Erreichbarkeit in Städten – Das Fahrrad zum Favoriten machen

Fahrradkommunalkonferenz 2015
Kurzbericht der AG 2 „Erreichbarkeit in Städten – Das Fahrrad zum Favoriten
machen“
Referenten:
Gerhard Imhorst, Hansestadt Greifswald
Alexander Thewalt, Stadt Heidelberg
Moderation: Carsten Knoch, Stadt Mönchengladbach
Carsten Knoch wies einleitend auf die Aufgaben und damit die Bedeutung eines
Mobilitätsbeauftragten für kommunales Mobilitätsmanagement und die Förderung von
Nahmobilität hin. In der AG 2 wurde vorgestellt und diskutiert, welche Strategien und Projekte
die Erreichbarkeit einer Stadt mit dem Fahrrad verbessern können und welche Prozesse in
Stadtverwaltungen hierfür notwendig sind.
„Erreichbarkeit in Greifswald – das Fahrrad zum Favoriten machen“
Gerhard Imhorst, Abteilungsleiter Stadtentwicklung/Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt
Greifswald, stellte in seinem Vortrag die (Fahrrad-)Stadtstruktur sowie Beispiele aus der
Universitäts- und Hansestadt bezüglich der Erreichbarkeit vor. Dabei zog er drei Thesen
hinsichtlich
des
Zusammenwirkens
von
Stadt
und
Verkehrsplanung
heran:
a) Stadtstruktur und Stadtplanung sind entscheidende Faktoren für nachhaltige Mobilität und
Radverkehrsförderung,
b) gute Erreichbarkeit städtischer Ziele bestimmt die Verkehrsmittelwahl zu Gunsten des
Fahrrads,
c) Erreichbarkeit ist eine relative Größe der Verkehrsmittel untereinander (Reisezeit,
Wegattraktivität, Kosten).
Vorgestellt wurden zunächst zwei wesentliche Strukturelemente der Stadtentwicklung, die
zugleich Treiber der Radverkehrsförderung sind: die kurzen Wege in Greifswald und die
Fahrradachse durch die Stadt, die an den wichtigen innerstädtischen Zielen vorbeiführt. Die
Innenentwicklung ist Leitbild der Stadtplanung: Durch Parkraumbewirtschaftung und eine
Steuerung der Wohnbauflächenentwicklung soll die Nahmobilität planerisch gefördert werden.
Am Beispiel des Stadthauses am Markt verdeutlichte Imhorst, wie Vorteile der Erreichbarkeit für
Radfahrer und ÖPNV-Nutzer realisiert werden können. Beim Ausbau des alten Postgebäudes
zum heutigen Stadthaus wurden Fahrradstellplätze sowie eine neue Bushaltestelle geschaffen,
jedoch keine kostenfreien Pkw-Stellplätze für Beschäftigte oder Gäste.
Das Radroutennetz der Stadt ist insgesamt engmaschig und – bis auf wenige Ausnahmen –
vollständig. Das Netz endet jedoch häufig an der Stadtgrenze, sodass die
Radverkehrsverbindungen in das Umland zum Großteil nicht befahrbar sind oder gar gänzlich
fehlen. Eine dezidierte Radverkehrsförderung gibt es in Greifwald nicht. Jedoch existieren mit
der guten Zusammenarbeit der AG Verkehr und mit der Integration von Stadtentwicklung und
(Rad-)Verkehrsplanung in das Stadtplanungsamt gute Grundlagen. Das Thema
Verkehrssicherheit ist häufig ein Türöffner für die Umsetzung von Radverkehrsmaßnahmen.
Verbesserungspotenziale existieren insbesondere in der Öffentlichkeitsarbeit.
Stichpunktartige Ergebnisse der folgenden Diskussion:
-
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit sollten intensiver betrieben werden, um das
Thema Radverkehr strategisch in der Öffentlichkeit zu positionieren.
Stellplatzpflicht bei Bau bzw. Umbau von Gebäuden hinsichtlich der Steuerung
städtischen Verkehrs wird in betroffenen Ländern z. T. als hinderlich empfunden.
-
Innenstadtentwicklung fördert die Radverkehrsentwicklung, insbesondere in
schrumpfenden Städten.
Es ist häufig schwierig, entscheidungsbefugte Personen für die Mitarbeit in
Arbeitskreisen zu gewinnen.
„Das Fahrrad zum Favoriten machen – Entwicklungen aus Heidelberg“
Alexander Thewalt, Amt für Verkehrsmanagement der Stadt Heidelberg, stellte einführend das
Radwegenetz sowie Ergebnisse unterschiedlicher Erhebungen zur Fahrradnutzung in
Heidelberg vor. Wie viele andere Großstädte liegt Heidelberg hinsichtlich Besitz und (sicherer)
Nutzung des Fahrrads über dem deutschen Durchschnitt (vgl. Fahrradmonitor Deutschland
2011/Radmonitor Heidelberg 2015). Das Radwegenetz ist mit insgesamt 472 Kilometern gut
ausgebaut und mit einem Anteil von etwa 30 Prozent ist das Fahrrad innerstädtisch das am
häufigsten genutzte Verkehrsmittel. Eine Verlagerung des Kfz-Verkehrs auf eine
Umgehungsstraße, wie dies bspw. in Greifswald der Fall ist, ist u. a. aufgrund topografischer
Bedingungen nicht möglich.
Unter den Schlagworten Fahrfreiheit, Fahrkomfort sowie Verkehrsanbindungen stellte Thewalt
Beispiele vor, wie die Stadt Heidelberg den Radverkehr unter den genannten Bedingungen
fördert.
Zu mehr Freiheit und Platz für Rad- und Fußverkehr tragen z. B. der Ausbau des Radweges in
der Gneisenaustraße oder die Wegverbreiterung in der Liebermannstraße bei. Darüber hinaus
wurde im Lindenweg durch veränderte und reduzierte Kfz-Parkmöglichkeiten das
Gehwegparken unterbunden und mehr Platz für den Rad- und Fußverkehr geschaffen oder
durch die Anlage von Schutzstreifen (Bürgerbrücke und Sickingenstraße) die Sicherheit für
Radfahrer erhöht.
Der Fahrkomfort wird durch Deckensanierungen oder Markierungslösungen wie bspw.
Radstreifen mit Aufstellflächen oder Richtungspfeile auf Fahrradwegen erhöht. Weiterhin gibt es
einen Campus-Routen-Plan, der die Campus-Bereiche verbindet, ein Wegweisungssystem, das
regelmäßig durch ein externes Ingenieurbüro kontrolliert wird, sowie zahlreiche Stellplätze und
Bike+Ride-Anlagen. Darüber hinaus fördert Heidelberg die Fahrradmitnahme im ÖPNV, diese
ist werktags ab 9 Uhr kostenlos möglich, in Hanglagen auch vor 9 Uhr.
Bei der Verkehrsanbindung des neuen Stadtviertels Bahnstadt ist das Fahrrad das
Leitverkehrsmittel. Die Verbindung wird z. B. mittels Fußgänger- und Radfahrerbrücken und
einen Bahntrassenradweg realisiert. Allerdings kommt es hier auch zu Nutzungskonflikten
zwischen Fußgängern und Radfahrern, da die Wege mitunter zu schmal angelegt sind. Bei
weiteren Projekten soll daher auf ausreichende Flächen geachtet werden. Aktuell engagiert sich
Heidelberg im Rahmen des Projekts RadNETZ. In Kooperation mit dem Rhein-Neckar-Kreis ist
die Realisierung eines Radschnellweges Heidelberg – Mannheim – Ludwigshafen geplant.
Stichpunktartige Ergebnisse der folgenden Diskussion:
-
Bürgerbeteiligung ist wichtig, bedarf aber auch Strukturen und Personalkapazitäten für
die Realisierung und Bearbeitung (z. B. Planungsprozesse mit Bürgerbeteiligung oder
Meldeplattformen für Beschwerdeaufnahmen).
Menschen, die neu in eine Stadt kommen (Umbruchsituationen im Leben haben) direkt
abholen und an ggf. neue Mobilitätskultur heranführen – Stadt Heidelberg arbeitet z. B.
direkt mit Universität zusammen.
Stellplatzfestlegungen in Bebauungspläne integrieren, z. B. Car-Sharing-Parkplätze
einplanen.
Fahrradstellplatzpflicht in Landesbauordnungen aufnehmen (wie z.B. in Berlin oder
Baden-Württemberg).
Verwaltungen sollten Vorbildfunktion auch Leben, z. B. Vorhalten von Duschen für
radfahrende Beschäftigte
Rostock, 10. November 2015
Dokumentation: Anett Hübner (Difu)