Bergung • German Wings GmbH: Schadensersatz • Hinterbliebene der Passagiere, §§ 276, 278 BGB • Bergungskosten, §§ 823, 831 BGB • Fahrlässige Tötung,§ 230 StGB: Sicherheitsverstoß? 106 Arbeitsrecht im Betrieb 3S German Wings 24.3.2015: Psychologisch • Depressionen: – Grunderkrankung & Schübe: Lauftherapie – Persönlichkeits- Veränderungen: Egomanie, Kontrollsucht, empfundene Opferrolle • Aktuelle Auslöser: – Augenerkrankung – Trennung der langjährigen Freundin • Sensations- Selbstmord? • Drehbuchmäßig durchgeplant • Auf maximale Wirkung = Schaden ausgelegt 107 Arbeitsrecht im Betrieb 3S German Wings 24.3.2015: Arbeitsrecht • Ohne äußeres Motiv: Geplanter Massenmord durch Schutzbeauftragten im Dienst • Arbeitsschutzgesetz, § 5: – Prävention: Planung sicherer Arbeitsabläufe – Schutz gegen kriminelle Energie und SelbstmordAttentäter: Unmöglich • Spezielle Regelungen „Flugkapitäne“: – Flugzulassung durch Luftfahrtbundesamt – Periodischer Arzt- Check durch Arbeitgeber LH • Wirksamer Schutz möglich? • Aufgabe und Verantwortung Arbeits- Psychologen • Diskriminierung aller Depressionskranken? 108 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitsverhältnisse im Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 109 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Sozialgesetzbücher SGB • SGB I • SGB II Allgemeiner Teil Grundsicherung für Arbeitssuchende: Arbeitslosengeld II – Harz IV • SGB IV Gemeinsame Vorschriften – Meldung Sozialversicherung, § 28 a: Zur KK – (Gesamt-) Sozialversicherungsbeiträge, § 28d • SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung • SGB IX Schwerbehindertenrecht • SGB XII Sozialhilfe 110 Arbeitsrecht im Betrieb 4G In allen Arbeitsverhältnissen: Gesamt- Sozialversicherungsbeiträge zur • Arbeitslosenversicherung: SGB III • Bundesanstalt für Arbeit • Rentenversicherung: SGB VI – Träger: Deutsche Rentenversicherung – Prüft beim Arbeitgeber alle 3/4 Jahre Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge – Sozialversicherungsausweis, § 18 h SGB IV • Krankenversicherung: SGB V – Freie Krankenkassenwahl • Pflegeversicherung – Pflegekassen 111 SGB XI Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitnehmer- Schutz: • Zivilrecht: – Arbeitsgesetze, grds. zu Gunsten AN abdingbar – Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten • Sozialversicherungsrecht: – Daseinsvorsorge durch Mitgliedschaft in » » » » Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Rentenversicherung Pflegeversicherung SGB III SGB V SGB VI SGB XI Arbeitslohn Krankheit Altersarmut Pflegefall – Gesamtsozialversicherungsbeiträge » Je zur Hälfte zu Lasten AG und AN • Steuerrecht: Lohnsteuer – AN schuldet, AG behält ein + führt an Finanzamt ab 112 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitnehmerbegriff des BAG: • Aufgrund privatrechtlichen Vertrages: Nicht – Öffentlich- rechtlich: Beamte, Richter, Soldaten – Ehrenamtliche, 1-Euro–Jobs, stufenweise Wiedereingliederung, §74 SGB V • In persönlicher Abhängigkeit gegen Entgelt • Verpflichtung zu fremdbestimmter Arbeit: Weisungsgebundenheit, § 106 GewO hinsichtl. – Inhalt und Durchführung – Zeit und Dauer – Ort der Tätigkeit • Gesamtwürdigung – des wirklichen, objektiven Geschäftsinhaltes – der tatsächlichen, praktischen Durchführung – unabhängig von Bezeichnung & Vereinbarung 113 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Sozialversicherungspflicht: • § 7 Abs. 1 SGB IV Alle Sozialversicherungen: Beschäftigung ist die • nichtselbständige Arbeit insbes. in einem Arbeitsverhältnis • Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände • Fallgruppenbildung – Typisierung BayLSG 28.05.2013 – L 5 R 863/12 • § 2 Abs. 1 Z. 9 SGB VI Rentenversicherung: • Keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer + • auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Arbeitgeber tätig 114 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitslosengeld II- Harz IV • Grundsicherung für Arbeitssuchende, SGB II: Gleichstellung der Arbeitssuchenden mit Sozialhilfeempfängern • Träger: • Kommunen = Kreisfreie Städte & Kreise: – Unterkunft, Wohnung – Kinderbetreuung • Bundesanstalt für Arbeit: – Sicherung des Lebensunterhaltes – Arbeitsmarktbezogen: Eingliederung in Arbeit – Sozialversicherung 115 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitslosengeld II „Harz IV“ Bedarfsorientiert: Wie Sozialhilfe Niedrigere Sätze & strengere Regeln: • Unterhalt in Bedarfsgemeinschaften: – In Ehe- und Lebensgemeinschaften wird – Einkommen des Partners berücksichtigt • Schonvermögen, keine Verwertung: – Selbstgenutztes Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung: Ca. 100 qm – Sparvermögen: Bis 5.000 € – Pkw: Nein 116 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitsförderungsrecht SGB III • • • • • • Träger: Bundesanstalt für Arbeit Finanzierung der Arbeitslosenversicherung Arbeitsvermittlung, § 35 Eingliederung, Berufsvorbereitung usw. , § 44 ff Kurzarbeitergeld, §§ 95 ff, 104: Bis 12 Monate Arbeitslosengeld I, §§ 136 ff • Mit Beiträgen Renten-, Kranken- & Pflegeversicherung • Insolvenzgeld, §§ 165 ff: – Deckt 3 Monate Lohn- Rückstand – Finanzierung: Umlage Arbeitgeber, § 358 117 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Arbeitsförderungsrecht SGB III • Eingliederung, § 44 • Förderung der Berufswahl und -ausbildung: • Berufsorientierung + -einstiegsbegleitung, § 48 • Berufsvorbereitung, § 51 ff • Berufsausbildungsbeihilfe, § 56 • Berufsausbildung, § 73 • Berufliche Weiterbildung, § 81 • Abs. 4: Bildungsgutschein • Behinderte Menschen: • Teilhabe am Arbeitsleben, §§ 112 ff • Gründungszuschuss, § 93: Arbeitnehmer beendet Arbeitslosigkeit und macht sich selbständig 118 Arbeitsrecht im Betrieb 4G Arbeitslosengeld I • Bewilligungs- Voraussetzungen, § 137: – Arbeitslosigkeit o. berufliche Weiterbildung, § 139 – Meldung als arbeitssuchend + verfügbar, § 141 – In letzten 2 Jahren mind. 12 Monate beschäftigt, §142 • Dauer, § 147: 6 - 24 Monate • Höhe,§ 149: 67 bzw. 60 % vom Nettoentgelt • Sperrzeit, § 159: Ruhen des Anspruches wegen – Versicherungswidrigen Verhaltens • Arbeitsablehnung ohne wichtigen Grund • Verletzung von Mitwirkungs- und Meldepflichten • Verschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes – Dauer, Abs. 3 : grds. 12 ggf. 6 / 3 Wochen Durchführungsanweisung der Bundesanstalt für Arbeit 119 Arbeitsrecht im Betrieb 4 ALG I: Sperrzeit, § 159 SGB III • Verschuldeter Verlust d. Arbeitsplatzes: • AG-Kündigung wg. vertragswidrigem Verhalten • Arbeitsaufgabe, insbes. AN - Kündigung Aufhebungsvertrag • Aufhebungsvertrag unschädlich: – Bei drohender betriebsbedingten Kündigung – AN erhält Abfindung im Rahmen § 1 a KSchG – Keine offenkundige Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Kündigung Bundessozialgericht vom 02.05.2012 – B 11 AL 6 /11 R • Arbeitslosengeld II/ Harz IV: Nur Kürzung 120 Arbeitsrecht im Betrieb 4G Keine Sperrzeit bei ALG I, wenn • Arbeit nicht versicherungspflichtig, z.B. Aushilfe • Vergleich im Kündigungsschutzprozess: Beendigung betriebsbedingt Bundessozialgericht 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R • Abwicklungsvereinbarung: Bloße Regelung der Folgen einer (wirksamen) Kündigung • Wichtiger Grund für Aufhebungsvertrag: – Arbeitgeber hätte betriebsbedingt gekündigt + zahlt eine Abfindung von 0,25 – 0,5 bruttoMonatsentgelten je Beschäftigungsjahr. – AN hat Anschlussbeschäftigung – Arbeit macht AN krank – Insolvenz des Arbeitgebers Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit: 121 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Kurzarbeit, § 95 ff SGB III • Einführung nur bei Vereinbarung in Arbeitsoder Tarifvertrag • Erheblicher Arbeitsausfall, § 96: – Wirtschaftliche Gründe oder unabwendbares Ereignis – Vorübergehend – Nicht vermeidbar – Mindestens 1/3 d. AN mehr als 10 % d. Lohnes • • • • 122 Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig Anzeige Arbeitsausfall an örtl. Arbeitsamt, § 99 Dauer: Maximal 12 Monate Berechnungs-, Auszahlungs-, Aufzeichnungs- und Anzeigepflichten, § 320 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Krankenversicherung SGB V • Träger: Krankenversicherungen, freie KK- Wahl, § 173 • Krankheit, § 44 = § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz: Arbeitsunfähigkeits- Richtlinien, §§ 92 I Nr. 7, 81 III Nr. 2: Vom Arzt objektiv vorzunehmende Gesundheitsbewertung: Zuletzt ausgeübte Tätigkeit kann aufgrund der Erkrankung - nicht mehr oder - nur unter Gefahr der Verschlimmerung ausgeübt werden • Behandlung der Krankheiten, § 27; Freie Arztwahl, § 76 • Krankengeld, §§ 44: – 70 % des letzten brutto- Entgeltes, § 47 – Für längstens 78 Wochen innerhalb von 3 Jahren – Auch während „stufenweiser Wiedereingliederung“, § 74 • Medizinischer Dienst, §275: Gutachterliche Stellungnahme – Abs. 1 a bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit – Arzt übermittelt ergänzende Auskünfte, § 7 AU-Richtlinie 123 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Stufenweise Wiedereingliederung, 74 SGB V • Unterfall begrenzten Arbeitsunfähigkeit: Keine Arbeitsfähigkeit für den geschuldeten Zeitraum • Ärztliche Empfehlung: Zeitlich gestufte Wiedereingliederung medizinisch sinnvoll • Krankenkasse: Anordnung und Krankengeld • Grds. keine Mitwirkungspflicht AG/Anspruch AN • nur Schwerbehinderte/Gleichgestellte, § 81 IV Z.1 SGB IX • Arbeit zum Zwecke der Rehabilitation, nicht zur Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht – Kein Lohnanspruch, Urlaubsgewährung usw. 124 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Rentenversicherung SGB VI • Träger: Deutsche Rentenversicherung • Versicherungspflichtig: • Beschäftigte, § 1, – auch Z. 9: Nur ein Auftraggeber, keine AN • Selbständig Tätige, § 2 • Rehabilitation: • Medizinisch, § 15: grds. max. 3 Wochen • Beruflich, § 16: Verweis auf SGB IX • Wiedereingliederung in das Erwerbsleben + Sicherung Erwerbsfähigkeit, § 31 125 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Rentenversicherung SGB VI: • Altersrente, §§ 35 - 40: • Regelaltersgrenze: 67/ 65 Jahre • Wartezeit: 35 / 45 / 25 Jahre • Ist kein Kündigungsgrund, § 41 • Hinterbliebenenrente: – Witwen, § 46 – (Halb-) Waisen, § 48 • Erwerbsminderungsrente, § 43: • Unfähig 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein • Ohne Berücksichtigung der Lage am Arbeitsmarkt 126 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Unfallversicherung SGB VII • Träger: Berufsgenossenschaft • Beitragspflicht: Arbeitgeber allein • Versicherungsfall: • Arbeitsunfall, § 8: Ereignis zeitlich begrenzt • Berufskrankheit, § 9: – Erleidet Versicherter durch versicherte Tätigkeit – Von Bundesregierung durch RechtsVO bestimmt (nur physische, nicht psychisch, z.B. burn out) • Verletztengeld, § 45 (statt Krankengeld) auch an geringfügig Beschäftigte • Unfallrente, § 56 Abs. 1: Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 % 127 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Privilegierte Haftung im Arbeitsverhältnis, SGB VII Grund: Berufsgenossenschaft ist gesetzliche Unfallversicherung mit alleiniger Beitragspflicht des Arbeitgebers umfassenden Leistungen für Arbeitnehmer ohne Schmerzensgeld • bei Personenschäden von Arbeitsnehmern: – Arbeitsunfälle – Berufskrankheiten • Haften nur bei Vorsatz – der Unternehmer, § 104 – die Arbeitnehmer untereinander, § 105 128 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Behinderte Menschen, SGB IX • Beschäftigungspflicht Arbeitgeber, § 71 I: • Ab 20 Arbeitsplätzen • Auf mindestens 5 % Schwerbehinderte • Ausgleichsabgabe, § 77: • Selbst errechnen + mit Anzeige abführen, § 80 II • Ansprüche Schwerbehinderte: • Zusatzurlaub: 5 Tage, § 125 I – Nicht für Gleichgestellte, § 68 III • Anspruch auf angemessene Beschäftigung mit Verwertung ihrer Fähigkeiten + Kenntnisse, Arbeitsplatz mit technischen Hilfen, § 81 IV • Schwerbehindertenvertretung, §§ 94 ff 129 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Feststellung der Behinderung, § 69 SGB IX: • Auf Antrag an das Versorgungsamt • Feststellung auf Basis eines ärztlichen Gutachtens durch Bescheid: • Körperliche o. geistige Beeinträchtigungen • des Grades der Behinderung, GdB • In 10er –Schritten von 20 bis 100 • Entspricht Minderung der Erwerbstätigkeit, MdE 130 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Kündigungsschutz, § 85 SGB IX • Körperliche Voraussetzungen: • Schwerbehinderung: Mindestens 50 % GdB – Nachweis, § 90 (2a), auch nachträglich – Offenkundigkeit genügt, BAG 1985, 7 AZR 373/83 • oder Gleichstellung, § 68 III: – Mindestens 30 % GdB und – Antrag an Bundesanstalt Arbeitsamt • Erst nach Wartefrist 6 Monate, § 90 I 1 • Nicht bei auslaufender Befristung 131 Arbeitsrecht im Betrieb 4 Kündigungsschutz SGB IX • Zustimmungserfordernis, § 85 • Antrag an Landschaftsverband Rheinland (LVR) • Feststellungen durch örtliche Fürsorgestelle: Städte und Kreise • Entscheidung durch LVR • Entscheidung Integrationsamt LVR, § 87: • Freies, aber pflichtgebundenes Ermessen, § 88: Fürsorgegesetz zum Erhalt des Arbeitsplatzes • Einschränkung des Ermessens, § 89: – Abs. 1: „Muss“ bei Betriebsaufgabe – „Soll“ bei wesentlicher Betriebseinschränkung + – Abs. 2: Sicherung eines anderen Arbeitsplatzes 132 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Schlüssiger Vortrag: Arbeitsverhältnis Auch im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages ist es rechtlich zulässig und nicht unüblich, dass Weisungen zu befolgen sind. Auch Selbstständige können in ihrer Handlungsfreiheit begrenzt sein. Ein Vortrag zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist deshalb nur dann schlüssig, wenn konkret mit Einzelheiten vorgetragen wird, wer zur Erteilung von bindenden Weisungen befugt war, warum bindende Weisungen erteilt werden konnten, welche Weisungen tatsächlich erfolgt und befolgt worden sind. Ein „Sachvortrag" zum Arbeitnehmerstatus, der nur Wertungen enthält („musste", „abhängig", „feste" Arbeitszeiten, „Weisungen" und Ähnliches), ohne die dazu berechtigende Faktenbasis anzugeben, ist nicht hinreichend substantiiert. LAG Düsseldorf 18.12.2014 - 15 Ta 582/14 133 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Was ist „Phantom- Lohn“? Wenn der Arbeitgeber einen - gesetzlichen Mindestlohn oder - allgemeinverbindlichen Tariflohn unterschreitet, wird der Berechnung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge der geschuldete Lohn zugrunde gelegt, und zwar unabhängig von den Zahlungen an den Arbeitnehmer. 134 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Scheinselbständigkeit, § 7 I SGB IV • Abgrenzung - abhängiger Beschäftigung von • - selbständiger Tätigkeit Vertragsverhältnis der Parteien: – Weisungsfrei nach Ort und Zeit – Nicht eingegliedert in Betriebsorganisation – Keine persönliche Abhängigkeit, Unternehmerrisiko – Maßgeblich: Wie tatsächlich vollzogen wurde » Aus der Durchführung als gewollt ergibt » Ausübung von Weisungsrechten BSG v. 25.01.2006 – B 12 KR 30/04 R ; 29.08.2012 – B 12 KR 14/10 R • Risiko des Arbeitgebers: SGB IV – Sozialversicherungsbeiträge für 4 Jahre, § 25 – Rückgriff auf AN: Nur 3 Monate, §§ 28d, 28g 135 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Statusfeststellung AN/ Gewerbe • Auf Antrag AG/AN, § 7 a SGB IV: Statusfeststellung durch Bescheid des Rentenversicherungsträgers gleichwertig neben LSG NRW 2.7.2013 - L1 KR 572/11 Betriebsprüfung durch Krankenkasse als Einzugsstelle, § 28 h Abs. 2 SGB IV: – Entscheidung über Versicherungspflicht und Beitragshöhe • Beide Verfahren: – Amtsermittlung – Gesamtwürdigung aller Umstände – Bescheid, Widerspruch, Klage zum SG 136 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Fall: Nicht hauptamtliche Lehrkraft in JVA A wurde zum 29. 6. 1998 unbefristet als „nicht hauptamtliche Lehrkraft” für die Unterrichtstätigkeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) eingestellt. Er hatte 13 Wochenstunden á 45 Minuten Aufbauunterricht zu erteilen und zusätzlich bei Bedarf in den Ferien zu unterrichten. A ist in den Stundenplan eingebunden. Er wird je Stunde bezahlt. Zwei andere Klassen erhalten Unterricht durch beamtete Justizlehrer. Wenn dort Schwierigkeiten auftreten, werden die Gefangenen der Gruppe des Kl. zugewiesen. A hat keine Lehramtsbefähigung. Die Anstaltsleitung schätzt seinen Umgang mit seiner Gruppe als „geschickt” ein. A meint er sei Arbeitnehmer und klagt auf die Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses. Mit Recht? BAG v. 15.02.2012 – 10 AZR 301/10 137 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Lösung: Lehrkraft in JVA • Gesamtwürdigung – des wirklichen, objektiven Geschäftsinhaltes und – der tatsächlichen, praktischen Durchführung – unabhängig von Bezeichnung und Vereinbarung • Schriftlicher Vertrag: Verpflichtung zu – Aufbauunterricht durchschnittlich 13 Wochenstunden zu 45 Minuten – gemäß Lehrplan, bei Bedarf in den Ferien • Weisungsgebundenheit der Tätigkeit hinsichtl. – Inhalt und Durchführung – Zeit und Dauer – Ort BAG v. 15.02.2012 – 10 AZR 301/10 138 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Fall: Freiberuflicher OP- Pfleger P durchlief eine berufsbegleitende Ausbildung zum Krankenpfleger und dann zum examinierten Krankenpfleger. Er arbeitete danach als Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger sowie als Praxisanleiter in verschiedenen Kliniken. Seit 02.04.2009 ist er aufgrund von „Rahmenverträgen über freie Mitarbeit“ in mehreren Kliniken als OP-Pfleger selbständig. Die Bundesanstalt für Arbeit verhängte vom 01.04. bis 23.06.2009 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe und bewilligte ihm vom 24.06.2009 bis 23.09.2010 einen Gründungszuschuss. Das Finanzamt veranlagte ihn als Unternehmer. P beschäftigt seine Ehefrau für 425 € sozialversicherungspflichtig . P beantragt bei der Deutschen Rentenversicherung, gem. § 7 a SGB IV festzustellen, dass die OP- Pfleger- Tätigkeit als nicht versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren sei. Zurecht? BSG 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R; BayLSG 28.5.2013 – L 5 R 863/12 139 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Lösung: Freiberuflicher OP- Pfleger • Für Selbständigkeit: – – – – - Gewerbeanmeldung, Steuererklärung Eigene höchste Qualifikation, Büro, Ehefrau Aushilfe Anlagevermögen: OP- Schuhe, Büroausstattung Kundenstamm, Akquise, Entscheidung Auftragsannahme Unternehmerrisiko, Gründungszuschuss Gewerbe von BA • Für abhängige Beschäftigung: – Tätigkeit eingegliedert in Betriebsorganisation + abläufe: Fremdbestimmte Arbeitsfolge im OP- Team – Kein eigenständiger, abgrenzbarer Leistungsbereich, Arbeitsergebnis o. Abrechenbarkeit – Keine Haftung gegenüber Patienten – Bezahlung: Festes Stunden- / Tageshonorar - • Rechtsklarheit + -sicherheit: – Typus eines abhängig beschäftigter OP- Pfleger – Kein Grund für Abweichung BSG 25.04.2012 – B 12 KR 24/10 R; BayLSG 28.5.2013 – L 5 R 863/12 140 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Ansprüche gegen Berufsgenossenschaft wegen Erkrankung durch Mobbing? • Arbeitsunfall, § 8? Kein plötzliches Ereignis: Schädigendes Ereignis nicht zeitliche begrenzt • Berufskrankheit, § 9 SGB VII: – Abs. 1: Weder Mobbing noch andere psychische Erkrankungen in BerufskrankheitenVerordnung oder Anlagen aufgelistet – Abs. 3: Bei keiner Berufsgruppe besteht ein besonders erhöhtes Risiko: Es gibt keine Erkenntnisse, dass eine Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in weitaus höherem Grade als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt ist. Mobbing kommt in allen Berufsgruppen vor und auch im privaten Umfeld, z.B. unter Nachbarn und Bekannten. Hessisches Landessozialgericht 23.10.2012 – L 3 U 199/11 141 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Fall: Gerüstabsturz Die Gerüstbau GmbH erledigt alle Gerüstarbeiten auf den Solvay- Werken. Am 11.03.2013 rüstet sie ein Bürogebäude ein, das von 2 auf 3 Etagen aufgestockt werden soll. Am 11.04.2013 erhöhen ihr Vorarbeiter V mit dem Gerüstbauer B und Helfer H das Gerüst um eine Etage. Am 12.04.2013 beginnt die Zimmerfirma Z GmbH mit dem Aufsetzen des neuen Dachstuhls. Um 7:15 Uhr bricht ihr Geselle G durch ein Gerüstbohle, stürzt 4,50 m ab und verletzt sich schwer. Der Geschäftsführer der Gerüstbaufirma B beruft sich gegenüber G und Z GmbH darauf, das Gerüst sein noch nicht freigegeben gewesen. Weder seine GmbH noch seine Mitarbeiter müssten haften. Hat er Recht? 142 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Lösung: Gerüstabsturz Ansprüche aus Verletzungen bei Arbeitsunfall, § 8: • Ausgeschlossen gegen • eigenen Arbeitgeber (Unternehmen), § 104 und • Kollegen = im Betrieb tätigen Personen, § 105 • Hier Zimmerer gegen Gerüstbau GmbH: • Allgemeine Grundsätze, §§ 823 ff BGB • Ggf. Haftpflichtversicherung • Streitige Freigabe: Erheblich für • Rückgriff BG gegen Gerüstbau GmbH • Strafrechtliche Verantwortung, insbes. Vorarbeiter V? 143 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Zustimmungsverfahren • Zuständig: Hauptfürsorgestelle • Entscheidung: Landschaftsverband Rheinland LVR • Feststellungen örtliche Fürsorgestelle: Städte+ Kreise • Antragserfordernis: • Nach 6 Monaten Arbeitsverhältnis, § 90 • jede Kündigung ordentlich , § 85 außerordentlich, § 91 • Grundsatz: Mündliche Verhandlung • Entscheidungs- Fristen: • Ordentliche Kündigung: Soll in 4 Wochen • Außerordentliche Kündigung: Binnen 2 Wochen 144 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Zustimmungsverfahren: • Entscheidung Integrationsamt: • Ermessen: Abwägung Interessen AG Behinderter Kündigung nicht aus Gründen der Behinderung • Sollvorschrift Zustimmung, § 89 Abs. 1 S. 2: bei wesentlicher Betriebseinschränkung • Fristen für Ausspruch der Kündigung: • Ordentlich: Innerhalb eines Monats, § 88 III • Außerordentlich: Unverzüglich, auch nach 2 Wochen, § 91 V 145 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Rechtsmittel, § 69 SGB IX • Bescheid des Versorgungsamtes über Grad der Schädigungsfolgen (GdS) • nach versorgungsmedizinischen Grundsätzen • Widerspruch • Widerspruchsbescheid • Klage zum Sozialgericht: • Nur sachgerechte Ausübung des Ermessens: – Aufhebung, wenn Ermessenfehler – Stattgabe nur , wenn Ermessensreduktion auf Null • Auf Antrag des Behinderten: Bestimmter Arzt als Gutachter, § 109 SGG 146 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 4S Verfahren nach SGB IX • Integrationsvereinbarung, § 83: • Antrag: Schwerbehindertenvertretung o. Betriebsrat • Inhalt: Regelungen zur Eingliederung • Präventionsbemühungen, § 84 I: • Für Schwerbehinderte Einschaltung Integrationsamt bei • Schwierigkeiten personen-,verhaltens-, betriebsbedingt • Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II: • Unabhängig von Schwerbehinderung • Arbeitsunfähigkeit länger als 6 Wochen/Jahr • Obligation mit Ziel: Verminderung Arbeitsunfähigkeit durch leidensgerechte Beschäftigung • Bei Mitwirkung: Arbeitnehmer teilt Erkrankung mit und entbindet Ärzte ggf. von Schweigepflicht 147 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Rehabilitation gem. SGB • Medizinisch: Bestrebung o. ihr Erfolg, einen Menschen wieder in seinen vormals existierenden körperlichen Zustand zu versetzen • Krankenversicherung: § 40 SGB V • Rentenversicherung: § 15 SGB VI Leistungen gem. • Schwerbehinderte • Berufsgenossenschaft §§ 26 – 31 SGB IX § 1 SGB VII • Arbeitsförderung: Nur berufliche Rehabilitation, z.B. Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben an Behinderte § 113 SGB III 148 Arbeitsrecht im Betrieb 4S SchwarzarbeitsbekämpfungsG Legaldefinition, § 1 Abs. 1 SchwarzArbG: • • • • • Als Arbeitgeber Arbeitnehmer Sozialhilfe Gewerbeinhaber Handwerker Nichterfüllung der Meldung Sozialversicherung steuerliche Pflichten Mitteilungspflichten Anzeige § 14 GewO Eintragung Handwerksrolle Schutz des Systems der Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer in Sozialversicherungen: • § 266 a StGB Abführung Arbeitnehmeranteile Steuerhinterziehung, insbes. der Lohnsteuer 149 Arbeitsrecht im Betrieb 4S Geringfügige entlohnte Beschäftigung, § 8 Abs. 1 SGB IV • Geringfügig entlohnt: Entgelt bis 450 €/Monat • Alle laufenden + einmaligen Einnahmen – Sonderzahlungen: Umrechnung und Addition – Geschuldete Beiträge zu Sozialversicherungen • Ohne vom Arbeitgeber übernommener – Pauschalsteuer , § 40 a I und II EStG – Pauschalbeiträge Kranken- + Rentenversicherung • Kurzfristig nach Eigenart: Längstens 3 Monate oder 70 volle Arbeitstage • Mehrere Beschäftigungen: Zusammenrechnen • Gleitzone, § 20 II SGB IV: Entgelt 450,01 bis 800 € 150 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Allgemeiner Kündigungsschutz & Kündigungsschutzklage 151 Arbeitsrecht im Betrieb 5G Kündigung fristlos, § 626: – Wichtiger Grund: • Wegen Verlust des erforderlichen Vertrauens Fortsetzung AV bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar, Abs. 1 • Abmahnung genügt nicht – Ausschlussfrist: Innerhalb 2 Wochen ab Kenntnis der Gründe, Abs. 2 Fallgruppen wichtiger Grund: - Vertrauensbereich: Straftat mit Dienstbezug, die erforderliches Vertrauen zerstört - Leistungsbereich: Nur beharrliche Verweigerung 152 Arbeitsrecht im Betrieb 5G Außerordentliche Kündigung: Wirksamkeitsprüfung zweistufig, BAG: • Sachverhalt „an sich d.h. typischerweise“ als Grund für a.o. Kündigung geeignet • Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der beiderseitigen Interessen: - Arbeitgeber: Störung Vertrauensverhältnis & Beendigungsinteresse – Arbeitnehmer: Dauer Betriebszugehörigkeit, beanstandungsfreie Führung 153 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Wichtiger Grund: Fallgruppen • Straftaten im Arbeitsverhältnis: • • Tätlichkeiten (Körperverletzung, Nötigung,) Grobe Beleidigungen & bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen, auch via Facebook Abgrenzung: Sachliche Kritik, auch an Vorgesetzten • Arbeitsverweigerung: Erheblich und beharrlich • • • unentschuldigtes Fehlen Verweigerung von Überstunden eigenmächtiger Urlaubsantritt • • Fortgesetzt & vorsätzlich Offensichtlich nicht genehmigungsfähig • • Während Arbeitsvertrag, § 60 HGB Nachvertraglich: Nur mit Karenzentschädigung, §§ 74 ff HGB • Nebentätigkeit: Nur wenn • Wettbewerb: 154 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Straftatbestände: • Diebstahl, § 242 StGB: • Eigentum (eines Dritten) des AG • Zueignungshandlung des AN • Wegnahme: Gewahrsamsbruch • Unterschlagung, § 246: Wie Diebstahl, jedoch • berechtigter Besitz des AN • Betrug, § 263 StGB: z.B. Arbeitszeit – und Spesen • Täuschung des Arbeitgebers • zu Vermögensverfügung • dadurch Vermögensschaden • Untreue, § 266 StGB: • Verfügungsbefugnis (z.B. Vollmacht, § 164 BGB) • Missbrauch 155 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Straftatbestände: • Urkundenfälschung, § 267 StGB: • Täuschung über die Person des Ausstellers • Nicht bei Vollmacht = vergeistigter Urkundenbegriff • Bestechlichkeit / Bestechung im geschäftlichen verkehr, § 299 StGB, Schmiergeldverbot: • Angenommen oder gezahlt • Verfügungsbefugnis + Käuflichkeitsabrede • Verrat von Geschäftsgeheimnissen, § 17 UWG • Fahren ohne Fahrerlaubnis, § 20 StVG: • Fahrer, Fahrzeughalter bei Zulassen • Vorsatz oder Fahrlässigkeit 156 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Alkohol am Steuer: • Ab 0,5 Promille: Ordnungswidrigkeit, § 24 a StVG • Geldbuße • Fahrverbot 1 – 3 Monate • Trunkenheit im Verkehr, § 316 StGB: • Führung eines Kraftfahrzeuges • Unter Alkohol- oder Drogeneinfluss • Fahruntauglichkeit: – Absolute : ab 1,1 Promille – Relative: mindestens 0,3 Promille +Ausfallerscheinung • Strafe: – 30 Tagessätze – Führerscheinentzug, Sperrfrist Wiedererteilung 1Jahr: ggf. Auswirkungen auf Arbeitsvertrag, z.B. „Fahrer“ 157 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Kündigungsschutzgesetz KSchG 1. Arbeitgeber: Betrieb mit in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmern, § 23 Abs.1 S. 3 a) Betrieb: Organisatorische Einheit mit einheitlicher Leitung in personellen + sozialen Angelegenheiten b) AN bis 20 Std./ Woche: mit 0,5 bis 30 mit 0,75 mehr als 30 Std./ Woche: mit 1 c) ohne Geschäftsführer, § 14 I und Auszubildenden, d) Leiharbeitnehmer: Wenn Einsatz auf "in der Regel vorhandenem Personalbedarf beruht“ BAG 24.01.2013 - 2 AZR 140/12 2. AN nach 6 Monaten Wartefrist, § 1 Abs. 1 158 Arbeitsrecht im Betrieb 5 G Soziale Rechtfertigung durch • Personenbedingte Gründe: Es fehlen die – erforderliche Ausbildung oder körperliche Fähigkeiten – zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung / Arbeit • Verhaltensbedingte Gründe: Vertragsverstoß – Leistungsbereich: Erst nach einschlägiger Abmahnung in 2 Jahren – Vertrauensbereich: Abwägung ähnlich a.o.K. • Dringende betriebliche Gründe: – Wegfall des Arbeitsplatzes – Sozialauswahl 159 Arbeitsrecht im Betrieb 5 G Personenbedingte Gründe: • Arbeitnehmer ist aufgrund mangelnder – Eignung und/oder – persönlicher Fähigkeiten zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht in der Lage. • Erwartung erheblicher Beeinträchtigung betrieblicher oder wirtschaftlicher Interessen des Arbeitgebers • Umfassende Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers 160 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Personenbedingte Gründe: • Alkohol- + Drogensucht – Krankheitsstadium & Therapiebereitschaft hindern Schuldvorwurf – negative Gesundheitsprognose, • Fehlende Bereitschaft des Arbeitnehmers: – Zum Erlernen der deutschen Sprache – Fortbildung, insbes. von QS verlangt – Umsetzung von Neuerungen am Arbeitsplatz • Kraftfahrern: Entziehung Fahrerlaubnis • U- Haft, Verbüßen einer langen Freiheitsstrafe • Druck Kollegen: Erst nach schützendem Entgegenwirken des AG 161 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Krankheitsbedingte Kündigung • Negative Gesundheitsprognose: – Bekannte Diagnosen & Arztatteste – Unbekannte Ursache: Indizien aus bisherigen Fehlzeiten – Häufige Kurzerkrankungen, sofern nicht ausgeheilt » » Innerhalb der letzten 2- 3 Jahre Fehlzeiten mehr als 6 Wochen jährlich » » AN seit 2 – 3 Jahren arbeitsunfähig Ende der Erkrankung nicht absehbar » » aktuelle Therapie mit offenem Ausgang arbeitsmedizinisches Gutachten – Lang dauernde Arbeitsunfähigkeit: – Durch konkrete Umstände widerleglich, z.B. • Erwartung erheblicher Belastungen für AG • Umfassende Interessenabwägung zu Lasten des AN • Keine Beschäftigungsmöglichkeit auf freiem, leidensgerechten Arbeitsplatz: BEM § 84 II SGB IX 162 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Erwartung erheblicher Belastungen für Arbeitgeber • Häufige Kurzerkrankungen: • Betriebsablaufstörungen: Erheblich, wenn – trotz Überbrückungsmaßnahmen ("Springer") – schwere Störungen Produktionsprozess nicht vermeidbar • Wirtschaftlicher Belastungen, – insbes. durch Lohnfortzahlungskosten • Langzeiterkrankungen: • Auswirkungen des Leistungsausfalls: Wie vor • Überbrückungsmaßnahmen entspr. den betrieblichen Verhältnissen + der Position des Erkrankten, ggf. berfristete Einstellung einer Aushilfskraft bis zu zwei Jahren in Betracht, BAG NZA 1999, S. 978 163 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Minderleistungen • Sofern Verhalten steuerbar: Grund verhaltensbedingt – Problem: Messbarkeit der Leistung – Toleranzgrenze 50 – 100 % • Eingeschränkte Leistungsfähigkeit: – Personen- bzw. krankheitsbedingt – Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 164 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Verhaltensbedingte Kündigung • 1. Verletzung erheblicher vertraglicher Pflichten: – Schuldhaft: Vorsätzlich o. fahrlässig – Darlegungs- + Beweislast: Arbeitgeber, dann abgestuft – Grund nicht durch Abmahnung verbraucht • 2. Negative Prognose & Verhältnismäßigkeit: – Störungsfreie Vertragserfüllung künftig nicht zu erwarten – Vertrauensbereich: Vorsätzliche Straftat mit Dienstbezug – Leistungsbereich: Erst nach einschlägiger Abmahnung BAG 11.07.2013 – 2 AZR 994/12 • 3. Abwägung von – Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegen – Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers Bei Verstoß gg. Arbeitsvertrag: Sperrzeit, § 159 SGB III 165 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Verstöße gegen Arbeitsvertrag • Arbeitsverweigerung: Nur erheblich + beharrlich – zulässiger Über- und Mehrarbeit – unentschuldigtes Fehlen – eigenmächtiger Urlaubsantritt • Beleidigungen eines Vorgesetzten, auch in Social Media, z.B. auf Facebook • Betriebsfrieden stören, Denunzieren von Kollegen • Dauernde Unpünktlichkeit • Internetnutzung (Virengefahr, ausschweifend) • Krankmeldung nicht unverzüglich, § 5 EFZG nahtlos bei auch bei Krankengeld • Genesungswidriges Verhalten bei Arbeitsunfähigkeit • Wettbewerb während Arbeitsvertrag, § 60 HGB 166 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Abmahnung: • Verhältnismäßigkeit: Geringer als Kündigung • Voraussetzung für Sozialwirksamkeit Kündigung: • Verhaltensbedingte Kündigung insbes. Leistungsbereich • gleichartiger Verstoß innerhalb 2 Jahren – bereits 1., viele Abmahnungen schwächen Warnfunktion – Abmahnung verbraucht Kündigungsrecht • Entbehrlich: Schwere Pflichtverletzung Vertrauensbereich • Anwendungsbereiche: – Steuer- + abstellbares Verhalten: „Kann, aber will nicht“ – Nicht erforderlich: Vorwerfbares/ schuldhaftes Verhalten – Vertrauensverhältnis wiederherstellbar • Vorweggenommene Abmahnung: Arbeitgeber hat – durch Arbeitsvertrag o. Aushang zu erkennen gegeben, – dass er Fehlverhalten nicht hinnehmen wird. 167 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Abmahnung: • Funktionen: • Hinweis: Welches Verhalten verstößt gegen AV - Pflichten • Ermahnung zu vertragstreuem Verhalten • Warnung: Androhung der Kündigung • Formelle Bestandteile: Nicht formgebunden – Angabe der Verpflichtung aus Arbeitsvertrag: Hinweis– Konkrete Schilderung des Verstoßes: Rügefunktion – Kündigungsandrohung: Warnfunktion • Anspruch auf Entfernung aus Personalakte, wenn Abmahnung fehlerhaft: Unbestimmt oder unrichtig • Wirkungsdauer: i.d.R. 2 Jahre Verbleib: ewige Dokumentation • Alternativen: Personalgespräch, Ermahnung, Korrekturvereinbarung BAG vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11 168 Arbeitsrecht im Betrieb 5 • Verdachtskündigung: • Aus objektiven Umständen dringender Verdacht einer schwerer Pflichtverletzung, • der das notwendige Vertrauen zerstört. • Arbeitnehmer ist vor Kündigung anzuhören. • AG: Strenge Aufklärungspflicht LAG Köln 12.12.2013 • Strafanzeige gegen Arbeitgeber bei Missständen: „Whistleblower“ • Staatsbürgerliches Recht auch in Arbeitsverhältnis, aber keine wissentlich falschen Angaben • Erst innerbetriebliche Klärung, sofern zumutbar • Umfassende Abwägung: Öffentliches Anliegen gegen Arbeitgeber - Interessen BAG 27.09.2012 – 2 AZR 646/11 169 DB 2015, 803 ff Arbeitsrecht im Betrieb 5 Dringende betriebliche Gründe I. Beschäftigungsmöglichkeit/Weiterbeschäftigungsbedarf ist dauerhaft entfallen: • Außerbetriebliche Gründe: – Absatzschwierigkeiten, Umsatzrückgang mit – unmittelbarer Auswirkung auf den Arbeitsplatz • Unternehmerentscheidung: Auf der Grundlage einer Disposition des Arbeitgebers sind mehr Arbeitnehmer beschäftigt, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten erforderlich ist: Überprüfung – nicht auf sachliche Rechtfertigung / Zweckmäßigkeit – wohl aber, ob • Entscheidung tatsächlich getroffen + umgesetzt wurde, • dadurch der Beschäftigungsbedarf für den Gekündigten entfallen ist 170 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Dringende betriebliche Gründe Organisationsentscheidung arbeitsplatznah = mit Kündigungsentschluss identisch, Personalabbau: z.B. • AG muss seine Entscheidung in organisatorischer Durchführbarkeit + zeitlicher Nachhaltigkeit verdeutlichen, • Auswirkungen unternehmerischer Vorgaben+ Planungen • auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand schlüssiger Prognosen konkret darstellen und • erläutern, wie dieses vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Arbeit erbracht werden kann. LAG D`dorf 21.08.2012 – 8 Sa 574/12 • Dringlichkeit: Keine Alternative zur Kündigung • Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf anderem freien Arbeitsplatz, ggf. nach zumutbarer Fortbildung oder Umschulung BAG 29.8.2013 - 2 AZR 809/12 auch bei Leiharbeitnehmer auf Dauerarbeitsplatz 171 Arbeitsrecht im Betrieb 5 II. Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 • Vergleichbare Arbeitnehmer: – Betriebsbezogen, einschl. Filialen – Horizontal: Aufgabenbereich + Ausbildung – Austauschbarkeit bei Einarbeitung • Nicht zu berücksichtigende Arbeitnehmer: – In 6 -monatiger Wartefrist: Vorab kündigen! – Ordentlich unkündbar (Gesetz, Tarifvertrag) – Leistung unentbehrlich, § 1 Abs. 3 S. 2: • Herausnahme Leistungsträger BAG 22.03.2012 - 2 AZR 167/11 • Ausgewogene Alters - Struktur erhalten • Auswahlgesichtspunkte, grds. gleichrangig : – Dauer der Betriebszugehörigkeit – Unterhaltspflichten – Höheres Lebensalter (AGG?) BAG 15.12.2011 - 2 AZR 42/10 172 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Druckkündigung • Begriff: AN oder Dritte verlangen vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers, s. § 104 BetrVG. • Sofern keine personen- o. verhaltensbedingte Gründe: Kündigung aus betrieblichen Gründen. • Strenge Anforderungen an Zulässigkeit: – Arbeitgeber hat sich schützend vor Arbeitnehmer zu stellen. – Bei Verwirklichung der Drohung sind schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber zu befürchten. – Die Kündigung ist das einzige Mittel, um den Schaden abzuwenden. 173 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Sicherung ausgewogene Personalstruktur, § 1 III 2 • Altersstruktur: – AG bildet Altersgruppen innerhalb der zur Sozialauswahl anstehenden Mitarbeiter – Anteilmäßige Kündigung aus jeder Gruppe • Funktions- und Betriebsabläufe: • Arbeitnehmergruppen nach Ausbildungsstand • Personalstruktur muss bereits so bestehen, wie sie gesichert werden soll 174 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Abfindung für Beendigung • Auflösung durch Urteil, § 9 Abs. 1 S. 2: • Kündigung beendet Arbeitsverhältnis nicht • Fortsetzung Arbeitnehmer/-geber nicht zumutbar – Auch Verhalten im Prozess + des Bevollmächtigten • Verurteilung AG zu angemessener Abfindung • Kündigung AG mit Angebot Abfindung, § 1 a: – Pro Jahr Betriebszugehörigkeit – ½ Brutto – Monatsgehalt • Arbeitsgerichtliche Praxis: – Erhöhung o. Minderung ½ Quote gem. Erfolgsaussichten – Auflösungspoker: • Arbeitnehmer: Annahmeverzug & Rückkehr in Arbeitsverhältnis • Arbeitgeber: Rücknahme Kündigung 175 Arbeitsrecht im Betrieb 5 Massenentlassung, § 17 KSchG: • Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitern, Entlassung mindestens 5 Mitarbeiter/ 30 Tage • Anzeige an Landesarbeitsamt, Abs. 1 und • mit Stellungnahme des Betriebsrates oder • Namensliste • Konsultation des Betriebsrats, Abs. 2 – Auskunft, Unterrichtung, Beratung, BAG 21.03.2013 – 2 AZR60/12: Mehr als + zusätzlich zu § 102 BetrVG – Schriftform • vor Kündigung, bei Versäumnis: Kündigung unwirksam, § 134 BGB BAG 28.6.2012 - 6 AZR 780/10; 20.9.2012 – 6 AZR 155/1; 21.3.2013 – 2 AZR 60/12 176 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Kündigung des Dombaumeisters Am 23.04.2015 verhandelt das Arbeitsgericht Köln die fristlose Kündigung des Dombaumeisters vom 30.5.2014: 1. Ordentliche Kündigung vertraglich ausgeschlossen, nur außerordentlich möglich. 2. Kammersitzung: Güte gescheitert, beiderseits bereits umfassend zu Kündigungsgründen vorgetragen. 3. Presseoffensive Dombaumeister = Kläger: 1. Über konkrete Gründe nicht informiert?? Eventuell 1. schlechter Führungsstil 2. Zerwürfnis mit Mitarbeiterschaft 2. Keine Abmahnung 3. Hintergrund des Konflikts seien (Compliance?) 1. Bemühen um Erfassung Arbeitszeiten Mitarbeiter 2. Dokumentation der Spendenverwendung bei Amtsantritt 2012 völlig unzureichend 4. Grund Kläger: Einigungszwang für Dombauhütte 177 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Handy im OP Dr. Arzt ist seit 2005 Chefarzt Chirurgie des Krankenhauses St. Johannes. Regelmäßig nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Handy mit in den Operationssaal und legte beide Geräte auf den Ablagetisch. Das Handy war in der Telefonliste des Krankenhauses mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt. Mit Schreiben vom 26.9.2008 kündigt die St. Johannes gGmbH das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der Kläger habe im Operationssaal häufig Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operation von einem Mitglied des OPTeams annehmen lassen. Dr. Arzt erhebt Kündigungsschutzklage, mit Erfolg? BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 178 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Lösung: Handy im OP 1. Arbeitsvertragsverstoß: 1. Hygiene und Verantwortung für Patienten 2. Leitende Position und Organisationsverantwortung 3. Dienstliche Telefonate 1. wurden geduldet , 2. ggf. Interessenabwägung 4. Keine Rechtfertigung für private Telefonate 2. Abmahnung: Kein Anhaltspunkt, dass 1. Änderung des Verhaltens nicht bewirkt würde 2. Noch wiegen einige private Telefonate so schwer, dass die einmalige Hinnahme objektiv unzumutbar wäre. 3. Ergebnis: Fristlose + auch ordentliche Kündigung unwirksam. 179 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Emmely E arbeitet seit 1978 als Kassiererin bei R. 2007 findet der Filialleiter Leergut- Bons über 0,82 € und 0,48 € und übergibt sie E „Wenn der Kunde sich meldet“. Die Bons werden von E bei einem privaten Einkauf 10 Tage später von der kassierenden Kollegin eingelöst, obwohl sie vom Filialleiter nicht abgezeichnet waren. R kündigt E gegen den Widerspruch des Betriebsrates wegen dringendem Tatverdacht fristlos, hilfsweise fristgerecht. BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 180 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Lösung: Emmely I. Außerordentliche Kündigung, BAG: 1. Kündigungsgrund „an sich geeignet“: a) Weisungsverstoß – auch der einlösenden Kollegin b) Vertrauensbereich: Unterschlagung auch bei geringem Wert 2. Abwägung der Umstände Einzelfalles: a) Pflichtenverstoß + Beendigungsinteresse b) E hat Arbeitsverhältnis 30 Jahre beanstandungsfrei geführt II. Innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis 181 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Sexuelle Belästigung Bruno Deftig, geb. 1950, ist seit 1976 bei dem Möbelfilialisten Anger als Einkäufer beschäftigt. Am 18.10.2007 erteilte Fa. Anger eine Abmahnung, weil Deftig eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt habe. Am 25. und 26.06.2008 machte Deftig gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin 4– mal Bemerkungen sexuellen Inhalts. Mit Schreiben 11.07.2008 kündigte Fa. Anger ohne Angabe von Gründen fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28.02.2009. Sind die Kündigungen wirksam? BAG vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 182 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Lösung: Außerordentliche Kündigung wg. • sexueller Belästigung i.S.d. § 3 IV AGG : – unerwünschtes sexuell bestimmtes Verhalten – Bezweckt oder bewirkt Verletzung der Würde – Pflicht des Arbeitgebers zum Einschreiten, § 12 III AGG • BAG konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrund-satz: Arbeitgeber hat die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, hier zum effektiven Schutz des weiblichen Personals vor weiteren sexuellen Belästigungen. • Kündigungsschreiben muss Gründe nicht angeben. Ergebnis: A.o. Kündigung wirksam. Anders BAG vom 09.06.2014 – 2 AZR 323/10? 183 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Verhaltensbedingt K. wegen Manipulation von Akten Die Manipulation von Akten durch den Arbeitnehmer zu dem Zweck, Pflichtverstöße zu verschleiern und eine korrekte Aufgabenerfüllung vorzutäuschen, kann auch ohne vorangegangene Abmahnung geeignet sein, die ordentliche Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses sozial zu rechtfertigen. BAG 23.01.2014 - 2 AZR 638/13 184 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Betriebsbedingte Kündigung • Sind Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, greift die sonst berechtigte Vermutung, die Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen. In diesem Fall muss der Arbeitgeber vielmehr konkrete Angaben dazu machen, wie sich seine Organisationsentscheidung auf die Möglichkeiten eines Einsatzes des Arbeitnehmers auswirkt. • Bei unternehmerischer Entscheidung zum Abbau einer Hierarchieebene mit Umverteilung der dem gekündigten Arbeitnehmer zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber genau erläutern, aufgrund welcher Maßnahmen und in welchem Umfang die Tätigkeiten für den Arbeitnehmer zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können. BAG 16.12.2010 -2 AZR 770/09 185 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Fall: Betriebsbedingte Kündigung H war seit April 2007 bei der Beklagten als Hausmeister in einer Seniorenresidenz S GmbH beschäftigt. S holte im März 2011 bei verschiedenen Drittfirmen Angebote ein. In der 24. Kalender-woche 2011 beschloss ihr Geschäftsführer, ab dem 1.1.2012 die bisher dem Kläger übertragenen Hausmeisterdienste durch einen externen Dienstleister erledigen zu lassen. Am 20.6.2011 hat er dies dem Personalleiter und der Heimleiterin mitgeteilt. Mit Schreiben vom 29.6.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31.12.2011. Im September 2011 vergab sie die Tätigkeit an einen der ursprünglichen drei Anbieter. Hat die Kündigungsschutzklage des H Erfolg? BAG 20.11.2014 -2 AZR 512/13 186 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Lösung: Betriebsbedingte Kündigung Outsourcen • • • • • • • • 187 Die Revision der Beklagten hatte im Sinne der Zurückverweisung Erfolg. Den Kündigungsgrund habe die Beklagte schlüssig vorgetragen. Demnach habe sich die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers zum Kündigungszeitpunkt bereits greifbar und konkret abgezeichnet. Dafür reiche es aus, wenn der Arbeitgeber die organisatorische Maßnahme endgültig und ernsthaft beschlossen hat. Für einen solchen Beschluss spreche insbesondere die Offenbarung gegenüber Dritten vom 20.6.2011. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass die Maßnahme bereits umgesetzt sei, oder die Beklagte vorbereitende Handlungen, wie etwa den Vertragsschluss mit dem Drittunternehmen, ergriffen habe. Vielmehr genüge es, dass sie berechtigterweise annehmen durfte, dass die laufende Kündigungsfrist für die Umsetzung ausreichend Zeit bietet. Die Beklagte konnte, so der 2. Senat, aufgrund der Anfragen hinreichend sicher annehmen, dass sie rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist einen geeigneten Dienstleister für die Durchführungen der Tätigkeiten des Klägers finden und damit sein Arbeitsplatz wegfallen werde. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die Beklagte ihre Auswahlentscheidung von weiteren, unwägbaren Voraussetzungen abhängig gemacht hätte, z. B. günstigeren Konditionen als angeboten. Die unternehmerische Entscheidung unterliegt keinem Formzwang, einer Dokumentation bedarf es nicht. Auch auf eine etwaige Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung komme es nicht an, da der Geschäftsführer in der GmbH die tatsächliche Macht hat und daher kündigungsschutzrechtlich wirksam beschließen konnte. Der Arbeitgeber sei zudem bis zur Grenze der Willkür nicht daran gehindert, auch wirtschaftlich nicht zwingend notwendige Organisationsentscheidungen zu treffen, so dass es auch auf Kostenvorteile nicht ankomme. Zurückverwiesen wurde zur Feststellung, ob der Beklagtenvortrag zur Unternehmerentscheidung zutraf. Ferner war zu prüfen, ob es vergleichbare sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer als den Kläger gab. Trotz Nennung des Arbeitsortes im Arbeitsvertrag kommen insoweit auch Arbeitnehmer an anderen Standorten der Beklagten in Betracht, weil der in Bezug genommene Tarifvertrag Bestimmungen zur Versetzungsmöglichkeit enthält. Sofern kein abweichendes unternehmerisches Konzept zugrunde liege, scheitere eine Sozialauswahl auch nicht daran, dass Hausmeister anderer Einrichtungen in Vollzeit tätig sind und der Kläger in Teilzeit. Schließlich war zu klären, ob der Betriebsrat mündlich ordnungsgemäß angehört wurde. Praxishinweis Mit der Entscheidung ist jetzt klar, dass der Geschäftsführer schon vor der finalen Fremdvergabe die Unternehmerentscheidung zum Outsourcing treffen und die darauf gestützte Kündigung aussprechen kann. Auch wenn vorliegend der Beschluss indirekt wahrscheinlich dadurch bewiesen werden kann, dass er zeitnah verlautbart wurde, empfiehlt es sich, ihn schriftlich festzuhalten. Nichts anderes gilt für die Betriebsratsanhörung. Weiterhin großzügig ist der Senat bei Versetzungsmöglichkeiten: Schon die Inbezugnahme eines Tarifvertrages mit Versetzungsmöglichkeiten hebelt die Ortsangabe im Vertrag aus, was hier im Rahmen der Sozialauswahl zu Lasten des Arbeitgebers ausgehen kann. Gefestigt ist mit diesem Urteil schließlich auch, dass ein Beschluss der Geschäftsführung kündigungsrechtlich wirksam ist, selbst wenn intern die Gesellschafterversammlung zuständig gewesen wäre. Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Betriebliches EingliederungsManagement, § 84 Abs. 2 SGB IX • AN (auch nicht behindert) ist innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen krank, • AG muss Gespräch mit AN über die Gründe der Arbeitsunfähigkeit zur Verminderung suchen, insbes. eine „leidensgerechte Tätigkeit“ • Voraussetzung: Mitwirkung des AN, der seine Krankheiten offenbart und seine Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbindet 188 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Klagefrist Kündigungsschutzprozess • 3 Wochen ab Zugang, § 4 KSchG – Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts – Vertretung durch: Rechtsanwalt, Gewerkschaft • Nachträgliche Zulassung, § 5 Abs. 1 – Unverschuldete Versäumnis – Anwaltsverschulden zuzurechnen, § 278 &BAG 2012 • Versäumnis: Kündigung gilt als wirksam, § 7 (Fiktion!), auch bei – außerordentlicher Kündigung – Sonderkündigungsschutz, z.B. Schwerbehinderung – Jedoch nicht „falsche“ Kündigungsfrist: Umdeutung zur richtigen Frist, wenn Kündigung als „fristgemäße“ erklärt wurde. BAG 15.05.2013 – 5 AZR 130/12 189 - - - Arbeitsrecht im Betrieb 5 S • Teilkündigung Verbot: Weder – einzelne Vertragsklauseln noch – Entgelt o. -bestandteile sind gesondert kündbar • Änderungskündigung, § 2 KSchG: – Unbedingte Kündigung des Vertrages mit voller sozialer Rechtfertigung, insbes. betriebs- oder personenbedingt – Angebot eines neuen Arbeitsvertrages • zu anderen/ schlechteren Bedingungen • Änderung entfernt sich nicht weiter als erforderlich vom bisherigen Vertragsinhalt BAG 10.04.2014 – 2 AZR 812/12 – Bei anderem freien, zumutbaren Arbeitsplatz: Vorrang vor Beendigungskündigung 190 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Optionen AN auf Änderungskündigung Kündigung Konsequenz 1. Annahme Änderungsangebot ----- 2. Annahme Annahme Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen Nach Prozessausgang: AN auf altem oder neuem Arbeitsplatz 3. Änderungs- Annahme Schutzunter Klage Vorbehalt 4. Klage 191 Ablehnung Beendigung ArbV Fortsetzung oder Beendigung Arbeitsvertrag Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Kündigungsschutzklage Gründe: • Waffengleichheit: Arbeitnehmerreaktion auf einseitige Kündigung • Arbeitsplatz trägt wirtschaftliche Existenz: Rechtfertigungsdruck in Familie + bei Freunden • Abfindung: • Anspruch nur in Fällen §§ 1a, 9, 10 KSchG • in (gerichtlichen )Vergleichen • Sperrzeit: Wenn Kündigung durch Verstoß gegen Arbeitsvertrag verschuldet, § 159 I Z. 1 SGB III • Rechtliche Unsicherheit über Wirksamkeit • Arbeitsgerichte sind Arbeitnehmerschutzgerichte: (Be-) Urteilen „im Zweifel für den Arbeitnehmer.“ 192 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Änderungskündigung Nebenbedingungen • Ein dringendes betriebliches Änderungserfordernis iSd. §§ 2 S.1, 1 II 1 KSchG kommt in Betracht, wenn Nebenleistungen an Umstände anknüpfen, die nicht notwendig während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorliegen, z.B. • Mietzuschuss, der Preisdifferenz zwischen billiger Werkwohnung und Wohnung auf freiem Markt ausgleichen soll • Kostenlose Beförderung zum Betriebshof • Ein Arbeitgeber, der sich auf eine wesentliche Änderung der maßgebenden äußeren Verhältnisse beruft, stützt sich auf Umstände, die neben §§ 1, 2 KSchG den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen, • das Beharren auf der vereinbarten Leistung als unbillig und unberechtigt erscheinen lassen und • geeignet sind, eine Änderung sozial zu rechtfertigen. BAG 20.06.2013 - 2 AZR 396/12 • 193 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Änderungskündigung & Auflösungsantrag B ist seit dem 21.10.1985 bei der Tief- & Straßenbau GmbH als Baumaschinenführer beschäftigt. Er erhielt zuletzt gem. Lohngruppe 5 des Tarifvertrages monatlich 3.500 € brutto. Mit Schreiben vom 14.12.2011 kündigte die TS GmbH das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.07.2012 und bot dem Kläger gleichzeitig die Weiterbeschäftigung ab dem 01.08. 2012 zu den Bedingungen der Lohngruppe 4 an. B nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 20.12.2011 unter dem Vorbehalt an, dass die Änderungskündigung nicht sozial oder aus anderen Gründen unwirksam ist. B erhebt Kündigungsschutzklage und beantragt zugleich, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. TS GmbH bestreitet alles. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam ist. Den Auflösungsantrag hat es abgewiesen. Haben Berufung / Revision des B Erfolg? BAG 24.10.2013 - 2 AZR 320/13 194 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Lösung: Änderungskündigung und Auflösungsantrag • Änderungskündigung ist sozial unwirksam: – Arbeitsverhältnis bleibt in Lohngruppe 5 • Auflösungsantrag, § 9 KSchG: – Arbeitnehmer, Abs. 1 S. 1 oder Arbeitgeber, S. 2 – ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten: – Auflösung durch das Gericht: • Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer angemessenen Abfindung • Beendigungszeitpunkt, Abs. 3 – Keine Anwendung auf Änderungskündigung, auch nicht analog: Bei bloßem Streit über die Bedingungen gibt es keinen Grund, das Arbeitsverhältnis durch einen gerichtlichen Eingriff zu beenden. 195 Arbeitsrecht im Betrieb 5 S Arbeit nach Kündigung • Freistellung AN – durch AG bis Ablauf Kündigungsfrist – unter Anrechnung auf Urlaub + Überarbeit • Prozessbeschäftigung – Verhinderung von Annahmeverzug + -lohn – durch Angebot einer Beschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung – Problematisch: • Loyalität des Gekündigten: Ist verloren • Rechtlich: Zulässigkeit der Befristung 196 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Gewerkschaften & Tarifverträge Arbeitnehmerüberlassung & Scheinselbständigkeit 197 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Koalitionsfreiheit Art 9 Abs. 3 GG Gewährleistet für jedermann • das Recht, zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden • Schutz der Grundrechtsträger: – Gewerkschaften, incl. koalitionsspezifischer Betätigung, Art. 9 III 1 GG, . • Werberecht • Organisation von Streiks – Arbeitgeberverbände • Grundrecht auf Streik 198 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Streik-& Tarifrecht • Industrielle Entwicklung: Streiks – sind nötig, um die Unterlegenheit des einzelnen Arbeitnehmers abzumildern – dienen der Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation, dem sozialen Fortschritt • Unverzichtbarkeit des Streiks gegen Ansichten: – Gehört in Mottenkiste des Klassenkampfes – In einer vernetzten Wirtschaft verursachen selbst kleine Streiks immense Schäden • BAG: Ohne Streikrecht wären Tarifverhandlungen „kollektives Betteln“ 199 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Schutzbereich der Koalition: • Kollektive Koalitionsfreiheit: – Bestands- Garantie – Koalitionsspezifische Betätigungen, insbes. • Tarifautonomie: Regelung des Arbeitslebens vorrangig durch Tarifverträge • Recht zum Arbeitskampf • Information und Werbung von Mitgliedern im Betrieb durch Gewerkschaftsmitglieder • Individuelle Koalitionsfreiheit: – Gründen, Beitreten, Mitglied bleiben – Tätigkeit in gewerkschaftlichen Organen – Ansprüche aus Tarifverträgen 200 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Deutscher Gewerkschaftsbund DGB Vereinigung von 8 Gewerkschaften: Gewerkschaft der Polizei GdP IG Metall (mit Holz Kunststoff, Textil Bekleidung) IG Bergbau, Chemie, Energie IG BCE IG Bauen – Agrar – Umwelt Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Gewerkschaft Erziehung + Wissenschaft GEW Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG Daneben bestehen viele Einzelgewerkschaften, z.B. die Gewerkschaft der Flugsicherung 201 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Gewerkschaften: • Zusammenschluss von Arbeitnehmern zur - Verbesserung der Arbeitsbedingungen - Durchsetzen höherer Löhne: Streikrecht • Schließen mit AG-Verbänden & Arbeitgeber Tarifverträge: Regelung Arbeitsbedingungen für ihre Laufzeit mit Friedenspflicht – Mantel-/ oder Rahmentarifverträge – Entgelttarifverträge • Streik: Suspendiert Arbeitsvertrags- Pflichten : – Arbeitspflicht – Lohnzahlung • Streikkasse: 202 Finanziert den Lohnausfall Arbeitsrecht im Betrieb 6 Anerkennung als Gewerkschaft: • • • • • Privatrechtliche Vereinigung freiwillig zusammengeschlossen demokratisch organisiert (Wahl, Urabstimmung) Bereitschaft zu Tarifverträgen Unabhängig von – Gegner sowie – Staat, Kirche und Parteien • Hohe Anzahl der Mitglieder vermittelt Durchsetzungskraft gegen Arbeitgeber /-verband • Verfolgt Vereinigungszweck des Art. 9 Abs. 3 GG: Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen 203 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Tarifverträge: • Abschluss: Einigung durch Angebot und Annahme – Rechtliche Grundlage: Koalitionsfreiheit, Art. 9 II – Gesetzlicher Rahmen: Tarifvertragsgesetz (TVG) • Parteien: – Arbeitgeberseite: • AG o. Vereinigungen AG, § 2 Abs. 1 TVG • Handwerksinnungen (§ 54 Abs. 3 Nr. 1 HwO) • Innungsverbände (§ 82 Nr. 3 HwO) – Arbeitnehmerseite: • Tariffähige Gewerkschaft oder • Spitzenorganisation = Zusammenschluss von Gewerkschaften, § 12 TVG 204 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Tarifverträge: Inhalte • Schuldrechtlicher Teil: Verpflichtet TVParteien: – Durchführung – Friedenspflicht: Verbot Arbeitskampfmaßnahmen • Normativer Teil = Regelt Arbeitsverhältnis: • Abschluss-, Inhalts- & Beendigungsnormen von Arbeitsverhältnissen, z.B: Arbeitsentgelte, Kündigungsverbote + –fristen: – Gelten unmittelbar & zwingend, §§ 3 I, 4 I TVG – Abweichende Abmachungen nur, wenn durch Tarifvertrag gestattet o. zugunsten AN, § 3 III TVG • Arbeitsbedingungen: Angelegenheiten über individuelle Arbeitsverträge hinaus, z. B. Kurzarbeit, Überstunden, wöchentliche Arbeitszeit, Pausen, 205 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Arbeitskampfrecht: Streik • Instrument der Tarifautonomie: Streikziel – in Tarifvertrag regelbar oder – Regelung der Folgen einer Betriebsstillegung – Friedenspflicht solange Tarifverträge gelten • Urabstimmung + Streikaufruf Gewerkschaft: – Suspendiert Hauptpflichten aus Arbeitsverhältnis: • Arbeitspflicht und • Lohnanspruch ruhen – Arbeitsniederlegung: • Gewerkschafts- Mitglieder: Verpflichtet • Nichtorganisierte: Berechtigt 206 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Arbeitskampfrecht • Betriebsrat: – Friedenspflicht, § 74 BetrVG – darf seine Sachmittel nicht nutzen • Gegen- Maßnahmen des Arbeitgebers: – Aufrechterhaltung der Produktion • Politik der offenen Tür – – – – 207 Maßnahmen gegen Streikende Bei Fernwirkungen: Lohnverweigerung Stilllegung: Suspendierung der Arbeitswilligen Aussperrung: Nur Abwehraussperrung , wenn Solidarität der Arbeitgeber bedroht ist Arbeitsrecht im Betrieb Tarifvertragsgesetz: 6 • § 1 Tarifvertrag der • § 2 Tarifvertragsparteien (Koalitionen): – Gewerkschaften & Spitzenverbände – Arbeitgeber & Arbeitgebervereinigungen, § 3 – Tarifgebundenheit = Legitimation Normsetzung Vertragsparteien Mitglieder der Tarifvertragsparteien: – Arbeitnehmer in Gewerkschaft – Arbeitgeber in Verband, nicht „Ohne Tarifbindung“ • § 4 Wirkung des Tarifvertrages: Gesetzesgleich – Unmittelbar: Rechte und Pflichten im Arbeitsvertrag – Zwingend: Durch Vertrag / Einigung nicht verzichtbar • § 5 Allgemeinverbindlichkeit – Erklärung durch Bundesminister Arbeit und Soziales – Auf Antrag der Tarifvertragsparteien – sofern „in öffentlichem Interesse geboten erscheint“ 208 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Wann gilt ein Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis? • Allgemeinverbindlichkeitserklärung durch Bundesministerium für Arbeit und Soziales, § 5 TVG • § 4 Abs. 1 TVG: Beide Arbeitsvertragsparteien sind tarifgebundenen: • Arbeitgeber: Mitglied im Arbeitgeberverband • Arbeitnehmer: Mitglied der Gewerkschaft • Nachwirkung, § 4 Abs. 5: Nach Aufhebung TV bis Neuregelung • Bezugnahme Arbeitsvertrag: • Gleichstellung mit Gewerkschaftsmitgliedern 209 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Bezugnahme-Klauseln: • Arbeitsvertrag verweist auf Tarifverträge • Arten der Bezugnahme: – Statisch: Verweist auf den Tarifvertrag, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags gilt – Dynamische: Bezug auf die jeweils gültige Fassung eines Tarifvertrags, Jeweiligkeitsklausel • Vorteile für Arbeitgeber – tarifgebundene: Einheitliche Regelung für alle AN, unabhängig von Gewerkschaftszugehörigkeit mindert den Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt – nicht tarifgebundene: Erspart betriebliche Vergütungsordnung 210 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Allgemeinverbindlicherklärung • Voraussetzungen, § 5 Abs. 1 TVG: – Rechtswirksamer Tarifvertrag – Gemeinsamer Antrag der Tarifparteien – AvE erscheint im öffentlichen Interesse geboten • Überwiegende Bedeutung des TV • Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklungen • Wirkungen, § 5 Abs. 4 TVG: – Ausweitung der Tarifbindung auf Außenseiter = Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit – Gesetzesgleich normativ 211 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Allgemeinverbindliche Tarifverträge: 502 von 72.800 • Baugewerbe – Bauhauptgewerbe: Bundesrahmentarifvertrag – Sowie Dachdecker, Fliesenleger, Gerüstbauer, Maler & Lackierer – Mit Sozialkassen: Schlechtwetter, Urlaub • Bäcker- , Frisörhandwerk • Hotel- und Gaststättengewerbe NRW – Sowie Wach- und Sicherheitsgewerbe • Öffentlicher Dienst: 212 TVöD Arbeitsrecht im Betrieb 6 Mindestlöhne durch • MindestlohnG: – Allgemeine Regelung 8,50 €/Std. brutto, § 1 – Zeitlohn = unabhängig von Leistung – Unabdingbarkeit & Umgehungsverbot, § 3 • Tarifverträge: – Allgemeinverbindlicherklärung, § 5 TVG – Erstreckung, §§ 3 ff AEntG • Rechtsverordnungen gem. – § 7 und §§ 10 ff AEntG, z.B. im Pflegebereich – § 3 a AÜG: Auf Vorschlag Tarifparteien – § 4 Abs. 3 Mindestarbeitsbedingungengesetz 213 Arbeitsrecht im Betrieb Branche Mindestlöhne 2013 • Bauhauptgewerbe: • • • • • • • • • • • Dachdecker Elektrohandwerk Montage Gerüstbau, seit 1.8.2013 Maler- und Lackierer Abfallwirtschaft: Bergbauspezialgesellschaften Frisörhandwerk, seit 08/2013 Gebäudereinigung: Pflegebranche: Wach- & Sicherheitsgewerbe: Gastronomie: EntgeltTV 214 6 West Ost 11,05 €/Std. 10,25 €/Std. 11,55 €/Std. 10,00 €/Std. 10,00 €/Std. 12,00 / 9,75 €/Std. 8,68 €/Std. Nur bis 31.12.2013 8,75 / 7,75 €/Std. 7,00 –8,75 €/Std. 8,35€/Std. Arbeitsrecht im Betrieb 6 Mindestlohngesetz MiLoG • Ausnahmen: – – – – Praktikanten bis 3 Monate, § 22 I Minderjährige ohne abgeschl. Berufsausbildung, Abs. 2 Berufsausbildung, Abs. 3 Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten, Abs. 4 • Anrechnung auf 8,50 €/Std. – Zulagen, Zuschläge und Sachbezüge: ja – Urlaubs- /Weihnachtsgeld: Sofern Zufluss bei Fälligkeit – Trinkgelder: Nein • Zahlung & Fälligkeit: – Spätestens am letzten Werktag Folgemonat, § 2 – Bußgeldbewehrt, § 21 Abs. 1 Nr. 9 215 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Mindestlohngesetz MiLoG • Aufzeichnungspflicht Arbeitszeit, § 17 : Bestimmte anfällige Wirtschaftszweige Bis 2.958 €/ Monat Gehalt Täglich Beginn, Ende und Dauer, Abs. 1 Aufbewahrung für Dauer der Beschäftigung, mindestens 2 Jahre, Abs. 2 – Zusätzlich: Arbeitszeit über 8 Std./Tag, § 16 II ArbZG – – – – • Überwachung & Prüfungen: – Zollverwaltung, § 14 MiLoG – Rentenversicherungsträger, § 28 p SGB IV 216 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Vermeidung Arbeitsverhältnis • Arbeitnehmerüberlassung: Fremde Arbeitnehmer befristet ausleihen • Outsourcen: Übertragung von Arbeitsschritten auf selbständige – Dienstnehmer, z.B. Buchhaltung an Steuerberater – Werkunternehmer, z.B. Rohbau an Bauunternehmer Abgrenzung gem. § 7 Abs. 1 SGB IV § 2 Abs. 1 Z. 9 SGB VI 217 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Arbeitnehmerüberlassung Arbeitgeber Verleiher Arbeitnehmer Überlassungsvertrag Eingliederung Entleiher 218 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Arbeitnehmerüberlassung: • Arbeitsvertrag – Arbeitnehmer und – Leiharbeitgeber = Verleiher zwischen • Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen – Leiharbeitgeber – Entleiher und • Eingliederungsverhältnis – Vertragsarbeitnehmer und – Entleiher BAG 18.01.2012 – 7 AZR 723/10 219 zwischen Arbeitsrecht im Betrieb 6 ArbeitnehmerüberlassungsG • Verleiher bedarf der Genehmigung des Landesarbeitsamtes, § 1 – Anderenfalls Arbeitsverhältnis zwischen AN + Entleiher, § 10 I AÜG: Folgen für Lohnansprüche & Kündigung – Ausnahmen von Erlaubnispflicht, § 1 Abs. 3, insbes. nur gelegentlich, Z. 2 a • Überlassung nur „vorübergehend“, § 1 Abs. 1 S. 1: Nicht zur Deckung dauernden Bedarfs • Entleiher - entledigt sich Arbeitnehmerschutz, – Anspruch auf gleiche Arbeitsbedingungen + Entgelt, § 10 IV: „equal pay“ 220 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Outsourcing • Begriff: Ausgliederung von Teilbereiche des Leistungsprozesses in Werk-/ Dienstverträge • Abgrenzung: – Werkvertrag: Unternehmer schuldet Werk = Erfolg – Dienstvertrag: Dienstleistung – Arbeitsvertrag: Dienstleistung mit Eingliederung • Anerkennung, wenn tatsächlich durchgeführt: – Eingliederung in eigene Arbeitsorganisation: • Bestimmung Arbeitsbedingungen und - zeit • Ausübung des Weisungsrechts – Unternehmerisches Risiko: • Eigenes Werkzeug und Arbeitsmittel • Zahlung für Leistung (Aufmaß), nicht für Zeit (Stunden) 221 Arbeitsrecht im Betrieb 6 Fremdpersonal in Werk-und Dienstverträgen • Maßgeblich nicht Vereinbarung oder Bezeichnung, sondern praktische Durchführung: – Eingliederung in Arbeitsorganisation: • Ausübung des Weisungsrechts und Kontrollen • Bestimmung Arbeitsbedingungen und -zeit – Unternehmerisches Risiko: • Eigenes Werkzeug und Arbeitsmittel • Zahlung für Leistung (Aufmaß), nicht für Zeit (Stunden) • Gewährleistung • Arbeitnehmer in Organisation des Bestellers: – Arbeitnehmerüberlassung, § 10 AÜG – ohne Genehmigung: Arbeitsvertrag mit Entleiher 222 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Kollektives Arbeitsrecht: • Abgrenzung zu „Individualarbeitsrecht“ • Recht der arbeitsrechtlichen Koalitionen – Gewerkschaften – Arbeitgeberverbände • Tarifvertragsrecht & Arbeitskampfrecht (Streiks und Aussperrungen) • Mitbestimmungsrecht in Unternehmen und Betrieben – Betriebsverfassungsrecht: Betriebsrat 223 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Gewerkschaften im Betrieb: • Duales System: – Gewerkschaften – Betriebsverfassungsorganen, insbes. Betriebsrat • Im Betrieb vertretenen Gewerkschaft: – Initiativrechte: Bildung von Betriebsräten, §§ 14 Abs. 3, 17 a Bestellung Wahlvorstand, mit Gewerkschaftsfunktionär Pflichtverletzung des Betriebsrats, § 23 I Erzwingung Betriebsversammlung, § 42 Abs. 4 – Vertrauensleute: Interessenvertreter und Sprecher der Gewerkschaftsmitglieder, beraten den Betriebsrat – Zutrittsrecht zum Betrieb, § 2 Abs. 2, z.B. Werbezwecke • • • • • Rechtsvertretung durch Gewerkschaftssekretäre: – Geltendmachung Ansprüche von Mitgliedern – & Vertretung vor dem Arbeitsgericht 224 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Streiks der Gewerkschaft der Lokführer • Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer(GDL) vertritt 34.000 Beschäftigte im Eisenbahnverkehr. Traditionell ist sie Mitglied im Deutschen Beamtenbund. • Zunächst wirkte die GDL nur für die Interessen der Zugführer und ist für diese seit 2010 Tarifpartner der Deutschen Bahn. • Seit 2002 will die GDL auch die Tarife des übrigen Bahnpersonals aushandeln. Dies führt zu Konflikten mit der zweiten großen Eisenbahner- Gewerkschaft EVG. • Im Herbst 2014 gerieten die GDL und ihr Vorsitzender Claus Weselsky massiv in die Kritik. Ihr wurde insbes. mangelnde Verhandlungsbereitschaft und unverhältnismäßige Streikmaßnahmen vorgeworfen. Deutschlandweit legten die Zugführer mehrtägig ihre Arbeit nieder. • In der aktuellen Tarifrunde will die GDL mit Bahnstreiks fünf Prozent mehr Lohn, eine kürzere Wochenarbeitszeit sowie eine Begrenzung der Überstunden durchsetzen. 225 Arbeitsrecht im Betrieb 6S • Tarifeinheit(bis 2010): Ein Betrieb =ein Tarifvertrag – Bei Bindung Arbeitgeber an verschiedene Tarifverträge verdrängt der speziellere Tarifvertrag den anderen. – Begründung: Übergeordneten Prinzipien der Rechtssicherheit und -klarheit + praktikable Lösung. BAG 14.6.1989 - 4 AZR 200/89 + 5.9.1990 - 4 AZR 59/90 Soll gem. Koalitionsvertrag GROKO Gesetz werden. • Tarifpluralität: Betrieb wird von verschiedenen Tarifverträgen erfasst, die Gewerkschaften für Arbeitsverhältnisse derselben Art geschlossenen haben. – Arbeitgeber ist an beide Tarifverträge gebunden. – Für jeden AN gilt nur ein Tarifvertrag: TV, der Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnet, ist kraft Mitgliedschaft in der vertragsschließenden Gewerkschaft anzuwenden. BAG 27.1.2010 - 4 AZR 549/08 + 23.6.2010 - 10 AS 2/10 u. 10 AS 3/1 226 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Arbeitskampf gegen Fraport AG Die Gewerkschaft für Flugsicherung e.V. hat auf dem Frankfurter Flughafen 200 Mitglieder in der Vorfeldkontrolle, Vorfeldaufsicht und Verkehrszentrale. Februar 2012 führt sie einen Streik mit dem Ziel einer Lohnerhöhung von bis zu 70 Prozent und die Verbesserung von Arbeitsbedingungen. Für einzelne der Forderungen gilt noch ein Tarifvertrag. 1. Als der Flugverkehr nahezu zum Erliegen kommt, beantragt die Fraport AG (11.000 Beschäftigte) beim Arbeitsgericht Frankfurt eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung. Mit Erfolg? 2. Nach Ende des Streiks erheben die a) Fraport AG b) Lufthansa AG Millionenklagen gegen die Gewerkschaft für Flugsicherung. Mit Erfolg? 227 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Arbeitskampf Gewerkschaft für Flugsicherung e.V. gegen die Fraport AG im Februar 2012 1. Einstweilige Verfügung: Untersagung des Streiks. Verstoß gegen Friedenspflicht, da auch Forderungen durchgesetzt werden sollten, zu denen noch ein Tarifvertrag galt. Einzelne Forderungen unter Friedenspflicht machen den Streik insgesamt rechtswidrig. Arbeitsgericht Frankfurt 29.02.2012 - 9 Ga 24/12 2. Schadensersatzklagen gegen Gewerkschaft abgewiesen: a) Lufthansa: Nur Drittbetroffene / nicht bestreikt b) Fraport: Streik hätte ohne die beanstandeten Forderungen keinen anderen Verlauf genommen (rechtmäßiges Alternativverhalten) Hessisches Landesarbeitsgericht 05.12.2013 - Sa 592/13 228 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Tarifverträge und BGB AT • • • • • Zwischen Gewerkschaft + Arbeitgeber/-verband Vertrag über Löhne oder Arbeitsbedingungen durch Einigung, § 145 BGB: Angebot und Annahme Vertragsbindung, § 1 TVG: Friedenspflicht Streik: 1. Ist an sich unerlaubte Handlung, § 823 BGB Verletzt Gewerbebetriebe als absolutes Recht 2. Rechtfertigung durch Streikrecht, nicht wenn (eine Forderungen in) Friedenspflicht • Rechtsfolgen: – Unterlassungsanspruch – Schadensersatz: Nicht sofern auch bei rechtmäßigem Verhalten entstanden 229 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Fall: Streikaufruf im Intranet Die K GmbH betreibt ein Krankenhaus mit 870 Beschäftigten. Nach ihrer Anordnung ist die Nutzung des Intranets ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehalten. Mitarbeiter A ist Betriebsratsvorsitzender und Mitglied von ver.di. Für den 13. April 2011 rief ver.di zu einem Warnstreik bei K auf. Diesen Aufruf leitete A über das Intranet an alle Arbeitnehmer weiter und rief die Beschäftigten auf, sich an dem Streik zu beteiligen. Er signierte mit „Für die ver.di Betriebsgruppe“ und fügte seinen Namen an. K verlangt von A, solche Aufrufe in Zukunft zu unterlassen. Zurecht? 230 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Lösung: Streikaufruf im Intranet I. Schutz individuelle Koalitionsfreiheit, Art. 9 Abs. 3 GG: 1. 2. Gilt nur für Gewerkschaften, nicht für andere Arbeitnehmervereinigungen, insbes. nicht für Betriebsräte. II. Betriebsräte: 1. 2. 3. § 2 Abs. 2 BetrVG: Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer und des Betriebes. § 74 Abs. 2 S. 1 BetrVG: Arbeitskampfrechtliches Neutralitätsgebot, aber kein Unterlassungsanspruch. Jedoch Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers aus § 1004 BGB (Besitzschutz) BAG 15.10.2013 – 1 ABR 31/12 231 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Kann der Betriebsrat die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern verhindern? • Verbot der „nicht vorrübergehenden“ Arbeitnehmerüberlassung, § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG – Verstoß begründet kein Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher. §§ 9, 10 AÜG gilt nur für die fehlende AÜG –Erlaubnis. BAG 10.12. 2013 – 9 AZR 51/13 • Betriebsrat kann Zustimmung wegen Gesetzesverstoß verweigern, § 99 Abs. 2 BetrVG, § 14 Abs. 3 AÜG, wenn – der LeihAN länger als vorübergehend bzw. ohne zeitliche Begrenzung statt einer Stammkraft beschäftigt werden soll. BAG 10.7.2013 – 7 ABR 91/11 – Aufgabenbezogen: Bei objektiv dauerhaft anfallender Arbeit darf Leiharbeitnehmer nur zu deren aushilfsweiser Wahrnehmung herangezogen werden. 232 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Equal Pay in der Leiharbeit • Verleiher muss Leiharbeitnehmer die beim Entleiher übliche Arbeitsbedingungen + entgelt gewähren, § 10 IV 1 AÜG vorrangig jedoch Tarifvertrag, § 10 IV 2 • Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen • War nie tariffähig BAG 23.05.2012 - 1 AZB 58/11 • Abgeschlossene Tarifverträge wirkungslos • Übliches Entgelt geschuldet, § 612 Abs. 2 BGB • Entleiherhaftung „wie selbstschuldnerischer Bürge“ für Sozialversicherungsbeiträge, § 28 e II 1 SGB IV 233 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Fall: Arbeits - oder Werkvertrag? U wurde für das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) seit 2005 aufgrund von 10 „Werkverträgen“ tätig. Im letzten Vertrag vom 23.3./1.4.2009 ist die „Vorarbeit für die Nachqualifizierung der Denkmalliste für die kreisfreie Stadt und den Landkreis Fürth“ vereinbart. Abhängig vom Standort der Ortsakten konnte die Tätigkeit nur in den Dienststellen des BLfD erbracht werden, einen Schlüssel besaß U nicht. U hat regelmäßig von 7:30 bis 17:00 Uhr gearbeitet, über einen PC mit persönlicher Benutzerkennung hatte er Zugang zu den Eingabemasken. Der Termin zur Fertigstellung wurde anhand von Erfahrungswerten kalkuliert und auf den 30.11.2009 festgelegt. Die Vergütung von 31.200 € incl. Umsatzsteuer durfte U nach Abschluss der Bearbeitung bestimmter Gebiete in Beträgen von 5.200 € abrechnen. U macht geltend, er stünde in einem Arbeitsverhältnis. BAG 25.09.2013 – 10 AZR 282/12; 17.04.2013 - 10 AZR 272/12 234 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Lösung: Arbeits- oder Dienst-/Werkvertrag? Kriterien für Arbeitsverhältnis: • Grad der persönlichen Abhängigkeit • Weisungsrecht: Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit, § 106 GewO • Äußeres Erscheinungsbild: Typischer Einsatzbereich von Arbeitnehmern • Eingliederung: Ausübung der Weisungsrechte und Kontrollen durch Einsatzbetrieb • Leistung persönlich zu erbringen • Material / Werkzeug des Einsatzbetriebes • Werk- bzw. Dienstleistungen nicht bestimmbar • (Abschlags-) Zahlungen: Von Leistungserfolg unabhängige bzw. auf Stundenbasis • Gewährleistung vertraglich ausgeschlossen • Lösung: Wertende Gesamtbetrachtung: Arbeitsverhältnis 235 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Fall: Diebels - Empfangsdienst Frau Freundlich arbeitet für die Wachdienst Niederrhein GmbH, Moers. Sie wird als einzige Mitarbeiterin bei der Firma Diebels, Issum im Empfangsdienst eingesetzt. Dort wurde sie von Mitarbeitern der Wachdienst Rheinland GmbH in ihre Aufgaben eingewiesen, auf die Diebels auch den Pförtner, die Poststelle und die Kantine outgesourct hat. Teilweise arbeitet sie nach Vorgaben der kaufmännischen Mitarbeiter der Brauerei. Als Diebels den Empfangsdienst wieder selbst übernimmt, kündigt Wachdienst Niederrhein ordentlich. 236 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Lösung: Diebels - Empfangsdienst Frau Freundlich wurde von Ihrem Arbeitsgeber WD Niederrhein GmbH weder in ihre Beschäftigung eingewiesen, noch kontrolliert. Diese prägenden Arbeitgeberaufgaben hat der WD Rheinland GmbH übernommen. Rechtsfolgen: ANÜberlassung von Frau Freundlich an den WD Rheinland. Da der WD Niederrhein keine Erlaubnis § 1 AÜG hat, sind sowohl der Arbeitsvertrag als auch der Überlassungsvertrag zwischen den WD´s unwirksam, § 9 Z. 1. Der Arbeitsvertrag wird zwischen Frau F und dem Entleiher WD Rheinland fingiert, § 10 AÜG. Dieser Arbeitsvertrag besteht ungekündigt fort! 237 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Prekäre Arbeitsverhältnisse: Sozialversicherungsrechtliche Fallen • Versicherungs- und Beitragspflichten abhängig Beschäftigter: Entstehungsprinzip • Abgrenzungen: – Abhängige Beschäftigung zu freier Mitarbeit – Arbeitnehmerüberlassung zu Werk- bzw. Dienstvertrag • Geringfügige Beschäftigung, § 8 I SGB IV: Überschreiten der Verdienstgrenzen 238 Arbeitsrecht im Betrieb 6S Verpflichtung Vertragsfremder • Arbeitnehmer schuldet persönlich, § 613 • Betriebsübergang, § 613 a BGB: Übernehmer tritt in Arbeitsvertrag ein • Arbeitnehmerüberlassung des Entleihers • Verleiher ohne Genehmigung, § 10 AÜG: • Haftet wie ein selbstschuldnerischer Bürge für Gesamtsozialversicherungsbeiträge, § 28 e II SGB III • Haftung des Auftraggebers, § 14 AEntG 239 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsverfassungsrecht 240 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsverfassungsrecht • Betriebsrat: 2. Akteur im Arbeitnehmerlager – Einbindung der Arbeitnehmer – in die Führung des Unternehmens durch – Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte – auf der Ebene des Betriebes • Aufgaben des BR, § 2 Abs. 1 BetrVG: • • • • 241 Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit AG Beachtung geltender Tarifverträge Ziel: Wohl von Arbeitnehmern & Betrieb Friedenspflicht: Kein Streikrecht, § 74 II Arbeitsrecht im Betrieb 7 Arbeitnehmer, § 5 BetrVG • Alle Arbeitnehmer + Auszubildenden, Abs. 1 • Ausgrenzungen, Abs. 2: – Organvertreter juristischer Person, – Personengesellschafter, – Enge Verwandte, Nr. 1 Nr. 2 Nr. 5 • Leitende Angestellte, Abs. 3: Grds. nicht • Berechtigung zu Einstellungen+ Entlassungen • z.B. Prokura, §§ 48 ff HGB • Leiharbeitnehmer BAG 13.03.2013 – 7 ABR 69/11 • Bleiben Angehörige im Verleiherbetrieb, § 14 I AÜG • Sind im Entleiher-Betrieb nicht wahlberechtigt • In der Regel Beschäftigte zählen aber bei den Schwellenwerten des Entleihers gem. § 9 mit 242 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsrat: Wahl • Bestellung des Wahlvorstands, § 1 WO – durch den Betriebsrat, § 16 BetrVG – betriebsratlos, § 17 BetrVG: Durch • Betriebsversammlung: Einladung 3 AN, Abs. 3 • Gesamt- oder Konzernbetriebsrat, Abs. 1 • Arbeitsgericht, Abs. 4 • Wahlgrundsätze: Demokratisch • § 14: Geheim + unmittelbar • § 20: Behinderungs- + Beeinflussungsverbot • § 21: Amtszeit 4 Jahre, 01.03.-31.05.2010 bis 2014 243 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsrat: Wahl • Wählerliste, § 2 Wahlordnung (WO): • Aufstellung durch Wahlvorstand mit Mehrheit, Abs. 1 • Am Wahltag Mitarbeiter über 18 Jahre(Voll- o. Teilzeit) des Betriebsinhabers + innerhalb betrieblichen Organisation eingesetzt oder zur Arbeitsleistung überlassen, § 7 BetrVG • Auskünfte von AG, Abs. 2 • Eintragung konstituiert aktives+ passives Wahlrecht, Abs. 3 • Auslegung im Betrieb, Abs. 4 • Einspruch binnen 2 Wochen: Nur durch AN, § 4 WO 4 • Entscheidung durch Wahlvorstand unverzüglich • Anrufung Arbeitsgericht: Beschlussverfahren • Wahlausschreibung, § 3 WO 244 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsverfassung BetrVG: • Betriebsrat: • Gewählte Mitglieder - bis Erlöschen, § 24 • Ersatzmitglieder rücken nach , § 25 I für – endgültig ausgeschiedene Mitglieder, § 24 z.B. durch Beendigung Arbeitsverhältnis – zeitweilig verhinderte Mitglieder • Geschäftsführung des Betriebsrates: – BR wählt seinen Vorsitzenden: Alleine zuständig für die Entgegennahme aller Erklärungen des AG, § 26 – Betriebsratssitzungen, §§ 29, 30: • Einberufung, bei Verhinderung Ladung Ersatzmitglieder • Persönlich: Weder Telefon,- noch Videokonferenz • Beschlussfähigkeit: Mindestens Hälfte anwesend, § 33 II – Beschlüsse: Grds. mit einfache Mehrheit, § 33 I 245 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Tätigkeit des Betriebsrats, § 37 • Ehrenamtlich = Unentgeltlich • Während der Arbeitszeit: – Arbeitsbefreiung, soweit • Betriebsratssitzung oder • für BR- Aufgaben erforderlich: Beurteilungsspielraum – Meldepflicht AN: Ab- + Anmeldung von Arbeit: • • • • • Nicht notwendig persönlich, auch mündlich Grds. ohne Spezifizierung der beabsichtigten Tätigkeit Mit voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit Nach Beendigung: Rückmeldung Zeiterfassung bei Verlassen des Betriebs bedienen BAG 29.06.2011, 7 ABR 135/09 – Arbeitgeber: • Kann Dringlichkeit der Arbeit prüfen und • bei betrieblichen Notwendigkeiten die Unabkömmlichkeit des Mitarbeiters und eine zeitliche Verschiebung geltend machen 246 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsverfassung BetrVG: • Kosten der BR- Tätigkeit: Trägt AG, § 40 – Räume, Sachmittel, PC mit Internet, Schulungen – Kinderbetreuungskosten BAG 23.06.2010 – 7 ABR 103/08 • Hinzuziehung durch AN gegenüber AG: Zur – Erläuterung des Arbeitsentgelts und Erörterung Leistungsbeurteilungen und Möglichkeiten beruflicher Entwicklung, § 82 II – Einsicht in Personalakte, § 83 Abs. 1 – Beschwerderecht: An AG und an BR, § 84 I • Betriebsversammlung, §§ 42 ff BetrVG: – Keine Funktion nach außen, insbes. – kein Weisungsrecht gegenüber dem Betriebsrat 247 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Mitwirkung des Betriebsrates: • Zusammenarbeit mit AG, Friedenspflicht, § 74 – § 75 Überwachung Diskriminierungsverbot – § 76 Bildung Einigungsstelle – § 78 Betriebsratsmitglieder: Verbot zu stören, benachteiligen, begünstigen – § 80 Allgemeine Aufgaben • Hinzuziehung eines Mitglieds des BR durch AN zu – § 81 Unterrichtungs- & Erörterungspflicht AG – § 82 Anhörungs- & Erörterungsrecht AN – § 83 AN Einsicht in Personalakte – § 79 Verschwiegenheitspflicht BR Mitglieder 248 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsvereinbarung, § 77 • Privatrechtlicher Vertrag zwischen AG und BR • Abschluss nach Regeln des BGB AT: – Ordnungsgemäßer Beschluss des Betriebsrates Vertretung durch Vorsitzenden Bei Verstoß gg. höherrangiges Recht: Nichtigkeit Schriftform, § 125 BGB Bekanntgabe: Keine Wirksamkeitsvoraussetzung, AN kann sich aber auf Unkenntnis berufen • Durchführung durch Arbeitgeber, Abs. 1: Pflicht • Geltung, Abs. 5: - Unbefristet – – – – - Kündigungsfrist 3 Monate • In Fällen erzwingbarer Mitbestimmung, 87 Abs. 2: Abschluss durch Einschaltung der Einigungsstelle 249 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsvereinbarungen, § 77 • Tarifverträge: Vorrang + Sperrwirkung, Abs. 3: – BR hat Regelungsbefugnis wie Tarifpartei – Ausnahme: Arbeitsentgelt + –bedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden • Verhältnis zum Arbeitsvertrag: Unabdingbar = Abs. 4: Geltung – unmittelbar: Regeln Arbeitsverhältnis – zwingend: • AN kann nur mit Zustimmung BR verzichten • Disposition nur durch Betriebsparteien 250 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Betriebsvereinbarung, Beispiele: Arbeitszeit, z.B. Gleitzeit, Anordnung Überstunden Arztbesuche während der Arbeitszeit, § 616 BGB Rauch- und Alkoholverbote Reaktionen auf Alkohol- Drogenverdacht: – Definition Verdachtsmomente – Alkoholtest auf Wunsch des Mitarbeiters • Bei krankhafter Sucht /Alkoholabhängigkeit: Mitarbeiter soll sich innerhalb von 6 Monaten einer Rehabilitationsmaßnahme unterziehen • Umgang mit personenbezogenen Daten der Beschäftigten (Datensicherheit) • Tor-, Taschen- und Schrankkontrollen • • • • 251 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Mitbestimmung Betriebsrat • Erzwingbare Mitbestimmung, § 87 – Enumerativen Tatbestände, Abs. 1 – Beschränken Direktionsrecht: Weisungen nur mit Zustimmung des BR wirksam, grds. auch in Eilfällen – Initiativrecht des Betriebsrats, Abs. 2: Einigungsstelle • Freiwillige Mitbestimmung, § 88 • Personelle Maßnahmen, § 99 – Unterrichtung bei Einstellung, Versetzung, Umgruppierung – Verweigerungsrecht nur in Ausnahmefällen • Vor Kündigungen eines – Arbeitnehmers, § 102 BetrVG: – Betriebsrats, § 15 I 1 KSchuG : 252 Anhörung BR Zustimmung BR Arbeitsrecht im Betrieb 7 Erzwingbare Mitbestimmung § 87 I • Ordnung des Betriebs + Verhalten AN, Nr. 1 • Arbeitszeit: Beginn, Ende + Verteilung, Nr. 2 – Klassisch: Rauch- und Alkoholverbote – Kollektiver betriebliche Ordnung mit Betriebsbußen und Ordnungsstrafen – Arbeitsnotwendige Maßnahmen mitbestimmungsfrei – Gleitende o. Vertrauensarbeitszeit, Schichtsystem • Vorübergehende Verkürzung/ Verlängerung d. betriebsüblichen Arbeitszeit, Nr. 3 – Kurzarbeit, Überstunden, Zusatzschichten • Aufstellung Urlaubsgrundsätze und –plan, Nr. 5 • Einführung/Anwendung technischer Einrichtungen, z.B. Arbeitnehmerüberwachung, Nr. 6 253 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Erzwingbare Mitbestimmung § 87 I • Verhütung von Arbeitsunfällen + Berufskrankheiten sowie Gesundheitsschutz, Nr. 7 – Beachtung der Unfallverhütungsvorschriften – Gefährdungsbeurteilung, § 3 II ArbSchG: Aufbau einer Arbeitsschutzorganisation BAG 18.03.2014 – 1 ARB 73/12 • Sozialeinrichtungen, – Nicht bereits Personalverkauf – Wenn zweckgebundenes Sondervermögen Nr. 8: • Betriebliche Lohngestaltung, Nr. 10 • Akkord- und Prämiensätze, Nr. 11 – Nicht Lohnbestandteile, insoweit Sperrwirkung TV – Aber über- und außertarifliche Leistungen 254 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Erzwingbare Mitbestimmung • Beispiele zu § 87 BetrVG: – Abmahnung: • Bloße Warnung: Keine Mitbestimmung • Jedoch wenn Sanktion beabsichtigt – Bereitschaftsdienst + Rufbereitschaft: Nr. 2 • Nur Ausgestaltung, nicht Einführung • Einigungszwang, § 87 Abs. 2: Anrufung und Spruch der Einigungsstelle • Rechtsfolgen: – Zustimmung beseitigt nur kollektivrechtliche Schranke, Wirksamkeit nach Arbeitsvertrag erforderlich – Verweigerung macht Anordnung auch gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam 255 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Freiwillige Mitbestimmung, § 88 durch Betriebsvereinbarungen: • Allzuständigkeit BR für Regelung der Arbeitsbedingungen • Gegenstände, als Beispiele: – Unfallverhütung – Sozialeinrichtungen – Vermögensbildung – Integration & Bekämpfung von Rassismus 256 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Gestaltung der Arbeit Humanisierung der Arbeitswelt • § 90 Unterrichtungs- und Beratungsrechte über Planungen – (Um-) Bauten Betriebsstätten – technische Anlagen – Arbeitsverfahren und –plätze, insbesondere Bildschirmarbeitsplätze, neue Technologien + Qualitäts-Management-Systeme ISO 9000 • § 91 Erzwingbare Mitbestimmung bei gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen, z.B. Arbeitsstättenrichtlinien, DIN, VDE, VDI Jedoch: Keine Mitbestimmung bei Umsetzung 257 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Beteiligung in allgemeinen personellen Angelegenheiten • Personalplanung, § 92 Abs. 1: Informationspflicht über Personal- Bedarfs-, Deckungs-, Entwicklungs- + Einsatzplanung • Beschäftigungssicherung, § 92 a: Vorschlagsrecht, Beratung • Stellenausschreibung, § 93 : Kann BR verlangen, auch bei Besetzung mit Leiharbeitnehmer BAG 15.10.2013 – 1 ABR 25/12 • Personalfragebogen, Beurteilungsgrundsätze, § 94: Zustimmung erforderlich • Auswahlrichtlinien, § 95: Zustimmung erforderlich • Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer, § 104: Initiativrecht 258 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Personelle Einzelmaßnahme § 99 • Arbeitgeber mehr als 20 Arbeitnehmern muss • vor jeder Einstellung (=Eingliederung), Ein-, Umgruppierung o. Versetzung • Betriebsrat umfassend unterrichten • Zustimmungsverweigerungsrecht BR, Abs. 2: – Nur in enumerativen Fällen, z.B. Gesetzesverstoß – Leiharbeitnehmer: Einsatz zur mehr als kurzfristigen Beschäftigung BAG 30.09.14 -1ABR 79/12 – Frist für begründeten Widerspruch: 1 Woche • Antrag Ersetzung durch Arbeitsgericht , Abs. 4 • Geschlossene Arbeitsverträge – sind ohne Zustimmung wirksam – jedoch Aufhebungsanspruch des BR, § 101 259 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Vorläufige pers. Maßnahme, § 100 • Personelle Maßnahme i.S.d. § 99 – ist aus schlichen Gründen – dringend erforderlich • Verfahren bei Sofortvollzug: Unverzüglich – unterrichtet Arbeitgeber den Betriebsrat – teilt Betriebsrat ein Bestreiten dem Arbeitgeber mit • Aufrechterhalten bei Bestreiten: Nur wenn Arbeitgeber innerhalb von 3 Tagen das Arbeitsgericht anruft 260 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 7 Anhörung Betriebsrat, § 102 1. Vor jeder Kündigung, auch außerhalb KSchuG in - Kleinbetrieb bis 10 Mitarbeiter - Wartezeit 6 Monate 2. Anhörung = Unterrichtung Betriebsratsvorsitzender, § 26 II 2 - nur bei Verhinderung: an Stellvertreter - im Betrieb oder empfangsbereit 3. Inhalt: Richtig und vollständig über – Sozialdaten: Personalien, Familienstand, Kinder – Betriebszugehörigkeit und Kündigungsfrist – Ausgeübte Tätigkeit und Verdienst – Art der Kündigung: außerordentlich oder ordentlich – Kündigungsgründe, subjektive Determinierung: • Alle den Entschluss tragenden Gründe • Soziale Rechtfertigung: Abmahnung, Sozialauswahl • Bekannte, der Kündigung widerstreitende Umstände 261 Arbeitsrecht im Betrieb 7 4. Form: Keine, dringend empfohlen: Schriftlich 5. Anhörungsfrist, Abs. 2: Kündigung - ordentlich - außerordentlich 1 Woche 3 Tage Verkürzung: Abschließende Entscheidung mitgeteilt 6. Widerspruch des Betriebsrats: a) Recht nur in den Fällen des Abs. 3 b) schriftlich c) Folge bei ordentlicher Kündigung: – Weiterleitung Widerspruch an Arbeitnehmer – Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung Arbeitsgericht 262 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Beschränkungen durch Anhörung • Art der Kündigung: Keine Auslegung der außerordentlichen als ordentliche Kündigung • Rechtfertigung der Kündigung, sozial / ao: – Nur durch die dem BR mitgeteilten Gründe: • Grundsatz der „subjektiven Determinierung“: • Arbeitgeber muss alle Umstände mitteilen, die seinen Entschluss zur Kündigung bestimmt haben, nicht aber die Interessenabwägung – Nachschieben von Gründen: • Nur wenn Gründe bei Kündigung vorlagen, dem Arbeitgeber aber nicht bekannt waren • Betriebsrat- Anhörung muss zu den weiteren Gründen nachgeholt werden, eine neue Kündigung ist nicht erforderlich 263 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Fehlerhafte Willensbildung BR • Anforderungen an Beschlussfassung, § 33: – Sitzung des Betriebsrats • Ordnungsgemäße Ladung mit Tagesordnung – Beschlussfähigkeit: Mehrheit der BR-mitglieder – Persönlich anwesend: • Keine Telefon- o. Videokonferenz / Internet • Bei Verhinderung Vertretung durch Ersatzmitglieder • Vertrauensschutz des Arbeitgebers in ordnungsgemäße Willensbildung, – Wenn er von ordnungsgemäßer Beschlussfassung ausgehen kann – Kein Problem bei Abwarten der Anhörungsfrist 264 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Kündigungsschutz BR-Mitglieder • Ordentliche Kündig. unzulässig, §15 KSchG Abs. 1: Betriebsrat Nachwirkung 1 Jahr Wahlbewerber bis Bekanntgabe Ergeb Abs. 3: Wahlvorstand Nachwirkung 6 Monate Abs. 3a: Einlader zu Betriebsversammlung bis Bekanntgabe Wahlergebnis • Außerordentliche Kündig., §103 BetrVG: – Nur mit Zustimmung des Betriebsrats • Einholung: Formell wie Anhörung • Beschränkung auf Gründe in Anhörung – Ersetzung durch Arbeitsgericht 265 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Kündigungsschutz des Ersatzmitgliedes 1. Der besondere Kündigungsschutz gem. § 15 KSchuG, § 103 BetrVG gilt für Ersatzmitglieder nur soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied vertreten. Maßgeblich ist der Zugang der Kündigung. 2. Nach Beendigung des Vertretungsfalles besteht nur der nachwirkende Kündigungsschutz gem. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchuG. BAG vom 27.09.2012 - 2 AZR 955/11 3. Kündigungsschutz des Betriebsrates während Vertretungsfall durchgehend 266 Arbeitsrecht im Betrieb 1. 7 Zusätzliche Betriebsräte: • Gesamtbetriebsrat, §§ 47 ff: Bei mehreren Betriebsräten • Konzernbetriebsrat, §§ 54 ff: Verbundene Unternehmen i. S. d. § 18 AktG 2. Untergliederungen: • Jugend- + Auszubildendenvertretung, §§ 60 ff • Schwerbehindertenvertretung, §§ 93 ff SGB IX • Wirtschaftsausschuss, §§ 106 ff: – Bestellung + Zusammensetzung durch Betriebsrat 267 Arbeitsrecht im Betrieb 7S „Betriebs“- Begriff: • Unabhängig von Unternehmen als Rechtsträger • Arbeitsrechtlich (grds. allgemein): – In einer Betriebsstätte (räumliche Nähe) – werden Mitarbeiter sowie – materielle & immaterielle Betriebsmittel für arbeitstechnische Zwecke – zusammengefasst, geordnet eingesetzt und – von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert: Einheitliche Entscheidung in personellen und sozialen Angelegenheiten 268 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Betriebs- Begriff: • Betriebseinheit mehrerer Unternehmen: • Einheitliche Leitung: Organisatorische, personelle o. technische Koordination (z.B. Personalaustausch) • in personellen und sozialen Angelegenheiten. • Einheitlicher Standard im Konzern genügt nicht. BAG v. 13.08.2008 - 7 ABR 21/07 • Bedeutung „Betrieb“ für: • Kündigungsschutzgesetz: • Anwendbarkeit: Mitarbeiteranzahl, § 23 • Sozialauswahl: Einzubeziehende Mitarbeiter • Betriebsrat, § 1 Abs. 1 BetrVG: • Einrichtung je Betrieb mit • mindestens 5 Arbeitnehmern • von denen drei wählbar sind 269 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Ein Betriebsrat für alle Die Wohlfahrtspflege Oberbayern gGmbH betreibt Seniorenzentren, Kindergärten sowie pädagogische und psychiatrische Einrichtungen mit 2.200 Mitarbeitern in 90 Einrichtungen. Die Hauptverwaltung mit einer zentralen Personalrechtsabteilung ist in München. Mit Wahlausschreibung vom 27.03.2006 rief der Wahlvorstand zur Wahl eines gemeinsamen Betriebsrates für die Hauptverwaltung und 20 Einrichtungen mit jeweils mindestens 5 Arbeitnehmern auf. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beantragt der Arbeitgeber, die Wahl für unwirksam zu erklären, § 18 Abs. 2 BetrVG. Wie wird das Arbeitsgericht entscheiden? BAG, Beschluss 09.12.2009 – 7 ABR 38/08 270 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Ein Betriebsrat für alle Betriebsratsfähige Organisationseinheiten i.S.d. § 18 Abs. 2 BetrVG sind: 1. Betriebe gem. § 1 Abs. 1: In einer Betriebsstätte verfolgen Arbeitnehmern von einem Leitungs-apparat gesteuert mit Betriebsmitteln fortgesetzt arbeitstechnische Zwecke. 2. Selbständige Betriebsteile, § 4 Abs. 1 S. 1: Auf den Zweck des Hauptbetriebes ausgerichtete und dessen Organisation eingegliederte Einheit mit einer den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmenden Leitung: Abgrenzbar und ein Mindestmaß organisatorischer Selbständigkeit, insbesondere eine den Einsatz der Arbeitnehmer steuernden Leitung (Ausübung Weisungsrecht). 3. Auslegung: Hauptverwaltung und Einrichtungen sind jeweils selbständige Betriebe i.S. des § 1 Abs. 1 BetrVG. Ergebnis: In jeder Einrichtung hätte ein Betriebsrat gewählt werden müssen. 271 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Befristeter Arbeitsvertrag mit BR 1. Auch ein Arbeitsvertrag mit einem Betriebsratsmitglied endet mit der Befristung. 2. Der BR hat Anspruch auf den Abschuss eines unbefristeten Folgevertrages, wenn der Arbeitgeber diesen wegen der Betriebsratstätigkeit ablehnt, § 78 II BetrVG, §§ 280 I, 823 II, 249 I BGB. 3. Dies muss der Mitarbeiter darlegen und beweisen: Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach die Entscheidung eines Arbeitgebers, mit einem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied keinen Folgevertrag zu schließen, auf dessen Betriebsratstätigkeit beruht. Daher ist weder Raum für eine entsprechende tatsächliche Vermutung noch für die Grundsätze des Anscheinsbeweises. BAG vom 25.06.2014 - 7 AZR 847/12 272 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Betriebsratsbeschluss zu Betriebsvereinbarung Ein wirksamer Betriebsratsbeschluss ist Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Betriebsvereinbarung: 1. Der Vorsitzende vertritt den Betriebsrat nur nach Außen und im Rahmen der Beschlüsse. 2. Der Betriebsrat kann die Betriebsvereinbarung nachträglich durch Beschluss genehmigen. BAG vom 09.12.2014 - 1 ABR 19/13 273 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Betriebsvereinbarung Frau M war bis Mitte 2009 in einer Brotfabrik beschäftigt, die in 2008 von GL 1 auf GL 2 übergegangen ist. Bei GL 1 bestand eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Bonuszahlungen. Danach entscheidet die Geschäftsleitung zu Anfang jeden Jahres, ob sie den AN als freiwillige Leistung einen Bonus zahlt. Am 28.01.2009 beschließt der Vorstand GL 2, für 2008 keinen Bonus auszuschütten. Frau M klagt gegen GL 2 auf Zahlung eines angemessenen Bonus. Hilfsweise will sie Schadensersatz, da GL 2 die Entscheidung für 2008 bereits Anfang 2008 hätte treffen und bekanntmachen müssen. Hat die Klage Erfolgsaussichten? BAG vom 13.12.2011 1 AZR 432/10 274 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Betriebsvereinbarung 1. Anspruch auf Bonus: 1. Die Betriebsvereinbarung ist auf GL 2 übergegangen, § 613 a BGB. 2. Sie gibt aber keinen Anspruch auf Bonus, sondern lässt dem Arbeitgeber die freie, ungebundene Entscheidung. GL 2 hat wirksam entschieden, keinen Bonus für 2008 zu zahlen. Ergebnis: Kein Anspruch auf Bonus. 2. Anspruch auf Schadensersatz: 1. GL 2/1 hätte Anfang 2008 entscheiden müssen. Er hat diese Verpflichtung verletzt, § 280 I BGB. 2. GL 2/1 hat die Pflichtverletzung zu vertreten, § 276 I BGB. 3. Frau M hat durch die Verzögerung aber keinen Schaden in ihrem Vermögen erlitten, insbes. keinen Anspruch auf Bonus. Ergebnis: M hat keinen Anspruch auf Schadensersatz 275 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Internes Recruitment-Center Arbeitgeberin unterhält deutschlandweit 390 Filialen. Ihr Verkaufsgebiet ist in 15 Regionen eingeteilt, jeder Region ist ein Recruitment- Center angegliedert. Die Filialleiter teilen dem jeweiligen Center die zu besetzenden Stellen mit. Das zuständige Recruitment-Center prüft alle Bewerbungen; die, die die geforderten Kriterien erfüllen, übermitteln es der Filialleitung. Diese trifft die Auswahlentscheidung und führt das Anhörungsverfahren nach § 99 BetrVG durch, wobei sie den Betriebsrat über alle bei ihr eingegangenen Bewerbungen informiert und ihm alle ihr vorliegenden Bewerbungsunterlagen zur Verfügung stellt. Der Betriebsrat hält dies für unzulässig. Er verlangt, dass ihm die Unterlagen aller Bewerber zur Verfügung gestellt werden. LAG Schleswig - Holstein 29.22.2012 – 5 TaBV 8/12 276 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Internes Recruitment-Center Der Betriebsrat hat gem. § 99 I BetrVG Anspruch auf Auskunft über alle Bewerber und Aushändigung der Bewerbungsunterlagen. Das interne Recruitment- Center trifft eine Vorauswahl unter den Bewerbern + unterbreitet einen Besetzungsvorschlag, z.B. um ein bundeseinheitliches Unternehmenskonzept zu wahren. Diese „Vorauswahl“ umgeht die Mitbestimmung des Betriebsrats + ist rechtswidrig. Nicht erheblich ist, dass diese Verfahrensweise bei der Fülle der Bewerbungen effizient und sinnvoll ist. Anders, wenn AG ein externes Personalberatungsunternehmen beauftragt, die Stelle auszuschreiben + aus den Bewerbungen Besetzungsvorschläge zu unterbreiten: AG muss dem Betriebsrat nur Auskunft über die Bewerber geben, die Personalberatung vorschlägt. 277 Arbeitsrecht im Betrieb 7S LeihAN: Betriebsangehörige des • Verleihers, § 14 I AÜG • Betriebsrat aktives+ passives Wahlrecht, §§ 7 II , 8 BetrVG • Kündigungsschutz: Mehr als 10 Mitarbeiter, § 23 I KSchG • Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung BAG 24.01.2013 - 2 AZR 140/12; 20.06.2013 – 2 AZR 271/12 • Entleihers: Leiharbeitnehmer • Zählen mit bei der Betriebsgröße für – Zahl Betriebsrat- Mitglieder, § 9 BetrVG – Kündigungsschutz / Kleinbetrieb, § 23 I KSchG, • wenn sie eingesetzt sind BAG 15.12.2011 – 2 AZR 42/10 – nicht nur vorübergehend o. als Personalreserve, – sondern auf Dauer- Arbeitsplatz mit ständigem, nicht schwankenden Sockelarbeitsvolumen. 278 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Leiharbeitnehmer bei Amazon Amazon Bad Hersfeld beschäftig 65 Leiharbeitnehmer ab dem 1.3.2013. Die Beschäftigung im Hinblick auf das Ostergeschäft ist bis zum 31.03. befristet. Dann sollen die Hälfte der Leiharbeitnehmer in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen werden. Der Betriebsrat erfährt davon und widerspricht der a) Beschäftigung von Leiharbeitnehmern und b) ihrer Übernahme in ein Arbeitsverhältnis und ruft das Arbeitsgericht an. Mit Erfolg? 279 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Leiharbeitnehmer bei Amazon 1. 2. 3. 4. 5. 280 AG hat BR über personelle Einzelmaßnahmen zu unterrichten, insbes. über Einstellungen, § 99 Abs. 1 Die Arbeitsaufnahme von LeihAN ist Einstellung , da Eingliederung in den Betrieb, siehe auch § 14 III 1 AÜG Betriebsrat kann Zustimmung nur in den Fällen des Abs. 2 verweigern, insbes. bei Gesetzesverstoß Mitteilung der Verweigerung binnen 1 Woche mit Gründen, dann Fiktion Zustimmung, Abs. 3 S. 2. Arbeitgeber kann Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragen, Abs. 4 a) Beweislast: BR für Formalien, AG für Nichtvorliegen b) § 100: Dringlichkeit und keine Weigerungsgründe c) Arbeitsgerichts Bad Hersfeld, Hinweis in Güteverhandlung: Entscheidung bis zum 31.03.2013 nicht möglich, so dass Erledigung der Hauptsache eintreten wird. Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Anhörung Betriebsrat vor Kündigung Der G – GmbH mit 25 Mitarbeitern möchte Arbeitnehmer A kündigen, der 2012 abgemahnt wurde, weil er am 04.04. 2012 ohne Entschuldigung 2 Stunden verspätet zur Arbeit erschienen ist. Der Geschäftsführer teilt dem Betriebsrat die Personaldaten von A mit, d.h. Namen, Geburtsdatum und Familienstand, den Arbeitsplatz im Betrieb und das Einstellungsdatum, sowie dass eine Behinderung nicht bekannt sei. Als Grund für die geplante ordentliche Kündigung gibt der G-GmbH „verhaltensbedingte Gründe“ an und schildert als Anlass, dass der A am 05.07.2013 erst um 9:10 Uhr und damit eine Stunde und zehn Minuten zu spät bei der Arbeit erschienen ist, ohne dass eine Krankmeldung oder Entschuldigung vorgelegen hätte. Der Betriebsrat stimmt der Kündigung zu. G-GmbH kündigt außerordentlich, hilfsweise fristgerecht. Sind die Kündigungen wirksam? 281 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Anhörung BR vor Kündigung 1. Außerordentliche Kündigung: Keine Anhörung des Betriebsrates, Kündigung unwirksam, § 102 I BetrVG 2. Ordentliche Kündigung: 1. Anhörung Betriebsrat: Formell i.O. 2. Soziale Rechtfertigung, § 1 Abs. 2 KSchuG Verhaltensbedingt: a) Zuspätkommen: Verstoß im Leistungsbereich = Abmahnung erforderlich b) Abmahnung wegen Verstoß am 04.04.2012 kann nicht berücksichtigt werden, weil in Anhörung des Betriebsrates nicht angegeben 282 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Zustimmung Betriebsrat zur Kündigung Das Vorstandsmitglied H der Pharma AG bespricht am 01.06.2004 mit mehrere Betriebsratsmitglieder, dass der angestellte Kraftfahrer K unerlaubt mit einer Kleingaststätte selbständig ist und aus diesem Grunde fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt werden solle. Varianten: 1. Alle anwesenden BR Mitglieder äußern sich zustimmend, Pharma AG kündigt K am 02.06.2004. 2. Der Betriebsrat berät über das Anhörungsschreiben vom 01.06. abschließend am 04.06. und beschließt, nicht zu widersprechen. Pharma AG kündigt K am 07.06.2004 fristlos, hilfsweise fristgerecht. BAG 03.04.2008 - 2 AZR 965/06 283 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Zustimmung BR zur Kündigung 1. Die Unterrichtung mehrerer BR-Mitglieder erfüllt nicht die Anforderung einer BR-Anhörung, weder a) Unterrichtung des BR-Vorsitzenden, noch b) Beschluss in ordentlicher Betriebsratssitzung nach Ladung an alle und Anwesenheit der Mehrheit. Zustimmende Äußerung „mehrer“ ist - für Arbeitgeber offensichtlich - nicht ordnungsgemäß. Die Kündigung vom 02.06.2004 ist mangels ordnungsgemäßer Anhörung unwirksam. 2. Kündigung vom 07.06.2004: Die Anhörungsfrist läuft an diesem Tag erst um 24 Uhr ab. Nach abschließender Beratung des Betriebsrats am 04.06. kann die Kündigung (vorzeitig) ausgesprochen werden. Kündigung ist formell wirksam. 284 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Kündigung eines Betriebsrats Spedition S GmbH: Ein Fahrer erfährt Freitagnacht, dass er Samstag operiert werden muss. Er will die persönlichen Sachen aus der Sattelzugmaschine (SMZ) holen und findet diese nicht auf dem Platz. Auf Strafanzeige S ermittelt die Polizei über das Betriebshandy den Standort in einem Industriegelände. Dort wird der Disponent A am Sonntag Abend festgenommen, als er die SMZ zum Platz zurückfahren will. Der volle Tank von 750 l ist leer. A ist seit 6 Jahren beschäftigt und Mitglied des Betriebsrats. Der Betriebsrat stimmt seiner fristlosen Kündigung am Montag zu, S kündigt am Dienstag außerordentlich. 285 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Kündigung Betriebsrats 1. Zustimmung Betriebsrates 1. nur zu außerordentlicher Kündigung, 2. keine Auslegung als ordentliche 2. Ordnungsgemäß, wenn a) Sitzung Betriebsrat mit 1. Ladung aller Mitglieder, für zu Kündigenden das Ersatzmitglied 2. Anwesenheit der Mehrheit des Betriebsrates b) Vertrauensschutz Arbeitgeber, wenn er von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung ausgehen durfte und keine hindernden Umstände wusste 3. Kündigungsschutzprozess: a) Sachverhalt trägt objektiv ao Kündigung b) Berücksichtigt werden nur Gründe, zu denen der Betriebsrat angehört wurde. 286 Arbeitsrecht im Betrieb 7 Leitende Angestellte: • Qualifizierende Merkmale, § 5 Abs. 4 – Berechtigung zu Einstellungen +Entlassungen – z.B. Prokura, §§ 48 ff HGB • Herausnahme aus Betriebsverfassung und in Sprecherausschussgesetz: – Anhörung vor Kündigung nicht § 102 BetrVG , – sondern Sprecherausschuss, § 31 SprAG • Kündigungsschutzgesetz, § 14 II: – Keine Begründung Auflösungsantrag, § 9 287 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Fall: Rückkehr zur Klöckner AG Leonard Arbeiter ist 1999 mit Abspaltung der Klöckener International GmbH aus Klöckner Stahlhandel ausgeschieden. Nach Verkauf an Al Bragandhi in 2004 kehrt er ohne sozialen Besitzstand zu Klöckner Stahlhandel zurück. Im Arbeitsvertrag mit umfassenden Befugnissen wird er als „Leitender Angestellter“ bezeichnet. An seinem 1. Arbeitstag bekommt er auf dem Weg in die Chefetage im Aufzug Platzangst und gesteht dem Personalchef, von Kunden „fördernde Zuwendungen“ erhalten zu haben. Er wird nach Hause geschickt, um seine kranke Frau zu pflegen. Nach Anhörung des Sprecherausschusses wird er 3 Wochen später mit 2- Wochen- Frist gekündigt. Hat die Kündigungsschutzklage Aussicht auf Erfolg? 288 Arbeitsrecht im Betrieb 7S Lösung: Rückkehr zur Klöckener AG • Abspaltung + Betriebsübergang § 613 a: Bei Rückkehr kein sozialer Besitzstand • Kündigungsgrund: – Bestechung im geschäftlichen Verkehr, § 299 StGB, Dienstbezug obwohl bei alter Arbeitgeberin – Kein Kündigungsschutz während Probezeit 6 Monate – Anhörung BR: Nein, wenn leitender Angestellter Anhörung Sprecherausschuss – BAG: Einweisung in Arbeitsbereich erforderlich, Einführung wurde aber bereits im Aufzug abgebrochen. • Kündigungsschutzprozess: – Im Kammertermin: – Neue Kündigung: • a.o., § 626 II: • KündigungsschutzG: Probezeit war abgelaufen Kein Kündigungsgrund: 2-Wochenfrist vorbei Kein Grund, nicht verhaltensbedingt – Vergleich: Beendigung AV gegen Abfindung 40.000 € 289 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Betriebsänderungen, § 111 BetrVG • Betrieb mit i.d.R. mehr als 20 Arbeitnehmern • Betriebsänderungen: – – – – Betriebsstillegung, -einschränkung, -verlegung Wesentlicher Personalabbau, § 17 KSchG o. 5% Grundlegende Änderung Betriebsorganisation Grundlegend neue Arbeitsmethoden • Wesentliche Nachteile für die Belegschaft • Beteiligungsrecht: AG muss BR unterrichten + mit BR beraten • Folge: Kündigungen betriebsbedingt, Sozialauswahl ist schwierig 290 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Direktionsrecht & Arbeitsrechtliche Gesetze 291 Arbeitsrecht im Betrieb Grundlegende Rechte & 8 Pflichten Arbeitgeber: Direktionsrecht Beschäftigung § 106 GewO Arbeit zuweisen = Eingliedern Fürsorge • Arbeitnehmer: Lohnzahlung Loyalität Arbeitsgesetze: Überwiegend einseitig zwingend zugunsten des Arbeitnehmers • Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2015 292 Dr. Joachim Ingendahl Arbeitsrecht im Betrieb 8 Direktionsrecht AG, § 106 GewO • Ort der Arbeitsleistung – Erweiterung durch Direktionsrechtsregelungen im Arbeitsvertrag: Montage, Versetzungsvorbehalt • Art der zu leistenden Arbeit + Arbeitstempo • Zeitlicher Umfang der Arbeitspflicht: – Anordnung Überstunden: Nur bei Vereinbarung in Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, § 315 BGB: Konkretisierung der vom AN geschuldeten Tätigkeit nach billigem Ermessen 293 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Lohnabrechnung, § 108 GewO • • • • Steuerklasse / Kinder Bruttolohn Sozialversicherungen Lohnsteuer • Nettolohn: • Urlaubstage • Zeitkonto: z.B. III/ 3 Sachzuwendungen, z.B. PKW AN – Anteile AN: Schuldner AG: Einbehalten + Abführen an FA, § 39 b EStG Überweisungsbetrag Übertragung: Auch Vorjahr Überstunden, Minusstunden Anspruch monatlich, jedoch nur bei Änderungen Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2015 294 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 8 Zeugnis, §§ 630 BGB, 109 GewO • Holschuld des Arbeitnehmers • Zwischenzeugnis: – Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Nur bei triftigem Grund • Einfaches Zeugnis, § 109 I 2 GewO: – Bei Arbeitsverhältnis bis 6 Monate – Nur Personalien, Art + Dauer Beschäftigung • Qualifiziertes Zeugnis, § 109 I 3 GewO : – Bewertung von Leistung und Verhalten: Wahr – Darf AN in seinem Fortkommen nicht hindern: Nur positive Formulierungen Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2015 295 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 8 Arbeitnehmerdatenschutz: • Art. 2 GG: Informationelle Selbstbestimmung • Betriebsverfassungsgesetz: • § 75 II: Freie Entfaltung der Persönlichkeit • § 87 I Nr. 1: Ordnung des Betriebs + Verhalten AN Nr. 6: Technische Einrichtungen, wohl nur Hardware • Anwendungsfälle verdeckte Überwachung: • • • • • Sammlung von Krankheitsdaten Einsatz von Privatdetektiven und Testkunden Tracking: GPS – Ortung Dienstwagen & –handy Einsicht in Telefondaten + E-Mail- Korrespondenz Videoüberwachung / Abhören von Telefonaten Arbeitsrecht im Betrieb, Sommersemester 2015 296 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundesdatenschutzgesetz BDSG • Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räume, § 6 b • Behördenanfrage zu Mitarbeiterdaten, § 13 I a: • • • • Muss Rechtsgrundlage nennen Prüfung: Identität und Rechtsgrundlage AG muss Betroffenen unterrichten + anhören Antwort niemals am Telefon o. per E- Mail, nur durch Datenschutzbeauftragten • Zulässigkeit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, § 32 • Für Begründung, Durchführung o. Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich oder • Tatsächliche Anhaltspunkte für Straftaten 297 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundesdatenschutzgesetz BDSG • Datenschutz am Arbeitsplatz-PC • Pflicht zu internem Datenschutz, Passwörter • Automatische Sperre bei Inaktivität • Sanktionen bei unzulässiger Erhebung: • Beweisverwertungsverbot im (Kündigungsschutz-) Prozess vor Arbeitsgericht • Buß- und Strafvorschriften, §§ 43, 44 298 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Berufsbildungsgesetz, BBiG • Berufsausbildungsvertrag, § 10 Abs. 2: – Grds. Vorschriften zum Arbeitsvertrag – Besonderheiten aus Wesen + Zweck der Ausbildung • Probezeit, § 20: 1 bis 4 Monate • Ende Ausbildungsverhältnis, § 21 – Bestehen der Abschlussprüfung, Abs. 2 – Durchfallen in 2. Wiederholungsprüfung, Abs. 3 – Verlängerung insgesamt max. 1 Jahr • Übergang in Arbeitsverhältnis : – Übernahmeverpflichtung: nur tariflich oder vertraglich – Fiktion bei Weiterarbeit, § 24 299 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Kündbarkeit des Berufsbildungsvertrages, § 22 • In Probezeit, Abs. 1: • ohne Begründung • mit Ein- Tages- Frist • Nach Probezeit, Abs. 2: Enumerativ – – – – Auszubildender: Wegen Aufgabe dieser Ausbildung Beide: Außerordentlich mit schriftlicher Begründung Bestehen der Abschlussprüfung, Abs. 2 Gerichtlichte Geltendmachung: • Sofern Ausschuss nach § 111 II ArbGG eingerichtet: Zunächst diesen anrufen, keine 3- Wochen- Frist – Praxis: Einvernehmliche Beendigung 300 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundesurlaubsgesetz, BUrlG • Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub: – Mindestens 4 Wochen, – Auf Basis 6- Tage- Woche: §§ 3 Abs. 1 , 13 24 Tage • Voraussetzungen für Urlaubsanspruch: – Wartezeit § 4 : Erstmals nach 6 Monaten – Kein volles Jahr gearbeitet : • Teilurlaub, § 5 Abs. 1: 1/ 12 je voller (Kalender-) Monat • ab 01.07. Anspruch auf gesamten Jahrurlaub – Auch bei Krankheit & in ruhendem Arbeitsverhältnis BAG 07.08.2012 – 9 AZR 353/10 – Nicht bei: Kurzarbeit „Null“+ Elternzeit, § 17 I 1BEEG • Urlaubsentgelt, § 11: Lohn ohne Arbeitsleistung – Durchschnittlicher Arbeitsverdienst aus 13 Wochen / 3 M. – ohne Überstunden & einmaligen Leistungen 301 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundesurlaubsgesetz, BUrlG Urlaubserteilung, § 7 : • Auf Antrag des Arbeitnehmers, Abs. 1 – Urlaubswünsche maßgeblich, – außer dringende betriebliche Belange – Gewährung grds. zusammenhängend, zumindest 12 Werktage • Bewilligung durch Arbeitgeber, Abs. 2: Ist grds. unwiderruflich • Nach Kündigung: Anordnung einseitig durch AG , üblich: „Freistellung unter Anrechnung auf Urlaub und Mehrarbeit“ 302 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundesurlaubsgesetz, § 7 BUrlG • Verfall des Urlaubs: Grds. am 31.12. des Jahres • Übertragung ins nächste Kalenderjahr, Abs. 3 – Rechtzeitig verlangter Urlaub wurde – aus dringenden betriebliche o. personenbedingten Gründen nicht gewährt – Übertragungszeitraum 3 Monate: Bis 31.03. • Verlängerung vertraglich möglich BAG 07.08.2012 - 9 AZR 353/10; 16.10.2012 - 9 AZR 63/11 • Langfristige Erkrankung Übertragungszeitraum: – Gesetzlicher Mindesturlaub 15 Monate • 24 / 20 Tage + 5 Tage Schwerbehinderte – Tariflicher Mehrurlaub: BAG 12.11.2013 – 9 AZR 551/12 303 Tarifliche Verfallfrist Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bildungsurlaubsgesetz NW • Regelung länderweise unterschiedlich • Anspruch jeder Arbeitnehmer, § 3: – 5 Tage pro Jahr – Zwei Jahre können zusammengefasst werden • Antrag und Bewilligung, § 5 • Bildungsveranstaltungen, § 9: – Allgemein zugänglich – Täglich in der Regel 8, mindestens 6 Unterrichtstunden à 45 Minuten 304 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Entgeltfortzahlung, EFZG • An gesetzlichen Feiertagen, § 2: – Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, 01.05. Tag der Arbeit, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, 1. + 2. Weihnachtstag • Im Krankheitsfall, § 3: Abs. 3: Erst nach 4 Wochen, selbst bei Arbeitsunfall Abs. 1: Bis zu 6 Wochen je Krankheit ohne Verschulden • Fortzuzahlen, § 4: Regelmäßiges Entgelt, ohne Überstunden • Anzeige- und Nachweispflicht, § 5: – Arbeitsunfähigkeit mehr als 3 Kalendertagen: Vorlage der ärztlichen Bescheinigung am 4. Arbeitstag – AG kann – ohne besonderen Sachgrund - früher verlangen BAG 14.11.2012 - 5 AZR 886/11 • Bei Kündigung wegen Erkrankung, § 8 I: Lohnanspruch bleibt, jedoch längstens für 6 Wochen: Nachweis schwierig 305 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, § 3 • Krankheit: Regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der einer Heilbehandlung bedarf, § 44 SGB V: • Auch Abhängigkeit von Alkohol, Drogen, Nikotin, sobald AN seine Steuerungsfähigkeit verloren hat oder Diagnose. • Nicht: Regelgerecht verlaufende Schwangerschaft, altersbedingtes Nachlassen der Arbeitskraft, Schönheits-OP • Kausal für Unfähigkeit zur vertraglichen Arbeit: • Abhängig von Art + Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung: Arbeitsvertrag und Direktionsrecht • Krankheit ist alleinige Ursache • Keine Teil- Arbeitsunfähigkeit, § 266 BGB • Jedoch keine AU, solange AG im Rahmen seines Weisungsrechts dem AN noch genug Arbeit zuweisen kann: – Verkäufer kann nicht Heben / Maler darf nicht auf Gerüst Schaub § 98, 17; BAG 29.01.1992 - NZA 92, 643 306 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Entgeltfortzahlung bei Krankheit • Nachweispflicht, wenn AU länger als 3 Tage, § 5: – Arztattest vorlegen: Starke Indiz-Wirkung – Widerlegung AG: Ernsthafte Zweifel • z.B. AN hat Erkrankung angekündigt • Facebook: „Ab zum Arzt und dann Kofferpacken!“ – Bei Zweifeln des AG über Krankenkasse: Vertrauensarzt = Medizinischer Dienst, § 275 I Nr. 3 SGB V – Erkrankung im Ausland: • EU- Arztattest erbringt Vollbeweis • Übriges Ausland: Grds. gleicher Beweiswert • Ambulanter Arztbesuch ohne Arbeitsunfähigkeit: – Kein Lohnfortzahlungsgrund: Nur Erkrankung als Anlass – Arbeitsverhinderung, § 616 BGB: • Ärztliche Versorgung während der Arbeitszeit erforderlich oder • Sprechstunden liegen in der Arbeitszeit und Termin außerhalb der Arbeitszeit kann nicht vereinbart werden 307 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Lohnfortzahlung AG bei • Fortsetzungserkrankung (ein LFZ Zeitraum), § 3 Abs. 1 S. 2, wenn – Nr. 1: zwischen dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit und Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit 6 Monate liegen – Nr. 2: seit Beginn der 1. Arbeitsunfähigkeit und der 2. infolge derselben Krankheit ist eine Frist von 12 Monaten abgelaufen – sich beide Krankheiten zeitlich überschneiden, Grundsatz der „Einheit des Verhinderungsfalles“ • Andere Erkrankung (neue LFZ) : Sobald Mitarbeiter zwischendurch gesund geworden 308 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Keine Entgeltfortzahlung, § 3 I: Arbeitsunfähigkeit durch grobes Verschulden • Unfälle: • • • • • Vorsätzlich: Schaden zumindest in Kauf genommen Arbeitsunfälle ohne Schutzkleidung Alkoholmissbrauch, bei Alkoholsucht fraglich Schlägerei: Wenn herausgefordert Sportunfälle: BAG nur bei „besonders gefährlicher Sportart“ • Genesungswidriges Verhalten: Entscheidung Arzt: AN muss unterlassen, was die Genesung verzögern könnte • Versuchter Suizid: i.d.R. psychische Ausnahmesituation • Sterilisation, Schwangerschaftsabbruch: Fiktion § 3 Abs. 2 • Anspruch und Prozess: • Arbeitgeber: Darlegungs- und Beweislast • Arbeitnehmer: Auskunfts- und Mitwirkungspflicht 309 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Mutterschutz- Gesetze • Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter – 6 Wochen vor und 8 Wochen nach der Entbindung – Stillende Mütter, z.B. § 7 • Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, BEEG: – – – – Berechtigte, § 1 Höhe, § 2 Bezugszeitraum, § 4: Bis 14. Lebensmonat Anspruch auf Elternzeit, § 15: 1 bis 3 Jahre • Auch anteilig und von beiden Elternteilen, Abs. 3 • ggf. anderweitige Erwerbstätigkeit, Abs. 4 – Kündigungsverbot, § 18: Zustimmungsvorbehalt 310 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, BEEG • Elterngeld, § 4: Bis 14. Lebensmonat bei Teilung Eltern – Berechtigte, § 1: Keine volle Erwerbstätigkeit – Höhe, § 2: 67 % des Einkommens, max. 1.800 €/Monat • Betreuungsgeld, §§ 4 a ff • Elternzeit, § 15 Abs. 3: 1 bis 3 Jahre – Ruhen des Arbeitsverhältnisses – Erwerbstätigkeit, Abs. 4 • Kündigungsverbot, § 18 : • Ab Verlangen Elternzeit, längstens 8 Wochen vor Beginn sowie während der Elternzeit • Auch während Probezeit 311 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter MuSchuG • Beschäftigungsverbote für Mütter, § 3 ff: – Werdende 6 Wochen, § 3 Abs. 2 und – 8 Wochen nach der Entbindung, § 6 Abs. 1 • Mutterschutzlohn, § 11: Entgelt bei Beschäftigungsverboten • Mutterschaftsgeld, • Von Krankenkasse , 13 §: 13 € kalendertäglich • Arbeitgeber- Zuschuss, § 14: Schutzfristen + Entbindungstag • Durchführung : – Aushang, Auskunftspflicht, Aufsichtsbehörden • Mutterschutzverordnung MuSchV 312 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Mütter: Kündigungsschutz • Mutterschutzgesetz, § 9: – Während Schwangerschaft bis 4 M. nach Geburt – Kenntnis des AGs o. Mitteilung binnen 14 Tagen • Zustimmung – durch oberste Landesbehörde – In besonderen Fällen und nur ausnahmsweise • Klagefrist 3 Wochen, §§ 4, 7 KSchG 313 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Pflegezeitgesetz, PflegeZG: • Ziel des Gesetze, §1 • Kurzzeitige Arbeitsverhinderung, § 2: – Bis zu 10 Arbeitstagen, Abs. 1 – Keine Lohnfortzahlung, Abs. 3 • Pflegezeit: – Voraussetzung: Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung, § 3 Abs. 1 – Höchstdauer 6 Monate • Kündigungsschutz, § 5: – Verbot, Abs. 1 – Zustimmung Behörde im Ausnahmefall, Abs. 2 314 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Teilzeit- + Befristungsgesetz • Verbot der Schlechterstellung von Teilzeitarbeit, § 4: – Anteiliges Arbeitsentgelt, z.B. bei Jahresleistungen – Bei Verstoß: Übliche Vergütung, § 612 II BGB BAG 14.12.2011 – 5 AZR 457/10 • Arbeit auf Abruf, § 12: BAG 24.9.2014 - 5 AZR 1024/12 – Arbeit entsprechend dem Arbeitsanfall – Ohne Absprache gelten 10 Stunden pro Woche als vereinbart: Ohne Abruf Annahmeverzug des Arbeitgebers 315 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Teilzeit- u. Befristungsgesetz • Verringerung der Arbeitszeit, § 8: – AN kann Wunsch nach Verringerung mit Vorlauf 3 Monate anmelden und konkretisieren, Abs. 2 – AG muss Vorschlag mit AN erörtern, Abs. 3 und – Arbeitszeit entsprechend festlegen, sofern nicht wesentliche betriebliche Interessen hindern, Abs. 4 – Verringerung, wenn keine schriftliche Ablehnung, Abs. 5 • Verlängerung der Arbeitszeit, § 9: - AN hat Wunsch geäußert: - AG muss AN bei der Besetzung freier Arbeitsplätze bevorzugt berücksichtigen 316 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Teilzeit- u. Befristungsgesetz • Sachgründe für Befristung, § 14 Abs. 1: Z. 1 Vorübergehender Bedarf Z. 2 Anschluss an Ausbildung o. Studium Z. 3 Vertretung eines anderen Arbeitnehmers Z. 6 Gründe in Person des Arbeitnehmers, auch „Wunsch“ Z. 7 Vergütung aus Haushaltsmitteln Z. 8 Gerichtlicher Vergleich • Sachgrundlose Befristung, § 14 : – Abs. 2: bis 2 Jahre 3 x Verlängerung – Abs. 2a: Neugründungsprivileg binnen 4 Jahren beliebig viele Verlängerungen – Keine Vorbeschäftigung • innerhalb der letzten 3 Jahre, BAG 6.04.2011-7 AZR 716/09 • bislang „jemals“, so weiterhin ein LAG 317 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Teilzeit- u. Befristungsgesetz • Schriftform, § 14 IV: – Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. – Verlängerung vor Auslaufen der Befristung • Ordentliche Kündigung während Befristung: Nur bei Vereinbarung Arbeits-/Tarifvertrag, § 15 III • Wirkung: Arbeitsverhältnis endet mit Fristablauf • Befristungskontrollklage, § 17: – Innerhalb von 3 Wochen ab Auslaufen – Überprüfung grds. nur der letzten Befristung – Grenze: Missbrauchskontrolle • Arbeitslosmeldung, § 141 I 2 SGB III: Bereits 3 Monate vor dem Auslaufen 318 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Arbeitnehmerentsendegesetz AEntG regelt • Mindestarbeitsbedingungen für • grenzüberschreitend entsandte • regelmäßig im Inland beschäftigte AN • Tarifnormerstreckung durch: • § 3 Allgemeinverbindliche TVe zwingend • § 7 andere TVe durch Rechtsverordnung • Gewerbliche Besteller einer Werk- oder Dienstleistung haften dem Arbeitnehmer als Bürge für den Nettolohn, § 14 319 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Arbeitspapiere des AN: Vorlagepflicht beim Arbeitgeber zu Beginn des Arbeitsverhältnisses: • Sozialversicherungsausweis, § 18 h SGB IV – Inhalt: Rentenversicherungsnummer Familien-, Geburts- + Vorname – Grds. keine Pflicht zum Mitführen bei Arbeit • Lohnsteuerkarte von Gemeinde, § 39 I 1 EStG: ab 2012 ELStAM „Elektronische LohnSteuerAbzugs-Merkmale“ 320 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Berufsbildungsgesetz, BBiG • Kann der Auszubildende nach bestandener Prüfung • zur Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verpflichtet werden? Nein, insbes. § 12 BBiG • die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis verlangen? Nein, nur Mitglieder von Jugendund Ausbildungsvertretungen, § 78 a BetrVG 321 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Bundesdatenschutzgesetz • Mitteilung Ergebnisse BEM an Betriebsrat: • Bei einschlägiger Betriebsvereinbarung kann BR Mitteilung der AN verlangen, die BEM § 84 II SGB IX erfüllen. BAG 07.02.2012 – 1 ABR 46/10 • Beweisverwertung: • Heimlicher Schrankkontrolle ohne Einwilligung AN oder verdeckte Videoüberwachung am Arbeitsplatz • im Kündigungsschutzprozess: – Daten in Beschäftigungsverhältnissen, § 32 BDSG – Nur zur Aufdeckung von Straftaten, Abs. 1 S. 2 - wenn konkreter Verdacht einer Straftat - erforderlich: keine weniger einschneidende Mittel - angemessen: Interessenabwägung BAG 20.06.2013 – 2 AZR 546/12 + 21.06.2012 - 2 AZR 153/11 322 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Fall: Teilzeit nach Elternzeit Frau F arbeitet seit 4 Jahren als Stuhlassistenz in Vollzeit bei Zahnarzt Z (5 Stühle, 16 Mitarbeiter). Zum 1.07.2012 endet ihre 3-jähriger Elternzeit. Am 20.03.2012 schreibt sie an Z: „Meine kleine Tochter braucht mich immer noch sehr, ich möchte für sie da sein. Ich bitte daher, meine Arbeitszeit auf 20 Stunden wöchentlich zu beschränken. Im Hinblick auf die Öffnungszeiten der KiTa möchte ich an den 5 Werktagen von 8:00 bis 12:15 Uhr arbeiten. Ich danke für Ihr Entgegenkommen.“ Z hat sich mit seinem Anwalt beraten, dass er auf der Vollzeitbeschäftigung besteht. Er hofft, dass F ihren Arbeitsplatz durch Eigenkündigung frei macht. Welche Arbeitszeiten gelten für F? 323 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Lösung: Teilzeit nach Elternzeit Verkürzung der Arbeitszeit, § 8 TzBfG: 1. In Betrieben ab 15 Mitarbeitern, Abs. 7 2. a) Verlangen Frau F an Z mit konkreter Verteilung der Arbeitszeit, Abs. 2 b) Arbeitgeber kann widersprechen, wenn Organisation, Arbeitsablauf, Sicherheit wesent-lich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten. c) Kein schriftlicher Widerspruch Z spätestens ein Monat vor Beginn Verkürzung: Verkürzung gilt wie beantragt als festgelegt (gesetzliche Fiktion) 324 Arbeitsrecht im Betrieb 8S F: Unberechtigte AG - Weisung Frau T war 4 Jahre als Telefonverkäuferin im Vertrieb der Give-Away GmbH (GA) beschäftigt, seit 3 Jahren ist sie Gruppenleiterin von 12 Telefonakquisiteuren. Im Hinblick auf die Ausdehnung des Vertriebsgebietes auf GB und Polen soll sie ab Juni 2015 alle 2 Monate an Wochenend- Trainees in Südengland und Polen teilnehmen. Als sie dies aus kulturellen Gründen verweigert, kündigt GA am 15.04. zum 30.06.2015 und bietet ab dem 1.7.2015 die Weiterbeschäftigung als Telefonverkäuferin bei einem um 700 € verminderten Gehalt an. T lehnt die Änderung ab. GA weist ihr ab sofort einen Arbeitsplatz als Telefonverkäuferin zu. Kann sich T das Arbeitsgericht anrufen? Mit welchen Anträgen? 325 Arbeitsrecht im Betrieb 8S L: Unberechtigte AG - Weisung • Weisungsrecht des AG, § 106 GewO: • Arbeitsvertrag: - Gruppenleiterin - Anderer Einsatz „bei Bedarf“ • Billiges Ermessen: Der Arbeitgeberentscheidung kommt besonderes Gewicht zu und setzt sich durch, wenn sie nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ist. • BAG: AN muss auch rechtswidrigen Anordnungen des AG zunächst Folge leisten. BAG 28.08.2013 – 10 AZR 537/12 • Rechtsschutz: LAG Rheinland- Pfalz 20.3.2014 – 5 SaGa 13/13 • AN kann Feststellungsklage erheben. • Einstweiliger Rechtsschutz: Gerichtliche Regelungsverfügung würde Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen: Sehr hohe Anforderungen an Verfügungsgrund = Rechtsbeeinträchtigung des AN 326 Arbeitsrecht im Betrieb • Urlaub: 8G Verzicht möglich? – Mindesturlaub, § 3 I: § 13 BUrlG – Zusatzurlaub: Schwerbehinderte, § 125 SGB IX Jugendliche, § 19 JArbSchG – Mehrurlaub: Durch Tarifvertrag, § 4 IV TVG durch Arbeitsvertrag nein nein nein nein ja • Urlaubsabgeltung finanziell, § 7 Abs. 4: – Nur nach Beendigung des Arbeitsvertrages – Verzicht möglich BAG 14.05.2013 - 9 AZR 844/11 • Arbeitsunfähigkeit im Urlaub: Wird nicht angerechnet, § 9 • Ersatzurlaub: AN hat rechtzeitig verlangt, AG verweigert – Schadensersatzanspruch des AN: Kein Verfall, nur Verjährung BAG 14.05.2013 – 9 AZR 760/11 – Schadensersatzpflicht AG auch ohne Urlaubsantrag LAG Berlin-Brandenburg 12.06.2014, 21 Sa 221/14 327 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Fall: Verfall tariflichen Mehrurlaubs bei langandauernder Erkrankung Auf den Arbeitsvertrag (6-Tage-Woche) der F bei Karstadt findet kraft vertraglicher Verweisung der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Anwendung. Lt. § 16 MTV beträgt der Urlaubsanspruch 36 Tage; der Urlaub ist grds. im laufenden Jahr zu nehmen, bei zulässiger Übertragung muss er in den ersten vier Monaten des Folgejahres genommen werden. F war vom März 2008 bis Mitte Mai 2009 arbeitsunfähig krank. Während der sich daran anschließenden Wiedereingliederung beantragte F, ihr 12 Arbeitstage tariflichen Mehrurlaub für das Jahr 2008 zu gewähren. Karstadt teilte F mit, sie solle den Urlaub im Anschluss an die Wiedereingliederungsmaßnahme ab dem 11.06.2009 nehmen. In der Folgezeit widerrief Karstadt die Urlaubsgewährung. Steht F der Urlaub zu? BAG 12.11.2013 – 9 AZR 551/12 328 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Lösung: Verfall tariflichen Mehrurlaubs bei langandauernder Erkrankung I. Urlaubsanspruch 2008: 1. Gem. Tarifvertrag 12 Tage Mehrurlaub über 24 Tage Mindesturlaub gem. BUrlaubG 2. Jedoch gem. Verfallklausel am 30.04.2009 untergegangen II. Anerkenntnis Karstadt, Auslegung: 1. Mit der Urlaubsbewilligung soll ein bestehender Urlaubsanspruch erfülltt werden. 2. Ein rechtsbegründendes Anerkenntnis ist nicht gewollt. (Auch falsche Angaben auf Lohnabrechnungen sind grds. kein Anerkenntnis) III. Ergebnis: F hat keinen Urlaubsanspruch für 2008. 329 Arbeitsrecht im Betrieb 8 S Fall: Urlaubsabgeltungsanspruch + tarifliche Ausschlussfristen A war seit 1984 bei der Großhandels GmbH angestellt. Der Arbeitsvertrag enthielt weder einen Verweis noch Hinweis auf den einschlägigen allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag MTV. Lt. § 18 MTV sind alle finanziellen Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses binnen 2 Monaten nach dem Ausscheiden schriftlich geltend zu machen. A war vom 6.6.2007 bis 01.08.2008 arbeitsunfähig krank. Nach Kündigung durch G-GmbH vereinbarten die Parteien am 02.10. 2007 im Kündigungsschutzprozess durch gerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.08.2008. Urlaub wurde weder gewährt noch abgegolten. Mit Schreiben vom 23.04.2009 verlangt A von der G GmbH schriftlich, den Urlaub 2007 und 2008 abzugelten. Hat er den Anspruch? BAG 21.02.2012 – 9 AZR 486/10 330 Arbeitsrecht im Betrieb 8 S Lösung: Urlaubsabgeltungsanspruch + tarifliche Ausschlussfristen 1. 1. 2. 2. 1. 2. 331 Anspruch auf Urlaubsabgeltung: Grds. Gewährung Urlaub nur in Natur Bei Beendigung Arbeitsverhältnis Abgeltung in Geld, § 7 Abs. 4 BUrlG Der allgemeinverbindliche MTV ist auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, § 5 Abs. 4 TVG Ansprüche auf Urlaubsabgeltung unterliegen als reine Geldansprüche den Verfallfristen. A hat seinen Anspruch nicht innerhalb der Frist von 2 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht:Der Abgeltungsanspruch ist verfallen Arbeitsrecht im Betrieb 8S Fall: Entgeltfortzahlung bei Alkoholrückfall Der langjährig alkoholabhängiger Arbeitnehmer wurde nach zwei stationären Therapien am 23.11.2011 mit einer Alkoholvergiftung (4,9 %o) erneut in ein Krankenhaus eingeliefert und war anschließend über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Er war nicht bereit, die Ursachen aufzuklären. Die gesetzliche Krankenkasse des Arbeitnehmers hat Krankengeld geleistet. Sie nimmt den Arbeitgeber für den Zeitraum bis zur einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) in Anspruch. Aus Sicht der Krankenkasse trifft den Arbeitnehmer kein Verschulden an seinem erneuten Alkoholmissbrauch. Der Arbeitgeber hält die Arbeitsunfähigkeit nach einem erneuten Rückfall trotz mehrfachen stationären Entzugs für selbst verschuldet. BAG 18.03.2015 – 10 AZR 99/14 332 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Lösung: Entgeltfortzahlung bei Alkoholrückfall • • • • Arbeitsunfähigkeit verschuldet i.S.d. § 3 I 1 EFZG, wenn AN in erheblichem Maße gegen das im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit. Eine dadurch verursachte Arbeitsunfähigkeit indiziert nach medizinischen Erkenntnissen kein Verschulden . Alkoholsucht geht auf mehrere Ursachen zurück, die sich wechselseitig bedingen. Dies gilt im Grundsatz auch für einen Rückfall nach einer Therapie. Bei einer Abstinenzrate von 40 bis 50 % kann ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall aber nicht ausgeschlossen werden. Die Darlegungs- und Beweislast für ein Verschulden des Arbeitnehmers trifft den Arbeitgeber auch im Falle eines Rückfalls. BAG hatte bislang wegen der schwierigen Aufklärung der Ursachen einer Alkoholabhängigkeit eine Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers konstituiert. Bei langjähriger Alkoholabhängigkeit geht es nun davon aus, dass den Arbeitnehmer an dem Rückfall regelmäßig kein Verschulden trifft. Auf Beweisantrag des Arbeitgebers muss ein sozialmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden. Das Gutachten wird nur selten feststellen können, dass der Rückfall allein auf das Verschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen ist. Ein Ursachenbündel geht zu Lasten des AG. Hier hat das sozialmedizinische Gutachten ein Verschulden am Rückfall wegen „Suchtdruck nach langjähriger chronischer Alkoholkrankheit“ ausgeschlossen. 333 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Fall: Befristung bei Zuvorbeschäftigung Frau A wird mit Arbeitsvertrag vom 2.10.2007 ab dem 01.01.2008 von Q GmbH eingestellt. Das Arbeitsverhältnis ist bis zum 31.12.2008 sachgrundlos befristet. Zuvor war Frau A vom 11.9.2006 bis 31.12.2007 bei der M GmbH beschäftigt. M GmbH und Q GmbH haben als einzige Gesellschafterin die M Beteiligungs- und Verwaltungsgesellschaft mbH. Die M GmbH hatte Frau A bei der Q GmbH eingesetzt. Eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung hatte M GmbH nicht. Steht Frau A noch nach dem 01.01.2009 bei Q GmbH in einem Arbeitsverhältnis? BAG 18.07.2012 - 7 AZR 451/11 334 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Lösung: Befristung bei Zuvorbeschäftigung • Sachgrundlose Befristung, § 14 II TzBefG: – Nicht, wenn zuvor mit demselben AG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand • Zuvor – Einsatz: – – – – Bei Arbeitnehmerüberlassung gewerblich Kein Konzernprivileg, § 1 III Nr. 2 AÜG Ohne Genehmigung Landesarbeitsamt: Arbeitsverhältnis bestand mit der Q GmbH, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG • Ergebnis: Die Befristung ist aufgrund der Zuvor- Beschäftigung unwirksam. 335 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Befristung nach Ausbildung Frau B absolvierte bei der A- AG eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation, die sie am 23.7.2003 erfolgreich abschloss. Im Anschluss vereinbarte ihr Ausbilder mit ihr einen 1-jährigen befristeten Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG in Verbindung mit dem geltenden Tarifvertrag. Dieser befristete Vertrag wurde zweimal um je ein halbes Jahr bis zum 23.7.2005 verlängert. B klagt auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis über den 23.7.2005 hinaus fortbesteht . Mit Erfolg? 336 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Befristung nach Ausbildung • Befristung mit Sachgrund, dass sich die Beschäftigung an die Ausbildung anschließt, § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG : Nur eine einzige Befristung BAG 10.10.2007 - 7 AZR 795/06 + 7 AZR 800/06: – Sachlicher Grund: Im Anschluss an Ausbildung, um dem AN Übergang in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. – Gericht beurteilt nur letzten befristeten Vertrag: Schloss sich • weder an Ausbildung an, sondern an befristeten Arbeitsvertrag, • noch Zweck, einer Berufsanfängerin den Berufsstart zu erleichtern. Ergebnis: Der Arbeitsvertrag ist unbefristet. • Vermeidung mit sachgrundloser Befristung, § 14 Abs. 2 – Zwar Verbot der Vorbeschäftigung, Ausbildung gilt aber nicht als Beschäftigungsverhältnis BAG 21. 9. 2011 - 7 AZR 375/10 – Befristung bis zur Dauer von 2 Jahren, in diesem Zeitrahmen bis zu 3- Mal Verlängerung 337 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Kücük - Fall: Kettenbefristung Die Justizangestellte Bianca Kücük wird im Juli 1996 beim Amtsgericht Köln als Schwangerschaftsvertretung befristet eingestellt. Weitere Befristungen wegen Vertretungen in Elternzeiten und Sonderurlauben schließen sich an. Nach Auslaufen der 13. Befristung Ende Dezember 2007 klagt Frau Kücük gegen das Land NRW auf Entfristung ihres Arbeitsverhältnisses. Mit Erfolg? BAG 18.07.2012 – 7 AZR 443/09 + 7 AZR 783/10 338 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Lösung: Kettenbefristung -Kücük • Überprüfung BAG (nach Vorlage EuGH): – § 14 Abs. 1, hier Z. 3 TzBfG: Zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers: – Nur die letzte Befristung • Kein Rechtsmissbrauch, § 242 BGB: – Missbrauchskontrolle • Nach Unionsrecht geboten • In Deutschland nach § 242 BGB – Bei Gesamtdauer von 11 Jahren und 13 Befristungen ist Rechtsmissbrauch indiziert 339 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Eingruppierung • Begriff: Zuordnung Tätigkeit AN zu Merkmalen einer Lohn- oder Vergütungsgruppe • Anspruchsgrundlage: Lohn- oder Vergütungsordnung insbes. in – Tarifvertrag oder – Betriebsvereinbarung, §§ 87 I Nr. 10, 77 IV BetrVG • Darlegungslast: – Anwendbarkeit Vergütungsordnung – Einordnung nach Gesamtbild der Tätigkeitsmerkmale • Eingruppierungs- Feststellungsklage • Ist personelle Einzelmaßnahme, § 99 BetrVG 340 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Fall: Stufenaufstieg bei Elternzeit Der Tarifvertrag der Deutschen Telecom knüpft den Aufstieg in die nächste Gehaltsstufe an die „Beschäftigungszeit“. Die Klägerin hat 2 Jahre Elternzeit in Anspruch genommen. Sie beansprucht deren Anerkennung als „Beschäftigungszeit“. Sie macht geltend, durch einen Ausschluss würde sie „als Frau“ diskriminiert. • Eingruppierung: • Auslegung: der Stufenaufstieg soll den Zuwachs an Erfahrungswissen honorieren. • Der Ausschluss der Elternzeit ist weder unmittelbar noch mittelbar geschlechterdiskriminierend. BAG 21.11.2013 – 6 AZR 89/12 341 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Personalgespräch: • Teilnahmepflicht AN: Direktionsrecht, § 106 GewO • Gegenstand: • Leistung und Verhalten des AN • Nicht: Änderung des Arbeitsvertrages • Initiativrecht Arbeitnehmer: BetrVG • § 82 Anhörung & Erörterung • § 84 Beschwerderecht • Hinzuziehung Dritter durch Arbeitnehmer: • Betriebsrat: Nur in enumerativen Fällen: – § 81 IV , § 82 II 2, 83 I 2, § 84 I 2 BetrVG • Schwerbehindertenvertretung, § 95 SGB IX: Nein • Vorgesetzte oder Kollegen: Grds. nein • Gewerkschaftssekre., Rechtsanwalt, externe Dritte: – Nur, wenn auch auf Arbeitgeberseite 342 Arbeitsrecht im Betrieb Personalbeurteilung: 8S • Zeitlohn • Fehlerquellen • • • • • Tendenzen zu Mitte / Milde / Strenge Heiligenschein- Effekt Hierarchieeffekt Keine Fehlerkorrektur Schubladen: Kategorisierung • Prämienlohn: Grundlohn + Prämie • Quantitativ • Qualitative 343 Produktionsmenge (hoch) Materialverbrauch (gering) bessere Güte, Freundlichkeit, Kundenzufriedenheit Arbeitsrecht im Betrieb 8S Umgang mit „Low Performern“ • Abgrenzung: • Controlling: Fehl- /Andersleistung Minderleistung – Vertraglich geschuldete Leistung – Soll-/ Ist- Vergleich • Wesentliche Abweichung: – Quantitative Minderleistung – Qualitative Minderleistung • Arbeitsrechtliche Instrumente: – Personalgespräch – Entgeltkürzung (Vereinbarung, Änderungskündigung) – Kündigung Verhaltensbedingt: Willentlich Personenbedingt: Fähigkeiten 344 Arbeitsrecht im Betrieb 8S Personenbedingte Kündigung: Minderleistung „Low Performer“ • Geminderte Leistungsfähigkeit: – Nur erhebliche quantitative Unterschreitung von mindestens 50 % – Individuelle Normalleistung als Maßstab – Qualitative Minderleistung (überdurchschnittliche Fehlerquote) nicht ausreichend – Nach Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit und zumutbaren Hilfsmaßnahmen • Abgrenzung zu – Arbeitsunfähigkeit: Vorübergehender Zustand – steuerbares Verhalten: Kündigung verhaltensbedingt 345 Arbeitsrecht im Betrieb 8 S Überwachung im System Amazon Zusammenstellen der Lieferungen im Warenlager: EDV – gesteuert + -überwacht • Standort der Waren zur Orientierung, zugleich: – – – – Wege und Normzeiten: Soll Leistungen des Mitarbeiters: Ist Abweichungen Leistung von vorausgesetzter Norm Monitoring zum Vorgesetzten • Durch Vorgesetzten: – – – – 346 Ansprache mit Hinweis Leistungsgespräch: Verdeutlichung der Erwartungen Nur Drohung mit Abmahnung + Kündigung Ziel: Bei Leistungsmängeln Eigenkündigung, ohne Sperrzeit nur bei Krankheit oder Vertragsverstoß AG Arbeitsrecht im Betrieb 8S Qualitätsmanagementsystem QS • Regelung aller Arbeitsabläufe nach Industriestandard ISO 9001: • • • • Qualitäts- Planung: Qualitäts- Prüfung: Qualitäts- Steuerung: Qualitätsförderung: Bestimmung Soll Ermittlung des Ist Korrektur Schulungen • Direktionsrecht des Arbeitgebers: • Alle Regelungen sind Arbeitsanweisungen i.S.d. § 106 GewO • Verstöße sind abmahnfähig 347 Arbeitsrecht im Betrieb 8S • Zivilrechtlicher Rahmen für Arbeitsverhältnis: • Gesetze: Komplex, unübersichtlich, gelten unabhängig von Kenntnis • Ziel: Kenntnis Gesetze und Gesetzessystematik • Arbeitsunfähigkeit (auch Kapital 12): – Definition – Komplexe Wirkungen • Regelungen für besonders Schutzbedürftige • Arbeitsverträge : • Gesetze gelten ohne Vereinbarung • Arbeitsgesetze sind grds. nicht abdingbar: Kapital 9 Gestaltungen Arbeitsverträge 348 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltung durch Arbeitsverträge 349 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Normenhierarchie Arbeitsverhältnisse • Europarecht, insbes. EU -Verordnungen • Einzelne Arbeits- Gesetze & Richterrecht • Tarifvertrag, §§ 3, 5 TVG: Zwischen Gewerkschaften & Arbeitgeber/-verband • Betriebsvereinbarung, § 77 BetrVG • Zwischen Betriebsrat & Arbeitgeber: • Vorrang des Tarifvertrages, Abs. 3 • Arbeitsvertrag • Arbeitgeber: NachweisG, stellt Vertrag als AGB • Arbeitnehmer: Handelt einzelne Bedingungen des Arbeitsvertrages aus, § 305 b BGB • Direktionsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO 350 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Verhältnis der Rechtsquellen zueinander • Hierarchie- Prinzip: Die ranghöhere Norm verdrängt die rangniedrigere • Gesetze: Überwiegend einseitig zwingend zugunsten der Arbeitnehmer • Günstigkeitsprinzip zwischen Tarif- + Arbeitsvertrag sowie Tarifvertrag + Betriebsvereinbarung: Die rangniedrigere Norm geht vor, wenn sie eine dem Arbeitnehmer günstigere Regelung enthält • Arbeitsverträge: Verbesserungen grds. nur zugunsten des Arbeitnehmers möglich 351 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Nachweisgesetz, NachwG: • Verpflichtung Arbeitgeber, § 2 Abs.1: – Spätestens 1 Monat nach Beginn des AVes (Abs. 1a Praktikant vor Beginn) – muss AG einen selbst unterschrieben – Vertragsentwurf dem AN vorlegen – mit allen wesentlichen Bedingungen – Rechtsfolge: Nur deklaratorisch, formlose Vereinbarung und (Gegen-) Beweis möglich • Nichteinhaltung Folgen: – Arbeitgeber hat die Beweislast für alle vom AN bestrittenen Vereinbarungen – Wenn AN substantiiert behauptet + mit Indizien plausibilisiert, muss AG das Gegenteil beweisen 352 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Qualifikationen AN: Berufsausbildung, Fahrerlaubnis, Prüfungen usw. • Geschuldete Tätigkeit, § 2 I Z. 5 NachwG • Arbeitsplatzbeschreibung • Erholungsurlaub über 4 Wochen, § 2 I Z. 8 NachwG • Probezeit: Kündigungsfrist 2 Wochen,§ 622 II BGB • Vertragsstrafen: Z.B. Lohn in vertragswidriger Fehlzeit – Strenger Maßstab bei Auslegung + Angemessenheitskontrolle BAG 23.01.2014 – 8 AZR 130/13 • Vorrübergehender Verhinderung, § 616 BGB: Lohnfortzahlung ausschließen • Tarifverträge: Geltungsvereinbarung, §2 I Z.10 NachwG – Gleichstellung der Nichtmitglieder Gewerkschaften – Jeweiligkeits- Klausel = Dynamische Verweisung 353 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Erweiterung Direktionsrecht,§ 106 GewO • Arbeitsort: • Arbeitszeit: Versetzungsklausel Überstunden anordnen Flexibilisierung & Schichtarbeit Kurzarbeit • Rauch-& Alkoholverbot, z.B. Kraftfahrer, Baustellen • Telekommunikation: Privatnutzung verbieten ? – Telefon – Internet E-Mail- Korrespondenz Virengefahr, insbes. Downloads Software • Ärztliche Untersuchung: – AG kann von AN Einverständnis nur bei begründetem Anlass verlangen, z.B. Anhaltspunkten f. Drogenmissbrauch – Einverständnis im Arbeitsvertrag möglich, wenn Interesse des AG wegen besonderer Gefährlichkeit der Tätigkeit • Kontrollen : 354 Videoüberwachung, § 6 b BDSG Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Kurzarbeit, § 99 SGB III: Anordnungsrecht • Tätigkeitsnachweise: – Führung und Vorlage AN BAG 18.04.2012 – 5 AZR 248/11 – Arbeitszeitnachweise, § 17 MiLoG: Delegieren • Vereinbarte Arbeitszeit, § 2 I Z. 7 NachwG • Arbeitszeitkonten: – Überstunden – Zeitguthaben – Verrechnung mit Minusstunden BAG 21.03.2012 – 5 AZR 676/11 • Überstunden anordnen, nicht aus §106 GewO! • Pauschale Überstundenabgeltung: – Max. Umfang angeben, z.B. 5 Std./Woche – Gesamte rechtlich zulässige Arbeitszeit geschuldet 355 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen: Boni & Co. • Arbeitsentgelt & Fälligkeit, § 2 I Z. 7 NachwG • Lohnzahlung spätesten zum 15. des Folgemonats Verbot Annahme Geschenke /Vergünstigungen Abtretungsverbot Lohnansprüche Kostenerstattung bei Lohnpfändungen Tantieme, Boni, Provision, Zielvereinbarung – Stay-/Retention- Bonus • Weihnachtsgeld: - Entgelt oder • • • • – Förderung Betriebstreue: Ggf. Rückforderung 356 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Private Nutzung des E-MailAccounts: Bei Untersagung AGZugriff auf private Mails zulässig • Steuerliche Privilegierung: Handys und Tablets an AN ohne Erfassung einer privaten Nutzung 357 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Arbeitsvertrag: Beendigung • Befristung TzBefG: Auch bei Sonderkündigungsschutz – § 14: Mit Sachgrund, Abs. 1, ohne, Abs. 2 + Abs. 3 AN bei Beginn 52. Lj. • Altersbefristung, § 41 SGB VI: – Anspruch auf Altersrente kein Kündigungsgrund, S. 1 – Befristungsvereinbarung, S. 2: Erreichen Regelaltersgrenze – Verlängerung, S. 3 neu: Flexible Vereinbarungen DB 2014, S. 1490 ff – Kündigungsfristen, Z. 9: § 622 BGB Verkürzung auf – Arbeitgeber bis 20 Mitarbeiter Z. 2 4 Wochen zum 15. o. Ende des Monats – Vereinbarte Probezeit Abs. 3 2 Wochen – Aushilfe vorübergehend bis 3 Monate Abs. 5 Z. 1 täglich • Kündigungserschwerungen: Nur für Arbeitgeber – Längere Kündigungsfristen – Ausschluss betriebsbedingte o. ordentliche Kündigung • Freistellungsrecht AG = Suspendierung Arbeitspflicht nach Kündigung mit Anrechnung auf Urlaub & Freizeitausgleich 358 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Geheimhaltung: Klarstellung und • Rückgabepflichten: Verstärkung • Wettbewerbsverbot – Für Gewerbezweig Arbeitgeber, § 60 HGB: Verstoß ggf. außerordentliche Kündigung – Nachvertraglich, § 74 HGB: • Wirksam nur bei Karrenzentschädigung, Abs. 2: Mindestens Hälfte von Lohn & Nebenleistung • Längstens 2 Jahre, § 74 a Abs. 1 HGB 359 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Schriftformklausel, § 127 BGB, § 3 NachwG: – Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform – „doppelte“: Auch ein Verzicht auf die Schriftform muss schriftlich erklärt werden – In AGB wegen Transparenzprinzip unwirksam BAG 20.05.2008 – 9 AZR 382/07 • Verfallklausel: • Alle Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag verfallen, wenn sie nicht binnen 3 Monaten • ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht + • bei Ablehnung eingeklagt wird. • Kündigungsschutzklage wahrt auch für vom Ausgang abhängige Vergütungsansprüche 360 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Entlohnungsformen, § 2 I Z. 6 • Zeitlohn Leistungslöhne: • Akkordlohn: Stunden/ Monate Stück- oder Zeit • Geldakkord: Arbeitsmenge x Geldfaktor • Zeitakkord: Arbeitsmenge x Vorgabezeit • Prämienlohn: Grundlohn + Prämie • Quantitativ • Qualitative • Anwesenheit 361 Produktionsmenge (hoch) Materialverbrauch (gering) bessere Güte, Freundlichkeit, Kundenzufriedenheit keine Krankheitszeiten Arbeitsrecht im Betrieb 9 Zielvereinbarungen: • • • • • Einvernehmliche Regelung: Zusätzlich zu einer festen Vergütung erhält der Mitarbeiter einen Bonus, der dem Grunde und der Höhe nach von dem Erreichen eines vereinbarten Zieles abhängig ist. Zielvorgabe, § 106 GewO: • Vorgabe von Arbeitszielen • Einseitig durch den Arbeitgeber • Kontrolle gem. § 315 BGB 362 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Wegezeiten: Vergütung • Abgrenzung: Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte: Nur steuerlich als Werbungskosten • Wegezeiten: Vom Betrieb zu auswärtiger Arbeitsund Einsatzstellen • Sind Arbeitszeit i.S.d. – Arbeitsvertrages: Versprochene Dienste, § 611 & – Arbeitszeitgesetzes • Vergütung: • kann angemessen vereinbart werden • z.B. entfernungsabhängige Auslösung • ggf. Unterscheidung Fahrer + Mitgenommenen • Auslösung: Pauschalierter Aufwendungsersatz, der Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten abdecken soll. BAG 12.12.2012 – 5 AZR 355/12 363 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Nebenbeschäftigung • Allgemeine Grenzen: Arbeitszeitrechtliche Höchstgrenze: Mehrere Arbeitgeber zusammenrechnen, § 2 I 1 ArbZG – Erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskraft • Entgegenstehende Wettbewerbsinteressen • Einzel- o. kollektivvertragliche Beschränkung: – Nebentätigkeitsverbot: Wegen Art. 12 nur bei besonderen Gründen wirksam – Anzeigepflicht: Wirksam • Keine einseitige Rücknahme Genehmigung 364 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Gestaltungen Arbeitsvertrag: • Änderungs-, Widerrufs-+ Freiwilligkeitsvorbehalte • Nur bei Jahreszahlungen, nicht monatlicher Fälligkeit • Stichtagsklauseln in Bonusvereinbarungen, z.B. 13. Monatsgehalt: – Auch Entgeltcharakter: Bindung an ungekündigtes Arbeitsverhältnis insgesamt unwirksam BAG 13.11.2013 - 10 AZR 848/12 – Treueprämie- honoriert nur Betriebstreue- zulässig: • Anspruch nur bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis BAG 18.01.2012 – 10 AZR 667/10 • Rückzahlung bei Ausscheiden bis 31.03. Folgejahr: Nur wenn Beendigung vom AN veranlasst 365 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Vertragsbedingungen Prüfung: • Wirksamkeitskontrolle: – § 125 Formmangel: Arbeitsverträge • Gesetzlich: Formfrei, § 105 GewO • Durch Rechtsgeschäft: Schriftformklausel • Nachweisgesetz: Nur Beweisgründe – § 134 Gesetzliches Verbot, auch TV & BV – § 138 Sittenwidrigkeit, insbes. Wucher – §§ 305 – 310 BGB: Arbeitsverträge als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) • Anwendungskontrolle: Ausübung Bestimmungsrecht, § 315 BGB 366 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Allg. Geschäftsbedingungen • Begriff, § 305 I BGB: Für Mehrzahl von Arbeitsverträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer stellt • Vorrang der Individualabrede, § 305 b • Arbeitsrecht, § 310 IV 2 (seit 2002): • Keine Anwendung auf Kollektivregelungen, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen • Arbeitsverträge: Angemessene Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten • Verstoß: – Klausel ist teilbar (keine Gesamtunwirksamkeit) oder unwirksam, – keine geltungserhaltende Reduktion 367 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Allg. Geschäftsbedingungen • Transparenzprinzip: Klausel • überraschend o. unklar: Zweifel bei Auslegung Zulasten des Verwenders, § 305 c II • nicht klar und verständlich = unangemessene Benachteiligung, § 307 I 2: Einziger Kontrollmaßstab für Hauptabreden, insbes. Entgelt, § 307 III 2 • Inhaltskontrolle: • Unangemessene Benachteiligung, § 307 I 1: • Klauselverbote: – mit Wertungsmöglichkeit, § 308 » Nr. 6: Zugangsfiktion unwirksam – ohne Wertungsmöglichkeit, § 309: » Entgegen Nr. 6 sind Vertragsstrafen möglich 368 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Wirksamkeit AGB im Arbeitsrecht • Kontrolle insbesondere von • Freiwilligkeitsklauseln • Widerrufs- und Rückzahlungsklauseln bei – Darlehen – Weihnachtsgeld – Fortbildungskosten • Angemessenheit: • Auslöser der Verpflichtung darf nicht vom Begünstigten gestaltet werden 369 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Praktikanten: Sonderregelungen • Nachweisgesetz: • Vertragsentwurf Vorunterschrieben: Eigenhändige Namensunterschrift • Praktikantenvertrag vor Aufnahme der Tätigkeit • Ausnahmen von Mindestlohngesetz, § 22: – Abs. 1 Z.1: Alle Pflichtpraktika – Abs. 1 Z. 2: Orientierung Ausbildung /Studium bis 3 Monate – Abs. 1 Z. 3: Begleitend Berufs- oder Hochschulausbildung bis 3 Monate – Abs. 2: Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung – Abs. 3: Berufsausbildung und Ehrenamtliche 370 Arbeitsrecht im Betrieb 9 Sonderzahlungen: • • • • • Freiwillig ohne Rechtsanspruch Betriebliche Übung Konkludente Zusagen Entgeltabreden: Inhaltskontrollen Sonderzahlungen: – Nach billigem Ermessen, § 315 BGB – Bezogen auf Arbeitsleistung – Nicht leistungsbezogen – Mischcharakter BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; 21.08.2012 – 3 AZR 698/10 371 Arbeitsrecht im Betrieb 9 S Fall: Vergütung von Überstunden Kläger ist bei der Spedition S GmbH seit 1990 als Kraftfahrer im Fernverkehr zu einer Bruttomonatsvergütung von 2.450 € beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Mit Klage vom 12.03.2009 begehrt er die Bezahlung von Überstunden November 2006 bis April 2008. Auf der Basis einer 48– Stunden- Woche hat er 307 Stunden und 46 Minuten ermittelt. Spedition S beantragt Klageabweisung. Die Anhörung des Klägers und des Geschäftsführers der S als Partei ergibt, dass bei Einstellung vereinbart wurde, dass der Kläger die Arbeitszeit schulde, die arbeitszeitrechtlich erlaubt sei. Hat die Klage Erfolg? BAG 18.04.2012 – 5 AZR 195/11 372 Arbeitsrecht im Betrieb 9 S Lösung: Vergütung Überstunden 1. Keine Verfallklausel vereinbart, kein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag 2. Verjährungsfrist, § 195 BGB: Jahresende + 3 Jahre 3. Wie viele Stunden sind arbeitsvertraglich geschuldet? 1. 2. Vertragliche Bezugnahme auf ArbeitszeitG, speziell für Kraftfahrer, § 21 a ArbZG, Abs. 4: Verlängerung: Bis 60 Std./Woche - Verzicht auf kalendertägliche Betrachtungsweise - Ausgleichszeitraum: 4 Monate / 16 Wochen Ergebnis: Kläger hat nur die vertraglich geschuldeten Stunden gearbeitet und keine Überstunden geleistet BAG 18.04.2012 – 5 AZR 195/11 373 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Fall: Schweigevereinbarung AG und AN haben im Arbeitsvertrag verein-bart: „Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Höhe seiner Bezüge vertraulich zu behandeln. Dies gilt im Interesse der Betriebsfriedens auch anderen Betriebsangehörigen gegenüber.“ Arbeitgeber AN hat dem Kollegen K offenbart, dass AG sein Gehalt in Im Januar und Februar 2009 um insgesamt 2.995 € gekürzt und ihm insgesamt nur 435 € ausgezahlt habe. AG hat ihn deshalb am 11. März 2009 abgemahnt. Arbeitnehmer erhebt Klage auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte. Mit Erfolg? LAG Mecklenburg – Vorpommern - 21.10.2009 – 2 Sa 183/09 374 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Lösung: Schweigevereinbarung • Verstoß gegen den Arbeitsvertrag: Nur bei wirksamer Vereinbarung nach AGB- Recht • Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren, ist unwirksam, da sie den Arbeitnehmer daran hindert, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. • Klage erfolgreich! 375 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Darlehen: Rückzahlungsklauseln • Darlehen des Arbeitgebers an Arbeitnehmer: • Vertrag ohne Einflussmöglichkeit des Arbeitnehmers mit vorformulierter Klausel: – Rückzahlung automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig : Unwirksam – Berechtigung des Arbeitgebers zur Kündigung des Darlehens in allen Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis vor vollständiger Rückzahlung beendet wird : Unwirksam, da auch Kündigungsgründe aus der Sphäre der Arbeitgeberin erfasst werden (z.B. betriebsbedingte Kündigung). • Keine geltungserhaltende Reduktion. BAG 12.12.2013 – 8 AZR 829/12 376 Arbeitsrecht im Betrieb 9S AGB: Arbeitgeberdarlehen + Verfallklausel • 1. In einem vom Arbeitgeber gestellten Darlehensvertrag ist die Klausel, dass der nicht getilgte Restbetrag eines Arbeitgeberdarlehens fällig wird, wenn das Arbeitsverhältnis gleich aus welchen Gründen endet, wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 I 1 BGB unwirksam. • 2. Der Arbeitgeber kann sich als Verwender auf die Unwirksamkeit der Fälligkeitsregelung nicht berufen. Er muss das Restdarlehens in der vereinbarten Ausschlussfrist unter Zugrundelegung der unwirksamen Gesamtfälligkeitsregelung rechtzeitig geltend machen. Der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf den Ablauf einer Ausschlussfrist greift nur solange der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer von der Einhaltung der Anschlussfrist abgehalten wird. Endet dieser Vertrauenstatbestand vor Ablauf der Ausschlussfrist, muss der Arbeitgeber seinen Anspruch grundsätzlich innerhalb der noch laufenden Ausschlussfrist geltend machen. • 3. Eine der AGB-Kontrolle unterliegende Ausschlussfrist für "alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen", erfasst auch Ansprüche wegen Vorsatzes sowie für Schäden, die auf der Verletzung des Lebens, Körpers oder der Gesundheit oder auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Diese Ausschlussfrist verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 I 2 BGB und § 309 Nr. 7 Buchst. b) BGB, denn die Verkürzung der Verjährungsfristen für Ansprüche auf Schadensersatz wegen grob fahrlässiger Pflichtverletzung ist eine Haftungsbegrenzung im Sinne dieser Vorschrift. LAG Hamm 25.11.2014 - 14 Sa 463/14 377 Arbeitsrecht im Betrieb 9 S Fort- /Weiterbildungskosten: Rückzahlungsklauseln: • Verpflichtung nur außerhalb des Arbeitsvertrages • Transparenz: - Zu Beginn Ausbildung, § 307 I 2 BGB BAG 6.8.2013-9 AZR 442/12 - Höhe Kosten ohne Unklarheiten • Zulässige Bindungsdauer: Interessenabwägung – Dauer der Entgeltfortzahlung und Kosten AG – Wert für AN Richtlinie: 6 – 9 Monate Bindung pro Monat Ausbildung • Auslöser Kündigung durch – Arbeitgeber: Nur bei verhaltensbedingter Kündigung – Arbeitnehmer: Unangemessen benachteiligt i.S.d. § 307 IV 1 BGB, wenn Gründe aus der des Sphäre des Arbeitgebers nicht ausgenommen sind. BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; 21.08.2012 – 3 AZR 698/10 378 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Fall: Rückzahlung Fortbildungskosten Die Priegnitzer Eisenbahn betreibt Nahverkehrszüge. Auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 14.07.2003 beschäftigt sie A seit dem 01.08.2003 im Service. Vom 04.10.2005 bis 10.02.2006 absolvierte A eine von der P finanzierte Ausbildung zum Triebwagenführer. Am 31.02.2004 vereinbart P mit A und 24 anderen Mitarbeitern: Die Ausbildung erfolgt im Interesse von A an seiner beruflichen und fachlichen Fort- und Weiterbildung. A wird unter Fortzahlung seiner Bezüge freigestellt. P trägt die Unterrichts- und Prüfungsgebühren, Übernachtungs- und Reiskosten. Kündigt A selbst oder P aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen binnen 2 Jahren, hat A die Kosten der Ausbildung zeitanteilig zu erstatten. A besteht die Prüfung am 12.03.2006. Aufgrund eines Vorfalls am 13.04.2006 wird ihm der Eisenbahnfahrzeugführerschein eingezogen und er wieder im Service eingesetzt. A kündigt zum 31.12.2006 selbst. P klagt auf Zahlung von 7.500 € als Ausbildungskostenerstattung. Hat die Klage Erfolg? BAG 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; 28.05.2013 – 3 AZR 103/12; 18.03.2014 – 9 AZR 545/12 379 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Lösung: Rückzahlung Fortbildungskosten 1. Die Vereinbarung über die Ausbildungskostenerstattung ist AGB i.S.d. § 305 I BGB: Identische Vereinbarung mit 25 Triebwagenführern. 2. Die Vereinbarung über die Ausbildungskostenerstattung ist unwirksam nach § 307 I 1 BGB. A wird durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt: a) Die von P gestellte Klausel belastet A ohne Ausnahme für jeden Fall der Eigenkündigung. Sie unterscheidet nicht, ob der Grund der Sphäre des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers zuzurechnen ist. b) Keine geltungserhaltende Reduktion mit dem Inhalt, das der Grund der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. c) Teilung der Vertragsklausel nur, wenn der unzulässige Teil sprachlich und inhaltlich eindeutig abtrennbar wäre. 3. Es kommt nicht darauf an, ob A von P zur Kündigung veranlasst wurde. 380 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Dienstwagen mit privater Nutzung • Sachwert ist (Brutto-)Lohn, wie Verpflegung/ Telefon • Versteuerung: Fahrtenbuch o. 1 % Regelung • Sozialversicherungen: Pflichtig • Nutzungseinschränkung: – Privatfahrten – Nur selbst, keine Familienangehörigen – Keine Auslandsfahrten 381 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Dienstwagen private Nutzung Widerrufsvorbehalt in Arbeitsvertrag o. Dienstwagenvereinbarung: BAG 21.03.2012 – 5 AZR 651/10 • Wirksamkeit als AGB: Ausreichender Anlass: • Erkrankung: Event. mit Ende Lohnfortzahlung • Kündigung: Bei – Endtermin oder Freistellung – Kündigungsschutzklage: Nur wenn aussichtslos • Ausübung: Angemessenheit , § 315 BGB • Rückgabeforderung unberechtigt: Nutzungsausfallentschädigung als Schadensersatz 382 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Private Nutzung betrieblicher IT • E- Mails: • Sicherheit Datenübertragung, Trojaner • Sicherung Schutz Privatsphäre – (Mit-) Lesen, z.B. Administrator – Löschen nach Beendigung Arbeitsvertrag • Surfen • Herunterladen/download von Software • Gefahr von Hackerangriffen • Verbot gem. § 106 GewO Betriebsvereinbarung 383 Arbeitsrecht im Betrieb 9S E-Mail- Adresse mit privater Nutzung • Während Arbeitsverhältnis: • Kontrollrechte Arbeitgeber – (Mit-) Lesen durch Administrator / Kollegen – Arbeitszeit: Höchstgrenzen + Aufzeichnung • Beweisverwertung – Arbeitszeit- Nachweis – Kündigungsgrund • Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses: • Korrespondenz- Archiv – Trennung – Mitnahme - Löschen • Speicherung auf privatem Datenträger: PC, Laptop, Smartphone, Stick 384 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Privatnutzung IT am Arbeitsplatz • Grundlegend: Verbot durch Arbeitgeber? • Surfen im Internet als Kündigungsgrund: • Pornographische Inhalte: BAG ja • Ausschweifende Nutzung: Erst nach Abmahnung • E- Mails: BAG 07.07.2005 – 2 AZR 581/04 • Übermäßige ggf. Arbeitszeitbetrug • Mitlesen bei Kollegen, z.B. System- Administrator • Weiterleitung geschäftliche an Kollegen, Dritte, PrivatAccount • Einsicht in Korrespondenz - betrieblich - privat • Herunterladen von Software: • Trojaner – Gefahr (trotz firewall) • Urheberrecht: Kostenlos nur für private Nutzung 385 Arbeitsrecht im Betrieb 9 S Informationstechnologie = IT • Heimarbeitsplatz: Gesamte Arbeit über das Netz • Eintragungen in Social Media, facebook u.a.: – Verwertung bei Recruting – Ehrenschutz (Beleidigung + Verleumdung): Kündigung • Private Nutzung dienstlicher PC`s & Smartphones: – Anschlüsse: Telefon + Internet – Zugriff AG auf private Nutzungsdaten des AN? – Betriebsvereinbarungen, z.B. e-mail und internet • Dienstliche Nutzung private Einrichtungen „byod“: – bring your own device: Trend wg. Kosten & Effizienz – Keine Einführung durch Weisung Arbeitgeber – Betriebliche Interessen: Herausgabe, Datenschutz? 386 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Probleme privater PC`s, Smartphones • Anforderungen § 9 BDSG sichern • Freiwillige Arbeit: ArbeitszeitG, Aufzeichnung • Sicherung Betrieblicher Daten, Korrespondenz: • Datenübertragung, Kopien • Zugriff • Datensicherheit Unternehmen: • Mitnahme und Kopieren interner Daten • Löschen bei Gerätetausch + Beendigung des Arbeitsvertrages • Urheberrecht Software: Nur private Nutzung kostenlos 387 Arbeitsrecht im Betrieb 9S Aufhebungs-/Abwicklungsverträge • Aufhebungsvertrag Regelungen: – Abfindung sozialer Besitzstand = Betriebszugehörigkeit – Freistellung mit Anrechnung Urlaub + Mehrarbeit – Qualifiziertes Arbeitszeugnis – Verschwiegenheitspflicht – Ggf. nachvertragliches Wettbewerbsverbot – Ausgleichsquittung: Kein weiteren Ansprüche • Vorteil Arbeitgeber: Kein Kündigungsschutz • Arbeitnehmer droht Sperrzeit, § 159 SGB III: – Bei Aufhebungsvertrag – Nicht bei Abwicklungsvereinbarung oder Klageverzicht 388 Arbeitsrecht im Betrieb 9 S Beendigung gestalten • Kündigung Arbeitgeber: – Freistellung, unter Anrechnung auf Urlaub und Überstunden – Abfindungsangebot, § 1a KSchG (selten) • Vertrag einvernehmlich: – Sperrzeit - Vermeidung, SGB III, zulässig: • Klageverzicht • Abwicklungsvereinbarung über Kündigung – „Turboklausel“: AN erhält • vertraglich tägliches Sonderkündigungsrecht und • bei Ausübung Anteil an erspartem Brutto- Lohn als Abfindung 389 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Mitarbeiter- Recruting & Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG 390 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Personalmanagement: • Personalplanung: Unterrichtung BR § 92 I BetrVG • Personalbedarf – Gegenwärtig und zukünftig – Quantitativ und qualitativ • Personaldeckung (-beschaffung, -abbau) • Personalentwicklung • Personaleinsatz • Personal- Marketing • Personal- Recruiting: Bewerbungs- und (Intern § 93 BetrVG) Einstellungsverfahren • Mitarbeiter 391 - Incentives - Controlling: Leistungskontrolle Arbeitsrecht im Betrieb 10 Stellenausschreibungen = Vorvertragliches Schuldverhältnis: • Arbeitgeber: Definiert Anforderungsprofil – Rücksichtnahme – Aufklärung über wesentliche Umstände • Arbeitnehmer: Offenbarungspflichten – Qualifikation und Eignung, Berufszeugnisse – Gesundheitszustand, § 7 ArbSchG, ArbMedVV z.B. Kraftfahrer: Alkoholabhängigkeit – Nicht: Schwangerschaft, Familienplanung – Behinderung nur, wenn sie Beschäftigung ausschließt – Vollzug einer Freiheitsstrafe – Transsexualität: ggf. nach ausgeschriebener Stelle 392 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Bewerbung • Vorstellungskosten: Aus Aufforderung zur Vorstellung • folgt Ersatzpflicht der erforderlichen Auslagen, §§ 670, 662 BGB • Ausschluss muss unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden • Bewerbungsunterlagen: • Unterrichtung Betriebsrat, § 99 I BetrVG • Anspruch auf Rückgabe 393 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Fragerecht des Arbeitgebers: • Bei berechtigtem + schutzwürdigen Interesse: • • • • Schulzeugnissen und Noten Fachliche Qualifikation und berufliche Erfahrungen Auslandsaufenthalte, Sprachkenntnisse, wenn f. Tätigkeit relevant Eignung für die konkrete Tätigkeit, auch körperliche • Einzelfälle: • • • • • • • • zulässig? Alter/ Geburtsdatum und Geburtsort grds. ja Alkohol- + Drogenabhängigkeit, HIV, Raucher nein Bisheriger Verdienst, Vermögensverhältnisse, Bonität nein Gewerkschafts-, Religions-, Parteizugehörigkeit nein Schwangerschaft, Heirats- & Familienplanung nein Schwerbehinderung nein - jedoch nach 6-monatiger Beschäftigung ja Vorstrafen: Nur wenn Verurteilung einschlägig zur Tätigkeit Ansteckende Krankheiten ja • Verstoß: Arbeitnehmer hat das Recht zur Lüge 394 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Eignungsuntersuchungen • Eignungstests: • Nichtärztliche Untersuchungen • Graphologische Gutachten • Psychologische Tests • Krankheiten und Gesundheitszustand: • Fragerecht: Bei Bezug zu beruflichen Anforderung • Ärztliche Untersuchungen bei Bezug zur Tätigkeit: – AG definiert gesundheitliche Anforderungen – Durch Betriebsarzt o. Arbeitsmediziner: Schweigepflicht – muss entbunden werden – Ggf. Pflicht: z.B. JArbSchG, BG • Genomanalyse: Verbot, §§ 19 ff GendiagnostikG 395 Arbeitsrecht im Betrieb 10 personal recruting: • Stellenausschreibung: • Aufforderung zur Abgabe eines Arbeitsangebotes • Keine unzutreffenden Angaben • Diskriminierende Einstellungsvoraussetzungen: Vermutung für Benachteiligung, §§ 11, 7, 1 AGG: – – – – – – – Deutscher Metallfacharbeiter Verkäuferin: Geschlechtsneutrale Ausschreibung Hausmeisterehepaar: Gleichgeschlechtliche Paare? Bis 35 Jahre: Alter Berufsanfänger, Junganwalt, Frauenkanzlei Trainee für Young Professionals / Hochschulabsolventen Übliche Bewerbungsunterlagen = Foto und Lebenslauf • Auswahlprozess AGG: Verbot jeder (nachweisbaren) Diskriminierung 396 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Allgemeines GleichbehandlungsG • Als Kriterium für Differenzierung unzulässig = Diskriminierung, § 1: – Geschlecht – Religion – Rasse - sexuelle Identität - Weltanschauung - ethnische Herkunft – Alter - Behinderung, 81 II SGB IX Demographischer Wandel zwingt zu Einwanderung • Anwendungsbereich, §§ 6-18: – Beschäftigte & Bewerber, § 6 Abs. 1: Arbeitsbedingungen einschl. • Zugang zur Erwerbstätigkeit und beruflicher Aufstieg • Entgelt, Aus- und Weiterbildung, Kündigungen – Arbeitgeber, § 6 Abs. 2 – Ausschreibung Arbeitsplatz: Stellenanzeige, § 11 397 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Allg. Gleichbehandlungsgesetz • Zulässige Kriterien: • • • • Ausbildung, mehrjährige Berufserfahrung Kenntnisse, auch Sprachen, insbes. Deutschkenntnisse Junior Consultant Auch: Fußballfan clubbezogen, fraglich: Ossi / Wessi • Unzulässige Kriterien: Sexuelle Identität: Geschlecht Jung, dynamisch: Alter Führerschein: Behinderte mittelbar Gesund Behinderte Hochschulabsolventen / Young Professionals übersetzt junger Fachmann /-frau – Familienplanung Geschlecht Frau – – – – – ArbG D´dorf 13.3.2013 - 11 Ca 7393/11; BAG 21.6.2012 - 8 AZR188/11 398 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Formen Ungleichbehandlung • Unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1 AGG: Weniger günstige Behandlung einer Person gegenüber einer anderen in einer vergleichbaren Situation • Mittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 2: Benachteiligung durch neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien o. Verfahren, die sich faktisch diskriminierend auswirken • Belästigung, § 3 Abs. 3: Verletzung der Würde der Person, insbes. durch Schaffung eines von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichneten Umfelds • Sexuelle Belästigung, § 3 Abs. 4: Unerwünscht • Anweisung zu diesen Verhaltensweisen, § 3 Abs. 5 399 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Allg. Gleichbehandlungsgesetz • Mittelbare Diskriminierung, § 3 Abs. 2: – Gruppenbildung nach nicht verbotenen Kriterien – Eine Gruppe wird kollektiv und unmittelbar benachteiligt – Mit Gruppe sind statistisch sind insbes. gegen Benachteiligung Geschützte betroffen BAG 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 • Benachteiligungsverbot, § 7: • • – – – – – 400 Arbeitgeber, Arbeitskollegen und Dritte Formen der Benachteiligung, § 3: Abs. 1: Unmittelbare = weniger günstige Behandlung Abs. 2: Mittelbar durch scheinbar neutrale Regelung Abs. 3: Belästigung Abs. 4: sexuelle= unerwünscht + Verletzung der Würde Abs. 5: Anweisung zu Verhalten Arbeitsrecht im Betrieb 10 Zulässige Benachteiligungen Berufliche Anforderungen, § 8: • Objektiv für Ausübung der Tätigkeit wesentlich und entscheidend, nicht nur zweckmäßig: • Verkehrsanschauung: – Erzieher in Mädcheninternat – Trendmoden für Jugendliche nicht durch Verkäufer der Elterngeneration – Damenmoden • Kaum durch unternehmerisches Konzept: – Frauenbuchhandlung oder –kanzlei • Nicht durch Kunden- oder Käufererwartung: – Weibliche Vertriebsmitarbeiterin, Kosmetik? • Entgeltgleichheit, Abs. 2: Die Aspekte des § 1 rechtfertigen keine unterschiedliche Bezahlung 401 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Rechtfertigung Diskriminierung • Nachteile verhindert oder ausgeglichen, § 5: • Durch geeignete und angemessene Maßnahmen • Verpflichtung öffentliche Arbeitgeber: Einladung schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgespräch, § 82 S. 2 SGB IX • Religion oder Weltanschauung, § 9 • Alter, § 10 S. 1 Fallgruppen Z. 1 bis 6, jeweils – Legitimes Ziel – Angemessenheit des Mittels: vernünftig und geeignet – Erforderlichkeit des Mittels: geringster Eingriff Beispiele Bundesarbeitsgericht: - Altersgrenze für Beschäftigung - Staffelung der Kündigungsfristen 402 18.09.2014 - 6 AZR 636/13 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Folgen Ungleichbehandlung: • Arbeitgeber muss die erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung ergreifen, § 12 Abs. 1 • Flankierend und Verstärkung: • Beschwerderecht des Beschäftigten, § 13 • Leistungsverweigerungsrecht, § 14 (§ 273 BGB) • Maßregelungsverbot, § 16 (neben § 612 a BGB) • Schadensersatzanspruch, § 15: – Materieller Schaden, Abs. 1 – Immaterieller Schaden, Abs. 2 – Kein (Erfüllungs-) Anspruch auf Einstellung o. beruflichen Aufstieg, § 15 Abs. 6. 403 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Schadensersatzansprüche, § 15: • Materieller S., Abs. 1: Außer kein Verschulden • Entgangener Verdienst: Differenzrechnung • Immaterieller S., Abs. 2: Verschuldensunabhängig • bei jeder Benachteiligung, § 7, wenn nicht – in Auswahl einbezogen – eingestellt • Ausnahme: Keine ernsthafte Bewerbung (§ 242) • Angemessene Entschädigung: – Alle Umstände einbeziehen, auch Abschreckung – Maximal 3 Monatsgehälter, wenn bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt: Beweis AG • Ausschlussfrist 2 Monate, Abs. 4 : Schriftliche Geltendmachung BAG 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 404 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Allg. Gleichbehandlungsgesetz • Beweislast, § 22: Abgestuft • Mitarbeiter: Vortrag + Beweis von Indizien, die eine Benachteiligung i.S.d. § 1 AGG vermuten lassen, z.B. § 82 SGB IX • Arbeitgeber: Beweis, dass kein Verstoß vorlag • Kein Auskunftsrecht des Bewerbers, • ob ein anderer eingestellt wurde oder • aufgrund welcher Kriterien • Gibt der Arbeitgeber dem abgelehnten Bewerber keine Auskunft über seine Auswahlentscheidung, lässt das allein noch keine Diskriminierung vermuten. BAG vom 25.04.2013 – 8 AZR 287/08 405 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Rechtsfolgen Ungleichbehandlungen • Arbeitgeber: • Mitarbeiter: • Betriebsrat + Gewerkschaft haben bei groben Verstößen eigenes Klagerecht, § 17 Abs. 2 – Bei Verstoß geeignete, erforderliche + angemessene Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreifen, z. B. Abmahnung, Versetzung, Kündigung, § 12 Abs. 3. – Verbot Benachteiligung wegen Berufung auf AGG- Rechte, § 16 (vgl. § 612 a BGB). – Beschwerderecht, § 13 – Leistungsverweigerungsrecht: Darf Leistung verweigern, soweit zu seinem Schutz erforderlich, wenn Arbeitgeber gegen die Belästigung keine geeigneten Maßnahmen ergreift, § 14 (vgl. 273 BGB). – Schadensersatzanspruch, § 15 Abs. 1: Vermögensschaden (z.B. Ersatz des entgangenen Verdienstes), außer kein Verschulden des Arbeitgebers. – Nichtvermögensschäden verschuldensunabhängig, § 15 Abs. 2: Angemessener Ausgleich in Geld, Höhe richtet sich nach der Art, Dauer, Schwere und Wiederholungsfall der Diskriminierung, Anlass, Beweggründe und Grad des Verschuldens des Arbeitgebers. BAG: Entschädigung mindestens ein Monatsgehalt. AGG sieht für eine diskriminierende Nichteinstellung als Höchstbetrag 3 Monatsgehältern vor. Begrenzung entfällt, wenn Bewerber ohne die Diskriminierung eingestellt worden wäre. – Frist für Geltendmachung: 2 Monate, § 15 Abs. 4. – Kein (Erfüllungs-) Anspruch auf Einstellung o. beruflichen Aufstieg, § 15 Abs. 6. 406 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Lebensalter & Personalauswahl • Altersstrukturanalyse und AltersgruppenManagement – Zieldefinition: Gewünschte Verteilung – Verhinderung Überalterung: Einstellung Junge • Neueinstellungen: AGG • Lebensalter als Kriterium unzulässig • Kündigung „sozial wirksam“: • Betriebsbedingt mit Sozialauswahl – Lebensalter hemmend – Nicht: Verjüngung des Mitarbeiterschaft • Altersgruppenbildung, § 1 Abs. 3 S.2 KSchG: – Nur Erhalt einer bestehenden Altersstruktur – Kündigung aus allen Altersschichten proportional 407 Arbeitsrecht im Betrieb 10 • Vermeidungs-Strategie: – Ausschreibung & Auswahlverfahren: Ohne jede Diskriminierung – Einstellungsentscheidung: geheim – Ablehnungsschreiben: Ohne Begründung & immer freundlich • Auswirkungen AGG im Betrieb: – Einstellungsvoraussetzungen leistungsorientiert – Betriebsklima vorurteilsfrei – integrierend 408 Arbeitsrecht im Betrieb 10 AGG konforme Stellenausschreibung • Alter: – Keine Altersangabe (Zwischen… Nicht älter als..) – Keine direkte Ansprache einer Zielgruppe: » Jünger: Young Professionals, junge Dynamiker » Älter: Erfahrene Alte Hasen, rüstige Rentner – Selbstbeschreibung: Wir sind jung & dynamisch • Geschlecht: Stets geschlechtsneutral • Ethnische Herkunft und Rasse: – Signalwort „Muttersprache“ meiden – Sprachkenntnisse: nur soweit für Stelle erforderlich – Lichtbild nicht explizit anfordern • Behinderung: Keine Hinweise – Körperlich belastbar, geistig flexibel 409 Arbeitsrecht im Betrieb 10 personal recruting: Rechtlich • Abwerbung: Grundsätzlich zulässig • Wettbewerbswidrigkeit, § 3 UWG: Nur bei Hinzutreten besonderer Umstände • Verleiten zum Vertragsbruch: Aufforderung zur Verletzung (noch) bestehender arbeitsvertraglicher Verpflichtungen • Erteilung einer unrichtigen Auskunft • Ausnutzung von Geschäftsgeheimnissen des Mitbewerbers • An betriebliche e-mail- Adresse, § 7 II Nr. 3 UWG • Telefonanrufe am Arbeitsplatz als „cold calls“, sofern mehr als erste Kontaktaufnahme BGH 22.11.2007 – I ZR 183/04 410 Arbeitsrecht im Betrieb 10 Personalpolitik • Auswahl geeigneter Mitarbeiter: • Personalbedarf, Bewerbungsverfahren, Einstellung • Gesunderhaltung der Mitarbeiter: • Prävention: – Arbeitsschutz & -sicherheitsgesetze: Compliance – Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM • Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX: – Nach 6 Wochen Erkrankung oder bereits früher – Leidens- oder krankheitsgerechter Arbeitsplatz sowie Hilfe bei allen Problemen, ggf. durch selbständige Berater • Unfähigkeit zur geschuldeten Arbeit: • • • • 411 Anpassung Arbeitsbedingungen: Freier, leidensgerechter Arbeitsplatz Änderungskündigung Beratung zum Schutz durch das soziale Netz Kündigung aus personenbedingten Gründen Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Thomas „Tom“ Neuwirth gewinnt den Eurovision Song Contest 2014 als „Conchita Wurst“ Was ist ihm im Einzelnen alles „Wurst“? Die Privatperson Tom Neuwirth & die Kunstfigur Conchita Wurst sind zwei eigenständige Persönlichkeiten mit ihren eigenen Lebensläufen, die gemeinsam ein markantes Zeichen für Toleranz und gegen Diskriminierung setzen. Conchita verdankt ihre Geburt dem Umstand, dass Tom Zeit seines Lebens mit Diskriminierung zu kämpfen hatte. Also schuf er eine „Frau mit Bart“ als auffälliges Statement. Als Katalysator für Diskussionen über Begriffe wie „anders“ oder „normal“. Aussehen, Geschlecht und Herkunft sind „völlig WURST“, wenn es um die Würde und Freiheit des Einzelnen geht. „Einzig und allein der Mensch zählt“, sagt Neuwirth/ Conchita, „jeder soll sein Leben so leben dürfen, wie er es für richtig hält.“ Wer ist moderner? Tom oder das AGG! 412 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Der transsexuelle Lagerarbeiter Die Fa. Naturstein Niederrhein GmbH mit über 20 Arbeitnehmern beschäftigt in ihrem Lager seit über 5 Jahren den zuverlässigen und allseits geschätzten Herrn Victor. Herr Victor offenbart dem Geschäftsführer, dass er „im falschen Körper lebe“. Nach einer medizinischen Geschlechtsumwandlung werde er zukünftig als Frau Victoria leben. 1. Der Geschäftsführer erklärt Ihnen, dass er im Lager keine Frau einsetzen könne, u.a. gäbe es nur Männertoiletten und –umkleiden. Er bittet Sie um Vorschläge, das Arbeitsverhältnis auf schnellstem Wege zu beenden. 2. Nach einem halben Jahr verlangt Victoria die Umschreibung ihres Arbeitszeugnisses auf sich als Frau. 413 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Lösung: Der transsexuelle Lagerarbeiter 1. Transsexuellen Gesetz: Regelt nur Änderung Vornamen 2. Anfechtung: 1. 2. Kein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum, § 119 Abs. 1 BGB Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 Abs. 2 BGB: 1. Geschlechterzuordnung: Im Lager wohl ja 2. Aber: Geschlecht nach AGG kein zulässiges Kriterium 3. Kündigung, soziale Rechtfertigung, § 1 KSchG: 1. 2. Personenbedingt: Geschlecht gem. AGG kein zulässiges Kriterium Betriebsbedingt: Sofern im Lager reiner Männerarbeitsplatz, insbes. sofern Gründe gem. § 8 AGG 4. Einigung mit Kriterien: 1. 2. Psychologisches Problem des Mitarbeiters: Muss sein Leben im anderen Geschlecht neu beginnen Abfindung zum Ausgleich von 1. 2. Bei Verlangen nachträglich auf Namen der Frau, Grundsatz der Wahrheit hindert jedoch Umschreibung 5. Zeugnis: 414 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Fall: Stewardessen für Air Furt Im Hinblick auf die andauernde Ertragskrise gibt der neue CEO der kränkelnden Airline aus Erfurt einen Wechsel der Personalpolitik bekannt: Man werde zu dem ursprünglichen Konzept ausschließlich weiblichen Kabinenpersonals zurückkehren und damit für die Fluggäste attraktiver werden. Bereits aufgrund der Berichterstattung in der Presse rechne er mit einer Welle von Bewerbungen attraktiver junger Frauen. Der homosexuelle H fühlt sich angesprochen. Welche Aussichten hat seine Bewerbung? 415 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Lösung: Stewardessen für Air Furt 1. Wenn Air Furt das neue Personalkonzept realisiert, hat die Bewerbung keinen Erfolg. 2. Hingegen Chancen gem. § 15 auf materiellen / immateriellen Schadensersatz, weil 1. 2. 416 in der Pressemitteilung Männer allgemein und älteren Frauen im Besonderen benachteiligt werden, dieser Verstoß die Rechtswidrigkeit der Benachteiligung im Bewerbungsverfahren indiziert, §§ 3, 7, 11, 22 AGG Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer: • In Arbeits- und Tarifverträgen • Grds. unwirksam wegen Altersdiskriminierung • Anpassung der Dauer „nach oben“: Für alle BAG 20.03.2012 – 9 AZR 529/10 Rechtfertigung Ungleichbehandlung durch: • • • • • 417 Verfolgung eines rechtmäßigen Ziels, § 3 Abs. 2 Positiven Maßnahmen ("affirmative actions"), § 5 Differenzierung wg. beruflicher Anforderungen, § 8 "Kirchenklausel„, § 9 AGG Zulässige Differenzierung aufgrund Alters, § 10 AGG Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Mehrurlaub für ältere Arbeitnehmer Ein Arbeitgeber gewährt seinen Mitarbeitern ab dem 58. Lebensjahr ohne individuelle Vereinbarung jährlich 2 zusätzliche Urlaubstage. Werden die jüngeren Mitarbeiter diskriminiert? 1. Unmittelbare Ungleichbehandlung wegen Alters 2. Grundsätzliches Verbot, § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG 3. Rechtfertigung gem. § 10 S. 3 Nr. 1 AGG: 1. 2. 3. Rechtfertigung durch legitimes Ziel Mittel geeignet: Angemessen und erforderlich Sicherung des Schutzes älterer Beschäftigter: Bei über 50- jährigen ist ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis nachvollziehbar. BAG 21.10.2014 – 9 AZR 956/12 418 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Fall: Mindestgröße für Flugkapitäne Wer bei der Lufthansa Pilot werden will, muss lt. Tarifvertrag mindestens 1,65 m groß sein. Die 19-Jährige P bewarb sich, bestand alle Tests - und flog beim Nachmessen raus: 3,5 Zentimeter zu klein. Sie klagt auf 135.000 Euro als Schadenersatz und Entschädigung. Frauen seien im Schnitt kleiner als Männer, also könnten weniger Frauen die erforderliche Mindestgröße erreichen. Die Lufthansa macht geltend, dass die Mindestgröße erforderlich sei, um Flugzeuge sicher zu steuern. LAG Köln: Sieht in der Mindestgröße eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil Frauen im Durchschnitt kleiner seien als Männer. Über die Größenregelung kommen deutlich weniger Frauen zum Zug, als Männer. Mehr als 40 Prozent der Frauen über 20 Jahre, aber nur vier Prozent der Männer über 20 Jahre seien kleiner als 1,65 Meter. 419 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Entschädigungsansprüche nach AGG: M GmbH entwickelt kundenspezifische Datenbanklösungen basierend auf dem MS SQL Server (2000/ 05) vorwiegend für industrielle Prozessanwendungen. Am 22.06.2009 schrieb sie Stellen für „zwei freiberufliche Mitarbeiter (bei Eignung Festanstellung möglich) als Net Entwickler (m/w) SQL Datenbankentwickler zwischen 25 und 35 Jahren“ aus. Der am 27.03.1956 geborene K bewarb sich erfolglos. Nachdem M GmbH zumindest einen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, sah sie letztlich von einer Einstellung ganz ab. K erhebt am 27.10.2009 Klage beim Arbeitsgericht auf Zahlung einer Entschädigung von 26.400 €. Hat K einen Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG? BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11 420 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Entschädigungsanspruch § 15 Abs. 2 AGG 1. Persönlichen Anwendungsbereich des AGG: 1. 2. Als Bewerber ist der Kläger nach § 6 I 2 „Beschäftigter“ Unerheblich insoweit, ob Bewerber : 1. objektiv geeignet ist oder 2. die Bewerbung subjektiv ernst gemeint war (ggf. jedoch Einwand des Rechtsmissbrauchs, § 242 BGB) 2. Unmittelbare Benachteiligung i.S.d. § 3 I: 1. Wenn K wegen eines in § 1 genannten Grundes (Alters) einen Nachteil erfährt, bei Einstellung nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. 2. Eine Benachteiligung wird nicht beseitigt durch 1. Nichtbesetzung der ausgeschriebenen Stelle, 2. spätere Einstellung des Benachteiligten 421 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Entschädigungsanspruch: Fortsetzung 1. obwohl er objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war: 1. 2. Nach Anforderungsprofil des Arbeitgebers Im Arbeitsleben herrschende Verkehrsanschauung 2. Beweislast, § 22: Indizien für Altersbenachteiligung 3. Rechtzeitig innerhalb der 2- Monatsfrist, § 15 IV? 4. Höhe bei immateriellem Schaden: Gericht berücksichtigt Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, Anlass und Beweggrund des Handelns, Wiederholungsfall und abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber. BAG 23.08.2012 - 8 AZR 285/11 422 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Altersgrenze in Betriebsvereinbarung Der 1942 geborene A ist seit 1980 bei der B AG beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten Einstellungsmitteilung war das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 1976 sah die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres vor. Dieses vollendete A im August 2007. A wendet sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses, er sieht sich auch wegen seines Alters benachteiligt. BAG 05.03.2013 -1 AZR 417/12 423 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Lösung: Altersgrenze Betriebsvereinbarung 1. Erreichung des Rentenalters und Beginn der Altersrente a) beenden Arbeitsverhältnisse nur bei Vereinbarung im Arbeitsvertrag, b) sind kein Kündigungsgrund, § 41 SGB VI 2. Regelung in Betriebsvereinbarung, § 77 II : Wahrung von Recht + Billigkeit, § 75 BetrVG, bei Anspruch auf Regelaltersrente. 3. Keine Altersdiskriminierung Ergebnis: Das Arbeitsverhältnis ist beendet. 424 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Tarifliche Altersgrenzen im MTV P, geboren am 25.04.1949, ist seit vielen Jahren Flugzeugführer bei der Lufthansa. Gem. Nr. 5 a des Manteltarifvertrages für das Cockpit-personal der Lufthansa endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem das 60. Lebensjahr vollendet wird, ohne dass es einer Kündigung bedarf. P ist nicht damit einverstanden, dass sein Arbeitsverhältnis am 30.04.2009 enden soll und erhebt Klage auf Entfristung. Mit Erfolg? BAG 18.01.2012 - 7 AZR 112/08 425 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Tarifliche Altersgrenzen im MTV – Für Befristung kein sachlicher Grund, § 14 I 1 TzBfG – §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG: Auf Alter beruhende Ungleichbehandlung bei der Entlassung – Zulässigkeit wegen Alters gem. § 10 AGG: – Wegen beruflicher Anforderungen, § 8 I • Unterschiedliche Behandlung – Objektiv – Angemessen und – durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt • Mittel: Nur angemessen und erforderlich • Mit 60. Geburtstag keine objektive Änderung Ergebnis: Pensionierung mit Vollendung 60. Lebensjahr unwirksam Bei Ausgleich durch Frührente wirksam, § 5 AGG 426 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Entschädigungsansprüche nach AGG Das beklagte Land hatte 2 Stellen für Lehrkräfte in einer JVA ausgeschrieben. Der Kläger ist Diplompädagoge und bewarb sich als zu 60 % Schwerbehinderter. Mit Schreiben vom 29.08., Zugang am 02.09. lehnte das Land die Bewerbung ab. Mit am 04.11. eingegangenen Schreiben meldet Kläger Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche an, weil er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde. Welche Ansprüche hat der Kläger? BAG 15.03.2012 - 8 AZR 160/11 427 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Lösung: Entschädigungsanspruch AGG 1. Entschädigungsanspruch wegen immateriellen Schaden, § 15 Abs. 2 AGG: 1. Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“, § 6 I 2 2. Benachteiligung als Schwerbehinderter, §§ 7, 22 AGG: Rechtsverstoß, § 82 SGB IX 1. 2. 3. 3. Als Schwerbehinderter auf Bewerbung bei öffentlichem AG nicht eingeladen obwohl objektiv geeignet Höhe kann in Ermessen des Gericht gestellt werden, keine Begrenzung auf 3 Monatsgehalt 2. Verfall, § 15 Abs. 4 AGG: Schriftlich innerhalb 2 Monaten geltend machen, bis 2.11., hier erst am 04.11. 428 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Wartezeitkündigung wg. Aidserkrankung Medic AG stellt intravenös verabreichte Arzneimittel zur Krebsbehandlung her. Sie stellt A als ChemischTechnischen Assistenten zur Arbeit im Reinraum ein. Bei der Einstellungsuntersuchung wenige Tage nach Beginn der Arbeit teilt A dem Betriebsarzt seine HIVInfektion mit, der Arzt äußerte Bedenken gegen den Einsatz im Reinraumbereich. Nach Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht teilte er Medic die Infektion mit. Noch am selben Tag kündigte Medic das Arbeitsverhältnis ordentlich. Wegen seiner ansteckenden Krankheit könne sie A nach ihrem QSSystem nicht einsetzen. Mit der Kündigungsschutzklage macht A geltend, er sein behindert. Die Kündigung sein unwirksam, sie diskriminiere ihn wegen seiner Behinderung. Zurecht? BAG vom 19.12.2013 – 6 AZR 190/12 429 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Wartezeitkündigung wegen Aidserkrankung: 1. Kündigungsschutzgesetz: Nicht in Wartezeit 6 Monate, § 1 Abs. 1 KSchG 2. Schwerbehinderung: a) Bei symptomloser HIV – Infektion fraglich, hier 10% b) Kündigungsschutz nach 6 Monaten, § 90 I SGB IX 3. Diskriminierung iSd. § 3 I AGG: a) Behinderung: Beeinträchtigung an der Teilhabe an der Gesellschaft aus körperlichen Gründen b) Kündigung wegen „Behinderung“ ist außerhalb des Kündigungsschutzgesetz nach § 134 BGB iVm. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht entgegen dem Wortlaut - nicht entgegen. c) Rechtfertigung, sofern der Einsatz des Klägers im Reinraum nicht durch angemessene/ zumutbare Vorkehrungen ermöglicht werden kann. 4. Ergebnis BAG: Zurückverweisung zur Aufklärung 430 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Fall: Sprachdiskriminierung S GmbH betreibt ein öffentliches Hallenbad. Die 55- jährige V aus dem ehemaligen Jugoslawien mit kroatischer Muttersprache ist seit Juni 1985 zur Reinigung und seit 14 Jahren als Vertretung an der Kasse tätig. V muss mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden sprechen. Da V dies immer schlechter gelingt, fordert S sie auf, auf eigene Kosten einen Deutschkurs zu besuchen. V ist hierzu nur auf Kosten der S bereit. Eine Abmahnung nimmt S zwar zurück, bittet aber zugleich den Rechtsanwalt der V, „unabhängig von juristischen Kategorien“ seine Mandantin zu bewegen, „schlicht ihre Resistenz gegenüber der Sprache eines Landes aufzugeben, in dem sie sich seit mehr als 25 Jahren aufhält“. V fordert von S GmbH eine Entschädigung in Höhe von 15.000 €, weil sie sich wegen ihrer Rasse sowie ihrer Nationalität diskriminiert fühlt. Mit Erfolg? BAG 22.06.2011 – 8 AZR 48/10 431 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Lösung: Schadensersatz gem. § 15 II 1. Unmittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 1: Sprache wird nicht als Merkmal verpönt 2. Mittelbare Benachteiligung, § 3 Abs. 2: 1. 2. Dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien o. Verfahren beachteiligen geschützte Gruppe besonders Nicht, wenn durch rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt und Mittel angemessen und erforderlich, hier (+) 3. Belästigung, § 3 Abs. 3: 1. 2. 3. Unerwünschte Verhaltensweise Im Zusammenhang mit Grund § 1 AGG verletzt die Würde 4. Tarif- o. Vertragsverstoß als Benachteiligungsindiz: Nur Vorschriften, die zumindest auch den Schutz von Arbeitnehmern wegen Merkmalen § 1 AGG bezwecken (nicht § 84 II, aber § 81, 82 SGB IX) 432 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Kündigung wg. sexueller Belästigung K ist bei der car GmbH seit 1996 als Kfz-Mechaniker tätig. Im Juli 2012 sprach er im Waschraum die Mitarbeiterin eines externen Reinigungsdienstes P mit den Worten an, sie habe einen schönen Busen, und berührte sie an der Brust. Als P erklärte, dass sie dies nicht wünsche, ließ der Kläger sofort von ihr ab. Am 31.07.2012 bat die car GmbH K zu einem VierAugen- Gespräch. K gestand die Tat, entschuldigte sich, er habe sich „eine Sekunde lang vergessen“, und beteuerte, dass eine Wiederholung seines Verhaltens ausgeschlossen sei. Er habe den Eindruck gehabt, dass die Mitarbeiterin mit ihm geflirtet habe. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte car GmbH das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. K entschuldigte sich schriftlich bei P und zahlte ihr im Rahmen eines Täter-OpferAusgleichs ein Schmerzensgeld. P nahm die Entschuldigung an und sah von einem Strafantrag ab, das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. K hat fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben. BAG vom 20.11.2014 -2 AZR 651/13 433 Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Kündigung wg. sexueller Belästigung • • 434 Außerordentliche Kündigung: Wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB fehlt. Zwar liegt sowohl eine verbale als auch körperliche sexuelle Belästigung i.S.d. § 3 IV AGG vor: Die Aussage des K und die Berührung der waren unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der P verletzte. Dennoch ist eine Abmahnung ausreichend: Das künftige Verhalten von K kann durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden. K hat sein Fehlverhalten als einmaliges „Augenblicksversagen“ eingeräumt, obwohl er es bei der „Vier-Augen-Situation“ im Waschraum eventuell erfolgreich hätte abstreiten können. Es ist auszuschließen, dass K sich noch einmal irrtümlich einbildet, angeflirtet zu werden und vergleichbar reagiert. Er hatte keinen Belästigungswillen. Entschuldigungsschreiben und Täter-Opfer-Ausgleich zeigen, dass K über sein Verhalten ehrlich erschrocken war. Car GmbH ist zwar verpflichtet, die geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Arbeitnehmer (?) vor K zu schützen und eine Wiederholung zu verhindern, § 12 III AGG . Andererseits muss sie zu Gunsten des Täters alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und auch bei schwerem Fehlverhalten die Verhältnismäßigkeit prüfen. Von Bedeutung sind vor allem eine langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit und die Schwere der Pflichtverletzung. Ein reuiges Nachtatverhalten wirkt sich positiv auf die Prognose der Wiederholungsgefahr aus. Zeigt der Täter keinen Belästigungswillen und ist nicht einschlägig abgemahnt, kann eine Kündigung unverhältnismäßig sein. Arbeitsrecht im Betrieb 10 S Bewerbungskonzept „AGG- Hopper“: Will keine Stelle, sondern Schadensersatz 1. Anzeige / Stellenausschreibung objektiv diskriminierend 2. Bewerbung als objektiv Diskriminierter 3. Beobachtung, ob im Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschlossen, § 3 Abs.1 4. Verfallfrist: Anspruch binnen 2 Monaten schriftlich geltend machen, § 15 Abs. 4 5. Nicht bei objektiver Nichteignung – unabhängig von Kenntnis BAG 14.11.2013 8 AZR 997/12 435 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitssicherheit & Arbeitszeit 436 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Schutzgut Arbeitssicherheit: • Freizeit, Erholung • Vermeidung: Überlastung, burn out • Höchstdauer der Arbeitszeit: – täglich 8 Std., Anordnung 9, max. 10 Std., § 3 – Verlängerung nur durch Tarifvertrag, § 7 I Nr. 2a – Besonderheiten Berufskraftfahrer: FahrpersonalG • Nachtzeit, § 2 III: 23 - 6 Uhr + -arbeit, IV > 2 Std. • Nachtarbeitnehmer, § 2V: 48 Tage o. Wechselschicht • Sonn- und Feiertagsbeschäftigung, § 9: Beschäftigungsverbot von 0 bis 24 Uhr 437 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG Arbeitszeit, § 2 I : • Beginn bis Ende, unabhängig, ob auch gearbeitet jedoch ohne Ruhepausen • Arbeitsbereitschaft: Betriebsbedingte Wartezeit innerhalb der Betriebszeiten • Technisch erforderliche Vorbereitungshandlungen: • Ab Werkstor/ Betreten Betriebsgebäude • Hochfahren Computer • Fahrtzeiten bei Dienstreisen, als Fahrer + Beifahrer • Wasch- und Umkleidezeiten: Nur wenn AG eine bestimmte Kleidung vorschreibt + Umkleiden im Betrieb erfolgen muss BAG vom 19.09.2012 – 5 AZR 678/11 438 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Ruhepausen, §4 Unterbrechungen der Arbeitszeit BAG 13.10.2009 - 9 AZR 139/08 – Begriff: Beginn und Ende stehen im Vorhinein fest, weder Arbeit, noch Bereithalten für Weisungen, Dauer: mindestens 15 Minuten – Dauer: Bis 9 Stunden Arbeitszeit: 30 Min., § 4 ArbZG mehr als 9 Std.: 45 Min. täglich • Ruhezeiten, § 5: Nach Arbeitsende mind. 11 Std. frei • Aktuell: Grenze zum Privatleben verschwimmt: • Erreichbarkeit außerhalb Arbeitszeit: Erwartung - freiwillig • auf (dienstlichem) Handy oder per Internet: Lösen die Verrichtung der Arbeit von Anwesenheit am Arbeitsplatz • Bei Dokumentation: AG wohl zur Kontrolle verpflichtet 439 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Nachtzeit, § 2 III: 23 -6 Uhr ; -arbeit, IV > 2 Std. • Nachtarbeitnehmer, § 2V: 48 Tage o. Wechselschicht • Nacht-(§ 2 III -V) & Schichtarbeit, § 6: – Abs. 3: Vor Beginn + alle 3 Jahre arbeitsmedizinische Untersuchung – Abs. 4: Umsetzungsanspruch auf Tagarbeitsplatz – Abs. 5: Tarifliche Ausgleichsregelung o. –tage / Zuschlag • Sonn- & Feiertage, § 9: Beschäftigungsverbot – – – – 440 §§ 10, 14 Ausnahmen: Beschäftigung zulässig § 11 Ausgleich durch Ersatzruhetag § 12 Abweichung per Tarifvertrag §§13,15 Genehmigung durch RechtsVO /Aufsichtsbehörde Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Überarbeit o. Überstunden: • Überschreitung der vertraglichen Arbeitszeit, § 16 Abs. 2 ArbZG • Mehrarbeit: • Geht über die gesetzlich normalerweise zulässige Arbeitszeit von 8 Stunden hinaus • Vertragliche Arbeitszeitformen: • Gleitzeit, mit Anwesenheit in Kernzeiten • Schichtarbeit: 2-, 3-, 4-, 5-, Konti-Schicht 24 Std. 7 T • Vertrauensarbeit: Keine Kontrolle der Arbeitszeit, nur der Arbeitsergebnisse 441 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Bereitschaftsdienst: • Zur Verfügung stehen + sich bereit halten, um im Bedarfsfall von sich aus volle Arbeitstätigkeit sofort aufzunehmen • Dienst am Arbeitsort /-nähe: „Wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung“, z.B. Schlafen im Bereitschaftsraum • Ist Arbeitszeit i.S.d. Arbeitsschutzes • Vergütungspflicht: – Kann geringer sein, Pauschalabgeltung 15 – 25 % zulässig – Voll, wenn Inanspruchnahme größer 50 % • Rufbereitschaft: • • • • 442 Unvorhersehbarkeit des Arbeitsanfalles Freie Wahl des Aufenthaltsortes Ist Ruhezeit, bei Inanspruchnahme Arbeitszeit Grds. vergütungspflichtig TVöD12,5 % d. üblichen Entgeltes, ggf. auch pauschale Abgeltung Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitszeitgesetz, ArbZG • Zur Beurteilung der Arbeit berücksichtigen: Intensität der Belastung, insbes. Häufigkeit der Inanspruchnahme Dauer der Arbeitsbereitschaft Einfluss auf den Lebensrhythmus Regel- o. Unregelmäßigkeit von Unterbrechungen • Verantwortlichkeit + Folgen zu späten Eingreifens • Störfaktoren: Geräusche oder Erschütterungen • • • • • Beteiligungsrechte des Betriebsrates: • Überwachung Einhaltung, § 80 I Z. 1 BetrVG • Mitbestimmung bei Lage der Arbeitszeit, § 87 Abs. 1 Z. 2 + 3 BetrVG 443 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Schichtarbeits- Modelle: • Zwei – Schichtbetrieb: Zwei nacheinander liegende 8-Stunden-Schichten mit Kapazitätsnutzung von 16 Stunden pro Tag • Drei- Schichtbetrieb: Rund um die Uhr Betrieb in der Arbeitswoche • Als Diskontinuierliche Schichtarbeit: • Betriebszeit unter 168 Std./Woche, • Wochenende oder nur Sonntag arbeitsfrei • Kontinuierliche Schichtarbeit = Vier- oder Fünf- Schichtbetrieb: Kontinuierlicher Arbeitsbetrieb an 7 Tagen über 24 Stunden = 168 Std. /Woche 444 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Gesetz über Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, ASiG • Betriebsärzte, § 2 Aufgaben, § 3: – Z. 2: Untersuchung + arbeitsmedizinische Beurteilung der Arbeitnehmer – Z. 3: Durchführung Arbeitsschutz + Unfallverhütung – III: Aufgabe nicht Überprüfung Krankmeldungen – Ärztliche Schweigepflicht: – Für sämtliche Befunde – auch bei Arbeitsplatzbezug+ Sicherheitsrelevanz • Fachkräfte für Arbeitssicherheit, § 5: – Sicherheitsingenieure, Techniker und Meister – Angestellt oder überbetrieblicher Dienst 445 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Bestellung durch Unternehmen: • Betriebsärzte, § 3 ASiG • Ärztliche Schweigepflicht, § 8 I 3 • Fachkräfte für Arbeitssicherheit, § 5 • Sicherheitsingenieure, Techniker und Meister • Beide: Pflicht zur Bestellung, §§ 2 I, 5 I, wenn erforderlich im Hinblick auf • Betriebsart &verbundene Unfall-/Gesundheitsgefahren • Zahl der Arbeitnehmer und ihre Zusammensetzung • Betriebsorganisation • Bei Anwendung ihrer Fachkunde weisungsfrei, § 8 I • Unmittelbar dem Betriebsleiter unterstellt, § 8 II • Sicherheitsbeauftragter, § 22 SGB VII: Ab 20 MA 446 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsschutzgesetz: • § 3 Verantwortung des Arbeitgebers • § 4 Gestaltung der Arbeit: Vermeidung von Gefahren • § 5 Präventive Gefährdungs- Beurteilung • § 6 Dokumentation • § 9 Eingeschränkter Zugang zu gefährlichen Arbeitsbereichen • § 12 Unterweisung der Arbeitnehmer • § 13 Für Erfüllung der Arbeitgeberpflichten verantwortliche Personen • § 15 Pflichten der Beschäftigten 447 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsschutzgesetz ArbSchuG Grundpflichten des Arbeitgebers: Arbeitsschutz und Gesundheitsfürsorge gegen Arbeitsunfälle + Berufskrankheiten : • Erforderliche Maßnahmen treffen, § 3 • Mit der Arbeit verbundene Gefährdungen ermitteln, § 5: • • • • 448 Konkretisierung der Fürsorgepflichten aus § 618 BGB Anspruchsgrundlage des Arbeitnehmers Schlüssel für zielgerichteten Arbeitsschutz Präventive Gefährdungsbeurteilung Arbeitsrecht im Betrieb 11 Verbesserung des Arbeitsschutzes durch Gefährdungsbeurteilung, § 5 • Ermittlung der Gefährdungen • Nur physisch oder auch psychische Belastungen? Beurteilung der Gefährdungen Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen Durchführung der Maßnahmen Überprüfung: Durchführung + Wirksamkeit der Maßnahmen • Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung • Dokumentation Ergebnisse & Maßnahmen, § 6 Siehe § 3 Allg. Pflichten AG , ArbMedVV • • • • 449 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsschutz • Vertragliche Pflicht Arbeitnehmer, § 15: • Arbeitsschutz- + Unfallverhütungsvorschriften • Einsatz Schutzkleidung + Sicherheitsvorrichtungen • Eignungs- und Vorsorgeuntersuchungen • Arbeitsschutz Verordnungen, § 18: • § 5 III Z. 3: Arbeitsmittelsicherheit BetrSichV 2015: Gefährdungsbeurteilung & Schutzmaßnahmen • § 7 : Arbeitsmedizinische Vorsorge, ArbMedVV: – § 2 Pflicht-, Angebots- + Wunschuntersuchungen – AN auf definierten risikobehafteten Arbeitsplätzen – Keine unmittelbare Unterrichtung der Arbeitgeber, sondern Beschäftigte dürfen Untersuchungen ablehnen 450 Arbeitsrecht im Betrieb 11 BetriebssicherheitsV 01.06.2015 • Verantwortlich: Arbeitgeber • Gefährdungen beurteilen, notwendige und geeignete Schutzmaßnahmen ableiten • Arbeitsmittel: • Produktsicherheit + CE Kennzeichnung • Betriebssicherheit: Anpassung an Betriebsverhältnisse • Anleitung und Qualifikation der Mitarbeiter: Betriebsanweisung und Unterweisung • Sicherheitsmaßstab: Stand der Technik & technische Regeln als Hilfsmittel • Kein Bestandsschutz für alte Arbeitsmittel • Vertrauensschutz bei Neuerwerb in EU, für eigene Änderungen muss Arbeitgeber selbst einstehen. Wilrich DB 2015, 981; Wiebauer, ArbRA 2015, 198 ff 451 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitssicherheits- Normen: BGVorschriften (BGV) • Deutsche Gesetzliche V2, seit 1.1.2011 Unfallversicherung DGUV • BGV A1: Grundsätze zur Prävention: • § 1 Unfallverhütungsvorschriften (UVV) gelten für Unternehmer & Versicherte, siehe § 15 ArbSchG • § 7 (2) Unternehmer darf MA, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich/andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. 452 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsschutzgesetz ArbSchuG Beteiligung Betriebsrat gem. BetrVG • Mitbestimmung Arbeitsschutz: Soziale Angelegenheiten, § 87 I Z. 7: Beurteilung Gefährdung und Aufbau einer Organisation zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten sowie Gesundheitsschutz BAG 18.03.2014 - 1 ABR 73/12 • Arbeitsschutz + Unfallverhütung, § 89: • Betriebsrat muss sich einsetzen, Abs. 1 • Arbeitgeber muss BR hinzuziehen und unterrichten 453 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII Träger: Berufsgenossenschaften • Pflicht zur Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, § 14 • Unfallverhütungsvorschriften BG (UVV) • Erlass gem. § 15 Abs. 1 SGB VII • Jeweils spezifisch für alle Arbeitsbereiche • Auch als Pflicht zu arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, § 15 Abs. 1 vorletzter S. • Überwachung und Beratung, § 17 • Aufsichtspersonen mit Anordnungsbefugnis, §§18,19 Arbeitgeber Sicherheitsbeauftragter, § 22: Mehr als 20 Beschäftigten o. hoher Unfallgefahr 454 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Eignungsuntersuchung AN • § 18 II Nr. 4 ArbSchuG, § 2 ArbMedVV auf Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung • Pflicht -Untersuchungen Abs. 2 AngebotsAbs. 3 WunschAbs. 4 • Sanktionen: 1. Beschäftigungsverbot kein Lohn 2. Abmahnung, Kündigung • Rechtsgrundlagen für Eingriff in informationelle Selbstbestimmung AN, Art. 2 Abs. 1 GG: • Gesetz: Erstuntersuchung, § 32 JArbSchuG • In Tarifvertrag (§ 9 Nr. 1 Abs. 3 MTV Metall NRW: Ende AU) • Arbeitsvertrag, ggf. aus Treuepflicht, wenn begründete Zweifel an der Tauglichkeit des AN, den Anforderungen des Arbeitsplatzes gesundheitlich gerecht zu werden BAG 1999 • Freie schriftliche Einwilligung des AN, § 183 BGB, § 4 a BDSG 455 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsmedizinische Vorsorge & untersuchungen • Zweck: Früherkennung bzw. Vorbeugung arbeitsbedingter Erkrankungen + Berufskrankheiten • Arbeitsschutzgesetz: • § 5 II + III: Beurteilung mit der Arbeit verbundene Gefahren • § 7 : Feststellung gesundheitliche Eignung vor Übertragung der Aufgaben • Verordnungen gem. § 18 ArbSchG: • • Gefahrstoffverordnung: Belastung durch Gefahrstoffe Biostoffverordnung: Umgang mit biologischen Abfallstoffen Röntgen- + StrahlenschutzVO Belastung ionisierende Strahlen Gentechniksicherheitsverordnung • Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) • • 456 Arbeitsrecht im Betrieb 11 Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung • Arbeitsmedizinischen Vorsorge Verordnung (ArbMedVV) • Untersuchungsarten nach Grad der Gefährdung: – Pflicht- , Angebots- und Wunschvorsorge – vor Aufnahme der Tätigkeit und Nachuntersuchungen • durch Betriebsarzt oder Arbeitsmediziner • Mindeststandards Empfehlungen Berufsgenossenschaft: • G 20 Lärm • G 25 Fahrer von Kraftfahrzeugen • G 41 Arbeiten mit Absturzgefahr in altersabhängigen Abständen G 21 Kältearbeiten G 37 Bildschirmarbeitsplätze G 42 Infektionskrankheiten • Betriebsarzt: Ärztliche Schweigepflicht • • 457 Für sämtliche Befunde und Informationen Ergebnismitteilung an AG nur bei Einverständnis Arbeitnehmer: – Ob gesundheitliche Bedenken vorliegen, ggf. zeitlich befristet oder Auflagen für Tätigkeit – Sonst: Nur Mitteilung, dass Untersuchung stattgefunden Arbeitsrecht im Betrieb 11 Mutterschutzgesetz MuSchG + -VO Beschäftigungsverbote • werdender Mütter: – § 3 Abs. 1: Gefährdung gem. Arztattest – Abs. 2: 6 Wochen vor Geburt – § 4 Abs. 1: Schwere körperliche Arbeiten o. schädliche Einwirkungen • nach Entbindung: • § 6 Abs. 1: 8 Wochen • Abs. 2: Beschäftigung gem. Leistungsfähigkeit • § 8 Mehr-, Nacht und Sonntagsarbeit • Stillzeit, § 7 • Entgeltfortzahlung, § 11 458 Arbeitsrecht im Betrieb 11 JugendarbeitsschutzG - JArbschG • Verbot der Kinderbeschäftigung bis 14 Jahre, § 5 – Kinderarbeitsschutzverordnung KindArbSchV • Jugendlicher, § 2: 15 bis 17Jahre • Arbeitszeit und Freizeit, §§ 8 ff: Max. 8 / 40 Std. • Beschäftigungsverbote: • Gefährliche Arbeiten, § 22 • Akkord, § 23 Unter Tage, §24 • Gestaltung der Arbeit, § 28 – Gefährdungsbeurteilung, § 28 a – Züchtigungsverbot, § 31 • Ärztliche Untersuchungen, §§ 32 ff: – Erstuntersuchung, § 32 459 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Arbeitsschutz • Medizinischer: Gesunde Arbeitsumgebung • Technischer: Sicherung Betrieb & Produktion Beherrschung & Minimierung von Gefahren für Arbeitnehmer- Sicherheit & Gesundheit • • • • Arbeitssicherheitsgesetz Arbeitsschutzgesetz Gerätesicherheitsgesetz Gefahrstoffverordnung u.a. • Sozialer: • • • • 460 Arbeitszeitgesetz Mutterschutzgesetz + -richtlinienverordnung Jugendarbeitsschutzgesetz Kinderarbeitsschutzgesetz und –verordnung Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Vermeidung Arbeitsunfall & Berufskrankheit • Arbeitgeber: Verhinderung durch Organisation – Arbeitsschutz, §§ 3 ff ArbSchuG – Fachkraft für Arbeitssicherheit, § 5 ASiG – Sicherheitsbeauftragte, § 22 SGB VII: Ab 20 Beschäftigte • Berufsgenossenschaft, §§ 8 & 9 SGB VII: – Krankenbehandlung, Rente 20% Erwerbsminderung – Unfallverhütungsvorschriften, § 15 Abs. 1 SGB VII – Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen • Staatliche Überwachung: – Regierungspräsidenten: Staatlicher Arbeitsschutz – Kommunale Gewerbeaufsicht • Staatsanwaltschaft: Amtsermittlung wegen – Körperverletzung oder Tötung – Fahrlässigkeit: Mangelnde Sorgfalt • • 461 Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen oder Unzureichende Organisation Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Bewaffneter Personenschützer für Prof. Claassen • Vertragliche Arbeit, teilweise in 2-Wochen - Blöcken • • • • Personen- und Objektschutz qualifiziert, Chauffeur Dienst und Schlafen im Objekt, Inanspruchnahme auch privat rund um die Uhr Permanente Aufmerksamkeit, auch bei Mahlzeiten Im Freizeitblock: – – Tagsüber Organisation persönliche Kontakte per Handy/E- Mail Nachts: Permanente Ansprechbarkeit bei Alarm • Kündigung: • • • • Am 23.12.2012 nach 15,5 Std. Arbeit ohne Pause Um 22:30 Uhr in Kirchzarten, Schwarzwald: Kein Vorschuss auf Übernachtungskosten Heimreise mit dem Zug, krank ab 25. + Meldung, Arztbesuch 27. 12.12 Kündigung 28.12.2012 fristlos, hilfsweise fristgerecht • Welche Ansprüche hat der Personenschützer? • Was befürchtet Prof. Claassen? 462 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Bewaffneter Personenschützer für Prof. Claassen • Kündigungsschutzklage: Kündigung • • Außerordentlich: Kein an sich geeigneter Grund aber Sperrzeit bei Arbeitslosengeld I Ordentlich: Unter 10 Mitarbeitern kein Kündigungsschutz, ggf. zur Unzeit o. Maßregelungsverbot, § 612 a • Arbeitszeiten: Bezahlung unverjährt Jahresende+ 3 • • • • • Dienstzeiten: Pausen: Nachts: Freizeitblock: Pro Monat • Befürchtungen: • • 463 voll keine Dienstbereitschaft Rufbereitschaft bis zu 450 Std. z.B. 25 % z.B. 12,5 % Bußgeld- und Strafvorschrift, bei gesundheitlicher Schädigung Presse Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Berufsgenossenschaften • Sachliche Zuständigkeit: Branchenspezifisch / nach Art und Gegenstand des Unternehmens, § 122 SGB VII • Aufgaben: • Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung • die Überwachung der AG-Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren • Beratung Unternehmen + Arbeitnehmer, § 17 Abs. 1 SGB VII • Befugnisse: Überwachung & Untersuchung – – – – – 464 Besichtigung der Betriebsstätten zu den Betriebszeiten Einholung der erforderlichen Auskünfte Einsicht in geschäftliche und betriebliche Unterlagen Untersuchen von Arbeitsverfahren & -abläufen sowie von Arbeitsunfällen + Berufskrankheiten, § 19 I SGB VII Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Fall: Gabelstaplerfahrer XXL G arbeitet seit 20 Jahren als Gabelstaplerfahrer bei der Betonsteinwerk GmbH. Er ist mit ca. 210 Kg und BMI 64 extrem adipös und mit 30 % schwerbehindert. Seine behandelnden Ärzte bestätigen, dass der sitzende Einsatz auf dem Gabelstapler seinen Einschränkungen bestmöglich entspricht. Nach mehrerer Erkrankungen mit übermäßigen Krankheitszeiten in 4 Jahren hat die Geschäftsleitung ihn zum 30.7.2015 ordentlich gekündigt. G hat Kündigungsschutzklage erhoben. Da es nur Sitze bis 160 kg gibt, hat das Betonsteinwerk die Befestigung des Sitzes auf der Motorhaube durch Schweißarbeiten verstärkt. Hierdurch hat sich bereits mehrfach die Befestigung der Motorhaube gelöst. Am Freitag, den 29.05.2015 überlegt die Geschäftsleitung, ob sie G noch auf dem Gabelstapler einsetzen darf. Was können Sie raten? 465 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Lösung: Gabelstaplerfahrer XXL 1. Soziale Rechtfertigung der Kündigung: a) Krankheitsbedingt wegen häufiger Kurzerkrankungen. Problem: Alles ausgeheilt? Keine aktuellen Erkrankungen, aber gewichtsbedingt keine Diagnose! b) Kündigung personen- / betriebsbedingt: Es gibt für G mit seinem hohen Gewicht keinen zugelassenen Sitz mehr. Die Verstärkung durch eigene Schweißarbeiten ist behelfsmäßig, insbesondere nicht sachverständig abnehmbar, sondern überbeansprucht Befestigung der Motorhaube, die sich bereits mehrfach gelöst hat. Stapler genügt nicht § 5 III Z. 3 ArbSchuG und der Gerätesicherheit gem. neuer Betriebssicherheitsverordnung seit dem 01.06.2015. 2. Kein Lohnanspruch: G kann mit Übergewicht seine Arbeitsleistung nicht mehr vertragsgemäß anbieten, §§ 295, 615 BGB!? 466 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Fall: Arbeitsschutzvorschriften missachtet B arbeitet seit 1991 bei der Abriss GmbH. 1995 setze sie B bei der Sanierung eines Kinderheims ein, das wegen Asbest stillgelegt worden war. Im April 1995 wies ein beteiligter Bauunternehmer darauf hin, dass asbesthaltiger Staub freigesetzt werde, der Abriss dürfe nur von spezialisierten Unternehmen ausgeführt werden. B teilte dies dem Geschäftsführer der GmbH mit. Der erwiderte, das asbesthaltige Material sei „allgemein bekannt“ und bestand auf der Fortsetzung der Arbeiten. Im Mai 95 stellte das staatliche Gewerbeaufsichtsamt die extrem hohe Exposition von Asbestfasern fest und verfügte die sofortige Einstellung der Bauarbeiten und Versiegelung des Gebäudes. Als B im Jahre 2006 an Lungenkrebs erkrankt, vermutet er die Sanierungsarbeiten 1995 als Auslöser. Gegen wen stehen B Schadensersatzansprüche zu? BAG 20.6.2013, 8 AZR 471/12 467 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S L: Arbeitsschutzvorschriften missachtet • Berufsgenossenschaft: Eintritt für – Arbeitsunfall, § 8 SGB VII – Berufskrankheiten, § 9 SGB VII • Krankheit infolge versicherter Tätigkeit, Abs. 1 • Beweisproblem: Erleichterung, Abs. 3 • Arbeitgeber– Privileg, § 104 I SGB VII: Haftung nur bei – Vorsatz zu Verletzungshandlung + –erfolg: • Absicht: nicht gewollt, aber ggf. • billigend in Kauf genommen oder auf glücklichen Ausgang gehofft – BAG: Arbeitgeber hofft trotz Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften, dass Arbeitsunfall oder Berufskrankheit nicht eintreten. 468 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Fall: Arbeitsunfall M, geb. 8.4.1967, ist seit 10.06.2013 bei der Montage GmbH als Helfer beschäftigt. Am 1.7.2013 trägt M mit dünnen Handschuhen als hinterster von 3 Mann eine 3-fach- Glasscheibe 1,80 x 1,80 m, 160 kg vom LKW zum Bauobjekt. Plötzlich schreit er und lässt los, die Scheibe fällt und zerspringt. M erleidet eine Schnittverletzung rechts mit Durchtrennung der Daumensehne. GmbH erfährt vertraulich aus dem Krankenhaus, dass M alkoholisiert war (2,52 %0) und der OP deshalb um einen Tag verschoben musste. 1. Hat M Anspruch auf a) Lohnfortzahlung? b) Rente? 2. Kann GmbH den M (personenbedingt) kündigen? 469 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Lösung: Arbeitsunfall 1. a) Anspruch auf Lohnfortzahlung: Erst nach 4 Wochen, § 3 III EntgFG, auch bei Arbeitsunfall b) Rente: Bei Erwerbsminderung > 20 %, SGB VII 2. Kündigung: Personenbedingt? Kein KschG! a) Bei geminderter Hebe- + Tragekraft der rechten Hand: Dauerhaft arbeitsunfähig b) Alkoholisierung: Ohne substantiierten Vortrag mit Quellenangabe nicht beweisbar, nur dann Zeugen? c) Organisationsverschulden M GmbH, § 5 ArbSchG: (1 Risikoanalyse: Spezialhandschuhe, Sauggriffe, Tragegewicht je Mitarbeiter älter 45 Jahre gem. Gutachten max. 45 kg bei gelegentlichem Einsatz (2 Auswirkungen: Kündigung grob sittenwidrig? 470 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Fall: Arbeitsmedizinische Untersuchung A, geb.1974, arbeitet seit 2000 als Busfahrer bei der B-GmbH (über10 Beschäftigte). Seit 2001 war er wiederholt arbeitsunfähig krank, seit dem 8.11.2007 durchgehend. Eine 2009 wegen der Erkrankungen ausgesprochene Kündigung erklärt das Arbeitsgericht im Februar 2010 für sozial unwirksam. Ab März 2010 fordert B-GmbH 4 Mal auf, an einer betriebsärztlichen Untersuchung zur Feststellung seiner Fahrdiensttauglichkeit teilzunehmen. A verweigert die Mitwirkung, eine fachärztliche Begutachtung am 11.12.09 habe keine Zweifel an seiner verkehrsmedizinische Eignung ergeben. Die Betriebsärzte stünden „im Lager der Agin“. B-GmbH mahnt A 3 Mal ab, beim 4. Mal kündigt sie. Ist die ordentliche Kündigung sozial wirksam? BAG 27.9.2012, 2 AZR 811/11 471 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Lösung:Arbeitsmedizinische Untersuchung 1. Kündigung wegen langfristiger Erkrankung: Bis zu wesentlichen neuen Tatsachen steht die Rechtskraft des 1. Urteils entgegen. 2. Kündigung verhaltensbedingt: Teilnahme als Nebenpflicht aus Arbeitsverhältnis (Fall des BAG: aus Tarifvertrag), sofern a) berechtigte Zweifel an Fahrdiensttauglichkeit: Hier ggf. aus Erkrankungen seit dem 08.11.2007 b) Ist der beauftragter Arzt fachkompetent + unbefangen, muss das Interesse des Arbeitnehmers an freier Arztwahl zurückstehen. BAG: Zurückverweisung zur Aufklärung a) und b). 472 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Konti-Schicht & Arbeitszeitgesetz XY AG setzt Arbeitnehmer im 4- Schichtsystem ein: Je 2 Tage Früh-, Spät- und Nachtschicht dann 4 Tage Freischicht. In welchem Rahmen ist dies zulässig? • Nacht- und Schichtarbeit nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen festlegen, § 6, Abs. 1 AZG. • Nachtarbeitnehmer, § 2 Abs. 5: Wechselschicht o. Arbeit in 48 Nächten/p.a.. Regelungen § 6: • Abs. 2: Arbeitszeit max. 8 (10) Std./Tag • Abs. 3: Anspruch auf arbeitsmedizinische Untersuchungen • Abs. 4: Umsetzung auf Tagesarbeitsplatz • Abs. 5: Bezahlte Ausgleichstage oder angemessener Zuschlag (15-25%) als Wahlschuld des AG 473 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Fall: BR verlangt Arbeitschutzausschuss E GmbH ist ein Einzelhandelsunternehmen mit Sitz in HH und Filialen im gesamten Bundesgebiet. Bei ihr ist auf Unternehmensebene ein Arbeitsschutzausschuss errichtet, in den der Gesamtbetriebsrat Mitglieder entsendet. Die Stuttgarter Filiale gilt als selbständiger Betrieb. Der dort bestehende Betriebsrat hält den unternehmenseinheitlichen Ausschusses für unzureichend und verlangt vom Geschäftsführer, einen Arbeitsschutzausschuss für die Filiale zu bilden. Als der Geschäftsführer untätig bleibt, erhebt der BR Verpflichtungsklage beim Arbeitsgericht. Mit Erfolg? BAG 15.04.2014 - 1 ABR 82/12 474 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Lösung: BR verlangt Arbeitschutzausschuss 1. Öffentlich- rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers, a) in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden, § 11 ASiG. b) im Einzelfall: Behördliche Anordnung, § 12 ASiG. 2. Betriebsrat: a) Kein Initiativrecht gem. § 11 ASiG oder b) Kein Mitbestimmungsrecht gem. § 87 BetrVG: Nur „soweit keine gesetzliche ….. Regelung“ c) Kann sich nach § 89 BetrVG an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden. 475 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Pflicht-Aufzeichnung Arbeitszeit • Öffentlichrechtlich: • Arbeitszeitgesetz: – Überstunden, Sonn- & Feiertagsarbeit – Fahrpersonal • § 19 Abs. 1 AEntG: § 16 Abs. 2 § 21 a – TV allgemeinverbindlich o. Mindestlohn RechtsVO § 7 • § 17 MinLoG: Alle Arbeitgeber – Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit – Aufbewahrung: 2 Jahre • Sozialversicherungsrecht: Vorlage in Prüfungen der Deutsche Rentenversicherung • Zivilrechtlich: Auskunftsanspruch des Mitarbeiters • • • 476 Gem. § 21a Abs. 7 Satz 3 ArbZG (für Fahrer)+ § 34 BDSG (allgemein) o. hohe, kaum erfüllbare Ansprüche an Substantiierung Überstunden Rechtsprechung: Aus § 242 BGB soweit Zahlungsanspruch besteht Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Gesundheitsschutz AN • Arbeitssicherheitsgesetz: Fachkräfte & Betriebsärzte • Arbeitsschutzgesetz: Gefährdungsprävention • Gerätesicherheit • Ärztliche Untersuchung Mitarbeiter • Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 Abs. 2 SGB IX: Nach 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit alle AN • Benennung außerbetrieblicher Ansprechpartner für • Anonyme Hilfe bei psychischen Belastungen • Hilfestellungen in allgemeinen Lebenslage, die zu Problemen und Belastungen führen • Allgemeine Maßnahmen zur Gesundheitsförderung: Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM • Unternehmens- und Führungskultur 477 Arbeitsrecht im Betrieb 11 S Gewerblicher Güter-& Personenverkehr • Kraftwagen über 3,5 t haben ein digitales EUKontrollgerät als „Weg- Zeit- Schreiber“ • Jeder Fahrer braucht eine persönliche Fahrerkarte, kein vom AG zu beschaffendes Betriebsmittel BAG 16.10.2007 – 9 AZR 170/07 • Fahrer muss gem. FahrpersonalVO – Seine Fahrerkarte in Kontrollgerät einlegen und – Schaltvorrichtung betätigen: Aufzeichnung • Lenkzeiten • Bereitschaftszeiten = Arbeitszeit • Pausen / Ruhezeiten • Aufsicht: – LKW auf Straße: Bundesanstalt für Güterfernverkehr – Betriebe: Regierungspräsident 478 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arbeitsunfähigkeit & Betriebliche Gesundheitsförderung 479 Arbeitsrecht im Betrieb 12 ANschutz bei Arbeitsunfähigkeit • Entgeltschutz: – – – – AG Lohnfortzahlung 6 Wochen, § 3 EntgFG: Je Krankheit Krankenkassen, SGB V: Krankengeld 78 Wochen Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit, § 146 SGB III Rente wg. Erwerbsminderung, § 43 SGB VI: • Keine 6 Std. täglich erwerbsfähig – Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII: • BG- Rente ab Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % • Kündigungsschutzgesetz: – Personenbedingte Gründe: 3 Jahre > 6 Wochen, negative Prognose, erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit – Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX • Schwerbehinderte Menschen, SGB IX : – Beschäftigung – Kündigungsschutz 480 §§ 81 ff §§ 85 ff Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses, § 92 I Nr. 7 SGB V • Krankheitsbegriff: Einheitlich EFZG + SGB (V) • § 1 Gegenstand: Feststellung durch Ärzte – Arbeitsunfähigkeit + ihre voraussichtliche Dauer – in bundesweit standardisiertem Verfahren • § 2 Arbeitsunfähigkeit: – Abs. 1 AN kann seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausführen oder Tätigkeit würde die Unfähigkeit unmittelbar hervorrufen – Abs. 4 Arzt befragt Patienten zur Tätigkeit, ihren Anforderungen + Belastungen • § 4 Maßgeblich gleichermaßen: Körperlicher, geistiger & seelischer Gesundheitszustand 481 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses, § 92 I Nr. 7 SGB V • § 5 Abs. 3 Bescheinigung für Entgeltfortzahlung auf Vordruck: • Ab erster Inanspruchnahme des Arztes, Rückwirkend bis 2 Tage nach gewissenhafter Prüfung • für Dauer Entgeltfortzahlung • Bei unterschiedlichen Diagnosen ist für die zweite Arbeitsunfähigkeit eine Erstbescheinigung auszustellen • Verdacht auf Versicherungsfall gem. § 7 SGB VII: Hinweis • § 6 Nach Ablauf Entgeltfortzahlung: Attest des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung • § 7 Zusammenwirken mit Medizinischem Dienst Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien 482 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Anzeige & Nachweis, § 5 EntgFG • Mitteilung Erkrankung: Sofort, vor Arbeitsbeginn auch nach Ablauf 6 Wochen Lohnfortzahlung • Vorlage Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung: • Entgeltfortzahlungsgesetz: Einholung erst nach 3 Tagen vertraglich ab 1. Tag vereinbar • Vorlage an Arbeitgeber unverzüglich – Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig: Mit Vorlage tatsächliche Vermutung für bescheinigte Arbeitsunfähigkeit – Erschütterung durch AG: • Beweis des Gegenteils erforderlich bei EU- Ausland • Konkrete Umstände, die zu ernsthaften Zweifeln Anlass geben: - Arbeitsunfähigkeit angekündigt, z.B. bei Urlaubsverweigerung - Schwarzarbeit o. ganztätig auf Eigenheimbaustelle gearbeitet - gleichartige Tätigkeit bei anderem Arbeitgeber ausgeführt - Nichterscheinen zum medizinischen Dienst Nicht: Am späten Abend in Bars - Diskotheken angetroffen 483 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arbeitgeberoptionen Krankheit • Arbeitsvertrag: • • Leistungs- + Anwesenheitsprämien, § 4 a EFZG Verkürzung 3-Tagesfrist zur Vorlage AU- Bescheinigung, § 5 • Über Krankenkasse: Einschaltung Medizinischer Dienst, § 275 SGB V • Krankenrückkehrgespräch: Frage AN nach Art + Grund Erkrankung: Keine Mitwirkungs- o. Offenbarungspflicht! • Betriebliches Eingliederungsmanagement §84 II SGB IX • Betriebliches Gesundheits-Management (BGM) • Offensive Betreuung des AN in allen Notlagen: • Medizinisch, sozial und finanziell • Ggf. extern und anonym • Insbes. Führungskräfte durch Psychologen/ Coach • Kündigung personenbedingt: In 3 Jahren AU > 6 W., neg. Prognose, betriebliche Beeinträchtigungen 484 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arten der Krankheit: • Körperlich: Reversibel: AN heil- /rehabilitierbar? • Orthopädische Leiden • Organ - Erkrankung • Suchterkrankungen, insbes. Alkoholabhängig: • Aus 1. Rückfall nicht automatisch auf Sinnlosigkeit schließen(Statistik: Bei Alkoholtherapie 50 %) • Strukturiertes Verfahren mit „dosierten Druck“ • Psychische Beeinträchtigungen: • Burn-out + Mobbing: Ist AG Teil des Problems? • Depressionen: Chronische Persönlichkeitsstörung o. Krise, z.B. Verlust einer nahestehenden Person • (versuchter) Suizid, Ausdruck einer Krise: PsychKG 485 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Krankheit & Rehabilitation • Krankheit: – Abweichung von Gesundheit: Positive Diagnose – Medizin: Heilung = Wiederherstellung • Rehabilitierung: – „Gesund“ nicht wiederherstellbar, z.B. Amputation – Maßnahmen, um die Auswirkungen der Behinderung auf ein Minimum zu beschränken – Suchttherapie: Rekuperation als Wiedergewinnung des Zugangs zu selbstbestimmtem Handeln – Arbeitsleben: Wiedereingliederung in berufliches Leben 486 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Medizinische Rehabilitation • Kosten- Träger: – Bundesanstalt für Arbeit: Arbeitssuchende, aber Schwerpunkt Wiedereingliederung Arbeitsmarkt – Krankenkassen, § 40 SGB V: Nachrangig, um die gesundheitliche Situation zu verbessern – Deutsche Rentenversicherung: Minderung oder erhebliche Gefährdung der Erwerbstätigkeit – Berufsgenossenschaft, § 33 SGB VII: Nach Arbeitsunfällen & bei Berufskrankheiten – Versorgungsämter, §§ 26 ff SGB IX: Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen • Voraussetzungen: Ärztliche Empfehlung & Bewilligung Kostenträger 487 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Kündigung bei Sucht-Erkrankung • Alkohol- und Drogensucht sind Krankheit: – Sofern willkürlich nicht steuerbar: MA ist schwach • Verpflichtungen Arbeitnehmer: • Entbindung alle Ärzte von Schweigepflicht • Krankheitseinsicht + • Therapiewilligkeit, Grenze: Ein (?) Rückfall • Verpflichtungen Arbeitgeber: – Vor Kündigung: • Verhaltensbedingte Verstöße abmahnen • Krankheit feststellen: Gespräche + Arbeitsmedizinische Untersuchung – Unterstützung einer Therapie / Versuch 488 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Betriebliches Eingliederungsmanagement, § 84 II SGB IX • Arbeitnehmer, auch nicht schwerbehindert • ist innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen erkrankt: AG- Pflicht, bereits vorher sinnvoll • Inhalt: - AG- Gespräch mit AN, BR +Beteiligten - Entbindung aller Ärzte von Schweigepflicht • Ziel: Ursachen der Erkrankungen beseitigen, insbes. durch leidensgerechte Tätigkeit • Verhältnismäßigkeit: Entwickeln milderer Mittel zur Vermeidung einer krankheitsbedingten Kündigung • Überwachung durch – Betriebsrat, § 80 I Nr. 1 BetrVG – Schwerbehindertenvertretung, § 95 I Nr. 1 489 Arbeitsrecht im Betrieb 12 BEM: Ablauf in Stufen • Zustimmung des Mitarbeiters: Freiwilligkeit • Erstgespräch mit BEM-Verantwortlichen und Schwerbehindertenvertretung: Ziel • Feststellung der Gründe für die Erkrankungen, • Insbesondere ob Arbeitsbedingungen Auslöser waren. • Wege zur Feststellung der Ursachen: Mitarbeiter • entbindet behandelnde Ärzte von ihrer Schweigepflicht • Freiwillige Untersuchung Betriebsarzt o. Arbeitsmediziner • Maßnahmen zur Reduzierung der Krankheitszeiten: • Technische / organisatorische Umgestaltung Arbeitsplatz: Ausstattung, Ablauf, Arbeitszeit, Versetzung leidensgerecht • Einbeziehung der Sozialleistungsträger: Krankenkassen, Rentenversicherung (ReHa- Berater), Integrationsamt/ Fürsorgestelle Schwerbehinderte • Strenger Datenschutz: Vertraulichkeit Archivierung außerhalb Personalakte 490 Arbeitsrecht im Betrieb • • • 12 BEM: I. Persönliche und betriebliche Voraussetzungen Ein BEM hat der Arbeitgeber durchzuführen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: •Es muss sich einen Beschäftigten handeln. Die Vorschrift beschränkt sich nicht allein auf schwerbehinderte Arbeitnehmern (§ SGB_IX § 2 SGB IX) oder Gleichgestellte (§ SGB_IX § 2 SGB_IX § 2 Absatz III SGB IX), sondern betrifft alle Arbeitnehmer und Beamten unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung (BAG, NZA 2008, NZA Jahr 2008 Seite 173; BAG, NJW 2011, NJW Jahr 2011 Seite 2458; BVerwG, NVwZ 2014, NVWZ Jahr 2014 Seite 1319). •Der Beschäftigte muss im letzten „Jahr“ arbeitsunfähig gewesen sein. Jahr meint nicht das letzte Kalenderjahr, sondern es ist vom aktuellen Beurteilungszeitpunkt 365 Tage zurückzublicken. •Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit muss – ohne Rücksicht auf Ursachen – länger als 6 Wochen gewesen sein, wobei nicht alle AU-Zeiten mit Attest belegt sein müssen (vgl. 5 I 2 EFZG). Der Begriff "arbeitsunfähig" in § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II 1 SGB IX nimmt Bezug auf die zu § EFZG § 3 EFZG § 3 Absatz I EFZG ergangene Begriffsbestimmung und hat keinen vom EFZG abweichenden eigenen Begriff mit anderen Merkmalen. Der Begriff ist einer Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Nummer 7 BetrVG nicht zugänglich und ein davon abweichender Einigungsstellenspruch unwirksam (BAG, NZA 2012, NZA Jahr 2012 Seite 748). Einbezogen sind alle Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, also auch Kuren und Rehabilitationsmaßnahmen. Dabei kann die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen oder in wiederholten Intervallen aufgetreten sein. Die Vorschrift knüpft allein an die 6-Wochen-Frist an, nicht an die gesunde Rückkehr der betroffenen Person. BEM ist also kein Krankenrückkehrgespräch. Einem Therapeuten, der in einer Fachklinik für Suchterkrankungen tätig war, wurde wegen Alkoholsucht personenbedingt gekündigt. Nach Ansicht des BAG war ein BEM gem. § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX nicht durchzuführen, da der Therapeut nicht länger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig war (BAG, ArbRAktuell 2013, ARBRAKTUELL Jahr 2013 Seite 238). Entsprechendes gilt für psychische Erkrankungen (Brose, DB 2013, DB Jahr 2013 Seite 1727). Arbeitet der Beschäftigte in der 5-Tage-Woche, liegen die Voraussetzungen nach 30 Arbeitstagen mit Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor; bei einer 6-Tage-Woche sind 36 Arbeitstage mit Arbeitsunfähigkeitsmeldung erforderlich. Auf eine bestimmte Betriebsgröße, eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit (a.A. LAG Hamm, Urteil v. 17.12.2006 – 15 (11) 1236/06, n. v.: erst nach 6 Monaten) oder ein bestimmtes Arbeitszeitkontingent (Wochenstundenzahl) kommt es nicht an. Eine konkrete Gefährdung des Beschäftigungsverhältnisses ist – anders als beim Präventionsverfahren bei Schwerbehinderten und Gleichgestellten nach § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz I SGB IX – nicht Voraussetzung des BEM. • • • • • 491 Arbeitsrecht im Betrieb • • 12 II. BEM-Verfahren Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist der Arbeitgeber zur Durchführung eines BEM verpflichtet, d. h. die Initiativlast liegt bei ihm (BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 992). Das BEM findet jedoch nur statt, wenn der über das Verfahren ordnungsgemäß zu informierende Arbeitnehmer zustimmt, was aus Beweisgründen dokumentiert werden sollte. Erzwingen kann der Arbeitgeber wie auch Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung das BEM gegen den Willen des Arbeitnehmers nicht. Der Arbeitnehmer kann eine erteilte Zustimmung auch jederzeit zurückziehen, also „aussteigen“. § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX enthält keine nähere gesetzliche Ausgestaltung des BEM. Das BEM ist ein rechtlich regulierter „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 398). Nach Auffassung des BAG gehört zu den Mindestvoraussetzungen eines BEM, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Stellen, Ämter und Personen beteiligt und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des BEM orientierte Klärung ernsthaft und in fairer Weise versucht wird. Eine bestimmte Form oder eine Verfahrensordnung, die i. Ü. eine Mitbestimmungspflicht nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Nummer 1 BetrVG auslösen könnte, sind nicht erforderlich und das Gesetz lässt den Beteiligten ergebnisoffen jeden denkbaren Spielraum. Es empfiehlt sich folgender Verfahrensablauf, womit auch die Mindestanforderungen an ein BEM erfüllt sind: 1.Vorliegen der BEM-Voraussetzungen prüfen. 2.Arbeitnehmer anschreiben (Muster vgl. BAG, ArbRAktuell 2011, ARBRAKTUELL Jahr 2011 Seite 409), über Ziele des BEM sowie über Art und Umfang der hierfür erhobenen und notwendigen Daten aufklären und Zustimmungserklärung einholen (BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 992). 3.Informationsgespräch anbieten/führen (Arbeitnehmer, Personalabteilung., ggfs. Betriebsrat). 4.Eingliederungsgespräch mit den Beteiligten führen und dokumentieren. Das BEM verlangt vom Arbeitgeber nicht, bestimmte Vorschläge zu unterbreiten (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 639). Vielmehr hat es jeder am BEM Beteiligte – auch der Arbeitnehmer – selbst in der Hand, alle ihm sinnvoll erscheinenden Gesichtspunkte und Lösungsmöglichkeiten in das Gespräch einzubringen. 5.Eingliederungsplan/Maßnahmen umsetzen, kontrollieren, dokumentieren. Dabei kann die Personalern geläufige SMART-Formel zur Anwendung kommen. Ziele sollen danach stets sein: Spezifisch, Messbar, Akzeptabel, Realistisch und Terminiert. 6.Abschlussgespräch führen (Beteiligte s.3.). • • • • • • • • 492 Arbeitsrecht im Betrieb • • 12 III. BEM-Beteiligte: •Der Arbeitgeber, der die Initiative zum BEM zu ergreifen hat (BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 992), meist vertreten durch die Personalabteilung und die zuständige Führungskraft, •der Arbeitnehmer, der nach Aufklärung bzw. Information sein Einverständnis gegeben hat, •der Betriebsrat (§ SGB_IX § 93 SGB IX). § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX sieht die Klärung mit den zuständigen Interessenvertretungen „unter Beteiligung des Arbeitnehmers“ vor. Ein BEM ist aber auch dann durchzuführen, wenn es gar keinen Betriebsrat gibt (BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 39). •Bei schwerbehinderten oder gleichgestellten Arbeitnehmern die Schwerbehindertenvertretung und •soweit erforderlich der Betriebsarzt (vgl. § ARBSICHG § 3 ARBSICHG § 3 Absatz I 2 Nrn. ARBSICHG § 3 Nummer 1 f, ARBSICHG § 3 Nummer 2 ASiG). Arbeitgeber sind grds. nicht verpflichtet, zu Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) einen Rechtsbeistand des Arbeitnehmers hinzuzuziehen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt geschwächt ist oder auf Seiten des Arbeitgebers mehrere Personen am Gespräch beteiligt sind. Es gibt insoweit keinen Anspruch auf "Waffengleichheit" (LAG Rheinland-Pfalz, BeckRS 2015, BECKRS Jahr 65551). Kommen Leistungen zur Teilhabe (§§ SGB_IX § 33, SGB_IX § 34 SGB IX) oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht (z.B. Kostenübernahme für technische Arbeitshilfen, Eingliederungszuschüsse, Kostenerstattung für Probebeschäftigungen), können Arbeitsagentur, Rentenversicherungsträger, Integrationsamt, Integrationsfachdienste oder die Krankenkasse hinzugezogen werden. Ggfs. kommt auch eine Förderung des Arbeitgebers durch Prämien und Boni als Ermessensleistungen in Betracht (§ SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz IV SGB IX). Praxistipp: Regelmäßig bietet sich die Kontaktaufnahme und Einschaltung des Integrationsamts bzw. Integrationsfachdienstes an. In vielen Fällen bietet sich auch die Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit bzw. Fachleute der zuständigen Berufsgenossenschaft neben dem Betriebsarzt an, insbesondere, wenn es um die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes geht. • • • • • • • 493 Arbeitsrecht im Betrieb • • 12 IV. BEM-Inhalte Im Rahmen des BEM sollen Möglichkeiten geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Das Gesetz enthält keine weiteren Sie befinden sich im Beitrag:Stück: Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) – aktuelle Anforderungen in Recht und Praxis(ArbRAktuell 2015, 169) Vorgaben, erlegt dem Arbeitnehmer keine expliziten Mitwirkungspflichten auf und überlässt die Ausfüllung einzelfallorientiert und ergebnisoffen der betrieblichen Praxis. Es empfiehlt sich, das BEM in ein ganzheitliches, integriertes Gesundheitsmanagement (BGM) einzubetten. Als Eingliederungsmaßnahmen bzw. typische Ergebnisse des BEM kommen häufig in Betracht: •Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens oder Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung, •nähere arbeitstechnische Untersuchung zum Beispiel durch Sicherheitsfachkräfte oder Arbeitspsychologen sowie Durchführung erforderlicher Arbeitsschutzmaßnahmen, z. B. Hebe-/Tragehilfen (LAG Hessen, BeckRS 2000, BECKRS Jahr 16140), •technisch/organisatorische Umgestaltung von Arbeitsplatz oder -ablauf (vgl. Stück, AuA 2007, AUA Jahr 2007 Seite 200), •Versetzung auf einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz (vgl. Stück, a. a. O.), •Arbeitszeitreduzierung bzw. –änderungen (zur Schonarbeit vgl. Stück, AuA 2007, AUA Jahr 2007 Seite 594), •Arbeitsversuche oder stufenweise Wiedereingliederung gefördert von Krankenkassen bzw. sonstigen Sozialversicherungsträgern (§ SGB_V § 74 SGB V, § SGB_IX § 28 SGB IX, vgl. Nebe, DB 2008, DB Jahr 2008 Seite 1801). Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben hierauf einen Anspruch nach § SGB_IX § 81 SGB_IX § 81 Absatz IV SGB IX (BAG, NZA 2007, NZA Jahr 2007 Seite 91). Während der beruflichen Rehabilitation erhält der weiterhin arbeitsunfähige Arbeitnehmer die ihm sozialrechtlich zustehenden Leistungen. Dem deutschen Recht ist eine Teilarbeitsfähigkeit unbekannt. Arbeitsrechtlich bedarf die Maßnahme wegen der vom Arbeitsvertrag abweichenden Beschäftigung und des im Vordergrund stehenden Rehabilitationszwecks grds. der Zustimmung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers – insoweit bedarf es grds. einer beiderseitigen Freiwilligkeit. Entgeltansprüche entstehen grds. nicht (BAG, NZA 1999, NZA Jahr 1999 Seite 1295; BAG, NZA 1992, NZA Jahr 1992 Seite 643; BSG, NZS 2008, NZS Jahr 2008 Seite 160). •Durchführung einer Therapie (Sucht) bei Therapiewilligkeit (BAG, NZA 2014, NZA Jahr 2014 Seite 602). Praxistipp: Insbesondere bei Langzeitkranken bietet sich eine stufenweise Wiedereingliederung an, um die Belastung zu erproben. Nach dem sog. Hamburger Modell wird dabei die Arbeitszeit stufenweise erhöht, also von 4 auf 6 Stunden/Tag bis zur Vollarbeitszeit. • • • • • • • • • • 494 Arbeitsrecht im Betrieb • • • 12 V. Datenschutz und Mitbestimmung 1. Datenschutz Die im Rahmen eines BEM erhobenen Daten unterliegen dem Datenschutz (BDSG). Sensible Gesundheitsdaten (vgl. § BDSG § 3 BDSG § 3 Absatz IX BDSG) sind vom Arbeitgeber besonders zu schützen, z. B. mittels eines besonderen Kuverts in der Personalakte (BAG, NZA 2007, NZA Jahr 2007 Seite 269) oder gestuften Berechtigungskonzepten bei einer elektronischen Personalakte. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung haben eine Überwachungsaufgabe (§ BETRVG § 80 BETRVG § 80 Absatz I Nr. BETRVG § 80 Nummer 1 BetrVG bzw. § SGB_IX § 95 SGB_IX § 95 Absatz I Nr. SGB_IX § 95 Nummer 1 SGB IX i. V. m. § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II 7 SGB IX). Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat die Arbeitnehmer benennen muss, die die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen und diese namentliche Benennung der Arbeitnehmer weder gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen noch gegen das Unionsrecht verstößt (BAG, NZA 2012, NZA Jahr 2012 Seite 744). Nach dem BVerwG ist die Dienststelle verpflichtet, einem Mitglied des Personalrats regelmäßig die Namen derjenigen Beschäftigten mitzuteilen, denen ein BEM anzubieten ist, und Einsicht in das Hinweisschreiben an die betroffenen Beschäftigten zu gewähren (BVerwG, NZA-RR 2010, NZA-RR Jahr 2010 Seite 544; BVerwG, NZA-RR 2013, NZA-RR Jahr 2013 Seite 164). 2. Mitbestimmung Ob bei der Aufstellung eines formalisierten Verfahrens für das BEM nach § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX ein Mitbestimmungsrecht nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Nummer 1, Nr. BETRVG § 87 Nummer 6 oder Nr. BETRVG § 87 Nummer 7 BetrVG gegeben ist, ist umstritten und noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Da formalisierte Kranken-/Rückkehrgespräche, z. B. gemäß dem aus Automobilindustrie bekannten Ampel/-Stufenmodellen, mitbestimmungspflichtig nach § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Nummer 1 BetrVG sind (BAG, NZA 1995, NZA Jahr 1995 Seite 857; LAG München, AuR 2014, AUR Jahr 2014 Seite 440) und § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX eine Rahmenvorschrift i. S. d. § BETRVG § 87 BETRVG § 87 Absatz I Nr. BETRVG § 87 Nummer 7 BetrVG ist (BAG, NZA 2012, NZA Jahr 2012 Seite 748), spricht einiges dafür. Deswegen ist eine Einigungsstelle zum Thema BEM nicht offensichtlich unzuständig (LAG Hamm, BeckRS 2014, BECKRS Jahr 67178; LAG Düsseldorf, BeckRS 2013, BECKRS Jahr 67335; LAG Nürnberg, ArbRAktuell 2013, ARBRAKTUELL Jahr 2013 Seite 136; LAG Berlin-Brandenburg, ArbRAktuell 2011, ARBRAKTUELL Jahr 2011 Seite 178; LAG Hamm, BeckRs 2010, BECKRS Jahr 66756; a. A. Hess/Schlochauer/Worzalla § 87 BetrVG, Rz. 140). Der pauschale und umfassende Antrag eines Betriebsrats auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der „Durchführung des BEM gemäß § SGB_IX § 84 Abs. SGB_IX § 84 Absatz 2 SGB IX“, ist aber unzulässig, da nicht hinreichend bestimmt i. S. v. § ZPO § 253 ZPO § 253 Absatz II Nr. ZPO § 253 Nummer 2 ZPO und auf einen „bunter Strauß“ möglicher Regelungen und Maßnahmen gerichtet (BAG, BeckRs 2011, BECKRS Jahr 72408). Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung kommt für eine erfolgreiche BEM-Implementierung auch eine wichtige Rolle zu. Die originäre Zuständigkeit für eine kollektive Regelung zum BEM liegt regelmäßig beim lokalen Betriebsrat, da übergeordnete Gremien nur zuständig sind, wenn eine einheitliche überbetriebliche bzw. unternehmensweite Regelung – aus rechtlichen oder technischen Gründen – zwingend geboten ist. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz des § BETRVG § 75 BETRVG § 75 Absatz I BetrVG wirken nicht zuständigkeitsbegründend (BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 171). Eine zwingende sachliche Notwendigkeit für eine überbetriebliche Regelung ist nicht offensichtlich, weil die Beurteilung der Arbeitsplätze und deren Gefährdungspotential, sowie die zur Eingliederung der Arbeitnehmer durchzuführenden Maßnahmen betriebsbezogen sind (LAG Hamm, BeckRS 2010, BECKRS Jahr 66756; LAG Düsseldorf, ArbRAktuell 2010, ARBRAKTUELL Jahr 2010 Seite 510; LAG Düsseldorf, BeckRS 2013, BECKRS Jahr 67335). . • • • • • • 495 Arbeitsrecht im Betrieb • • 12 VI. Kündigung bzw. Beendigung Die fehlende Durchführung eines BEM führt nicht zu einer Ordnungswidrigkeit i. S. d. § SGB_IX § 156 SGB IX. Bei Arbeitnehmern, deren Kündigung der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf (§ SGB_IX § 85 SGB IX), kann sich das Verfahren ohne vorheriges BEM verzögern. Die Durchführung des BEM ist keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung, so dass ein Unterlassen als solches nicht allein zur Unwirksamkeit der Kündigung führt (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 398; BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 992). Führt der Arbeitgeber kein BEM durch, hat dieses aber erhebliche Folgen für die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsrechtsstreit im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Auswirkungen von erheblichen Fehlzeiten. Ein Kündigungsgrund steht vor Durchführung bzw. Abschluss eines korrekten BEM nur dann fest, wenn er offensichtlich ist oder der Arbeitgeber darlegt und beweist, dass eine entsprechend ungünstige Prognose auch bei einem ordnungsgemäß durchgeführten BEM vorgelegen hätte, das BEM also keine Aussicht auf Erfolg hätte. Dieses ist praktisch sehr schwierig, muss der Arbeitgeber doch im Einzelnen und konkret darlegen und bei Bestreiten beweisen, warum eine Maßnahme entweder trotz Empfehlung undurchführbar war oder selbst bei einer Umsetzung diese keinesfalls zu einer Vermeidung oder Reduzierung von AU-Zeiten geführt hätte, d. h. er muss nachweisen, dass das BEM wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 398; BAG, NZA 2011, NZA Jahr 2011 Seite 992; LAG Hamm, BeckRS 2012, BECKRS Jahr 68656,). Praxistipp: Ohne in der Sache erfolglose Durchführung des BEM bzw. einen gescheiterten tatsächlichen Arbeitsversuch zu geänderten Bedingungen wird der Arbeitgeber regelmäßig beweisfällig bleiben, d. h. den Kündigungsschutzprozess verlieren. Damit verbunden sind erhebliche rechtlich-wirtschaftliche Risiken, insbes. Nachzahlung der Vergütung aus Annahmeverzug (§§ BGB § 615, BGB § 296 BGB), Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen etc.. Es gilt die Formel: Unterbleibt ein ordnungsgemäßes BEM, ist der Arbeitnehmer im Vorteil. Wird es ordnungsgemäß angeboten (und vom Arbeitnehmer abgelehnt) und durchgeführt, ist der Arbeitgeber im Vorteil. Der Arbeitgeber entscheidet durch frühzeitige Eingliederungsinitiative, der Arbeitnehmer durch Mitwirkung oder Verweigerung, wie die Trümpfe verteilt sind. Bedarf es – wie beim BEM – der Einwilligung oder der Mitwirkung des Arbeitnehmers, muss nach dem BAG der Arbeitgeber um diese ordnungsgemäß nachsuchen oder den Arbeitnehmer hierzu auffordern. Dazu kann er dem Arbeitnehmer eine Frist setzen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dabei deutlich darauf hinweisen, dass er im Weigerungsfall mit einer Kündigung rechnen müsse – was quasi auf eine „personenbedingte Abmahnung“ hinausläuft. Lehnt der Arbeitnehmer die Maßnahme dennoch ab oder bleibt er trotz Aufforderung untätig, braucht der Arbeitgeber die Maßnahme vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr als milderes Mittel berücksichtigen (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 398). Das BEM und das Dienstunfähigkeitsverfahren im Beamtenrecht sind vom Gesetzgeber nicht miteinander verzahnt worden, so dass sich aus dem Unterlassen eines BEM keine unmittelbaren Auswirkungen für die Rechtmäßigkeit einer Zurruhesetzungsverfügung ergeben. BEM ist keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit (BVerwG, NVwZ 2014, NVWZ Jahr 2014 Seite 1319). . • • • • • 496 Arbeitsrecht im Betrieb • • 12 VII. Diskriminierung und Schadensersatz Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX, ein ordnungsgemäßes BEM anzubieten und durchzuführen, stellt kein Indiz i. S. d. § AGG § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung des Beschäftigen wegen einer Behinderung dar. § SGB_IX § 84 SGB_IX § 84 Absatz II SGB IX ist keine besondere Schutzvorschrift zugunsten Behinderter, weil sie für alle Arbeitnehmer gilt (BAG, NJW 2011, NJW Jahr 2011 Seite 2458). Praxistipp: Kündigt ein Arbeitgeber einem behinderten Beschäftigten personenbedingt, ist es wichtig, dass er sich im Rahmen der Betriebsratsanhörung, des Kündigungsschreibens etc. alleine auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen durch die krankheitsbedingten Fehlzeiten stützt und – behinderungsunabhängig - bei Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder ähnlichem Umfang grundsätzlich kündigt. Die Kündigung erfolgt dann aus krankheitsbedingten Gründen und nicht wegen des Diskriminierungsmerkmals Behinderung, so dass eine Diskriminierung(-sentschädigung) ausscheidet (BAG, NJW 2011, NJW Jahr 2011 Seite 2458; BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 280). Da eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Durchführung des BEM besteht, kann ein schuldhaftes Unterlassen bzw. Verletzen ggfs. auch Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen (§§ BGB § 280 BGB § 280 Absatz I, BGB § 280 Absatz II, BGB § 241 BGB § 241 Absatz I, BGB § 241 Absatz II BGB), wenn ein Arbeitnehmer trotz vorhandener Möglichkeit nicht leidensgerecht beschäftigt wird und der Arbeitgeber ihm keinen entsprechenden Arbeitsplatz im Rahmen des Direktionsrechts zuweist (LAG Rheinland-Pfalz, ArbRAktuell 2012, ARBRAKTUELL Jahr 2012 Seite 255; LAG Berlin-Brandenburg, NZA-RR 2012, NZA-RR Jahr 2012 Seite 624). Trifft den Arbeitnehmer allerdings ein Verschulden hinsichtlich seines Unvermögens, die bisherige Tätigkeit auszuüben, kommt ein Mitverschulden nach § BGB § 254 BGB in Betracht. Die Rechtsprechung nimmt eine Rechtspflicht des Arbeitgebers an, einem Arbeitnehmer auf Verlangen auch eine andere, rechtlich mögliche, zumutbare und geeignete leidensgerechte Tätigkeit zuzuweisen, wenn er die bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und billigt grds. 2 Wochen zu, um das Verlangen des Arbeitnehmers zu prüfen (BAG, NZA 2010, NZA Jahr 2010 Seite 1119). . • • • 497 Arbeitsrecht im Betrieb 12 BEM: Kündigungsschutzprozess • BEM - Ergebnis für Weiterbeschäftigungsmöglichkeit maßgeblich, Mitwirkungspflicht AN • Kein BEM: Arbeitgeber umfassend vortragen, • dass Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz nicht eingesetzt werden kann und dessen • leidensgerechte Anpassung ausgeschlossen ist + • AN nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann. • Warum aufgezeigte /denkbare Alternativen zur Reduzierung der Fehlzeiten nicht in Betracht kommen + • dass künftige Fehlzeiten weder durch gesetzlich vorgesehene Hilfen, noch Leistungen der Rehabilitationsträger hätten reduziert werden können. BAG 20.11.2014 - AZR 755/13 und 23.04.2008 - 2 AZR 1012/2006 498 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Arbeitgeberpflichten Behinderte • § 106 S. 3 GewO: AG hat bei der Ausübung des Direktionsrechts auf die Behinderung Rücksicht zu nehmen • Stufenweise Wiedereingliederung, § 28 SGB IX: Soll = Anspruch BAG 13.06.2006 – 9 AZR 229/05 • Verbot der Benachteiligung von AN wegen einer Behinderung, §§ 7 Abs. 1 i.V.m. 1 AGG • § 81 Abs. 4 SGB IX: Ansprüche = einklagbar • Beschäftigung mit voller Verwertung Fähigkeiten • Ausstattung mit technischen Arbeitshilfen 499 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Betriebliches Gesundheitsmanagement – BGM: Beteiligte • Arbeitgeber (Direktionsrecht, Fürsorgepflicht): • Geschäftsleitung, Personalabteilung • Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit • Betriebsrat, §§ 81, 87 I Z. 7, 88 Z. 1 BetrVG • Schwerbehindertenvertretung, §§ 94 ff SGB IX • • • • • 500 Bundesanstalt für Arbeit, SGB III Krankenkassen, §§ 20 ff, 74 SGB V Rentenversicherung, § 16 SGB VI Berufsgenossenschaften, § 35 SGB VII Fürsorgestelle, §§ 33, 34 SGB IX Arbeitsrecht im Betrieb 12 Betriebliche Gesundheitsförderung • Ganzheitlich – integrierter Ansatz: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) • Unternehmens- Individueller Auslöser - Initiative: • Hohe Krankenstände • Hohe Fluktuation, innere Kündigungen • Investition in Humankapital • Strukturelle + planerische Rahmenbedingungen: • Zieldefinition und Zielstrukturierung • Festlegung von Zuständigkeiten + Verantwortlichkeiten • Auswahl von Organisationseinheiten • Planung und Steuerung • Vernetzung mit anderen Managementansätzen • Aufbau von Kooperationsbeziehungen 501 Arbeitsrecht im Betrieb 12 Integriertes Gesundheitsmanagement • Ziele Personal- + Organisationsentwicklung: • Arbeits- und Gesundheitsschutz, unter Einbindung und Kostenbeteiligung von – Krankenkassen, §§ 20 a – c, 40 SGB V – Unfallversicherung (BG), § 33 SGB VII – Schwebehinderung, §§ 15, 44 I, 53,54 SGB IX – Rentenversicherung, §§ 28 SGB • Vorsorge, Gesundheitsförderung • Mitarbeiter- u. Konfliktberatung, Suchtprävention • Projektleitung: Koordination von • Schwerbehindertenvertretung • Sicherheitsfachkräften, Betriebsarzt – Sozial-/ Suchtberatung Betriebliches Gesundheitsmanagement von uni-hannover.de 502 Arbeitsrecht im Betrieb 12 BGM: Außerbetriebliche Kostenträger • Bundesanstalt für Arbeit, • §§ 19, 112 Behinderte – – • • § 119 Ausbildung § 130 Befristete Leistungen § 45 § 51 Aktivierung und berufliche Eingliederung Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen • Krankenkassen • • • 503 SGB III SGB V: • § 20 Primäre Prävention • § 20 a Betriebliche Gesundheitsförderung • § 20 b Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren • § 74 Stufenweise Wiedereingliederung Rentenversicherung § 16 Verweis auf SGB IX SGB VI Berufsgenossenschaften § 35 Verweis auf SGB IX SGB VI Fürsorgestelle, Leistungen SGB IX • § 33 zur Teilhabe am Arbeitsleben – Abs. 6 medizinische und psychologische Hilfen • § 34 an Arbeitgeber Arbeitsrecht im Betrieb 12 S STEAG „LIFE“: Langfristige individuelle Förderung der Eigenverantwortung • Ganzheitliches Konzept: Begleitung der Mitarbeiter in allen Lebensbereichen und Hilfestellung zu Problemen • Gesundheitliche: Ziel Sicherung der Arbeitsfähigkeit • finanziellen und soziale • Prävention • • • Gruppenschulung Stressbewältigung Minderung arbeitsbedingter Belastungen Bewegungsapparat Führungskräfteschulung: Gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung • Leistungen des Unternehmens: • Betriebssport • Konfliktmanagement • Hilfe in schwierigen Lebenssituationen • Kooperationspartner: Knappschaft und weitere Beteiligte 504 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Arbeiten im Schongang? WDR 4.04.2013 • Der Molkereizulieferer Satro in Lippstadt hat Ärzte aufgefordert, erkrankte Mitarbeiter nur teilweise krankzuschreiben. Auf freiwilliger Basis sollten diese Mitarbeiter auf sogen. „Schonarbeitsplätzen“ arbeiten. Die Idee für den Vorstoß bei den Ärzten kam nach Auskunft der Firma so: Einige der 300 Mitarbeiter des Lippstädter Milchpulverherstellers fragten die Personalleitung, ob sie trotz Krankschreibung arbeiten dürften, sie wollten nicht zu Hause rumsitzen. So sei man darauf gekommen, Schonarbeitsplätze anzubieten. Tipps für die Ärzte: "Wir können befristete Arbeitsplätze, die nur geringe körperliche Belastungen mit sich bringen, zur Verfügung stellen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie in medizinisch dafür geeigneten Fällen einen vorübergehenden Einsatz verletzter bzw. erkrankter Mitarbeiter als Alternative zur Krankschreibung in Erwägung ziehen würden. Eine kurze schriftliche Mitteilung gegenüber unserem Mitarbeiter wäre für uns ausreichend." 505 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Arbeiten im Schongang? • Hoheitsrecht der Mediziner: Viele Ärzte im Kreis Soest sind empört. Sie wollen sich nicht in die Diagnose hineinreden lassen, so der Sprecher der Ärztekammer im Kreis Soest, Dr. Heinz Ebbinghaus: "Wir als Ärzte sehen das Ganze schon bedenklich. Für uns stellt das auch einen Vertrauensbruch dar. Wir als Ärzte haben das Hoheitsrecht, die Menschen krank zu schreiben. Wir sehen uns da schon etwas bedrängt. Wir Mediziner wissen schon zu unterscheiden, wer krankgeschrieben werden muss und wer nicht. Das lassen wir uns auch nicht nehmen." • Der Soester Arbeitsrechtler Dr. G. hält den Vorstoß für problematisch. "Gegen eine freiwillige Teilnahme des Arbeitnehmers ist nichts einzuwenden. Davon zu halten ist meines Erachtens aber nichts. Ich rate davon dringend ab, das zu machen. Der Arbeitnehmer hat gesetzlichen Schutz durch das Entgeltfortzahlungsgesetz und darauf sollte er auch bestehen.“ • Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten bezeichnet den Vorschlag der Firma als „ungeheuerlich“. Mit der Aktion wolle sie die Mitarbeiter nur zusätzlich unter Druck setzen, um die Zahl der Krankheitstage zu senken. 506 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Teilarbeitsunfähigkeit Es gibt Fallgestaltungen, in denen der Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung nur teilweise nicht in der Lage ist, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zu unterscheiden sind folgende Fälle: • Der Arbeitnehmer ist nicht in der Lage, die geschuldete Leistung in vollem zeitlichem Umfang zu erbringen (quantitative Teilarbeitsunfähigkeit). • Der Arbeitnehmer kann einige, aber nicht sämtliche zu seinem Arbeitsplatz gehörende Tätigkeiten erbringen (qualitative Teilarbeitsunfähigkeit). Hat Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung ? 507 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Teilarbeitsunfähigkeit • EntFZ kennt keine teilbare o. teilweise Arbeitsunfähigkeit, weder in quantitativ, noch qualitativ. • Quantitative Teilarbeitsunfähigkeit: Kann der AN die geschuldete Arbeitsleistung und -zeit nicht voll erbringen, ist er arbeitsunfähig und hat Anspruch auf Entgeltfortzahlung, § 3 EFZG. BAG 26.6.1981 - 6 AZR 940/78; 29.1.1992 - 5 AZR 37/91 • Qualitative Teilarbeitsunfähigkeit: AG kann durch Zuweisung einer Tätigkeit, die AN trotz seiner Erkrankung erbringen kann, die volle Arbeitsfähigkeit herstellen (wie mutterschutz- konformen andere Beschäftigung). – Änderung Einsatzbereich muss arbeitsvertraglich zulässig sein: Vom Direktionsrecht gedeckt o. AN einverstanden – Praktische Abwicklung bedingt Rücksprache des Arztes (Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit) mit dem AG (Arbeitsplatzgestaltung). Hierzu sind Ärzte weder bereit, noch ohne Einverständnis ihres Patienten berechtigt. Auch die Initiative zu leichterer Beschäftigung müsste vom AN ausgehen. 508 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Teilarbeitsunfähigkeit Praxis-Beispiel Arbeitnehmerin A arbeitet als Telefonistin im Empfang eines großen Unternehmens. In ihrem Arbeitsvertrag ist der Tätigkeitsbereich mit "Bürotätigkeiten" umschrieben. Auf Grund einer Erkältung ist sie in einem solchen Maß heiser, dass sie keine Telefonate mehr führen kann. Für den Zeitraum der Erkrankung setzt der Arbeitgeber sie im Schreibpool ein. Die Krankheit führt hier nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit. A ist zur Arbeitsleistung verpflichtet. Bleibt sie gleichwohl zu Hause, hat sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und verletzt ihre Leistungspflichten. 509 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Krankenschwester in Nachtschicht Die K GmbH betreibt ein Krankenhaus der Vollversorgung mit 2.000 Mitarbeitern. S ist seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst (Nachtschichten 21:45 bis 6:15 Uhr) tätig. Arbeitsvertraglich ist sie im Rahmen betrieblicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet. Gem. Betriebsvereinbarung ist eine gleichmäßige Verteilung der Arbeit auf alle Beschäftigten anzustreben. S ist gesundheitlich zu Nachtdiensten nicht mehr in der Lage, weil sie medikamentös behandelt wird. Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedienstleiter S am 12. 06.2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei. S bot ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von Nachtdiensten ausdrücklich an. S beansprucht 1. Beschäftigung und 2. Vergütungszahlung für die Zeit der Nichtbeschäftigung. Zurecht? BAG 09.04.2014 - 10 AZR 637/13 510 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Lösung: Krankenschwester in Nachtschicht 1. S ist weder arbeitsunfähig krank, noch ist ihr die Arbeitsleistung unmöglich geworden. Sie kann alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen. Kann sie aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. 2. § 6 Abs. 4 ArbZG: Anspruch des Nachtarbeiters auf Umsetzung auf einen Tagesarbeitsplatz, unabhängig ob geltend gemacht. BAG: S hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden. K muss bei der Schichteinteilung auf gesundheitliche Defizit der S Rücksicht nehmen. 3. Die Vergütung steht S unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. 511 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: AG verweigert AN Aufnahme der Arbeit H, geb. 1957, ist seit 1984 bei Zeche Z unter Tage beschäftigt, zuletzt als Hauer. Von April 2009 bis zum 30. 04.2011 war er krank. Seinen Antrag auf Rente wg. Erwerbsminderung, § 43 SGB VI, wies die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid 18.01.2010 zurück. Am 23.04.2011 teilt H an Z mit, dass gem. gutachterlichen Feststellungen eine Befundverbesserung eingetreten und von Arbeitsfähigkeit auszugehen sei. Am 24.04.2011 reicht H ein Arztattest nach, dass er „voraussichtlich ab dem 1.5.2011 wieder arbeitsfähig sei“. Z veranlasst eine arbeitsmedizinische Untersuchung, die am 28.03.2012 feststellt, dass H „seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nur unter Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausüben könne“. H klagt seinen Lohn ab dem 01.05.2011 ein. Mit Erfolg? LAG D`dorf 17.07.2003 – 11 (6) SA 145/03 512 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Lösung: AG verweigert Arbeitsaufnahme 1. Annahmeverzug Z, §§ 293, 615 BGB: AG muss einen funktionstüchtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen und ihm eine Betätigung zuweisen. a) Arbeitsangebot H: Grds. tatsächliches, § 295 oder gem. § 296 BGB wörtliches ausreichend b) Nicht, wenn H außerstande war, § 297. 2. Arbeitsunfähigkeit a) Begriff in § 3 EFZG und § 44 SGB V identisch. b) Darlegungs- und Beweislast trägt Z: - Misslingt ab dem 01.05.2011 - jedoch durch arbeitsmedizinische Untersuchung: arbeitsunfähig ab 28.03.2012 Ergebnis: Z muss vom 01.05.2011 bis 27.03.2012 Entgeltfortzahlung leisten. 513 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Eingliederungsmanagement Thyssen E, Jahrgang 1968, ist seit 1984 bei Fa. TK beschäftigt. Nach Ausbildung zum Energieanlagen-Elektroniker arbeitete er in Wechselschicht. E leitet unter einer schweren „Hygiene- Sensibilität“ mit Waschzwang und Berührungsängsten in Dusche und Toilette, aber auch beim Anfassen von Werkstücken. Seit Februar 2011 ist E Proband in den Sozialbetrieben. Er hat verschiedene Probestellen durchlaufen, seit Mai ist er in der Sattlerei. Der Meister setzt ihn zum Nähen von Feuerbeschichtungstüchern ein und lernt ihn an der Industrienähmaschine an. Der Meister möchte ihn dauerhaft beschäftigen, weil bislang nur ein einziger Mitarbeiter die komplexe Nähmaschine bedienen kann. Seit Ende November 2011 ist E nicht mehr arbeitsunfähig. Am 29.02.2012 verlangt der Personalleiter mit Unterstützung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertreter aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, sich durch das Trainingscenter um eine andere Beschäftigung zu bemühen und eine Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen. Sonst werde er gekündigt. Wie ist die Rechtslage? 514 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Lösung: BEM Thyssen AG TK hat in ihrem Sozialbetrieb das betriebliche Eingliederungsmanagement mustergültig und erfolgreich durchgeführt: 1. E hat seine „Hygiene- Sensibilität“ an dem Material der Feuerbeschichtungstücher überwunden. 2. Mit diesem Erfolg bessert sich seine Erkrankung insgesamt. Weitere Therapieerfolge erscheinen jetzt möglich. 3. In der Sattlerei ist ein leidensgerechter freier Arbeitsplatz. Es besteht aber Bedarf für einen neuen Arbeitsplatz, da nur ein einziger Mitarbeiter die Nähmaschine bedienen kann. Der probeweise Einsatz machte nur Sinn bei Aussicht auf eine Dauerbeschäftigung. Der Meister bejaht den Bedarf. 4. Möglicherweise ist E schwerbehindert, anerkannt oder ggf. sogar offensichtlich. Eine Kündigung ist durch personenbedingte Gründe nicht gerechtfertigt. 515 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Rehabilitation Rentenversicherung Der 1965 geborene Tischler D ist seit 1988 bei der G GmbH (50 Mitarbeiter) als Monteur beschäftigt. Seit dem 1.06.2011 ist er arbeitsunfähig erkrankt und am15.01.2013 aus dem Krankengeld. Im Februar 2013 fordert G ihn auf, am betrieblichen Eingliederungsmanagement mitzuwirken. D erklärt sich hierzu „gerne bereit“, will aber zunächst eine laufende psychotherapeutische Behandlung abwarten. Mit Bescheid vom 14.03.2013 bewilligt die Deutsche Rentenversicherung eine „berufliche Integrationsmaßnahme als Leistung zur Teilnahme am Arbeitsleben“ vom 01.07.2013 bis 30.06.2015. Gemäß Abschlussbericht vom 30.06.2015 war die Maßnahme erfolgreich. Wäre eine Kündigung sozial gerechtfertigt? 516 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Kündigung bei Rehabilitation I. Kündigungsschutzgesetz II. Soziale Rechtfertigung: Personenbedingt 1. Erkrankungen letzten 3 Jahre: Erkrankt seit 3 Jahren AU - Atteste ab 01.07.2015 abwarten 2. Negative Prognose: a) BEM: Anpassung Arbeitsbelastung nicht möglich b) Bescheid 14.03.2013 Dt. Rentenversicherung - Arbeitsunfähig ggf. bis 30.06.2015 - Erfolg = Vermeidung Rente Erwerbsminderung Keine 6 Stunden täglich erwerbsfähig, § 43 SGB VI 3. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange: a) Kurzfristige Erkrankungen: Organisatorische Beanspruchung & finanzielle Belastung b) Langfristige Erkrankung: Wegfall Arbeitsleistung 517 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Kündigung bei Alkoholsucht Der 1948 geborene T ist seit 1997 bei der Fachklinik für Suchterkrankungen e.V. als Ergotherapeut beschäftigt. Klinik setzt ihn in der Arbeitsund Kreativtherapie ein, in der Patienten von Suchmitteln entwöhnt werden. T ist selbst „Alkoholiker“. Klinik wusste dies, nahm bei der Einstellung aber an, dass T trocken sei. 2006 und 2007 kam es mehrfach zu Rückfällen und Abmahnungen. Erste Kündigung 8/2007, Rücknahme 02/2008. Nach einem weiteren Rückfall kündigt Klinik T am 28.05.2009 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.12.2009. T erhebt Kündigungsschutzklage, begründet? BAG vom 20.12.2012 – 2 AZR 32/11 518 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Lösung: Kündigung bei Alkoholsucht 1. Fristlose Kündigung: Unwirksam Alkoholabhängigkeit ist Krankheit. Verstößt T infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, scheitert der Schuldvorwurf. 2. Ordentliche Kündigung: Sozial gerechtfertigt durch personenbedingte Gründe. 1. 2. 519 T bietet aufgrund der Alkoholsucht keine Gewähr , dass er auf Dauer in der Lage sein wird, seine geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen. Mit weiteren Auffälligkeiten ist zu rechnen. Interessenabwägung: Klinik muss gegenüber Patienten und Leistungsträgern schädliche Einflüsse auf Behandlungserfolg ausschließen. Wird durch 12-jährige Betriebszugehörigkeit und Alter von 60 Jahren des T nicht aufgewogen. Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Fall: Genesungswidriges Verhalten SS betreibt seit dem 16. Lebensjahr Leistungssport, insbes. Marathonläufe. Seit 1990 ist er bei D – AG als Lagerist für 2.400 € beschäftigt. Am 05.09.2006 brach sich SS bei einem Wegeunfall Sturz mit dem Fahrrad das linke Schulterblatt. Bis zum 27.10.2006 war er arbeitsunfähig. Am 17.09. nahm SS am Wien- über 53 km und am 21.10.2006 am Schw. Alb - Marathon über 50 km teil. Zuvor hatte ihm der behandelnde Arzt jeweils erklärt, dass aus ärztlicher Sicht nichts gegen die Teilnahme spreche und nicht mit einer Verzögerung des Heilungsverlaufes zu rechnen sei. Er solle aber aufhören, sobald er Schmerzen verspüre. D erfährt die Läufe aus der lokalen Presse und kündigt außerordentlich, hilfsweise fristgerecht? ArbG Stuttgart 22.03.07 - Ca 475/06; BAG 02.03.2006 – 2 AZR 53/05 520 Arbeitsrecht im Betrieb 12 S Lösung: Genesungswidriges Verhalten 1. Was AN außerhalb der Arbeitszeit tut, bleibt auch im Fall der Krankheit seine private Sache. Was er während der Arbeitsunfähigkeit tun und lassen darf, entscheidet in erster Linie der behandelnde Arzt, z.B. Freizeitaktivitäten bei psychischen Krankheitsbildern: Einverständnis? 2. Ist zugleich arbeitsrechtliche Pflichtverletzung: 1. Ordentliche Kündigung verhaltensbedingt: Grds. zunächst Abmahnung wegen Verstoß gg. Leistungspflicht 2. Außerordentliche K.: Nur in Ausnahmefällen bei schwerwiegenden Verstößen, insbes. bei Zerstörung des Vertrauens des AG´s in seine Redlichkeit 521 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Allgemeiner & besonderer Kündigungsschutz 522 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Vertragsverletzung AN: Reaktionen • Keine Entgeltminderung, ggf. Schadensersatz • Ermahnung: • – Bei triftigem Grund, z.B. Schlechtleistung Abmahnung: Konkrete Rüge & Kündigungsdrohung – Bei jedem objektiven Vertragsverstoß – Erbringt im Kündigungsschutzprozess keinen Beweis, gleichwohl Klage auf Entfernung aus Personalakte – Einseitiges Rechtsgeschäft Arbeitgeber Alternative: Korrekturvereinbarung • Kündigung: Schriftlich, auch ohne Grund – Ordentlich: Verhaltensbedingt nach Abmahnung oder verzichtbar / Vertrauen zerstört – Außerordentlich: Kündigungsfrist unzumutbar lang 523 Arbeitsrecht im Betrieb 13 G Allgemeiner Kündigungsschutz • Außerordentliche Kündigung, § 626 BGB: – Kündigungsgrund, Abs. 1: Zweistufige Prüfung • An sich geeignet zur Rechtfertigung eine a.o. Kündigung • Abwägung der Umstände des Einzelfalls – 2 Wochen- Frist ab Kenntnis, Abs. 2 • Kündigungsschutzgesetz: – Kündigungsschutzgesetz anwendbar: • Mehr als 10 Mitarbeiter im Betrieb • AN länger als 6 Monate beschäftigt – Kündigung bei Ausspruch sozial gerechtfertigt durch • Verhaltensbedingte Gründe, grds. erst nach Abmahnung • Dringende betriebliche Gründe & Sozialauswahl • Personenbedingte Gründe, insbes. Krankheit • Klagefrist, §§ 4, 7 KSchG: 3 Wochen, gilt für alle Gründe, auch besonderen Kündigungsschutz 524 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Kündigung bei Alkoholerkrankung Eine Kündigung kann durch personenbedingte Gründe bedingt sein, wenn im Kündigungszeitpunkt die Prognose gerechtfertigt ist, der Arbeitnehmer biete auf Dauer nicht die Gewähr, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen: Maßgeblich sind Bereitschaft AN zu Entziehungskur oder Therapie. Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen kann sich ergeben aus a) beträchtlichen Fehlzeiten des Arbeitnehmers b) einer beachtlichen Selbst- und Fremdgefährdung, wenn der AN mangels Fähigkeit zur Alkoholabstinenz nicht die Gewähr für die ausnahmslose Einhaltung der bei seiner Arbeitsleistung einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften bietet. BAG 20.03.2014 – 2 AZR 565/12 525 Arbeitsrecht im Betrieb 13 G Besonderer Kündigungsschutz nach Personengruppen: • Verbot ordentliche Kündigung: • Auszubildende nach Probezeit, § 22 II BBiG • Betriebsräte, § 15 I KSchG • Erfordernis Zustimmung zur Kündigung: • Außerordentliche Kündigung Betriebsräte, § 103 BetrVG: Zustimmung Betriebsrat o.Ersetzung durch Arbeitsgericht • Schwerbehinderte + Gleichgestellte Landschaftsverb. – Ordentliche Kündigung, § 85 SGB IX – Außerordentliche Kündigung, § 91 SGB IX • Schwangere bis 4 Monate nach Geburt § 9 MuSchG • Elternzeit : 8 Wochen vor + während § 18 BBEG • Pflege naher Angehöriger § 5 PflegezeitG 526 Arbeitsrecht im Betrieb 13 G Sonder- Kündigungsschutz: Übersicht Verbot Gesetz Auszubildende: Ordentliche Kündigung , Betriebsübergang, Betriebsräte, ordentliche Kündigung: - a.o. K.: Zustimmung Betriebsrat - Arbeitsgericht • • • Zustimmung, z.B. durch Landschaftsverband: Betriebsräte, außerordentliche Kündigung: AG/ ArbG Schwangere: während und Nachwirkung 4 Monate Elternzeit , bis 3 Jahre Pflege naher Angehöriger Schwerbehinderte und Gleichgestellte • • • • • Anhörung des Betriebsrats: vor jeder Kündigung Anzeige der Massenentlassung von mindesten 5 in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern Anzeige an Landesarbeitsamt Konsultation des Betriebsrates: • • • Fallweise Kündigungsverbote: - Treu und Glauben Maßregelungsverbot Diskriminierung 527 entgegen § 2 Abs. 4 § 22 BBiG § 613 a IV BGB § 15 KSchG § 103 BetrVG § 103 §9 BetrVG MuschG § 18 I 1 BEEG §5 PflegezeitG § 85 SGB IX § 102 BetrVG § 17 KSchG Abs. 1 Abs. 2 § 242 BGB § 612 a BGB AGG Arbeitsrecht im Betrieb 13 AN ordentlich unkündbar • Arbeitsvertragliche o. tarifliche Unkündbarkeit: – Betriebsbedingt oder Anzahl Beschäftigungsjahre Nur außerordentliche Kündigung: Abwarten Frist ordentliche Kündigung nicht zumutbar: Länge der Kündigungsfrist + -grund • Wichtiger Grund: Hohe Anforderungen – Krankheitsbedingt: Über Jahre erhebliche LFZ Kosten ohne nennenswerte Arbeitsleistung 20.03.2014 - 2 AZR 288/13 – Betriebsbedingt: Innerbetriebliche Umstrukturierung nicht ausgeschlossen, auch nicht bei Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit BAG 22.11.2012, 2 AZR 673/11 • Soziale Auslauffrist wie ordentliche Kündigung 20.06.2013 – 2 AZR 379/12 528 BAG Arbeitsrecht im Betrieb 13 Darlegungs-+ Beweislast: Abgestuft • Arbeitgeber: Für alle die Kündigung begründenden Tatsachen, z.B. Vertragsverstoß + Abmahnung • Arbeitnehmer behauptet konkrete Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe: – Arbeitgeber muss widerlegen – Ergebnis: Jeder andere Verlauf des Geschehens erscheint ausgeschlossen – Vortrags- und Beweislast wechselt zwischen AG + AN • Bei Streit über erheblichen Umstand: – Beweis durch Urkunde, Zeuge, Sachverständiger – ggf. Verwertungsverbot: Datenschutz, allg. Persönlichkeitsrecht, z.B. geheime Videoüberwachung BAG 21.06.2012, AZR 153/11 529 www.ingendahl-rust.de Arbeitsrecht im Betrieb 13 Abbau von Arbeitsplätzen • KSchG: „Dringender betrieblicher Grund“ • Wegfall des Arbeitsplatzes • Problem: Richtige Sozialauswahl unter allen vergleichbaren Arbeitnehmern des Betriebes, § 1 III 1 • Einschränkungen der Sozialauswahl, § 1 III 2 – Leistungsträger: Weiterbeschäftigung liegt wegen besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten & Leistungen im berechtigten betrieblichen Interesse – Erhaltung ausgewogene Personal-, insbesondere Altersstruktur des Betriebes • Kollektivrechtliche Regelungen , § 1 – Abs. 4: Tarifvertrag o. Betriebsvereinbarung gem. § 95 BetrVG mit Punktesystem – Abs. 5: Interessenausgleich mit Namensliste 530 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Sicherung ausgewogene Personalstruktur, § 1 III 2 KSchG • Sozialauswahl (Kriterien: Betriebszugehörigkeit, Lebens- alter, Unterhaltspflichten) kann die Personalstruktur des Betriebes verschlechtern, es droht Überalterung • AG kann bei Darlegung konkreter Nachteile • in jeder Altersgruppe proportional kündigen, z.B. AN bis zum 30. Lebensjahr jeweils bis zum 40., 50. und 60. Lebensjahr ab dem 61. Lebensjahr • Nur Erhaltung, nicht Verbesserung der Altersstruktur • Punktesystem mit Berücksichtigung Lebensalter • Europarechts- und AGG – konform • Beurteilungs- + Gestaltungsermessen des Arbeitgebers 531 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Modifikation Sozialauswahl, § 1 V • Folge: Gesetzliche Vermutung, dass • Kündigung gelisteter AN durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist: Beweislastumkehr + • es keine andere Beschäftigungsmöglichkeit gibt. • Überprüfung Sozialauswahl nur auf grobe Fehler: – Arbeitnehmer kann Angabe der Gründe verlangen, die zur Sozialauswahl geführt haben • Ergänzung: 3- seitiger Vertrag zwischen • Arbeitgeber: Erspart sich Kündigungsschutzklagen • Mitarbeiter: Einwilligung Beendigung Arbeitsvertrag • Beschäftigungs- & Qualifizierungsgesellschaft: AN Einstellung 1 Jahr, mit Transferkurzarbeitergeld, § 111 SGB III 532 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Wiedereinstellungsanspruch: • Wegfall eines Kündigungsgrundes: – Nachträglich entfallen Umstände, die die negative Prognose begründet haben – Aus des Sphäre des Arbeitgebers z.B. unvorhergesehene Beschäftigungsmöglichkeit • Betriebsübergang nach betriebsbedingter Kündigung • Aufhebungsvertrag: Anpassung nach Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB • Verdachtskündigung: Entkräftung 533 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Kündigung: Gestaltungen • Betriebsbedingte Kündigung, § 1 a KSchG: Angebot Abfindung 0,5 Monatslöhne je Beschäftigungsjahr • Kündigungsgründe angeben? grds. nein • Freistellung -ggf. unwiderruflich - unter Anrechnung auf offene • Mehrarbeits- und • Urlaubsansprüche • Ggf. Hinweise auf • ordentliche Abrechnung und Zeugnis • Pflichten: Meldung Arbeitsamt BA & Arbeitssuche • Erklärung Arbeitnehmer: • Klageverzicht: Schriftlich in gesonderter Vereinbarung • Abwicklungsvereinbarung: Ggf. auch Abfindung 534 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Bedeutung Kündigungsgründe • Grundsatz: Angabe in Kündigungsschreiben weder erforderlich noch empfohlen: Soziale Rechtfertigung nach allen Seiten offen halten • Ausnahme: Begründungspflicht: – a.o. Kündigung Auszubildender, § 22 III BBiG – Verlangen bei a.o. Kündigung, § 626 II 3 BGB • Bei Anhörung + Zustimmung Betriebsrat: – Beschränkung des AG auf Gründe, die er dem Betriebsrat/ArbGericht mitgeteilt hat 535 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Leiharbeitnehmer KündigungsschutzG • Arbeitnehmeranzahl: • Vorbeschäftigung betriebsbezogen: Nicht – Konzernbezogen (aber unternehmensbezogen) – Als Leiharbeiter BAG 20.02.2014 – 2 AZR 859/11 • A: – a.o. Kündigung Auszubildender, § 22 III BBiG – Verlangen bei a.o. Kündigung, § 626 II 3 BGB • B: – Beschränkung des AG auf Gründe, die er dem Betriebsrat/ArbGericht mitgeteilt hat 536 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Mehrere Kündigungsgründe: • Ausspruch mehrerer Kündigungen, jeweils mit allen formellen Erfordernissen – Einholung Zustimmung (z.B. Hauptfürsorgestelle), bereits bei Verdacht einer Schwerbehinderung – Anhörung o. Zustimmung Betriebsrat – Anhörung AN bei Verdachtskündigung • Beispiele: – Außerordentlich ( 2 Wochen-Frist) und ordentlich – Kündigung verhaltens- + personenbedingt – Verdachts- und Tatkündigung 537 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Kündigungserklärung Auslegung: l • Kündigungsgrund muss grds. nicht angegeben werden, nur objektiv vorliegen • Ausnahmen: Zustimmungsverfahren z.B. SGB IX, BR • Außerordentliche Kündigung: Wenn Kündigung zusätzlich als „fristgerechte“ bezeichnet. • Falsche Kündigungsfrist: • Kündigung mit anderer Frist ist grundsätzlich ein anderes Rechtsgeschäft • Kündigungsschutzklage: • Erforderlich, wenn keine Auslegung zur richtigen Frist möglich • Sonst Fiktion der Wirksamkeit, §§ 4, 7 KSchG BAG 15.05.2013 – 5 AZR 130/12 538 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Druckkündigung: Arten l • Personenbedingt: • Eignungsmängel von Kollegen erkannt und • als Kündigungsgrund an AG herangetragen • Verhaltensbedingt: Kündigungsgrund für Tat- oder Verdachtskündigung • Betriebsbedingt (nachrangig): • Sehr konkret formulierte Kündigungserwartung eines Kunden verbunden mit der Drohung von Entscheidungen, die den Arbeitgeber in seinem Bestand gefährden • Hauptkunde verweigert die Zusammenarbeit und keine andere Beschäftigung für AN 539 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Outplacement -Beratung • Unterstützung des gekündigten Mitarbeiters bei Suche nach neuem Arbeitsplatz. • Grund: Unternehmen will "faire" Trennung im Hinblick – auf die Motivation verbleibender Mitarbeiter und Attraktivität im Wettbewerb um Arbeitskräfte – Vermeidung Kündigungsprozesse – Verkürzung Restlaufzeit von Arbeitsverträgen • Vorgehensweise Phasen Erfassung berufliche + private Situation des Arbeitnehmers Feststellung von Qualifikationsprofil + Weiterbildungsbedarf Entwicklung individueller Bewerbungsstrategie. Erstellung Bewerbungsunterlagen, insbes. Lebenslauf, Formulierung schriftliche Bewerbung, Beurteilung von Stellenangeboten, Vorbereitung von Bewerbungsgesprächen incl. Interviewtraining – Unterstützung bei Abschluss des neuen Arbeitsvertrages – – – – 540 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Konzerndimensionaler Kündigungsschutz: • Kündigungsschutz Anknüpfung – an Betrieb, z.B. für „mehr als 10 Mitarbeiter“, Sozialauswahl usw. – weder Unternehmen = Rechtsträger – noch Konzern = mehrere juristische Personen mit gemeinsamen Haupt- Gesellschafter • Ausnahmen: Arbeitgeber hat sich entweder • im Arbeitsvertrag zu unternehmensübergreifender Weiterbeschäftigung verpflichtet oder • dies in Vergangenheit tatsächlich gehandhabt 541 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Schadensersatz, § 628 II BGB • Kündigung (ao o. ordentlich) veranlasst durch • schuldhaftes vertragswidriges Verhalten, das außerordentliche Kündigung rechtfertigt • Ersatzfähiger Schaden des Arbeitnehmers: – Entgelt bis Ablauf Kündigungsfrist – Bei Kündigungsschutzgesetz: Abfindung – Verdienstausfall & Minderverdienst • Ersatzfähig beim Arbeitgeber: Nur (Verfrühungs-) Schaden durch schnelle außerordentliche AG-, statt fristgemäßer AN- Kündigung 542 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Mobbing: • Begriff: Systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminierung von • Arbeitnehmern untereinander: Mobbing • durch Vorgesetzte: Bossing • gegen Vorgesetzte: Staffing • Stalking (engl. jagen, hetzen): Beabsichtigtes wiederholtes Verfolgen + Belästigen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwer beeinträchtigt wird. • Arbeitgeberpflicht : Schützen, § 13 AGG • Betriebsrat: § 74 BetrVG 543 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Anhörung BR bei Wartezeitkündigung Frau K ist seit dem 1.7.2010 bei Fa. B beschäftigt. Mit Schreiben vom 14.12.2010 hört B den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung von K an. Neben den Sozialdaten der Klägerin und ihrem Eintrittsdatum teilt B dem Betriebsrat mit: „Es wurde eine 6- monatige Probezeit vereinbart. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses liegt nicht in unserem Interesse.“ Der Betriebsrat widerspricht der Kündigung, weil ihm kein Kündigungsgrund genannt worden sei. B kündigt Frau K mit Schreiben vom 28.12.2010 zum 15.01.2011. Frau K erhebt Kündigungsschutzklage und rügt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. BAG 12.9.2013 – 6 AZR 121/12 544 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Anhörung bei Wartezeitkündigung Bei einer Kündigung in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses, die auf ein personenbezogenes Werturteil gestützt wird, muss dem Betriebsrat nur dieses Werturteil des AG mitgeteilt werden, ohne es zu substantiieren oder zu begründen. Ausreichend: - Der Arbeitnehmer habe sich „während der Probezeit nicht bewährt“ und sei „nicht geeignet, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen“ oder - „nach unserer allgemeinen, subjektiven Einschätzung genügt die Arbeitnehmerin unseren Anforderungen nicht“ oder - der Arbeitnehmer habe die „in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“. 545 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Kündigung nach Leugnen der Schwerbehinderung in laufenden Arbeitsverhältnis Argumente , Abwägung: 1. Persönlichkeitsschutz AN 2. Pflichtabgabe Arbeitgeber, § 77 SGB IX: Nur bei Kenntnis: Nebenpflicht zur Offenbarung 3. Kündigungsschutz unentziehbar nach 6 Monaten, § 90 I Z. 1 SGB IX 4. Widersprüchliches Verhalten, § 242 BGB Urteil: Kein Kündigungsschutz BAG 16.02.2012 - 6 AZR 553/10 546 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Betriebsbedingte Kündigung während Kurzarbeit • Wegfall des Arbeitsplatzes: – Außerbetriebliche Gründe: • Absatzschwierigkeiten, Umsatzrückgang mit dauerhafter Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs – Innerbetrieblicher Grund: Unternehmerentscheidung • Organisationsentscheidung arbeitsplatznah • Dringlichkeit: Keine technische oder organisatorischen Alternative zur Kündigung • Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf freiem Arbeitsplatz • Kurzarbeit: Parteien gehen von einem nur vorüber- gehenden Arbeitsmangel aus, § 96 Abs. 1 Z. 2 SGB III BAG 23.02.2012 - 2 AZR 548/10 547 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Kündigung wegen Minderleistung • Verhaltensbedingt: AN muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess: – Arbeitgeber: Tatsachen, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. – Arbeitnehmer: Gründe, warum er dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. • Personenbedingt: Arbeitsleistung unterschreitet die berechtigten Erwartung des Arbeitgebers an die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird. • Vorrangig: Änderungskündigung und Fortsetzung zu geänderten Vertragsbedingungen BAG 11.02.2003 - 2 AZR 667/02 548 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Kündigung ohne BEM Der 1964 geborene B ist bei der T AG seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. In den Jahren 2006 bis 2011 war er jährlich zwischen 59 und 125 Tagen arbeitsunfähig. Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit. 2004 stellte sich B auf Ersuchen T AG beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Dieser stellte fest, dass gegen eine Beschäftigung des Klägers keine gesundheitlichen Bedenken bestünden. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der T AG mit, sie habe B einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermieden ließen. Mit Schreiben vom 29.11.2011 kündigt T AG fristgerecht zum 30.6.2012. Sozialwirksam? BAG vom 20.11.2014 2 AZR 755/13 549 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Kündigung ohne BEM • K wegen häufiger Kurzerkrankungen: Vielzahl von Krankheitsbildern unter häufig wechselnder Krankheits- und Arbeitsphasen • Dreistufigen Prüfung krankheitsbedingter Kündigungen: – Negative Gesundheitsprognose: Erhebliche Fehlzeiten seit 2009 – Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen: Unterstellt – 3. Stufe „Interessenabwägung“. T AG hat bEM unterlassen, ohne darzulegen, dass es kein milderes Mittel als Kündigung gebe. Das BEM ist ein verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung künftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Der Arbeitgeber hat Initiative zum bEM zu ergreifen und Arbeitnehmer über Ziele, Art und Umfang der zu erhebenden Daten zu belehren. Die betriebsärztliche Untersuchung ist kein bEM. • T AG hat auch die objektive Nutzlosigkeit nicht dargelegt, dass ein regelkonformes bEM nicht Leistungen oder Hilfen für B hätten erkennen können, zu denen ein Rehabilitationsträger verpflichtet war. 550 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Fristlose Kündigung wg. Stalking S, geb. 1957, ist verheiratet und zu 80 % schwerbehindert. Er ist seit 1989 Verwaltungsangestellter beim Land Hessen, seit 2005 beim Immobilienmanagement. 2007 beschwerte sich die als Leiharbeitnehmerin beschäftigte Mitarbeiterin M1, sie fühle sich von S belästigt. Nach Einschaltung der Beschwerdestelle AGG teilte der Direktor dem S mit, eine unmittelbare Kontaktaufnahme habe mit M 1 habe zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen auf jeden Fall zu unterbleiben. Mit Schreiben vom 8.10.2009 wandte sich die Leiharbeitnehmerin M2 an den Direktor, weil sie sich durch S in unerträglicher Weise belästigt und bedrängt fühle. Seit Juni hatte S ihr mehr als 120 E-Mails, SMS + MMS geschickt, auch noch nachdem sie Anfang September jeden privaten Kontakt gegenüber S ausdrücklich abgelehnt hatte. Der Direktor will S fristlos kündigen. Zurecht? BAG vom 19.04.2012 2 AZR 258/11 551 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Fristlose Kündigung wg. Stalking • Stalking : – An sich wichtiger Grund – Abwägung der Umstände des Einzelfalls: • Ausmaß und Intensität der Pflichtverletzung • Folgen für den Mitarbeiter • Notwendige Bestandteile Abmahnung: – Rüge eines genau bezeichneten Fehlverhaltens – Hinweis auf Bestands- oder Inhaltsgefährdung der Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall, ausreichend: Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen • Abmahnung nicht erforderlich, wenn – Verhaltensänderung nach Abmahnung nicht zu erwarten – Insbes. schwere Pflichtverletzung: Hinnahme offensichtlich und für Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen BAG 19.04.2012 - 2 AZR 258/11 552 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Ao Kündigung wg. YouTube Beschwerdestelle AGG teilte der Direktor dem S mit, eine unmittelbare Kontaktaufnahme habe mit M 1 habe zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen auf jeden Fall zu unterbleiben. Mit Schreiben vom 8.10.2009 wandte sich die Leiharbeit-nehmerin M2 an den Direktor, weil sie sich durch S in uner-träglicher Weise belästigt und?? BAG vom 31.07.2014 - 2 AZR 505/13 553 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Ao Kündigung wg. YouTube • Stalking : – An sich wichtiger Grund – Abwägung der Umstände des Einzelfalls: • Ausmaß und Intensität der Pflichtverletzung • Folgen für den Mitarbeiter • Notwendige Bestandteile Abmahnung: – Rüge eines genau bezeichneten Fehlverhaltens – Hinweis auf Bestands- oder Inhaltsgefährdung der Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall, ausreichend: Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen • Abmahnung nicht erforderlich, wenn – Verhaltensänderung nach Abmahnung nicht zu erwarten – Insbes. schwere Pflichtverletzung: Hinnahme offensichtlich und für Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen? 554 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Kündigung Ersatzmitglied BR Jurist J wird am 01.09.2010 aus personenbedingten Gründen ordentlich gekündigt. 1. J wurde 2004 als Programmierer eingestellt und danach ausschließlich 5 Jahre mit rechtlichen Fragestellungen beschäftigt. Seit September 2009 versagt er bei allen Aufgaben als Programmierer. 2. J hatte bei der Wahl des 5– köpfigen Betriebsrates die 6.- meisten Stimmen erhalten. Die Amtszeit des Betriebsrates verlief ohne besondere Vorkommnisse und endete am 31.05.2010. Hat die Kündigungsschutzklage Erfolg? BAG 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 555 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Kündigung Ersatzmitglied BR • Änderung der vertraglichen Arbeitspflicht: Auch nicht nach 5- jähriger anderweitiger Beschäftigung • Organisationsprogrammierer mit Mangel an Programmierkenntnissen: – Anfechtung des Arbeitsverhältnisses: Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaft, § 119 Abs. 2 BGB – Soziale Rechtfertigung Kündigung: Aus in der Person liegenden personenbedingten Gründen • Kündigungsschutz als Betriebsrat: – Als Ersatzmitglied mit Zustimmungserfordernis § 103 BetrVG: Nur solange ein verhindertes Betriebsratsmitglied gem. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG vertreten wird – Nachwirkung, § 15 KSchG: 1 Jahr ab Ende der Vertretung keine ordentliche Kündigung BAG 19.04.2012 – 2 AZR 233/11+ 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 556 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: „Überflüssige“ Änderungskündigung Frau V ist seit dem 9.4.1987 bei der Möbel GmbH beschäftigt, gem. Arbeitsvertrag als „Verkäuferin“. In den letzten Jahren war V in der zentral organisierten „Preisauszeichnung“ eingesetzt. Im Jahr 2008 nahm V als Ersatzmitglied an mehreren Betriebsratssitzungen teil. 2009 beschließt die Möbel GmbH, die Preisauszeichnung nicht mehr zentral, sondern durch jede Abteilung ausführen zu lassen. V soll deshalb im Verkauf eingesetzt werden. Mit Schreiben vom 9.04.2009 hört sie den BR zu einer beabsichtigten ao Änderungskündigung an, dieser widerspricht. Mit Schreiben vom 21.04.2009 kündigt die GmbH ao mit einer Auslauffrist zum 31.10.2009 und bietet eine Fortsetzung im Verkauf ab dem 01.11.2009 an. V nimmt das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und erhebt Kündigungsschutzklage. Mit Erfolg? BAG 19.07.2012 – 2 AZR 25/11 557 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S L: Überflüssige Änderungskündigung 1. V hat als Ersatzmitglied mit Tätigkeit den Status eines Betriebsratsmitgliedes und den Kündigungsschutz des § 15 KSchG: Nur a) außerordentlich: Hier mit Auslauffrist aber b) ohne Zustimmung, §103 BetrVG: Weder BR, noch Arbeitsgericht 2. AN: Innerhalb 3 Wochen Annahme unter Vorbehalt, dass Änderung sozial gerechtfertigt, § 2 KSchG hier ja, dann 3. Kündigungsschutzklage, § 4 S. 2: Auf Feststellung, dass Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt. Kann nicht getroffen werden, wenn das Versetzungsangebot nicht auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen gerichtet ist: Wäre die Änderung von dem Weisungsrecht als Arbeitgeber abgedeckt, § 106 GewO? Hierfür spricht die Bezeichnung als „Verkäuferin“ im Arbeitsvertrag. Ergebnis: Zurückverweisung zur Aufklärung. 558 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Kündigungsschutz mehrfache Mutter: M ist seit dem 15.03.2003 als Kundenberaterin bei Fa. I beschäftigt, zuletzt während der Elternzeit als Teilzeitkraft mit 30 Wochenstunden für 1.480 € brutto. Am 01.10.2009 wird das Insolvenzverfahren über Fa. I eröffnet. Mit Bescheid vom 11.05.2010 stimmt das Integrationsamt der Kündigung von M gem. § 18 BEEG zu. Der Insolvenzverwalter kündigt mit Schreiben vom 20.05., Zugang am 22.05.2010. Gem. Attest vom 26.05.2010 ist M in der 6. Woche schwanger. Dies teilt M mit Schreiben vom 27.05.2010 Fa. I mit. Hat die von M am 10.06.2010 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Kündigungsschutzklage Erfolg? LAG Berlin-Brandenburg 06.04.2011 - 15 Sa 2454/10 559 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Wettbewerbsverbot im gekündigten Arbeitsverhältnis • Konkurrenzverbot: Dauer Arbeitsvertrag, § 60 HGB – Zulässig: Vorbereitungshandlungen – Verbot: Aufnahme werbende Tätigkeit • Kündigungsschutzklage anhängig: – Verbot während Kündigungsschutzprozess – Außerordentliche Nachkündigung AG: • 1. Stufe:§ 60 HGB an sich zur Begründung geeignet • 2. Stufe: Bei Abwägung berücksichtigen: – Wettbewerb erst durch die Kündigung ausgelöst – nicht auf dauerhafte Konkurrenz angelegt – AG nicht unmittelbar geschädigt. BAG 28.01.2010 - 2 AZR 1008/08; 23.10.2014 – 2 AZR 644/14 560 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Auflösungsanträge KSchProzess • Bei unwirksamer Kündigung aber Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, § 9 KSchG: • Gericht setzt auf Antrag Abfindung an AN fest • Auflösungszeitpunkt: Ende bei sozial gerechtfertigter K • Arbeitnehmer bei neuem Arbeitsverhältnis, § 12: • Ist AN nach Kündigung ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen, • hat AN Sonderkündigungsrecht gegenüber altem AG • schriftlich innerhalb Wochenfrist ab Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess und • Anspruch auf entgangenen Verdienst bis Beginn neues Arbeitsverhältnis. • Konkurrenz: Prozessbedingung /Auch hilfsweise? 561 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Mitbestimmung über die unternehmerische Entscheidung der Betriebsänderung • Interessenausgleich, § 112 Abs. 1: Gegenstand: Ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird • Sozialplan, § 112 Abs. 1 S. 2: – Vereinbarung Betriebsrat – Arbeitgeber = Sonderform der Betriebsvereinbarung – Einigung über die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für Arbeitnehmer • Interessenausgleich mit Namensliste, § 1 V KSchG: • Vermutung der dringenden betrieblichen Erfordernisse • Sozialauswahl: Überprüfung nur auf grobe Fehler 562 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Kündigung bei Sozialplan Metall Industrie MI GmbH beschäftigt den 1964 geborenen ungelernten W (verheiratet, 3 Kinder) seit 1990. Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten beschließt MI Personal abzubauen. Am 01.04.2010 vereinbart sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste. Auf der Liste stehen die Namen von 196 Arbeitnehmern, auch der des Klägers. Daneben vereinbaren die Betriebsparteien einen Sozialplan mit Abfindungsregelung und Regelungen zu einem Wechsel in eine Transferund Qualifizierungsgesellschaft. Am 26.04.2010 kündigt MI den W ordentlich. Hat die Kündigungsschutzklage Erfolg? BAG 27.09.2012 - 2 AZR 516/11 563 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Kündigung bei Sozialplan • Vermutungen des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG: • Kündigung wurde aufgrund einer Betriebsänderung i.S. des § 111 BetrVG ausgesprochen. • Der sozialen Rechtfertigung durch dringende betrieblichen Gründe. • Auskunftspflicht des AG, § 1 Abs. 1 S. 1 2. HS KSchG: Abgestufte Darlegungslast für die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl zunächst beim Arbeitnehmer. • Arbeitnehmer kann widerlegen: • Wegfall des Arbeitsplatzes: Beweis des Gegenteils • Sozialauswahl: Nur grobe Fehler • Ansprüche aus Sozialplan: • Abfindung • Beschäftigung in Transfer- + Qualifizierungsgesellschaft 564 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Insolvenz Schlecker • Sozialplan, § 112 Abs. 1 BetrVG – Insolvenz: max. 1/3 der Masse, § 123 II 2 InsO – Finanzierung durch Bund/Länder: Politisch gescheitert • Transfergesellschaft, § 110 SGB III – Arbeitsmarktpolitisches Instrument – Finanzielle Basis: • Transferkurzarbeitergeld der Bundesanstalt, § 112 SGB III: max. 12 Monate, ca. 60 %, • Aufstockung Unternehmen / Insolvenzverwalter • Zusatzleistungen Bund mit Länderbürgschaften 565 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Insolvenz Schlecker Dreiseitiger Vertrag zwischen – von Kündigung bedrohten Mitarbeitern: • Beendigung des Arbeitsvertrages mit Schlecker – dem Insolvenzverwalter der Fa. Schlecker i.I.: • Arbeitgeber für Auflösung Arbeitsvertrag – einer Transfergesellschaft: • Neues Arbeitsverhältnis befristet für 6 Monate • Vergütung 80 % des Nettoentgeltes • Kurzarbeit mit Reduzierung Arbeitszeit auf „0 Stunden“ 566 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Rechte und Rechtsträger 567 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Rechtsträger = Subjekte • Natürliche Personen BGB – Volljährigkeit – Vertretung § 17 § 164 • Handelsgesellschaften: Handelsregister A – Offene Handelsgesellschaft OHG – Kommanditgesellschaft KG auch als GmbH & Co. KG • Juristische Personen: § 131 HGB § 161 HGB Handelsregister B – Eingetragener Verein e.V. – Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH • Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt UG – Aktiengesellschaft 568 AG Arbeitsrecht im Betrieb 14 Rechtsbeziehungen Privater • Subjekte: Inhaber von Rechten – Personen: Natürliche und juristische – Personengesellschaften: GbR, OHG, KG – Kapitalgesellschaften: GmbH, UG, AG Arbeitgeber: Maßgeblich für Kündigungserklärung & -schutzklage, Entschädigungsanspruch § 15 II AGG • Objekte: Gegenstand von Rechten – Absolute Rechte: Schutz gegen jedermann • Eigentum, Besitz, Urheberrechte, allg. Persönlichkeitsrecht – Relative Rechte: Ansprüche • Verträge: Begründen Ansprüche – Vertragsfreiheit: Im Arbeitsrecht eingeschränkt – Verträge mit standardisierten Regelungen – Durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen 569 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Im Arbeitsrecht maßgeblich: • Rechtsträger: – Arbeitgeber: Pflichten aus Arbeitsverhältnis und Adressat Klage – Vorbeschäftigungsverbot, § 14 Abs. 2 S. 2 TzBefG: Stets bezogen auf Vertragsarbeitgeber, kein Rechtsmissbrauch § 242 BGB bei unterschiedlichen Arbeitgebern im Gemeinschaftsbetrieb Jobcenterentscheidung BAG 19.03.2014 – 7 AZR 527/12 • Betrieb: – Kündigungsschutzgesetz • Anwendbarkeit • Kündigungsgründe – Betriebsrat 570 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Ausschlussfrist beendet Anspruch • Gesetzlich: – Urlaub, § 7 Abs. 3 BUrlG: • Verfall am 31.12. des Jahres • Übertragung bis zum 31.03. des Folgejahres • Einzelvertraglich auch länger – Schadensersatz AGG: § 15 Abs. 4 AGG • Privatautonom: Verfallfrist in – Tarifverträgen: – Arbeitsverträgen: Grenze: 571 Bis 2 Monate, z.B. § 15 BRTV Bau BAG mindestens 3 Monate Lohnabrechnung weist Schuld vorbehaltlos aus Arbeitsrecht im Betrieb 14 Bürgerliches Gesetzbuch BGB § 311 Relative Rechte = Ansprüche: Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen - wird grds. durch Vertrag begründet - unterliegt der Verjährung § 823 Absolute Rechte: Schutz gegen alle: - Körper und Gesundheit - Freiheit - Eigentum, Immobilien: Grundbuch - Immaterielle Rechte, z. B. Urheberrechte, Patent, eigenes Bild 572 Arbeitsrecht im Betrieb 14 AN- Pflicht zu Überstunden? • Grds. nur bei vertraglicher Grundlage in • Arbeitsvertrag, ggf. konkludent o. betriebliche Übung • Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung • Im Arbeitsvertrag bei Vollzeitbeschäftigung ist – nur die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbart: Anordnung mit angemessener Ankündigungsfrist 1 Tag bis 1 Woche – Dauer + Lage der Arbeitszeit konkret vereinbart: AN muss nur in Not- und außergewöhnlichen Fällen Überstunden leisten, vertragliche Nebenpflicht §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, § 14 Abs. 1 ArbZG, wenn • Gefahren für den Betrieb oder erheblichen betrieblichen Interessen drohen, • die für den Arbeitgeber nicht vorhersehbar waren und • dem Arbeitnehmer zumutbar sind 573 Arbeitsrecht im Betrieb 8 Personalakten, § 32 BDSG • Inhalt: Informationen, die • Arbeitgeber rechtmäßig erworben hat + für die ein sachliches Interesse besteht BAG, Urt. v. 13.04.1988 -5 AZR 537/86 • Nach Ermessen AG: Bewerbungsunterlagen, Zeugnisse, Ergebnisse in Auswahlverfahren, Arbeitsvertrag, Beurteilungen, Beförderungen, Schulungen, Abmahnungen, Lohnpfändungen, Krankenversicherung, Krankmeldungen • Strenge Vertraulichkeit: Arbeitgeber hat • Personalakten sorgfältig zu verwahren + zu verschließen: Sicherung gegen Unbefugte, insbes. Betriebsfremde • Krankheitsdaten, insbes. ärztliche Auskünfte, sofern zulässig erlangt, sind getrennt zu archivieren + besonders zu sichern • Einsicht ausschließlich an: • Mitarbeiter der Personalabteilung • Vorgesetzten der Beschäftigten • Beschäftigen selbst, ggf. mit Betriebsrat, § 83 BetrVG 574 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Rechnungslegung - Jahresabschluss • Bestandteile: • • • • Bilanz Gewinn- und Verlustrechnung Anhang Lagebericht • Veröffentlichungspflicht AG, GmbH &Co, § 325 HGB: • Bis Ende des Folgejahres • Im Unternehmerregister = Internet • Verkürzte Fassung • Bedeutung für : • Handelsrechtliche Gewinnermittlung / -verteilung • Steuererklärungen • Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung www.Unternehmerregister.de 575 Vergütung bestimmten Zeitpunkt fällig werde. Er unterliege der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Dabei komme es für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist – neben dem Entstehen des Anspruseiner im Dezember A war bei Arbnehmer Verleih GmbH seit 2004 als Arbeit20111 seiner im Dezember für d2chs – nach nehmer beschäftiogt. Auf das Arbeitsverhältnis wurde der § 199 I Nr. 2 BGB darauf an, dass der Gläubiger Tarifvertrag angewandt, den der CGZP mit dem Verband von den den Anspruch abgeschlossen begründenden der Arbeitnehmerverleiher hatte. Die Umständen und der Personseit des Schuldners Arbeitsgerichte hatten bereits 2003 durchweg die Kenntnis erlangt oder ohne grobeMit Urteil vom Tariffähigkeit der CGZP bezweifelt. erlangen musste. Diese Kenntnis 14.12.2010 Fahrlässigkeit hat das Bundesarbeitsgericht letztinstanzlich festgestellt,seidass die CGZP seit ihrer Gründung und vorhanden, wenn der Gläubiger auf Grund jedenfalls bis Dezember nicht tariffähig war. der ihm bekannten 2010 Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Klage, sei es auch nur beansprucht Mit seiner im Dezember 2011 erhoben Klage eineAbs. Feststellungsklage, erheben kann, die bei er gem. § 10 4 AÜG für den Zeitraum Oktober 2004 bis Juni 2005 die Differenz zwischen Lohn und dem verständiger Würdigung so vielseinem Erfolgsaussicht Arbeitsentgelt, das vergleichbaren hat, dass siedie dem Entleiher Gläubiger zumutbar ist. Die Stammarbeitnehmern gewährt haben sollen. erforderliche Kenntnis setze keine zutreffende vielmehr genüge Die Verleihrechtliche GmbHWürdigung erhebt voraus, die Einrede der Verjährung. Mit Erfolg ?die Kenntnis der den Anspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Ein Leiharbeitnehmer BAG 17.12.2014 - 5 AZR 8/13 habe in diesem Sinne ausreichende Kenntnis von dem Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 IV AÜG, wenn er Kenntnis von der Arbeitsrecht im Betrieb 14 Fall: Verjährung von Equal Pay 576 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Rechtsträger: Ende • Natürliche Personen – Betreuung: Vermögensverwalter – Tod: Erbrecht: Gesamtrechtsnachfolge – Insolvenz: Liquidation + Verteilung an Gläubiger, Restschuldbefreiung Gemeinschuldner • Handelsgesellschaften OHG + KG – Beendigung und Liquidation – Insolvenz • Juristische Personen: – Beendigung und Liquidation – Insolvenz 577 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Insolvenz: • Insolvenzgründe – Zahlungsunfähigkeit – Überschuldung § 17 InsO § 19 InsO • Insolvenzantragspflicht, § 64 GmbHG: – Geschäftsführer – unverzüglich, spätestens nach 3 Wochen • Ablauf: – Insolvenzantrag: Fremd- oder Eigenantrag – Vorläufige Insolvenz + -verwalter – Insolvenz-Eröffnung: Vermögensabwicklung und Gläubigerbefriedigung mit Quoten – Beendigung: Löschung im Handelsregister 578 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Lohnpfändung gegen AN: • Gläubiger des Arbeitnehmers: – Anspruch gegen AN: Klage o. Mahnbescheid – Vollstreckung aus Urteil: Lohnpfändung – Drittschuldner: Arbeitgeber • Pfändungsschutz: – Absolut unpfändbare Bezüge, § 850 a ZPO – Pfändungsgrenzen Arbeitseinkommen, 850 c ZPO – Verschleiertes Arbeitseinkommen, § 850 h ZPO • Mehrere Pfändungen /Abtretung: Prioritätsprinzip • Arbeitgeber hat eigene Forderung gegen AN: – Aufrechnung , §§ 387, 389 BGB wenn – Gegenseitigkeit bei Zustellung der Lohnpfändung 579 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Insolvenz des Arbeitgebers: • Arbeitsverhältnis besteht fort, Kündigungsfrist für Insolvenzverwalter, § 113 Inso: 3 Monate, sofern nicht länger • Bei Lohnausfall: Arbeitnehmer erhält für letzten 3 Monate Insolvenzgeld, § 183 SGB III • Arbeitgeber ist juristische Person: – Nach Abwicklung des Vermögens – Beendigung durch Löschung im Handelsregister • Juristische Person: Mit Verfahrenseröffnung Löschung in Handelsregister 580 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Arbeitnehmer: Privat-Insolvenz • Vollstreckungsschutz • Gehaltsabtretung, pfändbarer Anteil: für 6 Jahre Wohlverhaltensfrist • Abschluss: Restschuldbefreiung – Beschluss des Insolvenzgerichts – Löschung im Schuldnerregister des Amtsgerichtes bei Schufa fraglich? • Änderungskündigung zur ArbeitszeitVerkürzung & Annahme durch AN: Wirksam trotz § 81 InsO BAG 20.06.2013 – 6 AZR 789/11 581 Arbeitsrecht im Betrieb 14 Compliance: Anwendung aller Rechtsvorschriften Verstöße lauern überall: Schwerpunkte • • • • Arbeitszeitgesetz: Teilzeitbeschäftigte: Allg. Gleichbehandlungsgesetz: Arbeitnehmerüberlassung: • Betriebsverfassungsrecht • Datenschutz: • • • • 582 Arbeitsplatzsicherheit: Fahren ohne Fahrerlaubnis: Unfallverhütungsvorschriften: Einkaufsabteilung Pausen & Ruhezeiten Gleichbehandlung Diskriminierung Abgrenzung Dienstoder Werkvertrag Personalakte, E- Mails weiterleiten VDE Auch Zulassen, § 20 StVG Berufsgenossenschaft Bestechlichkeit, § 299 StGB Arbeitsrecht im Betrieb 15 Rechtswege & Rechtsmittel 583 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Arbeitsgerichtsgesetz Klage zu den Arbeitsgerichten: • Notwendige Bestandteile: – Klageantrag konkret, z.B. Zahlungsantrag – Begründung: Lebenssachverhalt mit allen Tatbestandsvoraussetzungen Anspruchsgrundlage • Erhebung – Schriftlich: Selbst oder Rechtsantragsstelle – Rechtsanwalt, ggf. Prozesskostenhilfe bei • Bedürftigkeit • Hinreichenden Erfolgsaussichten • Hinweis an anwaltlich nicht vertretenen Partei auf Prozesskostenhilfe, § 11 a Abs. 1 ArbGG 584 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Vortrags- und Beweislast • Meist ist der Sachverhalt zwischen den Beteiligten „streitig“. • im Prozess Muss jeder die Voraussetzungen seiner Kündigung / seines Anspruchs – substantiiert vortragen und – bei Bestreiten beweisen • durch Urkunden, Zeugen & Sachverständige • Falsche Angaben auf Lohnabrechnungen sind kein Anerkenntnis • Arbeitsrecht: Bei konkreten Behauptungen des Arbeitnehmers muss Arbeitgeber die Rechtfertigungsgründe widerlegen • Häufig für Prozessausgang entscheidend! 585 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Abgestufte Vortrags-& Beweislast Am Beispiel „Betriebsbedingte Kündigung“ § 1 II 2: • Arbeitgeber: • Dringende betriebliche Gründe & Sozialauswahl • Freie Arbeitsplätzen, wenn Leiharbeitnehmer eingesetzt: BAG 15.12.2011 - 2 AZR 42/10 – Nicht nur vorrübergehend bei Belastungsspitzten, sondern – Einsatz auf Arbeitsplatz mit ständig vorhandenem, nicht schwankenden Sockelarbeitsvolumen • Arbeitnehmer: – Keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit die AG und AN objektiv möglich ist – Muss konkret darlegen, wie er sich diese vorstellt. • Erst dann muss AG eingehend erläutern, aus welchen Gründen eine Umsetzung nicht möglich war. 586 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Abgestufte Vortrags-& Beweislast Bei „genesungswidrigem Verhalten“: • Arbeitnehmer: Entschuldigung durch Arztattest • Arbeitgeber: • AN hat gefehlt und • Entschuldigung widerlegen, z.B. Arztattest erschüttern • Arbeitnehmer: Muss die behandelnde Ärzte von Schweigepflicht entbinden & substantiiren, • welche gesundheitlichen Einschränkungen bestanden, • Verhaltensregeln der Arzt gegeben hat, • Medikamente und ihre Wirkungen • Welche Arbeit nicht + welche Tätigkeit möglich war • Arbeitgeber: Muss nur die behaupteten Entschuldigungen widerlegen BAG 26.8.1993 – 2 AZR 154/93 587 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Erschütterung des Arztattestes • Erkrankung angekündigt, z.B. nach Urlaubsverweigerung • Tätigkeit während Erkrankung • Mit Belastung, die Erkrankung widerlegt • Krankheit nur vorgetäuscht o. trotz Krankheit möglich • Nachweis insbes. Detektiv, Internet, facebook • Arbeitgeber trägt für Verweigerungs- und Kündigungsgrund • die Beweislast • aber nur zur Widerlegung eines substantiierten Arbeitnehmervortrages 588 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Fall: Befristung bei Betriebsrat Frau Ber war vom 1.5.2007 bis 31.12.2008 bei der Bundesagentur für Arbeit befristet gem. § 14 I Nr.1 TzBfG als Arbeitsvermittlerin tätig. Vom 1.1.2009 bis 31.12.2010 war sie sachgrundlos befristet für den Kreis W in der ARGE tätig. Ihr Arbeitsplatz änderte sich nicht. blieb BR mit den 3. - meisten Stimmen in den in den 5 – köpfigen Betriebsrat gewählt. Am 15.01.2012 erhebt BR Entfristungs- Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Hat die Entfristungsklage Erfolg? BAG 04.12.2013 – 7 AZR 290/12 und 25.06.2014 - 7 AZR 847/12 589 Arbeitsrecht im Betrieb 13 S Lösung: Befristung bei Betriebsrat 1. Befristungskontrollklage: Befristung bis 2 Jahre ist wirksam, § 14 II TzBefG. Die Vorbeschäftigung bei der Bundesanstalt = anderer Arbeitgeber steht nicht entgegen. 2. Anspruch auf Abschluss eines Anschlussarbeitsvertrages, sofern Grund der Verweigerung im Betriebsratsamt liegt: Benachteiligungsverbot, § 78 Abs. 2 BetrVG Beweislast: a) Für unzulässige Benachteiligung trägt grds. der Arbeitnehmer b) BAG: Legt AN aber Indizien dar, die für eine Benachteiligung sprechen, muss AG sich hierauf konkret einlassen und die Indizien ggf. entkräften (sekundäre Darlegungs- & Beweislast) 590 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Bezahlung Überstunden: Darlegungs+ Beweislast des Arbeitnehmers • Vereinbarung o. „Vergütungserwartung“ des AN im Normalarbeitsverhältnis nach der Verkehrssitte BAG 27.06.2012 – 5 AZR 530/11 • Konkretisierung der – Arbeitszeiten: Beginn und Ende angeben – Erbrachten Arbeitsleistungen: Allgemein beschreiben • AG muss sich Mehrarbeit nicht aufdrängen lassen: Anordnung: Wer, wann, auf welche Weise ausdrücklich Konkludent: Arbeit nur durch Überstunden zu bewältigen Duldung: Hinnahme ohne Vorkehrung zum Abstellen Billigung: Nachträgliche Einverständnis, z.B. Abzeichnen Stundenaufstellung • Nicht bei Recht zu privaten Verrichtungen in Arbeitszeit • • • • BAG 10.04.2013 – 5 AZR 122/12 591 Arbeitsrecht im Betrieb 13 Wegfall Hierarchieebene Vortragslast AG • Unternehmerische Entscheidung: Überprüfung ArbG – Nicht auf sachliche Rechtfertigung o. Zweckmäßigkeit – Nur ob offensichtl. unsachlich, unvernünftig o. willkürlich • Organisationsentscheidung & Kündigungsentschluss deckungsgleich: AG muss Entscheidung verdeutlichen – organisatorischer Durchführung – zeitlicher Nachhaltigkeit • Abbau Hierarchieebene o. Streichung ein Arbeitsplatz – Darstellung der Auswirkungen der unternehmerischen Vorgaben + Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen Anhand einer schlüssigen Prognose – Angabe, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal im Rahmen ihrer vertragsmäßigen Leistungen erledigt werden können. BAG 24.05.2012 - 2 AZR 124/11 592 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Klausur- Aufbau: Anspruch A gegen B • Gutachten: Anspruchsgrundlage Prüfung Tatbestandsvoraussetzungen „B könnte A gem. § 823 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet sein.“ – B hat A verletzt – B könnte gerechtfertigt sein. – B müsste schuldhaft gehandelt haben. • Urteil: – Ergebnis vorweg – Begründung: Aufbau wie Gutachten, jedoch „B handelte auch rechtswidrig.“ 593 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Arbeitsgerichtsgesetz: Arbeitsgerichte: • Güteverhandlung: Vorsitzender - allein • Kammersitzung: - mit zwei Schöffen - Laien Arbeitgeber + Arbeitnehmer Berufung zum Landesarbeitsgericht: Tatsachen- + Rechtsinstanz Vertretung durch Rechtsanwalt Revision zum Bundesarbeitsgericht: Nur Rechtsfragen 594 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Arbeitsgerichte: Verfahrensarten 1. Urteilsverfahren, §§ 2, 46 ArbGG: a) Klagen aus Arbeitsverträgen auf Leistung, insbes. Zahlung oder Wirksamkeit einer Kündigung b) Örtliche Zuständigkeit: Gewöhnlicher Arbeitsort c) 1. Instanz: Jeder trägt seine Kosten selbst, § 12 a d) Verfahren: Güteverhandlung & Kammersitzung 2. Beschlussverfahren, §§ 2a, 80 ArbGG: a) Betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten b) Amtsermittlung, § 83 ArbGG 3. Einstweilige Verfügung: a)Verfügungsanspruch b)Verfügungsgrund: Endgültiger Rechtsverlust droht 595 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Kündigungsschutzprozess • Kündigungsschutzklage: Hemmung – Hemmung der Verfallfrist für davon abhängige Lohnansprüche bis rkr. Entscheidung – Nicht jedoch der Verjährungsfrist, BAG 2014 • Urteil: Bei Unwirksamkeit der Kündigung – Annahmeverzug des Arbeitgebers, § 615 BGB: schuldet Lohnzahlung ohne Arbeit • Vergleich: – Beendigung Arbeitsverhältnis – Abfindung AN für Verlust des sozialen Besitzstandes, §§ 9, 10 KSchG: Faustformel: Pro Jahr Betriebszugehörigkeit 0,5 Monatsgehalt 596 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Anfechtung Prozessvergleich Kündigung+ Abfindungsvergleich 8. Juni 2009 55.000 €. Insolvenzantrag AG 9. Juni 2009 AG zahlt nicht. AN ficht Vergleich an. Ist das Arbeitsverhältnis wirksam beendet? 1. Rechtsnatur Prozessvergleich 2. Nichtigkeit gem. §§ 134, 138 BGB 3. Anfechtung: a) Erklärungs- oder Inhaltsirrtum b) arglistige Täuschung, § 123 BGB: Bei Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrages 4. Wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB BAG 11.07.2012 - 2 AZR 42/11 597 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Rechtskraft • Endgültigkeit richterlicher Entscheidungen Ziel: Rechtsfrieden und Rechtssicherheit • Urteile sind abschließend und endgültig – zwischen den Parteien – im Hinblick auf Streitgegenstand • Streitgegenstand: Sozialwirksamkeit einer „ordentlichen betriebsbedingten Kündigung“: Verbot einer Wiederholungskündigung bei identischem Kündigungssachverhalt BAG 20.12.2012 – 2 AZR 867/11 598 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Arbeitnehmerähnliche Personen: • Arbeitsrechtliche Bestimmungen grds. nicht anwendbar • Ausnahmen: – § 5 ArbGG: – § 2 BUrlG: Rechtsweg ArbeitsG Urlaubsanspruch Leitende Angestellte • Betriebsverfassung: Sprecherausschussgesetz • Tarifrecht, § 12 a TVG: 599 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Geschäftsführer Sozialversicherung Grundsatz: Der Geschäftsführer einer GmbH ist bei der von ihm vertretenen GmbH abhängig beschäftigt. Ausnahmen: • Gesellschafterstellung: – Mehrheit , 50 % oder Sperrminorität in allen wesentlichen Angelegenheiten – Alleinige Fachkompetenz – Risiko wie selbständiger Gewerbetreibender, z.B. Gesellschafterdarlehen / Bürgschaft • Handhabung wie Arbeitsverhältnis: – Arbeitszeiten – Urlaub: Absprache / Festlegung – Lohnfortzahlung bei Krankheit 600 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Geschäftsführer: Rechtsweg GmbH- • Geschäftsführer in Doppelfunktion: • Arbeitsvertrag & -verhältnis • Organ Geschäftsführer : Bestellung durch Gesellschafterversammlung: § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG: Rechtsweg zum Landgericht • Abberufung als Geschäftsführer: • Rechtsweg zum Arbeitsgericht: – Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 endet: § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG – Klageansprüche nur aus Arbeitsvertrag möglich • Grundlegendes Arbeitsverhältnis lebt wieder auf: – Kündigung erforderlich – Kündigungsschutzklage möglich 601 Arbeitsrecht im Betrieb 15 Rechtsmittel-Sozialgerichtsgesetz • Bescheid LVR: mit Rechtsmittelbelehrung • Widerspruch binnen eines Monats, §§ 83 ff SGG • Durch Arbeitgeber gegen Ablehnung Behinderten gegen Zustimmung • Keine aufschiebende Wirkung, § 88 IV SGB IX: – Bei Zustimmung Kündigung – ggf. Kündigungsschutzprozess parallel • Widerspruchsbescheid • (Anfechtungs-) Klage zum Sozialgericht: • Jeweils Innerhalb Monatsfrist • Berufung zum Landessozialgericht • Revision zum Bundessozialgericht (Kassel) 602 Arbeitsrecht im Betrieb Arbeitgeber § 164 Vollmacht In fremdem Namen Vertreter 603 0S Arbeitnehmer
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