Phänomenologie und Praxistheorie

Phänomenologie und Praxistheorie
Eine Verhältnisbestimmung
FernUniversität in Hagen
5.-7.9.2016
Call for Papers
Deadline: 31.3.2016
Seit ihren Anfängen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hat die Phänomenologie die
Auseinandersetzung und den Dialog mit anderen Disziplinen und Forschungsansätzen gesucht.
Ihr Einfluss auf die Sozialwissenschaften nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein (Schütz
1932, Garfinkel 1967, Butler 1990, Bourdieu 1972 u. a.). Diese Anschlussfähigkeit ist wesentlich
dadurch bedingt, dass die Phänomenologie über einen Zugang zu ihren Gegenständen verfügt,
der mit der zentralen Stellung des Erfahrungsbegriffs unausweichlich sozial eingebettet ist. Aber
auch dort, wo der Dialog mit den Sozialwissenschaften nicht im Vordergrund steht, hat die
Phänomenologie mit ihrem methodischen Fokus auf Sinnstrukturen und leiblichem Zur-Weltsein ihr Interesse an der Praxis und insbesondere deren Vollzugscharakter artikuliert (vgl. MerleauPonty 1945, Heidegger 1927).
Damit steht die Phänomenologie in einer Nähe zu einem innerhalb der Sozial- und
Kulturwissenschaften ab Mitte des 20. Jahrhunderts vollzogenen turns, der sich dieser
Hinwendung zum Praxisbegriff verdankt: dem practice turn. Diese Wende bildet zunächst einen
Wandel im theoretischen Zugriff auf Beschreibungen des Sozialen ab, der in einer Abkehr von
dualistischen Theorieansätzen ihren Ausgang nimmt. Dabei steht die Betrachtung der Praktik als
‚kleinster Einheit des Sozialen‘ (vgl. Reckwitz 2003) für den Versuch, Engführungen etwa
mentalistischer oder strukturalistischer Ansätze zu umgehen und so dem Sozialen in seinem
Vollzug näherzukommen.
Dieser offenkundigen Nähe von Phänomenologie und Praxistheorie und der Potenziale
einer Verhältnisbestimmung ist die Tagung gewidmet. Während erste Annäherungen an die
Phänomenologie seitens der Praxistheorie längst sichtbar geworden sind (vgl. Gugutzer 2012,
Prinz 2014, Schmidt 2012), fehlt eine systematische und kritische Gesamtschau möglicher
Anschlussstellen. Einem solchen Vorhaben muss es dabei an einer Vorverständigung über die
Grundannahmen und -konzepte sowohl der Praxistheorie wie auch der Phänomenologie gelegen
sein. Dabei bieten sich die Grundannahmen einer impliziten Logik, Körperlichkeit und
Materialität der Praxis sowie der Spannung zwischen ihrer Stabilität und Instabilität zur kritischen
Diskussion ebenso an wie Erörterungen zentraler Konzepte seitens der Phänomenologie – wie
die Leiblichkeit, die Leib-Körper-Differenz, das Zur- bzw. In-der-Welt-sein, die kritische
Infragestellung eines identitären Subjektbegriffs oder die Erfahrung.
Eingeladen sind daher sowohl phänomenologisch als auch praxistheoretisch akzentuierte
Beiträge, die sich (a) den Forschungsperspektiven grundlegend systematisch annähern, (b)
einzelne Aspekte wie Grundannahmen und zentrale Konzepte aufgreifen oder (c) verschiedene
Autoren kritisch diskutieren wollen.
Neben einer thematischen Orientierung möchte die Tagung zudem im Hinblick auf das
Format eine Wahlmöglichkeit geben. So sind für die ersten beiden Tage Einzelvorträge
vorgesehen, die 30 min. nicht überschreiten sollen. Neben einem breiten Raum, der den
anschließenden Diskussionen gegeben wird, wird das Programm durch Abendvorträge
abgerundet. Für den letzten Tag sind überdies zwei sog. Responses geplant, die thematisch der
Phänomenologie bzw. Praxistheorie zugeordnet werden. Diese Responses stellen eine Vertiefung
der an den vorigen Tagen gehörten Themen im Sinne einer kritischen Zusammenschau sowie
Kontextualisierung dar und werden von drei bis vier Rednern getragen, die zu Beginn einen 10
bis 15 minütigen Impulsvortrag halten werden. Im Anschluss findet eine einstündige moderierte
Diskussion im round table mit dem Publikum statt.
Mit Vorträgen von u. a. Thomas Alkemeyer, Thomas Bedorf, Sophia Prinz, Inga Römer, Theodore R.
Schatzki, Robert Schmidt und Volker Schürmann.
Interessent_innen sind eingeladen, entweder einen einseitigen Abstract für einen 30 minütigen
Vortrag oder eine halbseitige Skizze des eigenen Forschungsinteresses für die Responses
einzureichen. Teilnehmer der Responses werden etwa 6 Wochen vor der Tagung einen MiniReader erhalten, der die Vorträge der Referenten der ersten beiden Tage enthalten wird.
Genauere Informationen über dieses Veranstaltungsformat erhalten Sie spätestens Ende April.
Ihre Vorschläge senden Sie bitte bis zum 31.03.2016 an Selin Gerlek ([email protected]) oder Dennis Clausen ([email protected]). Über eine Zusage wird
innerhalb eines Monats entschieden.
Ein Tagungsband ist geplant.
Die Tagung wird im Rahmen des Drittmittelprojektes „Praktische Körper“ (DFG) veranstaltet.
Weitere Informationen erhalten sie unter:
https://www.fernuni-hagen.de/philosophie/lg3/dfg_projekt_praktische_koerper.shtml
Konzept und Organisation:
Prof. Dr. Thomas Bedorf, Selin Gerlek (M.A.), Dennis Clausen (M.A.)
Ort der Veranstaltung:
FernUniversität in Hagen, Institut für Philosophie
https://www.fernuni-hagen.de/philosophie/lg3/dfg_projekt_praktische_koerper.shtml