Hubert Wolf, Die Nonnen von Sant'Ambrogio. Eine wahre Geschichte. München 2013, Verlag C. H. Beck Dieses neue Werk über P. Joseph Kleutgen SJ ist nicht nur ein schockierendes Sittengemälde des Vatikans um das Jahr 1850 n. Chr., sondern auch eine wertvolle fachtheologische Quelle. J. Kleutgen war demnach nämlich nicht nur ein heuchlerischer katholischer Priester, sondern hat auch cum ira et studio einen theologischen Gegner vernichtet. Auf Grund seiner theologischen Gutachten sind die Werke des Wiener Religionsphilosophen Anton Günther (1783-1863) am 8.1.1857 auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt worden, Verurteilung seiner gesamten Lehre selbstverständlich inklusive (am 15.6.1857). Kleutgen verwendete als Maßstab nur die „Theologie und Philosophie der Vorzeit“ sowie die herrschende Meinung römischer Theologen. Die Texte Günthers und andere wichtige Quellen hatte er nur oberflächlich gelesen oder zitierte sie aus Sekundärliteratur. Verstehen konnte er mit seinem juristisch-dogmatistischen Denken das berechtigte Anliegen Günthers, den Kampf gegen Pantheismus und Hegelsche Philosophie, jedoch überhaupt nicht. „Suus cuique Isaac“, das Leitmotiv aus Günthers Noviziatszeit, wurde so durch seine Verurteilung wieder bittere Wirklichkeit. Die Theologie Kleutgens mit ihren hohen Idealen erweist sich angesichts seiner hier dokumentierten Schandtaten als eine absurde Lachnummer. Leben und theologischer Anspruch stehen in kontradiktorischem Gegensatz zueinander, wie es freilich nicht selten bei christlichen Amtsträgern/innen der Fall ist. Nicht nur der Reformator Martin Luther hat darauf hingewiesen ... Aktuell und brisant ist dieses Buch über Kleutgen auch deshalb, weil es die psychischen Mechanismen einer „Wiederkehr des Verdrängten“ deutlich macht. Bram Stoker hat diesen „return of the repressed“ in seinem „Dracula“ als blutigen Vampir-Horror beschrieben. Und in ähnlicher Weise wie bei Kleutgen, wider besseres Wissen und mit neuscholastischer Definitionsmacht, erfolgen heute immer noch Verurteilungen von nicht systemkonformen theologischen Meinungen durch lehramtliche Gremien, z. B. in Bezug auf Soziallehre, Antisemitismuskritik oder moraltheologische Fragen. Auch insofern hat das vorliegende Werk eine hohe fachwissenschaftliche Aktualität. N. N.
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