Seite 20 · 30. August 2015 · Sonntags-Zeitung GEMEINDEREPORT Sie gehen zum Lachen in die Kirche Kirburger feiern Gottesdienste, unterstützen Hilfsprojekte und bilden Orgelschüler aus • Von Theresa Röser Eine Konfirmandenfreizeit unter der Woche, Schnee im Juni und drei bis vier besondere Gottesdienste im Jahr gehören in Kirburg zum Gemeindeleben. Was sie dort dringend brauchen sind Fußballschuhe und Fahrräder – natürlich für einen guten Zweck. KIRBURG ■ Kirchengemeinde Kirburg Pfarrer Rüdiger Stein Köln-Leipziger-Straße 22 57629 Kirburg Telefon 0 26 61/54 07 [email protected] W Die offene Kirche nehmen sie hier gut an »In unserer Kirche lachen und klatschen die Menschen viel«, sagt Juliane Graics. »Wir sind eine sehr offene und lebendige Gemeinde.« Die Kirburgerin ist seit sechs Jahren Mitglied im Kirchenvorstand, die Protestanten haben sie nun wiedergewählt. Die Kirche ist jeden Tag geöffnet. »Wir haben bisher gute Erfahrungen damit gemacht«, sagt Stein. »Die Leute nutzen die offene Kirche sehr gut«, bekräftigt er. Um die Kirche herum liegt der Fried- in kommunaler Trägerschaft, der Pfarrer feiert aber alle zwei Monate einen Gottesdienst. »Das ist Erlebnispädagogik«, freut er sich. Die Konfirmanden-Freizeit plant der Pfarrer immer von mittwochs bis freitags. »Ich versuche den Lehrern zu erklären, dass es keine freie Zeit ist, sondern harte Arbeit«, sagt Stein. »Die Schüler bräuchten das Wochenende dann zum Erholen. »Ich bin für einen Gottesdienst für alle«, sagt Rüdiger Stein. »Zu viele Sondergottesdienste mag ich nicht.« Es gebe drei bis vier Höhepunkte im Jahr, wie etwa den Gottesdienst zum Gemeindefest. »Der Gottesdienst ist das Zentrum, keine Spaßveranstaltung.« Jeder solle sich wiederfinden. »Diesen Weg wollen wir auch weiter gehen.« Auf dem neu gestalteten Platz vor dem Gemeindehaus feiern die Kirburger ihr Fest. Rüdiger Stein (unten links) ist Pfarrer in der Gemeinde im Westerwald mit dem frei stehenden Gotteshaus (unten rechts). hof des Ortes. Von dort hat man einen schönen Blick über den Westerwald. »Wenn nur der Wind nicht wäre«, sagt der Pfarrer. Das Klima in der Region sei rau. »Wir hatten auch schon Schnee im Juni.« Den Platz vor dem Gemeindehaus haben Mitglieder der Kirchengemeinde gemeinsam mit Vertretern der Kommune gestaltet. Besucher nutzen ihn als Parkplatz, außerdem dient er als Veranstaltungsort für das Gemeindefest. Die Bundesstraße führt durch das Dorf. Lastwagen und Schwerlastverkehr nutzen die Verbindung zwischen Herborn und Bonn. Sechs Männer und Frauen aus einem Altenpflegezentrum kommen jeden Sonntag in den Gottesdienst. Sie sind an Demenz erkrankt. Der Gottesdienstbesuch ist für sie eine Erinnerung an ihre Vergangenheit. »Sie sind unsere treuesten Besucher«, sagt Rüdiger Stein und lächelt. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin bringt die Senioren nach Kirburg und wieder zurück. Einmal im Jahr gibt es Kinderbibeltage. Ein Wochen- ende spielen, basteln und proben die Kinder ein Theaterstück. Beim Gemeindefest führen sie es dann auf. »Wir haben die Bibeltage bewusst mit dem Gemeindefest verbunden«, sagt Stein. »Wir wollen die jungen Familien einladen.« Nach 50 Jahren dürfen jetzt die Orgelschüler spielen »Jetzt erwacht unsere Orgel wieder zum Leben«, sagt Graics. Mehr als 50 Jahre saß der ehemalige Organist an dem Instrument in der Kirche. »Wir hatten immer Angst, dass er eines Tages umfällt und wir niemanden haben, der die Orgel spielen kann«, sagt sie. Nun hat die Gemeinde sogar drei Nachwuchs-Organisten. Die Jugendlichen nehmen Orgelunterricht und spielen in den Gottesdiensten. »Sie können jederzeit in unserer Kirche üben«, sagt Rüdiger Stein. Im Juli feierte die Gemeinde einen Orgelschülergottesdienst. Frederik Kölsch (17) hat ein Praktikum in der Gemeinde gemacht. Der Schüler des Evangelischen Gymnasiums Bad Marien- berg ist in Kirburg aufgewachsen, in der Kirche getauft und konfirmiert worden. »Mir gefällt gut, dass jeder jeden kennt und das Dorf aufgeschlossen ist für Neues«, sagt er. Seine Großmutter besuche regelmäßig die Kirche. »Oma sagt, früher sei man zum Lachen in den Keller gegangen«, sagt Kölsch. »Heute gehe sie in die Kirche.« Juliane Graicz bietet auch Sprachkurse für Flüchtlinge an. Zwei Jungen aus Syrien wohnen in Kirburg, die meisten Asylbewerber sind in Bad Marienberg untergebracht. »Es gibt eine große Willkommenskultur in der Region«, so Graicz. Ihr Sohn ist Vorsitzender des Kirburger Fußballvereins. Die jungen Männer können kostenlos dort mitspielen. »Wir suchen dringend Fahrräder und Fußballschuhe für die Jungs«, ergänzt sie. Eine Jungen-Jungschar und eine Mädchen-Jungschar, Krabbelgottesdienste, Konfirmandenunterricht und Kindergottesdienst gehören zum Programm der Gemeinde. Drei Kindergärten liegen auf ihrem Gebiet. Sie sind DREI FRAGEN AN ... ... Pfarrer Rüdiger Stein: Was macht einen Gottesdienst zu einem Traumgottesdienst? ? Wenn jede und jeder willkommen ist, keiner ausgeschlossen wird und wir Gott loben und preisen. Welcher Kirchenmann/welche Kirchenfrau beeindruckt Sie? ? Fotos: Kirchengemeinde Kirburg (2); Theresa Röser (1) ir feiern hier sehr viele Taufen«, sagt Juliane Graics, »weil Rüdiger es so schön macht.« Die Täuflinge kämen zu den Gottesdiensten aus der ganzen Region, erzählt die Kirchenvorsteherin. Der Pfarrer beziehe die Kinder in die Zeremonie ein. »Ich frage sie zum Beispiel, wozu man Wasser braucht«, erzählt Rüdiger Stein. »›Zum Löschen‹ sagen dann die Kinder aus Langenbach.« Denn dort gibt es eine Feuerwache. Rüdiger Stein ist seit zehn Jahren Pfarrer in Kirburg. Seit er in dem Dorf angekommen sei, habe sich einiges verändert. »Der Pfarrer steht nicht mehr über den anderen«, sagt er. »Wir reden auf Augenhöhe miteinander.« Die Ortsgemeinde Kirburg besteht aus sechs Dörfern. Dazu gehören Kirburg, Langenbach, Mörlen, Norken, Lautzenbrücken und Neunkhausen. Rund 2300 Gemeindemitglieder leben in den Orten. Frère Roger ist eine authentische und bescheidene Person geblieben und hat sich für die Versöhnung der Christenheit eingesetzt. ? Wo holen Sie sich Anregungen für Ihre Gemeindearbeit? Dort, wo ich Menschen im Alltag begegne – in der Gemeinde, im Gottesdienst, in der Schule, auf der Straße, auf dem Fußballplatz, am Arbeitsplatz oder auf einem Dorffest.
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