Ausstellungstafeln 29 + 30

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Samsun
„Jetzt habe ich leider keine Kontakte mehr zu Deutschen“
Das Leben von Herrn Denizel
Ich bin aus Samsun, vom östlichen Schwarzen Meer.
Im Juni 1970 bin ich nach Deutschland gekommen, um
hier zu arbeiten. Ich bin mit mehreren Freunden mit
dem Zug zuerst in München angekommen, dann bin
ich nach Wilhelmshaven weitergefahren. Ich bin alleine
nach Deutschland gekommen. Damals war ich 28 Jahre
alt und jetzt bin ich 69 Jahre alt und Rentner.
Vor meiner Ausreise habe ich in der Türkei in Istanbul
gelebt und dort habe ich in einer Textilfabrik als einfacher Arbeitnehmer gearbeitet.
Ich hatte in Wilhelmshaven meinen ersten Arbeitsplatz
in einer Nähgarnfabrik namens KSV gehabt.
Ich habe damals in Wilhelmshaven in einem Wohnheim
gelebt, das der Fabrik gehörte und in dem ledige Personen aus unterschiedlichen Ländern untergebracht waren. In einem kleinen Zimmer war ich mit drei Personen
untergebracht. Im ganzen Wohnheim waren bis zu 60
Personen. Wir mussten das Bad und WC teilen.
Als ich nach Deutschland kam, konnte ich kein Deutsch,
ich habe in Wilhelmshaven allein für mich Deutsch gelernt. Es gab keinen Deutschkurs.
Damals wurde ich in Wilhelmshaven von meinem Arbeitgeber schlecht bezahlt. Ich hatte nicht den gleichen
Lohn wie meine deutschen Arbeitskollegen. Ich habe
ca. 400 DM monatlich verdient und ich musste davon
dem Fabrikbesitzer jeden Monat 50 DM für die Wohnheimmiete zurückgeben.
Wir hatten damals zu den Deutschen sehr gute Kontakte. Sie waren fast alle nett zu uns. Ich habe mich fast
heimisch gefühlt. Jetzt habe ich leider keine Kontakte
mehr zu Deutschen. Damals hatte ich vor allem am Arbeitsplatz Kontakt zu den Deutschen. Auch jetzt würde
ich sehr gerne mit Deutschen zusammenkommen und
etwas gemeinsam machen.
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Im Jahre 1972 wollte ich in den Sommermonaten zum
Urlaub in die Türkei fahren. Ich hatte meinen Meister
um Urlaub gebeten. Er war ein Idiot. Er hat gesagt:
„Ich gebe dir keinen Urlaub. Wenn du willst, kündige
doch. Dann kannst du für immer in der Türkei Urlaub
machen“. Dann habe ich gesagt: „Tschüss!“ Ich habe die
Arbeit einfach liegen lassen. Dann bin ich nach Hause
gegangen und habe meine Sachen gepackt und bin in
die Türkei gefahren. Ich war drei Monate in der Türkei,
da habe ich geheiratet und dann bin ich nach drei Monaten mit meiner Frau zusammen nach Deutschland
gekommen. In Bremen hatte ich Freunde, die bei der
Autofabrik Hanomag (später Mercedes) arbeiteten. Sie
haben mir geholfen, dort einen Arbeitsplatz zu bekommen. Bis zu meiner Rente im Jahre 2005 habe ich dort
gearbeitet.
Und jetzt habe ich eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und drei Kinder, die in Wilhelmshaven, Stuhr und
Bremen geboren sind und drei Enkelkinder, die auch in
Stuhr und Bremen geboren sind.
Mein Traum war es, dass ich zwei Jahre arbeite und mir
ein Haus in der Türkei kaufe und daheim zurückkehre.
Sie haben mir damals sogar angeboten, dass ich eine
unbefristete Aufenthaltserlaubnis bekommen kann.
Und da habe ich gesagt: „Ich möchte nicht, ich möchte
zurückkehren.“
Ich lebe im Jahr nur einige Monate in Deutschland bei
meinen Kindern und Enkelkindern in Bremen und in
Stuhr. Den Rest verbringe ich in Samsun in der Türkei.
Ich wünsche: Alle sollen in Deutschland friedlich zusammenleben und sie sollen in der Ausländerpolitik Türken
nicht diskriminieren.
Da ich Rentner bin, bin ich nur zu Hause; den ganzen
Tag lang gehe ich spazieren und laufe rum.