Anmerkungen zu Michael Beleites' Pegida-Sympathie Es dürfte einigen aufgefallen sein, dass der ehemalige sächsische Landesbeauftragte für die StasiUnterlagen, Michael Beleites, ein Vorwort zu einem Pro-Pegida-Buch des Autors Sebastian Hennig („Pegida. Spaziergänge über den Horizont“) geschrieben hat. Der Autor Michael Bittner hat sich darüber bereits verwundert gezeigt.1 In Sachsen ist der demokratische Streit nicht beliebt. Wenn man z. B. Frank Richter dafür kritisierte, dass er die Landeszentrale für politische Bildung für Pegida öffnete, gab es empörte Reaktionen. Kritik wurde mit Schmähung gleichgesetzt. Ich will sofort klarstellen, dass es mir an dieser Stelle nicht darum geht, Positionen von Michael Beleites einer eingehenden Kritik zu unterziehen. Mir geht es um einige Anmerkungen aus GRÜNER Perspektive, denn als sächsischer GRÜNER ist mir Michael Beleites als jemand bekannt, der in der Vergangenheit für seine geschichtspolitischen wie für seine agrarpolitischen Positionen auch viel Zustimmung aus meiner Partei (insbesondere meinem Landesverband) erhalten hat. Vor diesem Hintergrund erscheint mir eine Distanzierung – aus gegebenem Anlass – aus GRÜNER Perspektive als sinnvoll, auch auf die Gefahr hin, dass manche im Meinungsstreit Ungeübte so etwas als ganz furchtbar betrachten könnten. Es stimmt, dass Beleites sich in dem besagten Vorwort positiv über Pegida äußert. Leider sind einige Unbelehrbare weiterhin der Ansicht, dass Pegida „nicht ausgegrenzt“ werden dürfe, ohne zu merken, dass diese Bewegung sich selber kontinuierlich ausgrenzt. Diesen Leuten ist es offenbar egal, was Pegida von sich gibt, sie wollen immer wieder einen irgendwie guten Kern in dieser Gruppe erkennen. Unzählige diffamierende und hetzende Redebeiträge werden ignoriert. Wie aber soll man mit Leuten diskutieren, für die Andersdenkende sowieso nur „Volksverräter“ bzw. „Lügenpresse“ sind? Wenn ich nicht bereit wäre, mich von Leuten abzugrenzen, die mich als „linksgrünversifften Gutmenschen“ oder „Kinderficker“ bezeichnen, dann wäre ich zu gar keiner Klarheit mehr fähig (mal abgesehen davon, dass ich Masochist sein müsste). Also: Etwas Abgrenzung muss manchmal auch sein, um die eigenen Konturen zu wahren. Entsprechend kann man konstatieren: Wer Pegida nahe steht, kann den GRÜNEN nicht nahe stehen. Das wird jeder Mensch einsehen, der mit klarem Verstand die Aussagen von Pegida mit den GRÜNEN Grundsatzprogrammen von 1980 und 2002 bzw. dem Grundkonsens von BÜNDNIS 1 http://michaelbittner.info/2015/10/28/pegida-von-innen-die-chronik-spaziergaenge-ueber-den-horizont-vonsebastian-hennig/. 1 90/DIE GRÜNEN aus dem Jahr 1993 vergleicht. Damit ist kein Stab über Michael Beleites gebrochen oder ähnlich Schlimmes passiert, aber eine mögliche Unklarheit wird beseitigt. Das sagt Beleites ja auch selber – Zitat aus dem besagten Vorwort, dem wir uns jetzt widmen (S. 13): „Sogar die Grünen haben die ökologische Dimension ihrer Identität hintan gestellt, um nur noch links zu sein.“ Ich verzichte darauf, Formulierungen wie „Dimension ihrer Identität“ einer Analyse zu unterziehen. Mir reicht der Hinweis, dass man politische Parteien nicht als esoterische Sinnstiftungsinstanzen behandeln sollte, damit keine falschen Erwartungen enttäuscht werden. Beleites müsste mittels der genannten Grundsatzdokumente erst einmal nachweisen, dass die GRÜNEN mal 'rechter' oder 'weniger links' waren als heute – ich halte das für unmöglich, aber seine Behauptung ist auch nur Teil einer größeren These: „Alle etablierten Parteien haben sich links der Mitte positioniert.“ Diese „Mitte“ wird nicht näher beschrieben, Belege für den angeblichen Linksruck fehlen. Es ist wohl doch mehr ein Gefühl, was Beleites beschreibt. Vielleicht ist es auch Ausdruck seines Geschichts- und Gesellschaftsbildes. Die Frage ist, ob man die „Mitte“ ahistorisch als etwas Unverrückbares deuten kann. Was 1950 „Mitte“ war, dürfte 2015 kaum mehr als auf der Höhe der Zeit gelten. Wenn man gesellschaftspolitische Fragen wie Frauenrechte oder die Rechte von Lesben und Schwulen heranzieht, wird man den gesellschaftlichen Mainstream als nach links (gegenüber früher) gerückt bezeichnen können – wenn politische Parteien diese Entwicklung nachvollziehen, rücken sie also gerade nicht von der Mitte ab, denn es ist die Mitte, die sich weiterentwickelt und bewegt. Wo Beleites einen wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Linkstrend unter den Parteien erkennen könnte, ist nicht ersichtlich. Überhaupt ist seine These der Linkspositionierung der „etablierten Parteien“ schwer nachvollziehbar. Wenn man darunter die im Bundestag vertretenen Parteien versteht, dann ist bei SPD und LINKE ja schon mal eh' klar, dass sie sich als links von der Mitte verorten. Dass die GRÜNEN mal rechts der Mitte angesiedelt gewesen seien, bliebe eine unbewiesene (und unbeweisbare) These. Der vermeintliche Linksruck der CDU ist aber nach meinem Dafürhalten eine Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung. Das mag hartgesottenen Konservativen ja stinken, aber der Konservatismus hat generell das Problem, nichts Starres sein zu können, auch wenn das vielen Konservativen wahrscheinlich lieber wäre. Ein Konservativer aus dem Jahr 1800 – also jemand, der die Monarchie befürwortet (nach Möglichkeit ohne die Einhegung königlicher Macht durch eine Verfassung), Pressefreiheit kritisch sieht, nicht im Traum Frauen gleiche Rechte einräumen und Juden ganz selbstverständlich als Staatsbürger zweiter Klasse betrachten würde – würde heute auch ganz ohne das Betreiben 2 politischer Parteien als gesellschaftlicher Außenseiter betrachtet werden, aber nicht als zeitgenössischer Konservativer. Ich will nicht jede Unsäglichkeit des besagten Vorwortes ansprechen. Wer schon in den ersten Zeilen von der Presse als einer „gleichgeschalteten“ Presse spricht (S. 11), beweist eine Geschichtsvergessenheit, über die man sich länger auslassen könnte – mir reicht die Feststellung, dass so tendenziell der Nationalsozialismus verharmlost wird. Beleites käut wieder, was man so auch in der „Jungen Freiheit“ andauernd lesen kann: Das Märchen von der Unterdrückung von mindestens der „Hälfte der Bevölkerung“. Ganz besonders empört es Beleites anscheinend, dass „jeder, der die biologische Tatsache der geographischen Rassevielfalt des Menschen als ein bewahrungswürdiges Erbe“ betrachte, „reflexhaft“ als Rassist „gebrandmarkt“ werde. Möglicherweise eine 'Erfahrung', die der Autor schon gemacht hat, denn mit entsprechenden Äußerungen hat er sich bereits hervorgetan wie auch mit der Rede von der „parasitären Finanzwirtschaft“ – Beleites kritisiert, dass es unwidersprochen geblieben sei, wenn Kritiker dieser „parasitären Finanzwirtschaft“ als „Faschisten“ diffamiert worden seien, „weil bei den Nazis auch solche Positionen vertreten wurden“ (S. 14). Dass bereits die Nazis Positionen, die er selbst vertritt, vertreten haben, scheint für Beleites also kein Grund zu sein, sie zu hinterfragen – nein, er dreht die Sache: Nur weil die Nazis etwas vertreten haben, muss das für ihn anscheinend noch lange kein Grund sein, es für falsch zu halten. Die Rede vom Parasitentum gebraucht Beleites bereits in einem etwas älteren Text mit dem Titel „Wir haben gelernt“, der im Internet leicht zu finden ist. 2 Dort heißt es: „Wir haben gelernt, dass Eigentum und Verantwortung zusammen gehören, aber leistungslose Einkommen und Spekulationsgeschäfte ein strukturelles Parasitentum sind, das das Funktionieren der Gesellschaft als Gesamtorganismus untergräbt.“ Welche Menschen Beleites als Parasiten betrachtet, lässt er freilich offen. Die Nazis, die zwischen „schaffenden“ und „raffenden“ Kapital unterschieden bzw. „Asoziale“ verfolgten, waren in ihren Feindbildern eindeutig; Beleites irritiert lediglich. Entscheidend ist der Blick auf Gesellschaft als „Gesamtorganismus“. Zu den Erkenntnissen, des soeben zitierten Texts zählt die vermeintliche Einsicht, „dass eine gesunde Gesellschaft wie ein Organismus funktioniert, wo die verschiedenen Organe sich gegenseitig dienen und das Ganze zusammenhalten“. Mit der Parabel vom Magen und den Gliedern soll schon Agrippa Menenius 2 Unter anderem hier: http://www.dresden-im-wandel.de/themen/michael-beleites. Man beachte den Kontext, in dem der Text entstanden ist! 3 Lanatus die Plebejer überzeugt haben, sich mit ihrer Rolle zu bescheiden. 3 Das war schon damals Propaganda. Heute ist es einfach nur antimodern, freie Menschen zu Teilen von „Organen“ erklären zu wollen, aber Beleites verbreitet die Lehre („Wir haben gelernt“), „dass eine gesunde Gesellschaft wie ein Organismus funktioniert, wo die verschiedenen Organe sich gegenseitig dienen und das Ganze zusammenhalten“. Formulierungen wie „dass Sozialpolitik nicht darin bestehen darf, eine aus den produktiven Prozessen herausgehaltene bzw. ausgestoßene Mehrheit mit Billigprodukten und Billigunterhaltung stillzuhalten, sondern nur eine vollstandige Integration in sinnvolle und verantwortbare Arbeit die Gesellschaft gesundet“, sind gefährlich, weil das Konstrukt einer „gesunden“ Gesellschaft im Kern totalitär ist. Wer „Gesundheit“ definiert, will auch bestimmen, was „krank“ ist. Mit solchen nicht-gesellschaftlichen Kategorien wird der Gesellschaft bzw. den sie bildenden Menschen intellektuell Gewalt angetan. Michael Beleites verpasst auch in seinem Pegida-Vorwort nicht die Gelegenheit, seine Wertschätzung der bäuerlichen Landwirtschaft zum Ausdruck zu bringen. Ich selbst habe die Veröffentlichung seiner Broschüre „Leitbild Schweiz oder Kasachstan“ 4 begleitet und schon damals Beleites' offenbar romantische Vorstellung vom Bauer auf seiner Scholle bedenklich gefunden. Alles Elend der Agrargeschichte schien Beleites auf die Kommunisten und die ihnen folgende Agrarindustrie zurückzuführen. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass Beleites' Verklärung des Bauerntums und die Geringschätzung des Stadtlebens lediglich ein antimoderner Affekt ist. Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass mit einer solchen Haltung den ländlichen Räumen gedient sei. Zurück zur „Rassenvielfalt“, die Beleites dem Menschen zuschreibt: Der Autor hat ein Buch mit dem Titel „Umweltresonanz“ vorgelegt.5 Dazu lassen sich im Internet Thesen unter dem Titel „Die Wettbewerbs-Logik dort überwinden, wo sie herkommt – in der Biologie“ (im Buch: S. 11-13) finden.6 Daraus kann man schließen, ohne das Buch in näheren Augenschein zu nehmen, dass Beleites den Darwinsmus ablehnt. Den Begriff der „Rasse“ verbindet er nicht mit der Abwertung von Menschengruppen – Zitat: „Wenn man die Selektionslehre von der 'Erhaltung der begünstigten 3 4 5 6 Nach Livius, Ab urbe condita 2, 32, 9: http://www.thelatinlibrary.com/livy/liv.2.shtml#32. Michael Beleites, Leitbild Schweiz oder Kasachstan. Zur Entwicklung der ländlichen Räume in Sachsen – eine Denkschrift zur Agrarpolitik [Hrsg. von Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen und der AbL Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft e.V.], AbL Bauernblatt Verlags GmbH 2012. Ich selbst hatte als Vorstandsmitglied des mitherausgebenden Weiterdenken e.V. damit zu tun. Ich denke allerdings nicht, dass in dieser Broschüre derartig problematische Passagen wie in den anderen hier zitierten Texten zu finden sind. Ders., Umweltresonanz. Grundzüge einer organismischen Biologie. Treuenbrietzen 2014. http://www.humane-wirtschaft.de/die-wettbewerbs-logik-dort-ueberwinden-wo-sie-herkommt-in-der-biologiemichael-beleites/ bzw. als PDF: http://www.humane-wirtschaft.de/2014_05/HW_2014_05_S07-09.pdf. 4 Rassen im Kampfe ums Dasein' (Darwin) insgesamt verwirft, dann lässt sich wieder über die biologische Tatsache geographischer Menschenrassen sprechen, ohne damit zugleich Merkmalsunterschiede im Sinne von Rassenkonkurrenz zu werten. Wer die Existenz der geographischen Rassenvielfalt beim Menschen bejaht und diese als ein kostbares Naturerbe betrachtet, kann auch etwas für bedrohte Rassen tun.“7 Mal abgesehen davon, dass unklar bleibt, welche „Rassen“ er für bedroht hält, wird hier schon klar, wie Beleites seine Rassentheorie legitimiert: Er lehnt ja die Selektionslehre (bzw. die „selektionistische Theorie eines Kampfes um's Dasein“, siehe „Umweltresonanz“, S. 532), also den Darwinismus ab, somit beinhaltet die Behauptung der „Rassenvielfalt“ keine Abwertung bestimmter „Menschenrassen“. Rassen beim Menschen hält Beleites für gegeben „im Sinne von geographischen Naturrassen“ (ebd.). Was das eigentlich bedeutet, soll gleich beleuchtet werden. Zuvor gestatte ich mir aber auch den Hinweis auf den bereits zitierten Titel der Thesen, dessen Grundgedanke in den Thesen wiederholt wird – die „Wettbewerbs-Logik“ stamme aus der Biologie; in einer These heißt es: „Das Wettbewerbsdenken der westlichen Welt, stützt sich auf die Selektionslehre.“8 Es ist ein merkwürdiger Gedanke, dass Darwin auch noch für die kapitalistische Wirtschaftsordnung verantwortlich sein soll, aber das Buch „Umweltresonanz“ durchzieht offenbar die Vorstellung, gesellschaftspolitische Forderungen aus der Biologie ableiten zu müssen (für mich scheinen weite Passagen von „Umweltresonanz“ überhaupt nichts mit Biologie zu tun zu haben). Egal, wie man zu einem solchen Biologismus oder Ansätzen der „Soziobiologie“ stehen mag – es wäre völlig abwegig, eine so begründete politische Praxis als eine den GRÜNEN „nahe“ zu beschreiben, nur weil die GRÜNEN eine ökologische Partei seien. Politisch kann uns Beleites gar nichts raten: Wollte man beispielsweise Wirtschaftspolitik auf biologischen Thesen aufbauen, würde man bald an Grenzen stoßen. Beleites kann das egal sein, denjenigen, die den sozial-ökologischen Umbau der Industriegesellschaft erreichen wollen, aber nicht. Fachleute mögen beurteilen, inwiefern das Konzept der „Rasse“ in der Anthropologie noch von wissenschaftlicher Bedeutung ist oder nicht. Beleites macht in seinem Vorwort zu „Umweltresonanz“ selbst deutlich, dass er sich keinem aktuellen wissenschaftlichen Konsens verpflichtet fühlt. Es wird nicht klar hergeleitet, warum das Konzept der „geographischen Menschenrassen“ ihm so wichtig ist, aber es wird deutlich, dass er Gesellschaften als 7 8 Ebd.: These 13. Ebd.: These 16. 5 „Populationen“ betrachtet, dass rassische Merkmale eine geographische Gebundenheit des Menschen begründen sollen. Dies geht einher mit dem Hohelied des sesshaften Bauern als Leitbild für unsere westliche Gesellschaft. Beleites hält „Jäger und Sammler“ bzw. „Ackerbauern und Viehzüchter“ nicht für historische Epochen, sondern für „'Öktypen' unserer Art“.9 Diese sollen nach seiner Vorstellung offenbar in ihren angestammten Räumen bleiben. Man kann es so zusammenfassen: Für Beleites sind die Angehörigen anderer „Rassen“ bzw. „Populationen“ nicht minderwertig, aber sie gehören für ihn auch nicht hierher: „Es ist offenbar eine durchaus menschliche Eigenschaft, daß Menschen einer 'Population', d. h. eines Volkes, meist das Bedürfnis haben, sowohl in ihrer angestammten Heimat, als auch unter ihresgleichen zu leben“ (PegidaVorwort, S. 17). So erklärt sich seine Sympathie für Pegida ohne weiteres. Man lese z. B. die folgende These (zu „Umweltresonanz“): „Seitdem sich in den 'zivilisierten' Industrieländern eine Mehrheit von den sozialökologischen Grundlagen der eigenen Kultur (Bauerntum und Sesshaftigkeit) ablöst, droht die genetische Divergenz der betreffenden Populationen in eine irreversible Degeneration umzuschlagen.“10 Wir wissen aus der Geschichte, wozu Menschen fähig sind, die Menschen oder Gesellschaften für „degeneriert“ halten. Mit seiner Verklärung einer Ackerbauern-Gesellschaft, die sich wie ein roter Faden durch Beleites' Denken bis hin zum Pegida-Vorwort zieht, hängt er einer rückwärtsgewandten Utopie an – wobei „rückwärtsgewandt“ nicht ganz sauber formuliert ist, denn der in der Vergangenheit angesiedelte Idealzustand ist auch nur ein imaginierter, ein Konstrukt. Man könnte auch von „reaktionärem“ Denken sprechen, allerdings will ich dem billigen Vorwurf entgehen, dass dies eine Diffamierung sei, und verwende den freundlicheren (weil unpräziseren) Begriff „rückwärtsgewandt“. Das gesellschaftspolitische Denken Beleites' ist anschlussfähig an rechte Theoreme wie die Vorstellungen, dass Menschen bestimmten Ständen zugeordnet werden müssen, dass sie ihre Würde nicht in sich selbst haben, sondern dass sie nur im Rahmen von Traditionen, Herkünften, Familien, Vaterländern, Ethnien, Identitäten usw. zu respektieren seien. Die Unterteilung der Menschen in immerhin gleichwertige „Rassen“ und „Populationen“ klingt ähnlich harmlos wie das neurechte Konzept des „Ethnopluralismus“, das die Vielfalt, aber eben auch die Geschiedenheit der Völker betont. Der Mensch als Migrant/in wird in diesem Denken als Störfaktor wahrgenommen. Die Anschlussfähigkeit an die neue Rechte mag auch erklären, dass das Buch „Umweltresonanz“ in einem rechten Verlag erschienen ist (wer mag, kann ja mal im Internet recherchieren, was für 9 Ebd.: These 14. 10 Ebd.: These 15. 6 Autoren im Telesma-Verlag veröffentlicht werden; ich habe im übrigen auch nicht geprüft, welche fragwürdigen Referenzen Beleites in seinem Buch aufführt – mir ist nur der Name Reinhard Falter 11 aufgefallen). Hat Michael Beleites sich bewusst in diese Gesellschaft begeben? Ich fürchte, ja. Im Vorwort zum Pegida-Buch (S. 18) schreibt Beleites, dass „wir endlich aufhören (sollten), von einem vollendet globalisierten Einheitsmenschen zu träumen“. Mal abgesehen davon, dass nicht klar ist, wer davon jemals geträumt hat, ist der Begriff „Einheitsmensch“ völlig eindeutig. Diese Vokabel (das kann man mittels Gebrauchs einer Suchmaschine schnell überprüfen), ist Bestandteil rechter Verschwörungstheorien. Abgesehen von diesem Begriff als Bestandteil der Theorie, dass die Geschlechter abgeschafft zu werden drohen (mit dieser Theorie soll das Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit bekämpft werden), wird damit das angebliche Bemühen des internationalen Großkapitals (mitunter wird auch von „Plutokratien“ gesprochen) und seiner linken Helfershelfer um die Schaffung eines leicht zu beherrschenden, auszubeutenden und mit steuerbaren Konsumbedürfnissen ausgestatteten identitätslosen Wesen gekennzeichnet. Das Feindbild des völkischen Antikapitalismus ist „die Ostküste“. Es stimmt deshalb bedenklich, dass Beleites im Zusammenhang mit der Formulierung „Einheitsmensch“ darauf verweist, dass Teile von Pegida eher in der Amerikanisierung als in der Islamisierung eine Bedrohung sehen. Mit Begrifflichkeiten wie dem „Einheitsmenschen“ wird durch die extreme Rechte jede politische Position diffamiert, die die Gleichheit der Rechte aller Menschen und die Universalität der Menschenrechte beinhaltet. Wer vom „Einheitsmenschen“ schreibt, darf sich also nicht beschweren, wenn man ihn in der rechten Ecke vermutet. Rechtes Denken betont die Schicksalhaftigkeit unseres Daseins. Der Mensch soll in rechter Sicht sein Schicksal akzeptieren und in ihm aufgehen – damit ist die Bindung an Rasse, Nation und Geschlecht gemeint, inklusive der angeblich untrennbar damit verbundenen traditionellen „Rollen“ und der Forderung, jede/r solle bleiben, wo sie/er ist. Den Rechten steht die „Identität“ immer über dem Individuum – und das scheint Beleites mit ihnen gemein zu haben. Freiheit beschreibt er als eine Freiheit, „sein Leben in ein sinnvolles Ganzes hineinzustellen“ („Umweltresonanz“, S. 593). Zu meinen, dass man Freiheit seiner Mitmenschen so definieren könne, dass darin nur die Erfüllung eines Sinns verstanden werden könne, den man für sie schon mal bestimmt hat, zeugt von einer zutiefst antiindividualistischen und antiliberalen Haltung. Eine so bestimmte „Freiheit“ ist in 11 Zu diesem Autor: http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Falter. 7 Wahrheit keine! Ich zitiere noch einmal aus „Umweltresonanz“ (ebd.): „Freiheit ist nicht Freiheit von allem, nicht Beliebigkeit und Orientierungslosigkeit, sondern die Freiheit zu einem Leben in Einklang mit den eigenen Intentionen. Diese Intentionen sind uns nicht 'eigen', weil wir sie uns ausgedacht oder selbst erfunden haben, sondern weil sie zu uns gehören, uns gegeben sind – wie auch unser Körper nicht unser eigenes Werk ist.“ Dass Freiheit bedeuten soll, den Gegebenheiten zu entsprechen, kann keine GRÜNE Freiheitsvorstellung sein. Was diese Erwägungen mit Biologie zu tun haben sollen, bleibt übrigens auch schleierhaft, aber es geht Beleites wie vielen rechten Denkern wohl vor allem darum, seinen Determinismus zu betonen. Wie sehr unterscheidet er sich damit vom GRÜNEN Denken! Ich beschränke mich auf ein Zitat aus der Präambel zu unserem Grundsatzprogramm von 2002 (S. 11), um dies zu illustrieren: „Freiheit ist die Chance zur Emanzipation und Selbstbestimmung über soziale und ethnische Grenzen oder Unterschiede der Geschlechter hinweg. Dazu müssen sich die Menschen in frei gewählten Zusammenschlüssen engagieren können. Das gilt gerade auch für Minderheiten. Verantwortung für die Zukunft kann nur durch selbstbestimmte Individuen gewährleistet werden.“ Beleites' Denken ist außerdem mit GRÜNEN Vorstellungen zur Einwanderungsgesellschaft und multikulturellen Demokratie, wie sie in den programmatischen Texten beschrieben sind, absolut inkompatibel. Wenn man aber Freiheit so definiert, dass sie mit Selbstbestimmung nichts mehr zu tun hat, kommt man wohl zwangsläufig zu politischen Erwägungen, die in der folgenden Frage münden, die an dieser Stelle als letztes Zitat aus Beleites' „Umweltresonanz“ (S. 598) angeführt werden soll: „Warum sollte es nicht auch freiheitliche Alternativen zur Demokratie geben?“ An der Suche nach solchen „Alternativen“ dürften sich überzeugte Demokratinnen und Demokraten kaum beteiligen können. Ich habe mich bemüht, deutlich zu machen, dass Michael Beleites gesellschaftspolitische Positionen bezieht, die insbesondere mit GRÜNER Programmatik, die den Menschen als selbstbestimmtes Wesen in den Mittelpunkt stellt, nicht vereinbar sind (ich schließe nicht aus, dass auch viele Liberale, Linke, soziale und christliche Demokratinnen und Demokraten diese Positionen für inakzeptabel halten müssten). Nicht mehr und nicht weniger. Dass ich Michael Beleites mittlerweile durchaus für einen Rechten halte, hat nichts mit Diffamierung zu tun, es ist keine Respektlosigkeit, sondern Teil des Ernstnehmens. Ich finde sogar, dass er das Recht dazu hat, rechts zu sein; ich kann Pluralismus auch so weit durchaus noch aushalten (dass ich in einem Land, das von solchen Leuten regiert würde, nicht leben wollte, steht auf einem anderen Blatt). Man muss aber auch selbst in der 8 Lage sein, einen Trennstrich zu ziehen, wenn es nötig wird, und deshalb kann die Wertschätzung, die auf Beleites' Engagement zu DDR-Zeiten und als Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen sowie auf der Anerkennung für seine ökologischen und landwirtschaftlichen Kompetenzen beruht, die vorhandenen Differenzen nicht überlagern. Manche Gedankengänge wie z. B. die wachstumskritischen mögen dem nahekommen, was auch manche (nicht alle) Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN denken. Die Utopie Beleites' mag von ernsthaften ökologischen Erwägungen getragen sein, sie basiert aber auf inakzeptablen Grundlagen im Menschenbild und steht den gesellschaftspolitischen Zielen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN genauso entgegen wie beispielsweise andere Vorstellungen wie die einer Ökodiktatur oder Ähnliches. Beleites' Überlegungen wären ausschließlich für ökologische Gruppierungen interessant, die dezidiert antiliberal, antilinks und radikal konservativ sind – solche Gruppierungen gibt es ja bereits. Dass sie klein und politisch nahezu bedeutungslos sind, hat Gründe und ist auch gut so. Achim Wesjohann 9
© Copyright 2024 ExpyDoc