Wie schaffen wir die in Rheinland

Wie schaffen wir die
Wärmewende
in Rheinland-Pfalz?
KONGRESS-DOKUMENTATION
INHALT
ENERGIEWENDE IM WÄRMESEKTOR:
WIE SCHAFFEN WIR DIE WÄRMEWENDE IN RHEINLAND-PFALZ? . . . . . . . . . . 04
STAATSMINISTERIN EVELINE LEMKE:
DIE WÄRMEWENDE NICHT NUR TECHNOLOGISCH DENKEN . . . . . . . . . . . . 05
KEYNOTE: „WAS DENKEN WIR, WAS WISSEN WIR, WAS TUN WIR?“ . . . . . . . . 06
Prof. Jörg Probst, Hochschule Bochum
FORUM I:
ERNEUERBARE ENERGIEN
IM WÄRMEBEREICH
KEYNOTE: „WIEVIEL ENERGIE BRAUCHEN WIR? –
STRATEGISCHE GRUNDZÜGE EINER LEBENSSTILWENDE“ . . . . . . . . . . . . . 08
Dr. Michael Kopatz, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH
WÄRMEVERSORGUNG MIT ERNEUERBAREN ENERGIEN –
MÖGLICHKEITEN UND BEISPIELE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Prof. Dr. Klaus Vajen, Universität Kassel
BEITRAG UND OPTIONEN DER BIOENERGIE IM WÄRMEMARKT . . . . . . . . . . 12
Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes, Bundesverband BioEnergie e. V.
SOLARTHERMIE – EINE WICHTIGE SÄULE IM WÄRMEMARKT . . . . . . . . . . . . 14
Jörg Mayer, Geschäftsführer Bundesverband Solarwirtschaft e. V.
DISKUSSION: ERNEUERBARE ENERGIEN IM WÄRMEBEREICH . . . . . . . . . . . . 16
FORUM II:
ENERGIEEFFIZIENZ­THEMEN
IM WÄRME­BEREICH
STATUS QUO, ZIELSETZUNG UND MASSNAHMENPAKETE DER
BUNDESREGIERUNG IM WÄRMESEKTOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Dr. Klaus Müschen, Umweltbundesamt
POTENZIALE UND HEMMNISSE FÜR KWK IN GEWERBE,
HANDEL, DIENSTLEISTUNGEN UND BEI KOMMUNEN . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Wulf Binde, Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
ENERGIEEFFIZIENZ IN DER WÄRME­NUTZUNG UND -ERZEUGUNG –
EIN PROFITABLES LANGFRISTPROGRAMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Prof. Dr. Eberhard Jochem, Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES)
DISKUSSION: „DAS IST DER HAMMER“: INVESTITIONEN RICHTIG BEWERTEN,
NETZWERKE BILDEN, BESCHLEUNIGER NUTZEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
INTEGRATION DER ERNEUERBAREN STROM­ERZEUGUNG –
MÖGLICHE BEITRÄGE VON WÄRMEVERSORGUNGSSYSTEMEN . . . . . . . . . . 28
Dr. Bert Droste-Franke, EA European Academy of Technology and
Innovation Assessment GmbH
DAS ENERGIESYSTEM DER ZUKUNFT – VERKNÜPFUNG VON STROM- UND
WÄRMEMARKT MIT ENERGIESPEICHERTECHNOLOGIEN? . . . . . . . . . . . . . . 30
Dr. Peter Eckerle, Geschäftsführer StoREgio Energiespeichersysteme e. V.
DISKUSSION: AUFTRAG AN DIE POLITIK:
SICHERE RAHMEN­BEDINGUNGEN SCHAFFEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32
PODIUMSDISKUSSION: „WIE SCHAFFEN WIR DIE WÄRMEWENDE
IN RHEINLAND-PFALZ?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
IMPRESSIONEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
FORUM III:
INNOVATIVE KONZEPTE IM
WÄRMEBEREICH
ANLAGENTECHNIK IM GEBÄUDEBEREICH – NEUE ENTWICKLUNGEN UND
IHRE UMSETZUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Einführung
ENERGIEWENDE IM WÄRMESEKTOR:
WIE SCHAFFEN WIR DIE WÄRMEWENDE
IN RHEINLAND-PFALZ?
Die öffentliche Wahrnehmung der Energiewende war in den zurückliegenden Jahren
nahezu ausschließlich auf den Stromsektor
fokussiert. Doch es wird zunehmend deutlicher, dass gerade im Wärmebereich erhebliche Potenziale liegen, die für das Gelingen
der Energiewende dringend erschlossen werden müssen. Die Zahlen sprechen eine klare
Sprache: Allein in Rheinland-Pfalz entfallen
auf Heizung und Warmwassererzeugung im
Gebäudebestand rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs und ein Drittel der
CO2-Emissionen; 70 Prozent der installierten
Heizkessel gelten als ineffizient und belasten
die Umwelt in besonderem Maße. Diese Zahlen machen deutlich, dass der Wärme­sektor
zu Recht als „schlafender Riese“ der Energiewende gilt.
04
Schon heute wird die Wärmewende von zahlreichen Akteuren in Rheinland-Pfalz umgesetzt. Im Bereich der regenerativen Energien
kommen Biomassefeuerungs- und Biogasanlagen zum Einsatz sowie Wärmeerzeugungslösungen auf Grundlage von Solarthermie
und im Bereich Erdwärmenutzung. Gerade im
ländlich geprägten Rheinland-Pfalz mit einem
Waldanteil von über 40 Prozent bietet die
Bioenergie im Wärmemarkt Potenziale – etwa
in Form von Einzelanlagen aber auch für integrierte zusammenhängende Wärmeverbünde,
die es effizient und nachhaltig umzusetzen
gilt. In den vergangenen Jahren entstand
in Rheinland-Pfalz mit Unterstützung des
Landes eine Reihe von Nahwärmenetzen mit
Schwerpunkt Biomassefeuerung. Dennoch
sind die Möglichkeiten im Bereich regenerativer Energien in Rheinland-Pfalz bei Weitem
noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere bei
Biogasanlagen sind Wärmepotenziale vielfach
nicht erschlossen.
Neben der Nutzung erneuerbarer Energien
gewinnt die Energieeffizienz im Wärmebereich
eine immer größere Bedeutung. Hier kommen
weitere Themen wie Kraft-Wärme-Kopplung
sowie Abwärmenutzung zum Tragen. Sowohl
im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung mit
dem Ausbau von Nano- und Mikroanlagen im
Gebäudebestand als auch beim Ausbau von
Nah- und Fernwärmenetzen, aber auch bei der
Nutzung von Abwärmen in Betrieben bestehen erhebliche Ausbaumöglichkeiten.
Neben den Bereichen der regenerativen Energien und dem Thema Energieeffizienz rücken
innovative Konzepte für Speichertechnologien
zunehmend in den Fokus. Zudem wird die
Schnittstelle zwischen Strom- und Wärmemarkt zukünftig einen entscheidenden Beitrag
bei der Umsetzung der Energiewende leisten.
Angesichts der vielfältigen Ansatzpunkte und
des Handlungsbedarfs lag es für die Energieagentur Rheinland-Pfalz nahe, den Jahreskongress 2015 dem Schwerpunktthema „Wärmewende“ zu widmen. Die Chancen, Potenziale,
Hemmnisse und Herausforderungen der
Wärmewende in allen Energiesparten aufzuzeigen und mit den Akteuren zu diskutieren,
war ein Grundanliegen, um das Thema von
möglichst vielen Seiten zu beleuchten. Dabei
wurden auch gelungene Umsetzungsbeispiele
dargestellt, um sie sowohl für die Kongress­
teilnehmer als auch für andere Akteure im
Land nutzbar zu machen.
Die zum Teil angeregten Diskussionen von
Teilnehmern und Referenten über Chancen,
Hemmnisse, über Konzepte und deren mögliche Umsetzung machten eines deutlich: Der
Weg zu einer erfolgreichen Wärmewende in
Rheinland-Pfalz hat viele Facetten.
Einführung
STAATSMINISTERIN EVELINE LEMKE:
DIE WÄRMEWENDE NICHT NUR TECHNOLOGISCH DENKEN
Den Kongress der Energieagentur Rheinland-Pfalz nutzte die Ministerin für Wirtschaft,
Klimaschutz, Energie und Landesplanung,
Eveline Lemke, zu einem leidenschaftlichen
Appell, die Wärmwende nicht nur technologisch zu betrachten, um endlich den „schlafenden Riesen“ zu wecken, sondern eine
„tiefergehende“ Energiewende voranzutreiben, mit der die gesamte Energieversorgung
im Land nachhaltig gestaltet werden kann.
Einen Grund dafür, dass die Energiewende im
Strombereich bislang dynamischer verlaufen
ist als im Wärmebereich, sieht die Ministerin
in der unterschiedlichen Beschaffenheit beider Märkte: Im Gegensatz zum Strommarkt
ist der Wärmemarkt nicht zuletzt geprägt von
einer heterogenen Eigentümerstruktur, einer
Vielfalt an Gebäudeformen, hohen Anfangsinvestitionen sowie im Bereich Vermietung
durch ein Investor-Nutzer-Dilemma. Zwar
seien effiziente Gebäudestandards und Heizungstechniken in der Vergangenheit forciert
und erfolgreich vorangetrieben worden. Zum
Erreichen ambitionierter Klimaschutzziele sei
es aber notwendig, im Wärmebereich eine
„tiefergehende Energiewende“ umzusetzen:
„Meiner Ansicht nach kann es dabei nicht
länger nur um technologische Aspekte allein
gehen. Es wird zunehmend wichtiger, auch
sozio-ökonomische Faktoren in den Blick zu
nehmen und sie bei der Ausgestaltung der
zukünftigen Wärmewende mit einzubeziehen“, so die Ministerin. Für Lemke spielen
in diesem Zusammenhang die Entwicklung
der Miet- und Eigentumsverhältnisse, die
Land-Stadt-Wanderung, der demografische
Wandel sowie die Einkommensentwicklung
eine wichtige Rolle. Konkret ergibt sich für
Rheinland-Pfalz folgendes Bild:
›› Nahezu 50 Prozent des gesamten Endenergieverbrauchs werden für Wärme genutzt,
wobei der größte Teil des Wärmeverbrauchs
aus fossilen Energieträgern gedeckt wird.
›› Der Anteil der Erneuerbaren Energien ist in
den letzten Jahren stetig gestiegen und liegt
bei über 12 Prozent.
›› Fast zwei Drittel der zu Wohnzwecken
genutzten Gebäude in Rheinland-Pfalz sind
vor 1978 entstanden und damit vor der
ersten Wärmeschutzverordnung.
›› Das Land ist stark von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägt; nahezu drei Viertel der
Gebäude sind Einfamilienhäuser, von denen
der Großteil freistehend gebaut ist.
›› Fast 90 Prozent der Wohngebäude befinden
sich in Privatbesitz; ebenso liegt der Anteil
der selbst genutzten Wohnungen in Rheinland-Pfalz deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In Bauweise wie in Nutzung ist ein
Stadt-Land-Gefälle sichtbar: In städtischeren
Regionen nimmt die Mehrfamilienbauweise
zu und die Eigentümerquote wird kleiner.
Vor diesem Hintergrund müssen, so Eveline
Lemke, jeweils passende, für die Zielgruppen
attraktive Lösungen entwickelt werden, um
Mieter, Vermieter sowie Eigentümer, die ihre
Wohnung selbst nutzen, für die Wärmewende
zu gewinnen. Denn: „Die Wärmewende kann
nicht nur auf technologischem Fortschritt
basieren, sondern sie muss im Kopf jedes einzelnen Menschen stattfinden.“ Eveline Lemke
zeigte sich zuversichtlich, dass das gemeinsam in Rheinland-Pfalz gelingen wird.
05
Keynote
KEYNOTE: „WAS DENKEN WIR,
WAS WISSEN WIR, WAS TUN WIR?“
Prof. Jörg Probst, Hochschule Bochum
„Schaffen wir Räume des
Gelingens für Nachhaltigkeit.“
Mit sehr persönlichen Betrachtungen über die
Begriffe „denken“, „wissen“ und „handeln“
stimmte Prof. Jörg Probst, Hochschule Bochum, die Teilnehmer des Kongresses auf das
Thema Wärmwende ein. Über das Gelingen
der Energiewende entscheiden, so Probst,
nicht allein klimapolitische Rahmenbedingungen. Alles werde gefunden, erfunden und entdeckt, wenn es an der Zeit sei. Warum aber, so
Probst, gelingen manche Projekte und manche
nicht? Seiner Ansicht nach sind es die Begriffe, die das Begreifen des Menschen steuern.
Wenn die Begriffe nicht eindeutig verwendet
würden, führten unterschiedliche Sichtweisen
zu Begriffsverwirrungen. Im Fall der Energiewende hat das dazu geführt, dass zuvor vereinbarte Klimaschutzziele verschoben oder gar
aufgegeben werden: So hat etwa Deutschland
den Zeitraum bis zur Einführung von Flottenverbräuchen unter 110 Gramm Kohlendioxid
pro Kilometer verlängert, Japan hat seine
Klimaschutzziele komplett zurückgestellt und
steigert sogar den Ausstoß von Kohlendioxid.
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Während die Kohlendioxid-Emissionen für
das Erreichen weltweiter Klimaziele deutlich
reduziert werden müssten, ist inzwischen mit
einem ungebremsten Anstieg zu rechnen. In
Deutschland zeigen nach Meinung von Probst
Klimaschutz und Nachhaltig­keit bislang kaum
Wirkung. Dafür macht er nicht zuletzt den
sogenannten Überlagerungseffekt (Prebound/
Rebound) verantwortlich. Dieser führt dazu,
dass Energiesparerfolge durch tendenziell
größere Wohnflächen und gestiegenen Wohnkomfort wieder aufgehoben werden.
Der gestiegene Nutzen überlagert demnach
die durch den Einsatz von erneuerbaren Energien oder modernen Klimatechnologien verbesserte Energieeffizienz. Für Probst stellt sich
angesichts dieser Entwicklung die Frage, wie
sich dieser Zustand ändern lässt. Die Antwort
könnte lauten: Gründlichkeit vor Schnelligkeit
oder Evolution vor Revolution. Probst meint,
dass sich notwendige Entwicklungen auch
im Bereich des Klimaschutzes nicht abkürzen
lassen. Mehr noch: Die Möglichkeit des Scheiterns sei, so Probst, unverzichtbar für das
Gelingen des Gesamtprojekts Energiewende.
Seine Thesen sind eindeutig und provokant
zugleich: „Für Abkürzungen haben wir keine
Zeit!“ und „Man muss nach den Verrückten
schauen!“ Zwischen dem ersten motorgetriebenen Flug und der ersten Mondlandung
vergingen nur gut 60 Jahre. Der Absage des
Deutschen Kaisers an das Automobil im Jahr
1904 folgte in kurzer Zeit eine technische
Revolution im mobilen Bereich.
„Für Abkürzungen haben
wir keine Zeit!“
Hinter diesen Entwicklungssprüngen stecken
Menschen, die nicht allein ihrem Verstand
folgten, und die der Skepsis ihrer Zeit den
Glauben an bis dahin nicht für möglich gehaltene Entwicklungen entgegensetzten. Nicht
politische Zielvorgaben, sondern Interesse
ist die Quelle für Entwicklung. Doch Probst
erkennt „Fluchtbewegungen des Denkens“:
einen Eskapismus, der mit dem Rückzug aus
dem Denken in das Gefühl einhergeht, einen
Relativismus, der absolute Wahrheiten verneint, einen Fundamentalismus, der vor allem
die Durchsetzung des eigenen Standpunkts
zum Ziel hat und schließlich eine opportunistische Denkweise, die das eigene Handeln
Prof. Jörg Probst, Hochschule Bochum
ausschließlich am gesellschaftlichen Zwang
und den Erwartungen der Massenmeinung
ausrichtet.
„Tun wir effektiv das Richtige, statt
das Falsche effizient zu tun!“
Der Ausweg aus diesem Dilemma führt für
Probst über ein Zusammenspiel von bislang
getrennt betrachteten Sichtweisen: „Erst wenn
Wissen, Bewusstsein und Gefühl zusammen
kommen, handeln wir.“ Klar ist für ihn: „Wichtige Entscheidungen werden ohne Alternativen
getroffen.“ Probst hält eine neue Klimakultur
für möglich, weil wir „unser Handeln, Denken
und Verhalten ändern könnten“. Dennoch
funktioniert Klimaschutz nur über das Handeln. Für das Thema Wärmwende kann das
aus seiner Sicht nur die Konsequenz haben:
„Fangen wir einfach damit an!“ Entwicklungen
und Veränderungen setzten voraus, immer
wieder die Komfortzone zu verlassen. Wichtig sei daher das innere Ziel, nicht der Plan:
„Schaffen wir Räume des Gelingens für Nachhaltigkeit“, lautet seine Botschaft oder anders
ausgedrückt: „Tun wir effektiv das Richtige,
statt das Falsche effizient zu tun!“
Prof. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Jörg Probst ist Geschäftsführer der Gertec Ingenieur­
gesellschaft (Essen). Seit 2009 hat Probst einen Lehrauftrag an der Hochschule Bochum.
Schwerpunkte seiner Arbeit sind Kälteenergieeffizienz, Einsatzmöglichkeiten von regenerativen
Energien, Carbon-Footprint-Projekte, moderne Finanzierungsformen sowie Energieeffizienzprojekte in Gewerbe und Industrie, im Handel und im öffentlichen Sektor.
Kontakt:
Hochschule Bochum
Lennershofstr. 140 | 44801 Bochum
Tel.: 0201 245 64 10
E-Mail: [email protected]
www. hochschule-bochum.de
07
Keynote
KEYNOTE: „WIEVIEL ENERGIE BRAUCHEN
WIR? – STRATEGISCHE GRUNDZÜGE EINER
LEBENSSTILWENDE“
Dr. Michael Kopatz, Wuppertal Institut für
Klima, Umwelt, Energie GmbH
„Sag mal Opa, warum habt ihr so wenig gegen
den Klimawandel gemacht?“ Stellvertretend für
die Enkelgeneration konfrontierte Dr. Michael
Kopatz vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie das Auditorium mit dieser
Frage. Wie werden wir antworten? Kopatz weist
darauf hin, dass sich Deutschland seit Jahrzehnten um die Reduktion von Treibhausgasen
bemühe, aber „insgesamt und global betrachtet die notwendige Verringerung nicht gelungen ist“: „Klimaschutz kann man mit einer
Diät vergleichen: Die ersten Kilos gehen ganz
gut runter und dann wird es immer schwerer“.
Der Sozialwissenschaftler zeigte, dass die Reduktionseffekte deutlich größer sein könnten,
wenn zum Beispiel nicht ständig neuer und
immer größerer Wohnraum entstehe. „Der
Gipfel der Expansion drückt sich im SUV-Wahn
aus: Kleine Fahrzeuge werden immer weniger
gekauft, der Erwerb von Limousinen nimmt
hingegen zu“, so Kopatz. Die Kommerzialisierung versteht er als wesentlichen Grund,
warum es schwer fällt, die Energiewende in
Deutschland erfolgreich umzusetzen: „Wir
leben im totalen Überfluss und sollen immer
neue Dinge kaufen und sind auf dem besten
Weg, den ‚American Way of Life‘ zu imitieren.
Dabei geht es nicht darum, etwas besser zu
machen, sondern darum, etwas besser zu lassen“, ist der Sozialwissenschaftler überzeugt.
„Klimaschutz kann man mit einer
Diät vergleichen: Die ersten Kilos ge­
hen ganz gut runter und dann wird
es immer schwerer.“
08
Das Lösungswort für ihn ist Suffizienz. Damit
ist nicht in erster Linie Verzicht gemeint,
sondern ein Lebens- und Wertewandel:
Gesundheit, Bildung, soziale Kontakte sowie
Familienzeit und Selbstbestimmung sind beispielhafte Werte, die unserem Leben Qualität
geben. Man könne, so Kopatz, ein gutes und
glückliches Leben führen, auch wenn man
weniger CO₂ verbrauche und den Fokus nicht
vorrangig auf ökonomisches Wachstum lege.
„Die Politik muss die Richtung vor­
geben, und die Bürger müssen diese
Richtung einfordern.“
Wie kann eine solche Lebensstilwende gelingen?
Am Beispiel Rauchverhalten der Deutschen zeigte Kopatz, dass eine Kombination aus finanziellen und ordnungsrechtlichen Steuerungsmechanismen wie zum Beispiel höhere Tabaksteuern,
Werbeverbote sowie Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden zu einem Bewusstseins- und
Verhaltenswandel geführt haben. Veränderungen
sind also möglich und führen Kopatz zu folgender Erkenntnis: „Die Politik muss sich einmischen, die Richtung vorgeben. Und die Bürger
müssen diese Richtung einfordern.“
Einige provokante Vorschläge, wie Energiewende und Klimaschutz gelingen können, hält
der Sozialwissenschaftler auch parat:
›› Werbeverbot für Kinder unter 12 Jahren
›› Anzahl der Flüge auf momentanen
Ist-Stand einfrieren
›› Limit für Straßenausbau festlegen
›› Einführungen von Tempo 30 als Regel­
geschwindigkeit in Städten und Gemeinden
›› Verbesserung der Infrastruktur für Fahrräder
›› Einführung eines Moratoriums für Neubau-
Keynote
ten in Kombination mit einer Prämie für Personen, die kleinere Wohnflächen bevorzugen
›› Längere Garantiezeiten für Elektrogeräte.
patz Vorbildcharakter: „Wir können darauf stolz
sein, was wir international ausgelöst haben.“
Und es zeige einmal mehr: „Für viele Dinge in
Sachen Nachhaltigkeit brauchen wir Mut.“
Das Engagement für die Energiewende und
den Klimaschutz in Deutschland hat laut Ko-
Der Sozialwissenschaftler Dr. Michael Kopatz ist Projektleiter der Forschungsgruppe „Energie,
Verkehrs- und Klimapolitik“ am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Seine Arbeitsschwerpunkte sind „Energiesuffizienz“, „Auswirkungen der Energiewende auf Armutshaushalte“
sowie „Strategien zur Linderung von Energiearmut“.
Kontakt:
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie
Dr. Michael Kopatz
Döppersberg 19 | 21034 Wuppertal
Tel.: 0202 249 21 48
E-Mail: [email protected]
www.wupperinst.org
Dr. Michael Kopatz, Wuppertal Institut für Klima,
Umwelt, Energie GmbH
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FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
WÄRMEVERSORGUNG MIT ERNEUERBAREN
ENERGIEN – MÖGLICHKEITEN UND BEISPIELE
Prof. Dr. Klaus Vajen, Universität Kassel
Prof. Dr. Klaus Vajen, Leiter des Fachgebiets
Solar- und Anlagentechnik an der Universität
Kassel, gab mit seinem Impulsreferat einen
Überblick über regenerative Energien im Wärmebereich, ihren aktuellen Beitrag zur Wärmeerzeugung und deren zukünftige Potenziale. Seiner Einschätzung nach ist die deutsche
Energiepolitik „elektrophil und erzeugungsorientiert“, wohingegen die Wärmewende
eine weitaus geringere Rolle spiele. Zur
Effizienzsteigerung im Wärmesektor müsse
insbesondere der Altbaubestand mit seinen
unterschiedlichen Herausforderungen bei
der Gebäudesanierung im Fokus stehen. Der
Neubaubereich hingegen sei bereits aufgrund
rechtlicher Rahmenbedingungen effizient.
Das eigentliche Handlungsfeld sieht Vajen
darin, Energieeffizienz und regenerative Energien zusammen zu denken. Gasbrennwert
alleine ist derzeit immer noch die dominierende Heizungsart. Heute verbaute Gas- und
Ölbrennwertkessel versorgen durchschnittlich
noch für die nächsten 27 Jahre die Häuser.
Gerade in diesem Bereich liegen die größten
Effizienzpotenziale. Angefangen bei effizienteren Heizungspumpen bis zum hydraulischen
Abgleich und dem Ersatz durch regenerative
Energien könnten heute getroffene Entscheidungen schnell Früchte tragen.
Auch bei der industriellen Prozesswärme
sieht Vajen viele Optionen, die sich wirtschaftlich darstellen ließen. Erneuerbare Energien
eigneten sich insbesondere für den Einsatz
bei Prozessen unter 100 °C. Allein in diesem
Teilbereich könnten sie 20 Prozent des industriellen Bedarfes decken.
10
Seiner Meinung nach gilt es bei heutigen
Investitionsentscheidungen besonders zu
berücksichtigen, dass die Wärmeenergie den
größten Anteil am deutschen Endenergieverbrauch hat mit 49 Prozent.
„Power to Heat [ist] die wirtschaft­
lichste Möglichkeit, Stromüber­
schüsse zu nutzen.“
Hier werden aktuell rund 10 Prozent aus
erneuerbaren Energien gedeckt, mehrheitlich
aus Biomasse. Wärme ist zwar im Verhältnis
zu Strom eine schwer zu transportierende
Form der Energie. Doch sei „Power to Heat
die wirtschaftlichste Möglichkeit, Stromüberschüsse zu nutzen“. Vajen grenzte sich dabei
deutlich zu Power to Gas ab. Sie sei wirtschaftlich noch nicht darstellbar.
Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung erwartet Vajen in Deutschland einen ähnlichen
Verlauf wie in Dänemark. Der dortige Trend,
ganze Kommunen über solare Nahwärmenetze zu versorgen, werde in Deutschland wohl
keine vergleichbare Verbreitung finden. Er
zeige aber die Möglichkeiten von Solarwärmenetzen auf und führte dort zu einer deutlichen Reduktion der Kosten je Quadratmeter
Kollektorfläche.
„In industriellen Prozessen lässt sich
solare Wärme adäquat einsetzen.“
Vajen richtete bei der Auswahl seiner Beispiele
sein Augenmerk auf die sogenannten „low
hanging fruits“. Gerade solar beheizte Freibäder seien solar-monovalent zu betreiben,
denn die Besucher kämen nur, wenn die Sonne scheint. Auch in industriellen Prozessen
ließe sich solare Wärme adäquat einsetzen,
Brauereien verbrauchten je produziertem Liter
FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
Bier etwa 0,5 kWh und die Produktionsspitzen
lägen eindeutig im Sommer, wenn die Nachfrage am größten sei.
Als weiteres Potenzial stellte er aktuelle Entwicklungen in deutschen Bioenergiedörfern
mit eigenen Nahwärmenetzen vor, die durch
die Kompaktheit der gewachsenen Orte wirtschaftlich zu betreiben seien. Dabei erwähnte
er Beispiele aus dem Siedlungsneubau, wie
etwa das Schlachthofareal in Speyer. Auf besonderes Interesse auf Seiten der Teilnehmer
stieß das „Feldlager“-Projekt in Kassel. Hier
wird ab 2016 ein Neubaugebiet mit kalter
Nahwärme errichtet. Die Vorlauftemperatur
dieses Netzes beträgt nur 40 °C, die Anforderungen an die Käufer der Grundstücke
wurden aber trotzdem bewusst niedrig gehalten. Als Vorgabe wurde das KfW70-Haus als
Mindeststandard festgelegt, um eine soziale
Durchmischung des Areals sicherzustellen.
Insgesamt sieht Vajen dringenden Handlungsbedarf insbesondere im Gebäudebestand, denn unter der Maßgabe der derzeitigen Energiepolitik würden die Ziele für den
Einsatz Erneuerbarer Energien im Wärmebereich bis 2060 nicht erreicht.
Kontakt:
Universität Kassel
Prof. Dr. Klaus Vajen
Kurt-Wolters-Str. 3 | 34109 Kassel
Tel.: 0561 804 38 91
E-Mail: [email protected]
www.solar.uni-kassel.de
Prof. Dr. Klaus Vajen, Universität Kassel
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FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
BEITRAG UND OPTIONEN DER
BIOENERGIE IM WÄRMEMARKT
Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes,
Bundesverband BioEnergie e. V.
„1998 erwachte die Bioenergie aus dem
hundertjährigen Schlaf“, so Helmut Lamp,
Vorsitzender des Vorstandes im Bundesverband BioEnergie e. V. in seinem Vortrag zur
Entwicklung der Bioenergie in Deutschland.
Die Bioenergie habe sich seitdem zu einem
bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt.
Heute arbeiten 125.000 Beschäftigte in der
Branche und erwirtschaften einen Umsatz
von rund 12 Milliarden Euro.
Im Jahr 2014 sei hingegen aufgrund energiepolitischer Entscheidungen Ernüchterung
eingetreten: „Bei der Bioenergie treten wir
inzwischen auf der Stelle oder sind sogar einen
Schritt zurückgegangen.“ Seit 2009 würde die
Bioenergie systematisch ausgebremst, zunächst
im Verkehrsbereich (Biosprit), dann auch im
Wärmesektor. Die Klimaziele der Regierung seien aus Sicht des Bundesverbandes BioEnergie
nicht mehr erreichbar. Lamps Meinung nach
geht die Debatte „Teller oder Tank“ an der Realität vorbei. Die Bioenergie sei nicht, wie vielfach
behauptet, für die weltweite Hungerproblematik
verantwortlich. Der Anteil der hungernden Menschen sei seit 1972 bis heute auf etwa gleichem
Niveau von 0,8 Milliarden Menschen geblieben,
obwohl sich die Weltbevölkerung im gleichen
Zeitraum von 3,8 Milliarden auf 7,3 Milliarden
Menschen nahezu verdoppelt habe.
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Auch nach Ansicht von Helmut Lamp ist der
Wärmemarkt der „schlafende Riese“ in der
Energiewende und damit von herausragender
Bedeutung für die Bioenergie. 40 Millionen
Wohnungen in Deutschland (70 Prozent des
Wohngebäudebestandes) entstanden vor der
Wärmeschutzverordnung von 1978 und stellten daher ein entsprechend hohes Energiesparpotenzial dar. Die Bioenergie liefert von
allen regenerativen Energien mit einem Anteil
von 86,6 Prozent den mit Abstand wichtig­
sten Beitrag im Wärmemarkt. Hier fließen
unter anderem mit ein:
›› Biogene Festbrennstoffe
Haushalte
5 Prozent
›› Biogene Festbrennstoffe
Industrie 15,6 Prozent
›› Biogene Festbrennstoffe
HW/HKW
43,4 Prozent
›› Biogene flüssige Brennstoffe 1,7 Prozent
›› Biogas
10,7 Prozent
›› Klär- und Deponiegas
1,5 Prozent
›› Biogener Teil des Abfalls
8,9 Prozent
Im Jahr 2014 wurden 9,9 Prozent (131 Milliarden kWh) des gesamten Wärmeverbrauchs
mit regenerativen Energien bereitgestellt, dabei bestünden noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Das Ziel der Bundesregierung, im
Jahr 2020 einen Anteil von 14 Prozent erneuerbarer Wärme innerhalb des Wärmemarktes zu
erreichen, sei kein besonders ambitioniertes
Vorhaben. Dennoch werde dieses Ziel nach
Erwartung des Bundesverbandes BioEnergie
mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt.
Dies sei der Fall, obwohl es genügend Instrumente zur Entwicklung der erneuerbaren
Energien im Wärmemarkt gebe. So begrüßt
der Bundesverband ausdrücklich das Marktanreizprogramm 2014 (MAP), plädiert aber
für eine stärkere Bewerbung von Seiten der
Politik. Das Erneuerbare-Energien-Wärme­
gesetz sei ein „stumpfes Schwert“, da der gesamte Altbaubestand nicht einbezogen werde.
Einer der wesentlichen Gründe dafür sei, dass
die Energieeinsparverordnung keinen Wechsel
zu klimafreundlichen Energien vorschreibe.
Darüber hinaus habe das Erneuerbare-Ener­
gien-Gesetz kaum Zuwächse für die Bioenergie im Strombereich mit sich gebracht. Über
FORUM I: erneuerbare Energien im Wärmebereich
Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes,
Bundesverband BioEnergie e. V.
das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz würden
größtenteils Anlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, gefördert.
Helmut Lamp plädierte dafür, durch die
Vermittlung von Fakten und durch die Optimierung von bestehenden Anlagen weitere
biogene Wärmeressourcen zu erschließen.
Insbesondere öffentliche Einrichtungen
sollten dabei mit gutem Beispiel vorangehen.
Zusätzlich bestehe im Handwerk weiterer
Informationsbedarf über neue Technologien.
Holzressourcen mittelfristig zwar ausreichten,
in Zukunft wegen steigender Nachfrage aber
immer mehr Importe aus dem Osten Europas
notwendig würden.
Aus Sicht des Bundesverbandes BioEnergie
habe die Politik zwar nur begrenzte Möglichkeiten, angesichts der Diskussionen über die
Umsetzung der Energiewende auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Sie sollte aber
stärker zur Nutzung der Bioenergie stehen
und Erfolge – wie beispielsweise die Bioenergiedörfer – offensiver kommunizieren.
Als zukünftige Herausforderung stellte
Helmut Lamp heraus, dass die nationalen
Kontakt:
Bundesverband BioEnergie e. V.
Helmut Lamp
Godesberger Allee 142 – 148 | 53175 Bonn
Tel.: 0228 810 02 59
E-Mail: [email protected]
www.bioenergie.de
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FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
SOLARTHERMIE – EINE WICHTIGE SÄULE
IM WÄRMEMARKT
Jörg Mayer, Geschäftsführer Bundesverband
Solarwirtschaft e. V.
In seinem Vortrag stellte Jörg Mayer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft e. V., die aktuelle Entwicklung der
Solarthermie und künftige Anwendungspotenziale vor.
„Das Handwerk muss stärker durch
die Hersteller unterstützt werden.“
Der Anteil der regenerativen Wärme am End­
energieverbrauch in Deutschland ist in den
letzten Jahren nur mäßig gestiegen und hatte
2014 einen Anteil von knapp zehn Prozent.
Für eine nachhaltige und klimaschonende
Energieversorgung Deutschland sei es allerdings zwingend notwendig, den Anteil der
regenerativen Energien besonders im Wärmemarkt zu steigern. Dabei könne die Solar­
thermie einen erheblichen Beitrag leisten. Die
Nutzung von Solarthermie hat viele Vorteile:
eine höhere Unabhängigkeit von Rohstoff­
importen und von steigenden Energiepreisen,
die lokale Wertschöpfung durch Berücksichtigung des regionalen Handwerks und natürlich ihr Beitrag zum Klimaschutz.
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Potenziell seien 55 Prozent der Dachflächen in
Deutschland im Bestand der Ein- und Zweifamilienhäuser (EZFH) für die Installation von
Solarthermie-Anlagen geeignet. Bis 2030 könne eine „Solarisierungsquote“ von 75 Prozent
erreicht werden, ohne den Photovoltaik-Ausbau einzuschränken. Die Studie „Regenerative
Energiemodelle Deutschland“ des Fraunhofer
ISE sieht die Solarthermie im Jahr 2050 als
ergänzende Wärmeerzeugungstechnologie mit
einer Leistung von über 80 GWth. In Deutschland sind aktuell rund 2 Millionen Solarther-
mieanlagen mit einer Gesamtfläche von 18,4
Millionen m2 installiert. In den letzten Jahren
sei aber der Zubau hauptsächlich aufgrund der
geringen Bezugskosten fossiler Energieträger
leicht rückläufig. Dabei könne die Solarthermie
im EZFH bis zu 60 Prozent des Wärmebedarfs
zur Warmwasserbereitung und bis zu einem
Fünftel des Gesamtwärmebedarfs decken.
Solaraktivhäuser mit hohen Effizienzstandards
weisen laut Mayer sogar Deckungsgrade des
Wärmebedarfs von über 50 Prozent auf. Über
die Lebensdauer der Heizsysteme gerechnet,
sei die Solarthermie in Kombination mit einer
Pelletheizung die günstigste Variante, den
Wärmebedarf zu decken. Am Markt würden
allerdings Solarthermieanlagen häufig mit
Gas-Brennwertkesseln kombiniert.
„Solare Prozesswärme wird an
Bedeutung gewinnen.“
Jörg Mayer ging auch auf neue Anforderungen an Hersteller und Installateure von Solar­
thermieanlagen ein: Ab September müssen
alle neu installierten Heizungsanlagen mit
einer Leistung von unter 70 kW nach der
ErP-Richtlinie der Europäischen Union ein
Energieeffizienzlabel erhalten. Verantwortlich
für das Labelling sei dabei derjenige, der das
Produkt in den Markt bringt, in vielen Fällen
der Handwerker. Aufgrund der Komplexität
des Labellings seien der Informationsbedarf
und der Zeitaufwand für die Handwerker sehr
hoch. Ein landesweites Schulungsprogramm
solle hier angestrebt werden.
Durch den Start des neuen Marktanreizprogramms (MAP) im April 2015 sei ein klares
politisches Zeichen für die Solarthermie
gesetzt worden. Die Fördersätze wurden
teilweise um bis zu 100 Prozent angehoben.
FORUM I: erneuerbare Energien im Wärmebereich
Jörg Mayer, Geschäftsführer Bundesverband
Solarwirtschaft e. V.
Erstmalig können Solarthermieanlagen, die
ausschließlich der Warmwasserbereitung im
EZFH-Bereich dienen, mit mindestens 500
Euro gefördert werden. Ein weiteres neues
Element ist die ertragsabhängige Förderung
für Anlagen, die eine Größe von 20 bis 100 m²
aufweisen. Erste Zubau-Zahlen im Vergleich
zum Vorjahr zeigen, dass die Neuerungen des
MAPs den Markt beleben.
Auch die aktive Bewerbung des neuen MAP
durch bundesweite Kampagnen habe einen
Anteil an diesem Erfolg.
Großes Potenzial für die Solarthermie sieht
Jörg Mayer im industriellen und gewerblichen
Bereich. In der Industrie und im Gewerbe
bestünde ein vielfältiger Bedarf an Wärme.
Dieser reiche von der Bereitstellung von
Heizwärme und Warmwasserbereitstellung für
Gebäude über Prozesswärme im industriellen
Einsatz bis zur Klimatisierung von Räumen
oder der Erzeugung von Prozesskälte.
Besonders im Bereich der Prozess­wärme­
bereit­stellung im Niedrigtemperaturbereich
unter 100 °C besitze die Solarthermie ein
hohes Einsatzpotenzial. Betreiber von Ferkelzucht-Anlagen, Autowaschanlagen und die
Lebensmittelindustrie hätten die Möglichkeiten erkannt und eine Vielzahl von Projekten
unter Einbezug der MAP-Förderung bereits
umgesetzt.
Kontakt:
BSW – Bundesverband Solarwirtschaft e. V.
Jörg Mayer
Französische Str. 23 | 10117 Berlin
Tel.: 030 297 77 88 51
E-Mail: [email protected]
www.solarwirtschaft.de
15
FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
DISKUSSION: ERNEUERBARE ENERGIEN
IM WÄRMEBEREICH
Erfolgsfaktoren für die Erneuerbaren
Ener­gien im Wärmemarkt
Die Diskussion im Forum I war geprägt von
der Frage, mit welchen Instrumenten die
erneuerbaren Energien im Wärmemarkt gefördert werden können. Dabei standen sowohl
finanzielle Anreize für Nutzer und Anbieter im
Fokus als auch eine zielgerichtete Kommunikation der Vorteile regenerativer Heiztechnik.
„Steuerliche Begünstigungen für die
Abschreibung von Installationskosten
wären wünschenswert.“
Jörg Mayer
16
Die Teilnehmer diskutierten, ob das 2015
überarbeitete Marktanreizprogramm (MAP)
für einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren
Energien im Wärmesektor ausreichend ist
oder ob weitere Instrumente etabliert werden sollten. So wurde die Einführung einer
Energiesteuer vorgeschlagen, die auf jede
verbrauchte Kilowattstunde erhoben werden
könnte. Obwohl das Plenum einen solchen
steuerlichen Eingriff als wirksam einstufte,
stellte man die Realisierungschancen erheblich in Frage. Auch die Möglichkeit der steuerlichen Abschreibung von Installationskosten
wurde angeregt. „Aus Sicht des Bundesverbands für Solarwirtschaft e. V. wären steuerliche Begünstigungen wünschenswert“, so Jörg
Mayer. Das MAP sieht der Bundesverband
aber als durchaus geeignetes Instrument,
um den Einsatz erneuerbarer Energien zu
fördern. Darüber hinaus wurde eine Prämie
angesprochen, die im Falle einer Inbetriebnahme von regenerativer Heiztechnik an
Installationsbetriebe ausgezahlt würde. Diese
Vorgehensweise sei beihilferechtlich jedoch
problematisch.
Neben den ökonomischen Aspekten sprachen
die Teilnehmer auch praktische Hemmnisse
für eine weitere Marktdurchdringung von
Solarthermie- und Biomasseanlagen an.
Einen erheblichen Einfluss auf die Wahl der
Heiztechnologie hätten die Installateure. Im
Handwerk sei wegen der zunehmenden Komplexität integrierter Systeme eine adäquate
Ausbildung erforderlich. Auch ein eigener Ausbildungsberuf zu regenerativen Technologien
sei denkbar. In diesem Zusammenhang sei
auch ein größeres Engagement der Hersteller
bei der Standardisierung ihrer Anlagen zur
Vereinfachung der Installation wünschenswert.
Dadurch könnte die Kompatibilität einzelner
Komponenten von verschiedenen Herstellern sichergestellt werden. Zugleich hätten
Handwerksbetriebe eine höhere Sicherheit bei
der Installation und könnten ihre Endkunden
leichter von der Technologie überzeugen.
FORUM I: Erneuerbare Energien im Wärmebereich
„Die Politik muss stärker zu den Er­
folgen der Bioenergiebranche stehen.“
Helmut Lamp
Angesichts der rückläufigen Entwicklung im
Bioenergiesektor wurde diskutiert, mit welchen Instrumenten die Branche wieder stärker
gefördert werden könne. „Politik wird häufig von
Medien und öffentlicher Meinung getrieben,
das musste gerade die Bioenergie in den letzten
Jahren sehr schmerzhaft erfahren“, gab Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes beim
Bundesverband BioEnergie e. V., zu bedenken.
Gerade vor diesem Hintergrund müsse die
Politik auch stärker zu den Erfolgen der Bioenergiebranche stehen und diese bekannter machen.
Das Beispiel des noch in der Entstehung
befindlichen Quartiers Feldlager in Kassel
zeigte, wie regenerative Energien in einem
integrierten Konzept zur Versorgung eines
Neubaugebiets ökologisch und ökonomisch
sinnvoll eingesetzt werden können. In der
Diskussion stand die Frage im Mittelpunkt,
welche Faktoren aus Sicht der zukünftigen
Bewohner für das Quartier sprechen. Insbesondere die langfristige Kostensicherheit sowie die größere Unabhängigkeit von fossilen
Energieträgern seien entscheidende Vermarktungsargumente, die für die Umsetzung des
Quartier-Projekts sprächen. Zwar würden den
Käufern Auflagen gemacht, was die Heiztechnik anbelangt (Flächenheizung, max. 40 °C
Vorlauftemperatur), angesichts der zu erwartenden Kostenersparnis dürften diese Vorgaben allerdings akzeptiert werden.
Das Feldlager sei ein gutes Beispiel für kleinere Neubaugebiete, größere Quartierslösungen
ließen sich mit regenerativen Energien, wie
z. B. mit saisonaler Solarthermie im innerstädtischen Bereich weniger leicht realisieren.
Häufig fehlten die benötigten Flächen für
große Speicher und Kollektoren. Während aus
der Zuhörerschaft auf bestehende Flächenpotenziale im innerstädtischen Raum, wie z. B.
Parkplatzflächen, verwiesen wurde, plädierte
Vajen im Bestand eher für dezentrale oder
Nachbarschaftslösungen.
17
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
STATUS QUO, ZIELSETZUNG UND MASSNAHMENPAKETE DER BUNDESREGIERUNG
IM WÄRMESEKTOR
Dr. Klaus Müschen, Umweltbundesamt
Dr. Klaus Müschen, Leiter der Abteilung
„Klimaschutz und Energie“ im Umweltbundesamt, referierte zum Thema „Status quo,
Zielsetzung und Maßnahmenpakete der
Bundesregierung im Wärmesektor“. Einführend stellte Müschen die aktuellen Zahlen der
Treibhausgasemissionen vor. Diese haben
sich in den letzten Jahren zwar vermindert,
das angestrebte Ziel von 40 Prozent-CO2-Minderung im Jahr 2020 sei allerdings mit den
derzeitigen Bemühungen nicht zu erreichen.
2013 wurden rund 950 Millionen Tonnen CO2
eingespart, was einer Minderung um etwa
24 Prozent entspricht.
18
Die wichtigsten Punkte des NAPE stellte
Müschen wie folgt vor: Die Wärmeeffizienz im
Gebäudebereich wird durch den Ausbau und
die Weiterentwicklung von Förderprogrammen vorangetrieben. Auch das Energieeinsparrecht wird an die aktuellen Anforderungen angepasst. Das EEWärmeG wird im Jahr
2016 in einer neuen Fassung erscheinen.
„Eine andere Richtung und neue
Wege werden benötigt.“
Im Bereich Energiesparen setzt man vor
allem auf die Förderung der Ausfallbürgschaften im Contracting-Bereich. Auch das KfW
Programm „EnEFF“ soll weiterentwickelt werden. Über die Höhe der Unterstützung wird
zukünftig allein die Größe der Energieeinsparung entscheiden. Das bedeutet: Je mehr
Energie ein Unternehmen durch energieeffiziente Produktionsanlagen oder -prozesse
einspart, umso günstigere Kredite kann es bei
der KfW beantragen.
Die Prognosen für das Jahr 2014 sprechen
allerdings nur von einer Einsparung von 912
Millionen Tonnen CO2-Äquivalent-Emissionen. Es sei klar erkennbar, dass zusätzliche
Anstrengungen erforderlich seien, um das
40-Prozent Ziel zu erreichen. „Eine andere
Richtung und neue Wege werden benötigt“,
so Müschen.
Auch die Förderung der Eigenverantwortlichkeit ist ein zentraler Punkt im NAPE. Konkret
sollen 500 neue Energieeffizienznetzwerke
bis 2020 geschaffen werden, die wiederum
insgesamt 5 Millionen Tonnen CO2 einsparen
sollen. Allein durch diese Initiative sollen rund
20 Prozent der im Nationalen Aktionsplan
Energieeffizienz genannten Endenergieeinsparungen erreicht werden.
Erste Konsequenzen wurden auch bereits
gezogen. So hat die Bundesregierung am
3. Dezember 2014 den „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE)“ sowie das „Aktionsprogramm Klimaschutz“ beschlossen.
Darin sind mehr als 30 Sofortmaßnahmen
und weiterführende Arbeitsprozesse verankert, die sicherstellen sollen, dass die energie- und klimapolitischen Ziele 2020 erreicht
werden.
Müschen wies auf die neue Energieverbrauchskennzeichnung für Heizkessel im
Gebäudebestand hin, die voraussichtlich
ab 1.1.2016 in Kraft treten soll. Ziel der Verbrauchskennzeichnung sei es, den Austausch
von alten, ineffizienten Heizungskesseln voranzutreiben. Umfragen zufolge beabsichtigen
derzeit nur 16 Prozent der Hauseigentümer die
Erneuerung ihres bestehenden Heizkessels.
Hier besteht daher vor allem Informations-
Dr. Klaus Müschen, Umweltbundesamt
bedarf durch Heizungsinstallateure, Schornsteinfeger oder Energieberater. Allerdings ist
nach Müschens Einschätzung der Nationale
Aktionsplan Energieeffizienz alleine nicht
ausreichend. Die Wärmewende benötige einen
„Maßnahmenmix“. Kernziele müssten neben
einer Steigerung des Anteils der erneuerbaren
Energien am gesamten Energieverbrauch vor
allem die Reduktion des Primärenergieverbrauchs und die Steigerung der Energieeffizienz durch Reduktion des Stromverbrauchs
sein. Diese Hauptziele müssten auf die einzelnen Maßnahmen Stromverbrauch, Wärme und
Verkehr heruntergebrochen werden.
Müschen sieht daher einen weiteren Schwerpunkt in der stärkeren Kopplung der Sektoren
Wärme, Strom und Verkehr. Die Vorteile lägen
klar auf der Hand: Eine möglichst hohe direkte Strombedarfsdeckung durch erneuerbare
Energien führe zu Stromüberschüssen im
Stromnetz, die dann durch die Nutzung im
Wärme- und Verkehrssektor genutzt werden
könnten. Dabei gehe es darum, die bereits
bestehenden Verbraucher wie z. B. Kraft-Wärme-Kopplung, Power-to-heat im Bereich
Warmwasserbereitstellung und Elektromobilität im Bereich Bahn mit neuen Verbrauchern
zusammenzuführen.
„Wir müssen es einfach nur tun.“
Kontakt:
Umweltbundesamt
Dr. Klaus Müschen
Wörlitzer Platz 1 | 06844 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340 210 30
E-Mail: [email protected]
www.umweltbundesamt.de
19
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
POTENZIALE UND HEMMNISSE FÜR KWK
IN GEWERBE, HANDEL, DIENSTLEISTUNGEN
UND BEI KOMMUNEN
Wulf Binde, Bundesverband KraftWärme-Kopplung e. V.
Wulf Binde, Geschäftsstellenleiter des Bundesverbands Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
(B.KWK), sieht die KWK als eines der wichtigsten Werkzeuge, um die Energiewende
umzusetzen. Ihm zufolge werde der von der
Bundesregierung geplante 25-prozentige
KWK-Anteil an der gesamten Stromerzeugung
im Jahr 2020 aber deutlich verfehlt. Nicht etwa
aufgrund fehlender Umsetzungsmöglichkeiten. Im Gegenteil: Potenzialanalysen belegen
ein erhebliches wirtschaftliches KWK-Potenzial, das aber nicht ausgeschöpft werde. Grund
hierfür seien die Rahmenbedingungen, die
durch Gesetze wie dem KWKG, EEG, EnStG
usw. gegeben seien. In den letzten Jahren
stieg zwischen den Gesetzesnovellierungen
der KWK-Anteil in der Nettostromerzeugung
von 12 Prozent auf lediglich 16,2 Prozent.
Rund drei Prozent dieser Steigerung entfielen
auf Anlagen, die mit Bioenergie betrieben und
somit nach dem EEG vergütet würden.
„Die Novelle des EEG hemmt den
Ausbau von notwendigen großen
Anlagen.“
20
Mit der Novelle des EEG werde nun allerdings
gerade der Ausbau von notwendigen großen
Anlagen zur Erreichung des 25 Prozent-Ziels
stark gehemmt. Die Ursache dafür sei in der
Verpflichtung zur Direktvermarktung des erzeugten KWK-Stroms zu suchen, so Binde. Die
wichtige Eigennutzung des erzeugten Stroms
werde zurückgestellt, gleichzeitig ergebe sich
ein zusätzlicher Aufwand für die Vermarktung.
Der Großteil der zu bauenden Anlagen sei von
dieser Pflicht zur Direktvermarktung betroffen.
Daher werde nach seiner Ansicht mit diesem
Zusatz im neuen EEG ein zusätzliches Hemmnis geschaffen, das den weiteren Ausbau hemme. Nun steht auch für das KWKG und die
damit verbundenen Rahmenbedingungen eine
Novellierung ins Haus. Noch Ende des Jahres
2015 soll das neue Gesetz in Kraft treten.
„Die dezentrale Kraft-Wärme-Kopp­
lung ist keine Störgröße.“
Wulf Binde stellte auf Grundlage eines von ihm
als „non paper“ bezeichneten „Entwurfs des
Referentenentwurfs“ die sich daraus resultierenden Hemmnisse heraus. So sei etwa
geplant, allen Anlagen mit einer elektrischen
Leistung größer 50 kW für den selbstgenutzten Strom keine KWK-Vergütung mehr zu
zahlen. Gerade solche Anlagen würden in der
Regel gebaut, um die Betriebe mit Strom und
Prozesswärme zu versorgen. Erhalten diese
Betriebe nun keine Vergütung mehr für den
Eigenverbrauch, so werde es weitaus schwieriger, eine Anlage wirtschaftlich darzustellen.
Schuld daran sind unter anderem die aus der
fehlenden Vergütung resultierenden längeren
Amortisationszeiten. Dies stelle ein erhebliches
Hindernis für den Bau neuer KWK-Anlagen dar.
Nun wurde bereits mit dem neuen EEG festgelegt, dass die meisten KWK-Anlagen, auch
wenn diese nach dem KWKG vergütet werden, für den selbstgenutzten Strom zukünftig
auch die EEG-Umlage zahlen müssen. Viele
Bestandsanlagen haben durch die sinkenden
Strompreise bereits das Problem, wirtschaftlich betrieben zu werden. Wenn diese Anlagen
nun erhalten und nicht durch konventionelle
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
Wulf Binde, Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
Anlagen zur Stromerzeugung ersetzt werden
sollen, dann müssten die gesetzlichen Rahmenbedingungen angepasst werden. Sonst sei
ein weiterer Rückgang zu befürchten. Gerade
die geplante Anhebung des Förderdeckels von
750 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro pro Jahr
berge genügend Luft, um den bestehenden
Hemmnissen entgegenzuwirken, so Binde.
Befürchtungen, man hätte durch einen zu
großen Anteil an selbstgenutztem KWK-Strom
eine zu geringe variierbare Vielfalt an Strom
im Netz, seien unbegründet. Würden die
Anlagen für den Eigenverbrauch nicht mehr
zur Verfügung stehen, sinke auch der Anteil
an KWK-Strom im Netz, womit der Ausgleich
zu Photovoltaik- und Windstrom nicht mehr
gegeben sei. Gleichzeitig sei ein stärkerer
Netzausbau notwendig, da ohne den selbstgenutzten KWK-Strom eine größere Strommenge über die Netze transportiert werden muss.
Binde plädiert dafür, Wärme und Strom als
ein Element eines integralen Systems zu betrachten. „Die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung ist keine Störgröße, sondern Partner
einer nicht auf den Strommarkt beschränkten
Energiewende“, so Binde.
Kontakt:
B.KWK Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
Wulf Binde
Markgrafenstraße 56 | 10117 Berlin
Tel.: 030 27 01 92 81 12
E-Mail: [email protected]
www.bkwk.de
21
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
ENERGIEEFFIZIENZ IN DER WÄRME­
NUTZUNG UND -ERZEUGUNG –
EIN PROFITABLES LANGFRISTPROGRAMM
Prof. Dr. Eberhard Jochem, Institut für
Ressourceneffizienz und Energiestrategien
(IREES)
„Von der Energiewende zur Energiewelle“:
Auf dieses zuspitzende Motto stützte
Prof. Dr. Eberhard Jochem seinen Vortrag
über Energieeffizienz in der Wärmenutzung
und -erzeugung in Unternehmen. Laut
Definition ist eine Welle eine sich räumlich
ausbreitende Veränderung. Dass eine solche
Veränderung dringend nötig ist, um die Energieversorgung zukunftsfähig zu machen und
um gleichzeitig effizienter mit der erzeugten
Energie umzugehen, darauf wies Eberhard
Jochem an mehreren Stellen seines Vortrages
hin. Im Besonderen die Effizienzpotenziale
im Bereich Raum- und Prozesswärme, sowie
bei der Abwärme seien enorm und noch nicht
ansatzweise erschlossen. So beziffert er die
Menge der jährlich wirtschaftlich nutzbaren
Abwärme in den Sektoren Industrie und GHD
auf 170 Petajoule (PJ). Eine Energiemenge, die
dem jährlichen Wärmebedarf von über
zwei Millionen Einfamilienhäusern entspricht.
22
Auch die Investitionen zur Nutzung dieser Potenziale seien seiner Meinung nach
äußerst rentabel. Auf Grundlage eigener
Untersuchung von 3.590 Energieeffizienz-Investitionen im Unternehmensbereich liegt
der Durchschnitt der internen Verzinsung
bei 30 Prozent. Pro Betrieb wären Energiekosteneinsparungen von 180.000 Euro pro
Jahr möglich. Jochem stellte die Frage in den
Raum, warum trotz der günstigen Ausgangssituation nur wenige Unternehmen die
energetischen und ökonomischen Potenziale
erkennen. Seiner Ansicht nach sind es insbesondere Hemmnisse im Bereich der sozialen
Kompetenz, falsche Prioritätensetzung und
die Vermischung der Begriffe „Risiko“ und
„Rentabilität“.
Jochem vermisst zudem „eine übergeordnete
Handlungsstruktur“, um daraus Lösungsansätze zu entwickeln. Trotz einer immer stärker
digital vernetzten Welt hätten sich bei der
Energieversorgung noch keine gesellschaftsübergreifenden Modelle durchsetzen können.
O-Ton Jochem: „Jeder heizt für sich.“ Die
bestehenden Konzepte für Quartiere und Gewerbegebiete greifen seiner Meinung nach zu
kurz. Die Unternehmer konzentrierten sich
nach wie vor zu sehr auf ihr Kern­geschäft,
ohne Dienstleistungen im Strom- und Wärmemarkt als sinnvolle, betriebliche Betätigungsfelder zu erkennen. Hinzu komme ein
unzureichender Wissensstand der meisten
Energieverantwortlichen in den Betrieben,
wohlwissend, dass dazu auch die volle Unterstützung der Geschäftsführung nötig ist.
Problematisch sieht Jochem darüber hinaus
die Vorgehensweise von Herstellern im Umgang mit energetischen Optimierungen. Innovationen benötigten eine zu lange Zeit von
der Idee bis zu ihrer Umsetzung und Markt­
reife. Einen großen Widerspruch macht er im
Bereich staatlicher Förderungsprogramme
und unternehmerischer Aktivität aus. „Viele
Unternehmer verwechseln Risiko mit Rentabilität“, so Jochem. Denn durchschnittliche,
interne Verzinsungsraten von 30 Prozent für
Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen
eröffneten jedem Unternehmer auch ohne
staatliche Unterstützung genügend Handlungsspielraum für Umsetzungen.
Doch es gibt auch Beispiele für gelungene öffentliche Projekte zur Nutzung von Abwärme.
In Karlsruhe etwa speist eine Mineralölfirma
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
pro Jahr rund 700 GWh Wärme in das Fernwärmenetz der Stadtwerke Karlsruhe ein. Die
Absicherung des Risikos liege auf Seiten der
Stadtwerke Karlsruhe. Jochem empfahl, in weniger günstigen Fällen Versicherungslösungen
in Anspruch zu nehmen, die mittlerweile für
energetische Kooperationen zwischen Gewerbebetrieben angeboten würden.
Jochem zeichnete ein durchaus positives Bild
für die Zukunft und verwies auf seine Praxis-
erfahrungen aus der Arbeit mit den Lernenden Energieeffizienz Netzwerken (LEEN).
Wichtig seien sogenannte „first mover“,
sowohl auf Seiten der Umsetzer als auch bei
den Herstellern. Diese seien es, die die dringend erforderliche Welle erzeugten, mit deren
Hilfe neue Ufer in der Neugestaltung unserer
Energielandschaft erreicht werden können,
damit sich aus der „Energiewende eine Energiewelle“ entwickeln könnte.
Kontakt:
Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien (IREES)
Prof. Dr.-Ing. Eberhard Jochem
Schönfeldstr. 8 | 76131 Karlsruhe
Tel.: 0721 915 26 36 26
E-Mail: [email protected]
www.irees.de
Prof. Dr. Eberhard Jochem, Institut für Ressourcen­
effizienz und Energiestrategien (IREES)
23
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
DISKUSSION: „DAS IST DER HAMMER“: INVESTITIONEN RICHTIG BEWERTEN, NETZWERKE BILDEN, BESCHLEUNIGER NUTZEN
Vor dem Hintergrund der Aufforderung von
Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, den
Kongress insbesondere zur Erarbeitung von
Lösungsansätzen zu nutzen, diskutierten die
Teilnehmer des Forums intensiv.
„Das ist der Hammer: 85 Prozent der
Unternehmen setzen bei Investitions­
entscheidungen allein auf den Return
on Invest“.
Prof. Dr. Eberhard Jochem
„Das ist der Hammer“, damit unterstrich Prof.
Dr. Jochem die Tatsache, dass noch immer
85 Prozent der Unternehmen in Deutschland
bei Investitionsentscheidungen allein auf die
Amortisationszeit setzen und dem „Return on
Invest (ROI)“ somit eine sehr hohe Bedeutung
zumessen. Investitionen mit Amortisationszeiten von über zwei Jahren werden meist
nicht getätigt. Dabei gibt es zahlreiche belegte
Beispiele, bei denen trotz längerer Amortisationszeit lukrative Renditen eingefahren werden
können, wenn bei der unternehmerischen
Bewertung einer Effizienzinvestition auch die
Laufzeit bzw. Nutzungsdauer von Anlagen und
Systemen in Betracht gezogen werden würde.
24
Es bestand Einigkeit darin, dass das durch
die übliche Bewertung des Investitionsrisikos mittels einer statischen Amortisationszeit-Berechnung „methodisch verursachte“
Investitionshemmnis dringend abgebaut
werden muss. Vielmehr sei eine Rentabilitätsbetrachtung zu etablieren, die den kompletten
Lebenszyklus einer Investition dynamisch
überblickt. Hierfür bietet sich nach Ansicht
von Jochem die Methode der internen Ver­
zinsung an.
Die kommunalen Vertreter des Forums wiesen darauf hin, dass Kommunen beim Aufbau
von Kapazitäten unterstützt werden sollten,
um zum Gelingen der Wärmewende beitragen
zu können. Neben der monetären Unterstützung fehlt es den Kommunen (teilweise) am
notwendigen Know-how, Projekte alleine und
ohne Unterstützung anzugehen und umzusetzen. Es kam der Wunsch nach zusätzlichen
versierten Mitarbeitern mit entsprechenden
Fachkenntnissen und Projekterfahrungen auf.
Voraussetzung hierfür sei aber eine angemessene tarifliche Eingruppierung. Darüber
hinaus wären Planungsgrundlagen beispielsweise für den Bau von Wärmenetzen wünschenswert. Die Erstellung eines Leitfadens/
Maßnahmenkatalogs für die Bauleitplanung
wurde angeregt.
Zudem kam die Frage nach der Rolle der
Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD,
kommunale Finanzaufsicht in Rheinland-Pfalz)
bei der Energiewende und ihrer Bewertungspraxis entsprechender kommunaler Projekte
auf. Die Diskutanten waren sich einig, dass
eine ADD-Entscheidung – unabhängig von der
Finanzsituation der Kommune – nachvollziehbar positiv ausfallen sollte, wenn die Rentabilität der Projekte nachgewiesen wird.
Die notwendigen Voraussetzungen zur Etablierung kommunaler Wärmenetze wurden intensiv diskutiert. Um etwaige Fehlentwicklungen zu erkennen, muss ein qualitatives und
quantitatives Monitoring der Zielerreichung
zwingend vorhanden sein – ebenso eine
Prozessmoderation im Vorfeld der Umsetzung. Von hoher Bedeutung seien vertrauensbildende Maßnahmen sowie der Einsatz von
anerkannten Multiplikatoren vor Ort. Vertrauensbildend und umsetzungsfördernd seien
FORUM II: Energieeffizienzthemen im Wärmebereich
zudem gute Beispiele, aus denen die positiven Projekterfahrungen in lernenden projektund/oder Sektor übergreifenden Netzwerken
miteinander verbunden werden.
„Ein Herkunftsnachweis für KWKStrom wäre ein zielführender Schritt
zum KWK-Ausbau.“
Wulf Binde
Im Bereich der Wärmewende im Gebäudebereich wurde der Ansatz der „positiven
Beschleuniger“ hervorgehoben. „Grüne
Vorreiter“ und „first mover“ sowie Wohnungsbaugesellschaften mit hohem Veränderungspotenzial sollten zuerst adressiert werden.
Hieraus ergibt sich zwangsläufig ein Vorbildund Nachahmeffekt. Trotzdem müssen aber
auch „soziale Innovationen“, die Ministerin
Lemke als Erfolgsgarant der Energiewende
einforderte, entwickelt werden, so die Teilnehmer. Diese sehen Möglichkeiten in Form
von Konzepten, Dienstleistungen, Geschäfts-
modellen bei Gebäuden mit „schwierigen
Eigentumsverhältnissen“, wie z. B. bei Eigentümergemeinschaften oder bei Gebäuden
mit Eigentümern in hohem Alter (Senioren).
Bezüglich letzterer Gruppe könnten Contracting-Modelle ein gangbarer Weg sein.
Diskutiert wurde auch der forcierte Ausbau
der Kraft-Wärme-Kopplung. Neben der Förderung des Eigenverbrauchs und von Bestandsanlagen im Zuge der Novellierung des KWKG
sollten die Vorteile der KWK – insbesondere
hinsichtlich der Reduktion des Einsatzes
fossiler Primärenergieträger und deren Flexibilität bzw. Integrationsvermögen für fluktuierende Energien – hervorgehoben werden. Ein
Herkunftsnachweis für KWK-Strom/-Wärme
wäre ein ebenso zielführender Schritt zum
KWK-Ausbau. Der Bundesverband KWK erarbeitet derzeit das Labelling „Blauer Strom“.
Diesbezüglich wurde auf den bestehenden
Herkunftsnachweis des Umweltbundesamts
für erneuerbare Energien verwiesen.
von links nach rechts: Prof. Dr. Eberhard Jochem, Wulf
Binde, Prof. Dr. Klaus Müschen
25
FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
ANLAGENTECHNIK IM GEBÄUDEBEREICH –
NEUE ENTWICKLUNGEN UND
IHRE UMSETZUNG
Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Professor Dr. Henning vom Fraunhofer-Institut
für Solare Energiesysteme ISE und stellvertretender Leiter des Karlsruher Instituts für Technologie KIT, bezifferte zu Beginn seines Vortrags den Endenergiebedarf Deutschlands auf
rund 2.500 Terawattstunden (TWh) einschließlich des Strombedarfs für Haushalte, Industrie,
Verkehr und Gewerbe. Davon werden gut ein
Drittel für Raumwärme und Warmwasserbereitung aufgewendet. Wird die Prozesswärme
mit betrachtet, dann liegt der Anteil sogar
bei 56 Prozent. Die daraus resultierenden
CO2-Emissionen fallen mit 45 Prozent bedingt
durch Umwandlungsverluste bei der Stromerzeugung am höchsten aus. Mit jeweils rund
20 Prozent zählen Verkehr, Raumwärme und
Warmwasseraufbereitung außerdem zu den
großen CO2-Emissions­verursachern. Diese
Werte sind entscheidend, um Aussagen über
zukünftige Entwicklungen der Anlagentechnik
im Gebäudebereich treffen zu können.
„Ein klimaneutraler Gebäudebestand
kann nur [...] durch Dekarbonisierung
der Anlagentechnik erreicht werden.“
26
Für den Fortschritt in der Gebäudetechnik
sind nach Meinung von Hans-Martin Henning
außerdem Vorgaben der Politik maßgebend:
Die Bundesregierung hat ambitionierte Klimaschutzziele formuliert. Die größten Einsparungen sollen im Wärmesektor erzielt werden. Bis
zum Jahr 2030 soll im Bereich Raumwärme
und Warmwasser eine Einsparung von mindestens 60 Prozent erzielt werden bei einer
gleichzeitigen Reduzierung des CO2-Aussto-
ßes um 50 Prozent. Bis zum Jahr 2050 soll
ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand
erreicht werden. Diese Vorgaben können nach
Ansicht von Henning nur durch die gleichzeitige Optimierung des baulichen Wärmeschutzes und der Dekarbonisierung der Anlagentechnik erreicht werden. Henning hält dies für
machbar, sofern durch die Ablösung fossiler
Energieträger durch erneuerbare Energien ein
niedrigerer Kohlenstoffumsatz erreicht werde.
Stand heute dominieren allerdings noch Gasund Öl befeuerte Anlagetechniken, neuere
Techniken haben noch einen geringen Anteil
an der jährlichen Nutzwärmebereitstellung.
Von hoher Bedeutung sind aus seiner Sicht für
die Dekarbonisierung Technik-Konzepte in den
Bereichen Solarthermie, Biomasse, Kraft-Wärme-Kopplung, die Nutzung von Umweltwärme
in Form von Wärmepumpen sowie Fernwärme
aus KWK-Anlagen, Groß-Wärmepumpen und
gegebenenfalls der Tiefengeothermie.
In der umfassenden Studie „Regenerative Energien Modell – Deutschland“ wurden zahlreiche
Varianten der Umstellung der Anlagentechnik
auf erneuerbare Energien untersucht. Nach der
Betrachtung unterschiedlicher Zusammensetzungen von Anlagentechnik, Optimierung der
Kosten, Einbindung aller Verbrauchssektoren
und stundengenauer Modellierung, ist man zu
dem Ergebnis gelangt, dass Solarthermie wesentlicher Bestandteil der erneuerbaren Energien
im Wärmebereich wird. Für das Jahr 2050 strebt
die Politik einen Anteil von über 80 Prozent an.
„Die erste Phase der Transforma­tion
hin zu erneuerbaren Energien ist
abgeschlossen.“
FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
Prof. Dr. Hans-Martin Henning,
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Eine besondere Bedeutung zur Erreichung
dieser Zielmarke nimmt laut Henning die
Wärmepumpe ein, und zwar mit einem Anteil
von über 50 Prozent bis zum Jahr 2050. Dieser
Technologie kommt darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung der Anlagentechnik zu.
Die Transformation des Energiesystems ist
das eine, doch sie geht einher mit der kontinuierlichen Erhöhung der Effizienz.
Wie geht es nun weiter? Die erste Phase der
Transformation hin zur „Entwicklung erneuerbarer Energien“ ist laut Henning bereits
abgeschlossen: Basistechnologien sind
geschaffen und in den Markt eingeführt. Nach
Hennings Meinung steht nun in der zweiten
Phase „die Systemintegration“ an. Die Besonderheit innerhalb dieses Prozesses ist eine
einheitliche Betrachtung der Stromerzeugung
und der Wärmebereitstellung. Beide Bereiche
werden immer enger zusammenrücken. Dem
Wärmesektor kommt deshalb eine besondere
Bedeutung zu, da er wichtige Möglichkeiten
zur flexiblen Stromnutzung bietet. Zentrales
Element ist für Henning dabei die Einbeziehung der Photovoltaik-Technologie in den
Wärmesektor. Ihr kommt seiner Einschätzung
nach ein großes Potenzial zu.
Kontakt:
Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE
Prof. Dr. Hans-Martin Henning
Heidenhofstr. 2 | 79110 Freiburg
Tel.: 0761 45 88 51 34
E-Mail: [email protected]
www.ise.fraunhofer.de
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FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
INTEGRATION DER ERNEUERBAREN STROM­
ERZEUGUNG – MÖGLICHE BEITRÄGE VON
WÄRMEVERSORGUNGSSYSTEMEN
Dr. Bert Droste-Franke, EA European Academy of Technology and Innovation Assessment GmbH
Durch den steigenden Anteil fluktuierender
erneuerbarer Energien wird der sichere Betrieb
der Stromnetze zunehmend komplexer: Immer
größere Anteile erneuerbarer Energien müssen
in das Gesamtsystem integriert werden und
bisherige Maßnahmen und Techniken zum
Ausgleich von Angebot und Nachfrage durch
CO2-arme Optionen ergänzt oder ersetzt werden. In seinem Vortrag erläuterte Bert Droste-Franke sowohl zeitliche als auch räumliche
Dimensionen neuer Ausgleichs­optionen.
Am Beispiel des Vattenfall Hochspannungsnetzes stellte er den Lastverlauf eines Monats
der Windleistung gegenüber. Dabei wurde
deutlich, dass die fluktuierende Windenergie
die aufkommende Last nicht immer abdecken
kann. Um in der Mittelspannungsebene eine
kontinuierliche Energiemenge bereitstellen zu
können, wäre in dem Beispiel von 2008 bereits eine Speicherkapazität von ca. 540 GWh
erforderlich. Diese wäre bei weitem nicht
durch vorhandene Pumpspeicherkraftwerke
abdeckbar, da mit ihnen in Deutschland nur
eine Kapazität von etwa 40 GWh vorgehalten
wird. Bedeutsam für den Ausgleich ist auch
der Unterschied zwischen prognostiziertem
und tatsächlichem Windertrag. Durch die
räumliche Distanz zwischen Erzeugung und
Verbrauch rückt die Frage des Transports der
Leistung und dem damit notwendigen Netzausbau in den Mittelpunkt.
Dr. Bert Droste-Franke, EA European Academy of
Technology and Innovation Assessment GmbH
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FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
Bei den Ausgleichstechnologien entstehen
Konkurrenzen für verschiedene Zeit- und
Leistungsbereiche. Unterschieden werden
können verfügbare Optionen für sekündlichen
bis hin zum monatlichen Ausgleich und für
die Leistungsbereiche 1 kW bis 1 MW, 1 kW
bis 100 MW und 100 MW bis 1 GW.
„Durch den steigenden Anteil fluktu­
ierender erneuerbarer Energien wird
der Betrieb der Stromnetze zuneh­
mend komplexer.“
Ein Beispiel für modularen Doppelnutzen und
kurzzeitigen Ausgleich sind Elektro- und Hybrid-Fahrzeuge. Modulare Anlagen im Bereich
bis 1 MW, darunter Blei-Säure-Akkumulatoren
und Lithium-Ionen-Akkumulatoren, können
sowohl im kurzzeitigen als auch täglichen
Ausgleichsbereich eingesetzt werden. Beim
täglichen bis monatlichen Ausgleich kommen
Druckluftspeicher, Pumpwasserkraftwerke
und Wasserstoffspeicher in Betracht.
Alternativ zur Abregelung von EE-Anlagen
kann im Bereich des täglichen Ausgleiches
eine Verringerung der Einspeisung von
KWK-Anlagen mit angeschlossenem thermischem Speicher sinnvoll sein.
Auch über Nachfragesteuerung in Haushalten
gibt es Regelungs- und Ausgleichsoptionen:
die elektrische Hausheizung, Klimatisierung
oder Elektro- und Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge.
In der Zeitskala „täglich“ kann auch die Erzeu-
gung von Wasserstoff für die Direktnutzung
eingesetzt werden.
Beim Netzausgleich stehen derzeit verschiedene Technologien für den zeitlichen Ausgleich in Konkurrenz zueinander. Wärmeseitig
genutzte Ausgleichsoptionen stellen Wärmepumpen, Mikro-KWK und KWK-Nahwärme­
systeme dar.
In der EA-Studie „Balancing Renewable Electricity“ werden folgende Annahmen getroffen:
Wärmepumpen laufen im Herbst, Winter und
Frühjahr im Dauerbetrieb, während sie im
Sommer in zeitlichen Intervallen abgeschaltet
werden. Die benötigte elektrische Energie
eines Szenarios, die aus dem Netz entnommen wird, liegt bei 6,4 TWh. Für die Simulation von KWK-Anlagen wurde angenommen,
dass sie Wärme geführt ausgelegt werden und
zentral gesteuert sind. Wichtig für Wärmespeicher ist die ausreichende Dimensionierung.
Es zeigt sich, dass so voraussichtlich positive und negative Verschiebepotenziale von
einigen Gigawatt realisiert werden können,
die allerdings je nach Saison schwanken. Eine
Auflistung einzelner Aufgaben zum Ausgleich
im Energiesystem zeigt, dass diese vielfältig
und an verschiedenen Stellen im System zu
gewährleisten sind, so dass voraussichtlich
in Zukunft ein Mix von jeweils geeigneten
Optionen zum Einsatz kommen wird. Unter
anderem kann durch Netzdienstleistungen
mit dezentralen Anlagen im Verteilnetz die
Qualität der Stromversorgung verbessert
und die vorhandene Netzinfrastruktur besser
ausgelastet werden.
Kontakt:
EA European Academy of Technology and Innovation Assessment GmbH
Dr.-Ing. Bert Droste-Franke
Wilhelmstr. 56 | 53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler
Tel.: 02641 97 33 24
E-Mail: [email protected]
www.ea-aw.de
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FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
DAS ENERGIESYSTEM DER ZUKUNFT –
VERKNÜPFUNG VON STROM- UND
WÄRMEMARKT MIT ENERGIESPEICHERTECHNOLOGIEN?
Dr. Peter Eckerle, Geschäftsführer StoREgio
Energiespeichersysteme e. V.
Wie lassen sich Strom- und Wärmemarkt im
Energiesystem der Zukunft verknüpfen? Dieser Frage ging Peter Eckerle, Geschäftsführer
von StoREgio, nach. Ein zentraler Punkt ist
dabei, ob dem Kunden auch zukünftig die von
ihm nachgefragte Energieform zum richtigen
Zeitpunkt und vor allem zu einem für ihn
bezahlbaren Preis angeboten werden kann.
Denn nach Eckerle muss sich zum Ausgleich
der Leistungsschwankungen regenerativer
Energien auch die Stromnachfrage flexibel an
das Angebot anpassen. Doch bedeutet dies,
dass wir bei einem sehr hohen Anteil fluktuierender Energien im Stromnetz auf unsere
Versorgungssicherheit verzichten oder hohe
Preise in Kauf nehmen müssen?
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der Stromanbieter betroffen. Doch wie werden sich die Stromkosten zukünftig bei einem
immer weiter steigenden Anteil fluktuierender
Energien entwickeln?
„Mit dem Umbau der Energie­
systeme müssen sich die Strukturen,
die Prozesse und Verantwortlich­
keiten verändern.“
„Durch die Verzahnung von Strom,
Wärme und Gas wird das Flexibili­
täts-Potenzial maximiert.“
Für Dr. Eckerle steht fest: „Mit dem Umbau
der Energiesysteme müssen sich die Strukturen, die Prozesse und Verantwortlichkeiten
verändern.“ Dabei werden wir zwischen flexiblen und unflexiblen Prozessen unterscheiden.
Flexibilisierbare Prozesse beinhalten meistens
natürliche Speicher, wie z. B. die thermische
Hülle eines Hauses, die es der Wärmepumpe
erlaubt, auch flexibel zu arbeiten, ohne dass
der Kunde Nachteile bemerkt. Passen sich
dann in Zeiten knappen Stroms solche Verbraucher automatisch an das Angebot an, so
werden Preisspitzen vermieden.
Grundsächlich führt der Strommarkt Angebot
und Nachfrage über den Strompreis zusammen. Bei knappem Stromangebot und hoher
Stromnachfrage steigt der Preis, während er
bei hohem Angebot und niedriger Nachfrage
geringer ausfällt. Durch den Einfluss dieser
Parameter schwankt der Preis theoretisch
beliebig stark. Der Endkunde bemerkt davon
meistens nichts, da er nach einem Standardlast-Profil abgerechnet wird. Allerdings legt
der Energieversorger höhere Kosten, z. B.
durch Fehlkalkulationen am Strommarkt verursacht, auf den Endkunden um. Indirekt ist
der Kunde damit schon heute von Verlusten
Auch die Verstromung fossiler Energieträger,
wie Erdgas oder Kohle sowie von umweltfreundlicherem Biogas oder Biomasse, tragen
in Zeiten geringen Stromangebots aus erneuerbaren Energien zur Absicherung gegen
hohe Preise bei. Dabei ist zu beachten, dass
durch die Verzahnung der Energiesysteme
Strom, Wärme und Gas das Flexibilitäts-Potenzial erst maximiert wird, so Eckerle. Anders
ausgedrückt bedeutet dies, dass sich bei technisch unproblematischer Umwandlung der
Energieträger in andere Trägerformen auch
die Energiepreise über die entsprechenden
Märkte hinweg stabilisieren.
FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
Dr. Peter Eckerle, Geschäftsführer StoREgio
Energiespeichersysteme e. V.
Der Verein StoREgio entwickelt im Projekt
„Solbat“ Geschäftsmodelle für Stadtwerke, in
denen unter anderem dezentral eingesetzte
Blockheizkraftwerke die Strom- und Wärmeversorgung mehrerer Haushalte sicherstellen. Im Verbundprojekt VEVIDE werden
zusammen mit der Transferstelle Bingen
und den Technischen Werken Ludwigshafen
Konzepte getestet, die Stromüberschüsse aus
erneuerbaren Energien flexibel in Nutzwärme umwandeln und gleichzeitig Brennstoff
einsparen. In Zukunft unterstützen solche
Quartierskonzepte den dezentralen Fluktuationsausgleich der erneuerbaren Energien.
Doch insbesondere, wenn die sinnvoll nachfragbare Nutzleistung aller Verbraucher das
gesamte Stromangebot übersteigt, sollten
Stromspeicher wie Batterien, Pumpspeicher
oder Wasserstoff, den Strom aus erneuerbaren
Energien zwischenspeichern, um diesen später
wieder nutzen zu können. Auch wenn bei der
Energiespeicherung Wirkungsgradverluste in
Kauf genommen werden müssen, seien solche
Strategien effizienter als erneuerbare Energien
großtechnisch abzuregeln, so Eckerle.
Flexible Erzeuger und Verbraucher sowie
Energiespeicher bewahren uns also vor Preisspitzen, die durch Erzeugungsschwankungen
der erneuerbaren Energien entstehen. Und
solange Preisspitzen existieren, gibt es Anreize, Einheiten zu flexibilisieren. Wichtig ist
es, nach Ansicht von Eckerle, schon heute auf
Marktchancen aufmerksam zu machen und
die Akzeptanz für die Flexibilisierung geeigneter Prozesse zu steigern.
Kontakt:
StoREgio Energiespeichersysteme e. V.
Dr. Peter Eckerle
Donnersbergweg 1 | 67059 Ludwigshafen
Tel.: 0621 59 28 09 31
E-Mail: [email protected]
www.energie-rhein-neckar.com/ueber-uns/storegio-energiespeichersysteme-evl
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FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
DISKUSSION: AUFTRAG AN DIE POLITIK:
SICHERE RAHMEN­BEDINGUNGEN SCHAFFEN
Nicht nur in den Bereichen Strom und
Mobilität führt die Energiewende zu Innovationen. Die Vorträge und die Diskussion unter
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des
Forums III machten deutlich, dass durch die
Herausforderungen der Energiewende innovative Technologien und Dienstleistungen auch
im Wärmebereich entstehen.
Nach Einschätzung einiger Teilnehmer fehlt
es derzeit häufig an Planungssicherheit, ohne
die sich neue Technologien und Dienstleistungen am Markt nicht durchsetzen können. Auf
allen Ebenen, aber vor allem auf Bundes- und
EU-Ebene, sei die Politik daher gefordert, sichere
Rahmenbedingungen zu schaffen, auf die sich
Investoren, Unternehmen und Kunden mittelund langfristig verlassen können. Erst wenn das
im politischen Aushandlungsprozess befindliche
Design des Energiemarkts klarere Konturen
habe und mehr Planungssicherheit gegeben sei,
wüchse auch die Bereitschaft, Investitionen zu
tätigen. Diese seien notwendig, um ein flexibles
Energiesystem zu entwickeln, das der Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch Rechnung
trägt. Technologien zum sinnvollen Erzeugungsund Verbrauchsmanagement sowie zur Optimierung der Netze und der Speicher existieren,
eine betriebswirtschaftliche Rechnung ist aktuell
aber häufig nicht möglich, so Eckerle.
Überschüssigen Strom aus
erneuerbaren Energien nutzen
Bert Droste-Franke verdeutlichte mit seinem
Vortrag, dass der sichere Betrieb der Stromversorgung durch den zunehmenden Anteil fluktuierender erneuerbarer Energien immer komplexer wird. Beim technischen Ausgleich von
Angebot und Nachfrage in der Stromversor-
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von links nach rechts: Dr. Peter Eckerle,
Dr. Bert Droste-Franke, Prof. Dr. Hans-Martin Henning
gung spiele die kluge Kombination der verschiedenen miteinander in Konkurrenz stehenden
technischen Optionen eine ungemein wichtige
Rolle, um Synergien zu nutzen, die wirtschaftlich sind und zum Klimaschutz beitragen.
„Die kluge Kombination verschiede­
ner technischer Optionen kann zu
wirtschaftlichen Synergien beitragen.“
Dr. Bert Droste-Franke
Im Wärmebereich ergäben sich vor allem durch
Wärmepumpen, Mikro-KWK und KWK-Nahwärmesysteme Optionen zum Ausgleich von
Angebot und Nachfrage. Auf die Frage eines
Teilnehmers, ob der angesprochene Ausgleich
auch ohne chemische Speichertechnologien in
Zukunft möglich sei, antworten die drei Referenten einstimmig: eine langfristige, saisonale
Speicherung ohne chemische Stromspeicher
FORUM III: Innovative Konzepte im Wärmebereich
sei kaum möglich. Wenn der Strom nicht direkt
genutzt werden könne und effizientere Formen
der Stromspeicherung wie Batterien, Pumpspeicherkraftwerke und Wärmespeicher ausgelastet seien, kämen Energieträger wie Methan,
Methanol und Wasserstoff ins Spiel. Diese
Energieträger können dann im Sinne einer
sinnvollen Resteverwertung bei der Wärmegewinnung und als Kraftstoff genutzt werden.
Neuer Ausbildungsberuf
„Gebäudeenergietechniker“?
Intensiv diskutierten die Teilnehmer des Forums das Thema der Fachkräftequalifizierung.
Der Vortrag von Hans-Martin Henning machte deutlich, dass die Komplexität der Energieanlagentechnik im Gebäudebereich durch die
enger werdenden Verknüpfungen der Systeme
„Strom“, „Wärme“ und „Mobilität“ steigt.
„Die Umsetzung von Gebäudeener­
gietechnik ist mehr als die Summe
der einzelnen Teile.“
Wenn der Bauherr eines Einfamilienhauses
beispielsweise eine Photovoltaik-Anlage auf
dem Dach seines Hauses installieren möchte,
die Strom für den Haushalt und das eigene
E-Auto produziert und überschüssigen Strom
in einer Lithium-Ionen-Batterie speichert, er
zudem eine Wärmepumpe zur Wärmebereitstellung und eine solarthermische Anlage
einplant, dann steigen die Anforderungen an
die daran beteiligten Handwerker.
Die Planung und Umsetzung der Gebäudeenergietechnik ist in einem solchen Fall deutlich mehr als die Summe der einzelnen Teile
und erfordert systemübergreifendes Fachwissen. Einig waren sich die Forumsteilnehmer darüber, dass für die davon betroffenen
Gewerke entsprechende Qualifizierungsangebote notwendig sind. Auf positive Resonanz stieß der Vorschlag von Hans-Martin
Henning, in Politik und Handwerk über einen
neuen Ausbildungsberuf, den sogenannten
Gebäudeenergietechniker, nachzudenken.
Prof. Dr. Hans-Martin Henning
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Podiumsdiskussion
PODIUMSDISKUSSION: „WIE SCHAFFEN WIR
DIE WÄRMEWENDE IN RHEINLAND-PFALZ?“
Podiumsdiskussion mit:
›› Wulf Binde, Geschäftsstellenleiter Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e. V.
›› Prof. Dr.-Ing. Eberhard Jochem, Senior
Executive Institut für Ressourceneffizienz
und Energiestrategien (IREES)
›› Jörg Mayer, Geschäftsführer, Bundes­
verband Solarwirtschaft e. V.
›› Thomas Pensel, Geschäftsführer, Energieagentur Rheinland Pfalz GmbH
›› Hans Weinreuter, Energiereferent Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e. V.
In der Podiumsdiskussion zum Abschluss
des Wärmekongresses wurde deutlich, dass
Energieexperten und Forscher zum Teil sehr
unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen
über die Wege für eine erfolgreiche Wärmewende in Rheinland-Pfalz vertreten.
So machte Hans Weinreuter deutlich, dass
Verbraucher sehr sensibel auf die Preisentwicklung im Energiebereich reagierten. Die
seit geraumer Zeit stark gesunkenen Ölpreise
hätten viele Verbraucher veranlasst, möglichweise geplante Sanierungen im eigenen
Heizungskeller zurückzustellen. Zudem seien
Verbraucher aufgrund der deutlich gestiegenen Vielfalt an Energieträgern stark verunsichert.
„Solarthermie ist ein zentrales Ins­
trument zum Ausbau erneuerbarer
Energien im Wärmemarkt.“
Jörg Mayer
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Demgegenüber mahnte der Geschäftsführer
der Energieagentur Rheinland-Pfalz, Thomas
Pensel, Fortschritte bei der Sanierung an:
„Eine Sanierungsrate von derzeit ein Prozent
genügt nicht, zumal mit der Sanierungshäufig-
keit noch nichts über die nachhaltige Qualität
gesagt ist.“ Ziel müsse eine Sanierungstiefe
von 80 Prozent sein, dazu würden aber deutlich mehr qualifizierte Handwerker benötigt.
Hans Weinreuter bestätigte, es gebe im Handwerksbereich an mancher Stelle Qualitätsprobleme bei der Ausführung von Gewerken.
„Die Verbraucher sind wegen
der Vielfalt an Energieträgern
verunsichert.“
Hans Weinreuter
Insbesondere thermische Solaranlagen gelten
als Problemfeld. Er sprach sich dafür aus, die
Förderhöhe für thermische Anlagen auf die
Höhe des erzielten Ertrags umzustellen.
Jörg Mayer plädierte dafür, das Handwerk
solle die Effizienz einer installierten Anlage
belegen. Er begrüßte ausdrücklich die mit
der Novellierung des Marktanreizprogramms
(MAP) seit April 2015 verbundenen Regelungen, die u.a. die ertragsorientierte Förderung
als zusätzliche Alternative vorsähen.
Binde sieht die Zeit gekommen, Mikro-KWKs
zur Strom- und Wärmeerzeugung auch im
privaten Bereich einzusetzen. Allerdings seien
nur wenige Handwerksbetriebe in der Lage,
diese komplexen Themen verständlich gegenüber Kunden darzustellen. Das verhindere die
Akzeptanz und damit eine stärkere Marktdurchdringung dieser Wärmeerzeugungstechnologien. Für Jörg Mayer ist Solarthermie „ein
zentrales Instrument zum Ausbau erneuerbarer Energien im Wärmemarkt“. In der Kommunikation mit Eigenheimbesitzern müsse
deutlich werden, dass Solarthermie-Anlagen
zu einer Wertsteigerung von Immobilien
führen könnten.
von links nach rechts: Thomas Pensel, Hans Weinreuter,
Andreas Jacob (Moderator), Jörg Mayer, Prof. Dr. Eberhard Jochem, Wulf Binde
„Die Zeit für Mikro-KWKs im
privaten Bereich ist reif.“
Wulf Binde
Einen durchaus kritischen Blick auf den
staatlich geförderten Ausbau solarthermischer
Erzeugungskapazitäten warf Prof. Eberhard
Jochem mit der Frage, wieviel Wärme überhaupt gebraucht werde. In vielen Fällen sei
die Nutzung von Abwärme deutlich günstiger
als der Neubau von Solarthermie. Dennoch
gebe es in Rheinland-Pfalz aufgrund der lokal
sehr unterschiedlichen Betriebsstrukturen
eine Sondersituation.
„In vielen Fällen ist Abwärme deut­
lich günstiger als der Neubau von
Solarthermie.“
Prof. Dr. Eberhard Jochem
Auf die immer wieder gestellte Frage, wie
man Bürgern die Amortisationszeiten von Solarthermie- oder PV-Anlagen erklären könne,
konterte Jochem, es stelle sich auch niemand
die Frage, wann sich ein SUV amortisiere.
„Wir müssen uns einfach
auf den Weg machen.“
Thomas Pensel
Abschließend machte Energieagentur-Geschäftsführer Thomas Pensel deutlich, dass
die Vernetzung zwischen allen Akteuren
unverzichtbar sei: „Unser Ziel ist es, Kommunen und Unternehmen zusammenzubringen
und sie bei Themen wie dem Kommunalen
Energie- und Klimaschutzmanagement zu
unterstützen. Zusammen mit der Deutschen
Energie-Agentur (dena) unterstützen wir derzeit 16 Modellkommunen in Rheinland-Pfalz
beim systematischen Energiesparen.“ Die
Entscheidung, die Wärmewende anzugehen,
erfolge nicht über den Kopf, über technologische Möglichkeiten oder finanzielle Anreize
allein, sondern sie sei immer auch das Ergebnis einer inneren Überzeugung: „Wir müssen
uns einfach auf den Weg machen!“, appellierte Pensel an die Kongressteilnehmer.
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Gestaltung
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