IV–Stelle Kanton Bern

IV-Stelle Kanton Bern
Wir eröffnen Menschen Chancen
25.08.2015 Psychische Gesundheit und
Herausforderungen in der Sozialen Sicherheit
Gliederung des Referates
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Die IV-Stelle Kanton Bern
Die IV – ein Sanierungsfall
Unklare Schmerzen ohne organische Ursache
Besonderheiten, Stolpersteine…und Lösungsansätze
Ausblick
Fazit
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07.09.2015
Die IV-Stelle Kanton Bern
…Kurzvorstellung…
Kurzporträt
 Selbständige öffentlich
rechtliche Anstalt
 421 Mitarbeitende
 Hauptsitz:
Scheibenstrasse 70, Bern
 Zweigstellen in Biel,
Burgdorf und Thun
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07.09.2015
Die wichtigsten Zahlen 2014
Umschulungen
2 735
1 908
Integriert in den
1. Arbeitsmarkt
2 014
2 138
5
Erstmalige berufliche
Ausbildungen
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Neu zugesprochene
Renten
07.09.2015
Die IV – ein Sanierungsfall
Untersuchungsgrundsatz
 Objektive Abklärung des Sachverhaltes
 Soll gespart werden, muss die Politik das Gesetz so
ändern, dass bei seiner korrekten Anwendung weniger
Geld ausgegeben wird
 Bezahlung geschuldeter Leistungen ist gleich wichtig,
wie die Abwehr unbegründeter Ansprüche
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Ausgangslage
 Schulden im Umfang von CHF 15 Milliarden
 Jährliches Defizit von CHF 1 Milliarde
 2005 waren es gar CHF 1,7 Milliarden
 Sanierung in 3 Schritten
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Schritt 1: Ausgabenwachstum bremsen
 Mit der 5. IV-Revision
wurde die Eingliederung
massiv gestärkt
 Es wurden neue
Instrumente geschaffen,
welche die Erfolgsaussichten für eine
nachhaltige Eingliederung
erhöhen
 Besonderes Augenmerk
wurde auf einen
frühzeitigen Kontakt mit
der IV gelegt
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Schritt 2: Befristete Zusatzfinanzierung
 Erhöhung der Mehrwertsteuer
2011 bis 2017
 Zeitgewinn um eine nachhaltige Sanierung zu
ermöglichen
 Jahresrechnungen 2012 und 2013 schlossen mit einem
Einnahmenüberschuss von je rund CHF 500 Millionen
ab
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Schritt 3: Ausgaben senken (6. Revision)
 Mit „Eingliederung aus Rente“ sollen weitere
Einsparungen gemacht werden
 In Kraft seit 01.01.2012
 Die vom Bundesrat geplante 2. Etappe mit einem
stufenlosen Rentensystem und einer Schuldenbremse
scheiterte im Parlament
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Entwicklung der Neurenten in der Schweiz
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Entwicklung des Rentenbestandes in der
Schweiz
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Entwicklung der Neurenten nach Alter
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Kanton Bern: Reduktion des Rentenbestands
 Anzahl Renten: seit 2003
rückläufig (27‘700)
 23‘600 Renten im Jahr
2013
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Kanton Bern: Rentenzusprachen
Zusprachen und Ablehnungen
Anteil Zusprachen in Prozent
Zusprachen
Ablehnungen
3523
3381
3520
36.60%
3431
36.30%
35.90%
1902
1896
2005
1961
35.05%
2010
16
2011
2012
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2013
2010
2011
2012
2013
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Die Herausforderungen
Arbeitgebende
finden, die
bereit sind,
Menschen mit
gesundheitlichen
Einschränkungen
eine Chance zu
geben
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Menschen mit
gesundheitlichen
Einschränkungen
ein- und
wiedereinzugliedern
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Unklare Schmerzen ohne organische Ursache
…Stichwort: PÄUSBONOG…
PÄUSBONOG
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P athogenetisch Lehre von der Krankheitsentwicklung
Ä tiologisch
Lehre von der Krankheitsursache
U nklare
unklar für wen?
S yndromale
bestehend aus mehreren Symptomen
B eschwerdebilder
O hne
N achweisbare mit welchen Methoden nachweisbar?
O rganische
Abgrenzung «somatisch» vs. «psychisch»
G rundlage
* Folie: Dr. med. Jörg Jeger, Sozialversicherungsrechtstagung 2015
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PÄUSBONOG
 anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.-)
BGE 130 V 352
 Fibromyalgie (ICD-10: M79.0)
BGE 132 V 65
 Neurasthenie (ICD-10: F48.0) / CFS (ICD-10: G93.3)
Urteil I 77/07
 dissoziative Sensibilitätsstörung (ICD-10: F44.6)
Urteil I 9/07
 dissoziative Bewegungsstörung (ICD-10: F44.4)
Urteil 9C_903/2007
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Rechtliches Konstrukt
 Grundvermutung (seit 2004):
Kein Gesundheitsschaden mit Invalidität
(nicht versicherter Gesundheitsschaden)
 Ausnahme: Willentliche Überwindung unzumutbar
 Die Prüfung muss anhand vorgegebener Kriterien
(Försterkriterien) erfolgen
 Keine medizinische Frage, sondern rechtliche
Würdigung verschiedener medizinischer Aspekte
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Neue Rechtsprechung (U 9C_492/2014 vom
3. Juni 2015)
 Bundesgericht ändert seine Praxis bei somatoformen
Schmerzstörungen und vergleichbaren
psychosomatischen Leiden
 Bisherige Annahme, dass diese Leiden mit zumutbarer
Willensanstrengung überwindbar sind, wird aufgegeben
 Neu: Strukturiertes Beweisverfahren das tatsächliche
Leistungsvermögen betroffener Personen ergebnisoffen
und einzelfallgerecht zu bewerten (E 4 des Urteils)
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Strukturiertes Beweisverfahren
(IV-Rundschreiben Nr. 334 v. 7. Juli 2015)
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Besonderheiten, Stolpersteine
…und Lösungsansätze
1. Untersuchungsgrundsatz
 Artikel 43 ATSG
 Versicherungsträger prüft die Begehren neutral und
objektiv
 nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen
vor
 und holt die erforderlichen Auskünfte ein
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2. Zusammenarbeit Medizin und Recht
Arzt
Gutachten
Gutachten
Erwerbsfähigkeit
Jurist
RAD
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2.1 Aufgabe des behandelnden Arztes
 Erheben des Befundes
 Beurteilen des Gesundheitszustands
 Stellung nehmen zu Arbeitsunfähigkeit und
«Verweistätigkeiten»
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2.2 Aufgabe RAD / medizinisches Gutachten
 Zeichnet ein Bild von der versicherten Person
 Schlägt in der Beurteilung den Bogen zu den erhobenen
Befunden und gestellten Diagnosen
 Legt im Einzelnen dar, ob, inwiefern, inwieweit die
festgestellten Gesundheitsschädigungen die Fähigkeiten
der versicherten Person beeinträchtigen, für sie in
Betracht fallende zumutbare Tätigkeiten ganz oder
teilweise auszuüben
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2.3 Aufgabe der «Rechtsanwendenden»
 Würdigen der ärztlichen Angaben
 Entscheiden über Beweiskraft und die Notwendigkeit
allfälliger weiterer Abklärungen
 Gestützt auf die festgestellten gesundheitlich bedingten
Beeinträchtigungen den Grad der Erwerbsunfähigkeit
und der Invalidität festlegen
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3. Begriff Erwerbsunfähigkeit Art. 7 ATSG
 Es werden ausschliesslich Folgen gesundheitlicher
Beeinträchtigungen berücksichtigt
 Erwerbsunfähigkeit liegt nur vor, wenn die
gesundheitlichen Einschränkungen aus objektiver Sicht
nicht überwindbar sind
 Sie muss mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit bewiesen sein
 Bei Beweislosigkeit besteht kein Anspruch
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4. Mitwirkungspflicht und ihre Grenzen
 Die «Schwester» des Untersuchungsgrundsatzes
 Ärztliche und fachliche Untersuchungen, die für die
Beurteilung notwendig und «zumutbar» sind
 Konsequenzen hat eine Verletzung der
Mitwirkungspflicht nur, wenn sie in «unentschuldbarer»
Weise erfolgt
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5. Schadenminderungspflicht
 «Nicht-Wollen-Können» oder «Nicht-Können-Wollen»
 Weitreichende Verpflichtung für medizinische und
berufliche Massnahmen
 Als zumutbar gilt jede Massnahme, die der
Eingliederung dient
 Ausnahme: dem Gesundheitszustand nicht angemessen
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6. Ausgeglichener Arbeitsmarkt
 Konsequenz des Kausalitätsprinzips, welches die
Sozialversicherung in der Schweiz prägt
 Artikel 7 ATSG
 Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht
fallenden «ausgeglichenen Arbeitsmarkt»
 Abgrenzung zu Arbeitslosenversicherung
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7. Lösungsansatz
 Die Zeiten, in denen die Unternehmen ihre
«angeschlagenen» Mitarbeitenden behalten und
mittragen, sind mit wenigen Ausnahmen (schon länger)
vorbei…
 …deshalb: Hürden und Risiko für Unternehmen und
Arbeitgebende senken…
 …Arbeitsversuch ist ein gutes Instrument dazu (Art 18a
IVG)
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7.1 Positives Beispiel einer Arbeitgeberin
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7.2.1 Positives Beispiel einer versicherten Person
 Junge Frau, 19 Jahre
 Sonderschulmassnahmen
 Zusprache einer EbA: Praktische Ausbildung nach
INSOS
 Zusprache eines Praktikums zur Referenzerarbeitung
 Zusprache eines Coachings zur Stellensuche
 Wichtig: Die Versicherte ist gewillt und motiviert
 Gesundheitsbeeinträchtigung:
Intelligenzminderung
psychisch angeschlagen
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7.2.2 Positives Beispiel einer versicherten Person
 Perspektive: Die Versicherte absolvierte im
Gastgewerbe während 3 Mte. einen Arbeitsversuch
 Die Versicherte wurde daraufhin unbefristet angestellt
(erster Arbeitsmarkt)
 Wehrmutstropfen: Eingliederung ist nicht rentenwirksam
(= ganze Rente)
 Widerspruch zum Grundsatz «Eingliederung vor Rente»
 Massnahme: Erwerbsorientierte Rentenrevision (nach
Art. 8a IVG) für junge Erwachsene (EOR-JEF)
 Ziel: Förderung der jungen Erwachsenen um sie
rentenwirksam im 1. Arbeitsmarkt einzugliedern
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Ausblick
Weiterentwicklung IV – Lancierung eines neuen
Reformprojekts
Motion von CVP-Ständerat Urs Schwaller (13.3990)
«Eine nachhaltige Sanierung der Invalidenversicherung ist
dringend notwendig» (Überweisung an den BR am
16.09.2014):
 1. Schulden des IV-Fonds beim AHV-Fonds bis 2028
abgetragen
 2. Gemeinsame Gesetzesgrundlage für alle
Versicherungen für die Betrugsbekämpfung
 3. Massnahmen zur verstärkten Eingliederung und zum
Verbleib im Arbeitsmarkt zu intensivieren und
insbesondere auch auf Menschen mit psychischen
Behinderungen auszurichten
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Weiterentwicklung IV – Lancierung eines neuen
Reformprojekts
Motion der nationalrätlichen Kommission für soziale
Sicherheit und Gesundheit (14.3661) «Massnahmen zur
Früherfassung gemeinsam entwickeln» (vom Nationalrat
angenommen im Ständerat noch pendent):
 Fordert Massnahmen zur Früherfassung von
Krankheitsfällen Erwerbstätiger und deren Rückkehr in
den Arbeitsprozess
 Die IV-Stellen sollen dazu besser ausgerüstet werden
und die anderen relevanten Akteure – Arbeitgeber und
med. Leistungserbringer – verknüpfen und frühzeitig an
den Tisch bringen
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Ziele des Reformprojekts
 Zielgruppe 1, Kinder:
 Aktualisierung der Liste der Geburtsgebrechen (GG)
 Anpassung der im Falle von GG gewährten IVLeistungen unter Berücksichtigung der in der KV
geltenden Kriterien
 Verstärkte Steuerung der medizinischen Massnahmen
und Verbesserung des Case Managements
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Ziele des Reformprojekts
 Zielgruppe 2, Kinder, Jugendliche und junge
Erwachsene mit psychischen Beeinträchtigungen:
 Benötigte Unterstützung während der Schulzeit und
der erstmaligen beruflichen Ausbildung
 Gewährleistung der Gleichbehandlung bei der
Ausrichtung der Taggelder
 Längere Gewährung der med. Eingliederungsmassnahmen der IV
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Ziele des Reformprojekts
 Zielgruppe 3, Versicherte mit psychischen
Beeinträchtigungen:
 Auf individuellen Bedürfnisse abgestimmte Beratung
und Langzeitbetreuung
 Lockerung der Voraussetzungen für die Gewährung
von Eingliederungsmassnahmen
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Fazit
 Die im IV-Weiterentwicklungspaket vorhandenen Ideen
und Vorstösse sind der Anfang für eine Optimierung
(aber mehr nicht…)
 Eingliederung vor Rente soll konsequent weiterverfolgt
werden
 Dazu benötigen wir eine leistungsfähige Wirtschaft die
mitzieht
 Die Medizin sollte bei der Definierung einer allfälligen
Invalidität wieder einen höheren Stellenwert erhalten
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Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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