Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit

Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit
Anpassungsdruck
Stand: März 2016
Ansprechpartner Bertelsmann Stiftung: Carsten Große Starmann und Petra Klug
Insgesamt sind diesem Typ 260 Kommunen zugeordnet
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Viele regionale Versorgungs- und Wirtschaftszentren
Starker Bevölkerungsrückgang
Abwanderung junger Menschen
Viele alte Menschen
Niedrige Kaufkraft und hohe Einkommensarmut
Prekäre Finanzsituation der Kommunen
Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Inhalt
1. Räumliche Einordnung
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2. Charakteristika
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3. Herausforderungen
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4. Potenziale
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5. Handlungsansätze und Empfehlungen
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6. Indikatorenerläuterung
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Informationen zur Typisierung:
Die Typisierung wurde von der „Faktor Familie GmbH“ auf der Grundlage des „Wegweiser Kommune“ berechnet: Datenstand ist das Berichtsjahr 2013, Gebietsstand der 1. Januar 2014.
Mithilfe einer Faktorenanalyse wurden in einem ersten Schritt charakteristische Ausprägungen ausgewählter sozioökonomischer und demographischer Indikatoren analysiert und zu Faktoren „soziodemographischer Status“ und „Urbanität/Wirtschaftsstandort“ aggregiert.
Im zweiten Schritt wurden mittels dieser Faktoren und einer Clusteranalyse über 2.900 Kommunen
mit mehr als 5.000 Einwohnern zu insgesamt neun Demographietypen zusammengefasst. Dabei
wurden Kommunen so zu Gruppen zusammengefasst, dass die Unterschiede zwischen den Kommunen eines Typs möglichst gering, die Unterschiede zwischen den Typen aber möglichst groß sind.
Die Analyse und Beschreibung der Handlungsansätze wurden vom Planungsbüro „STADTREGION.
Büro für Raumanalysen und Beratung“ unter Einbeziehung von Experten-Interviews entwickelt und
stellen einen Orientierungsrahmen für Kommunen dar. Spezifische Strategien müssen vor Ort entwickelt werden – sie ersetzen daher nicht die individuelle Betrachtung jeder einzelnen Kommune.
Bei den Empfehlungen wurde ein breites Spektrum an Handlungsfeldern in den Blick genommen und
je nach Typ priorisiert. Besondere Schwerpunkte liegen aufgrund der aktuellen Entwicklungen bei
den Themen „Geflüchtete“ und „Digitalisierung“.
Demographietypisierung für Kommunen - Methodik
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1. Räumliche Einordnung
Typ 9 umfasst 260 Kommunen. In ihnen leben 4,5 Millionen Menschen, das sind knapp sieben Prozent
der Bevölkerung in Kommunen mit mehr als 5.000 Einwohnern. Sie liegen überwiegend in ländlichen
Regionen im Osten Deutschlands.
Lage der Kommunen des Typs 9
Fast 90 Prozent der Kommunen des Typs 9 liegen in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern, die übrigen zehn Prozent in Schleswig-Holstein und Niedersachsen.
Die anderen Flächenländer sind gar nicht oder nur mit Einzelfällen vertreten.
In Mecklenburg-Vorpommern gehören zwei Drittel, in Sachsen-Anhalt über die Hälfte der Kommunen mit
mehr als 5.000 Einwohnern zu diesem Typ, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben sie einen
Anteil von rund 40 Prozent aller Städte und Gemeinden. Es ist davon auszugehen, dass Typ 9 zusammen mit angrenzenden kleineren Gemeinden (< 5.000 Einwohner) große zusammenhängende Teile der
östlichen Bundesländer repräsentiert.
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2. Charakteristika
Profil des Demographietyps 9
Die Kommunen in Typ 9 sind durch die fortgeschrittene Alterung ihrer Einwohner, Bevölkerungsrückgang sowie ein sehr geringes Einkommensniveau und hohe Armutsquoten geprägt. Die meisten liegen
in Regionen, in denen in den letzten Jahrzehnten Unternehmen und Arbeitsplätze in großer Zahl verlorengegangen und viele Einwohner abgewandert sind.
Zu diesem Typ gehören schwerpunktmäßig kleine und mittelgroße Versorgungszentren, darunter zahlreiche Kreisstädte. Darüber hinaus befinden sich auch zahlreiche kleine ländliche Wohngemeinden sowie etliche hochverdichtete große Städte in Typ 9.
Mittelwerte und Standardabweichungen der Faktoren und Indikatoren des Typs 9
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Überwiegend kleine Kommunen, aber auch zahlreiche größere Städte
Typ 9 bildet fast genau die Größenstruktur aller Städte und Gemeinden zwischen 5.000 und 100.000
Einwohnern in Deutschland ab. Er besteht zu mehr als 80 Prozent aus Kommunen mit weniger als
25.000 Einwohnern. Die einzige Stadt mit über 100,000 Einwohnern ist Bremerhaven (108.900 Einwohner), gefolgt von Gera, Zwickau, Dessau-Roßlau und Wilhelmshaven, die alle zwischen 75.000 und
100.000 Einwohner haben.
Größenstruktur der Kommunen in Typ 9
Regionale Versorgungszentren mit schwacher wirtschaftlicher Basis
Zahlreiche Städten und Gemeinden in Typ 9 sind regionale Wirtschafts- und Versorgungszentren. Die
meisten haben eine Arbeitsplatzzentralität über 1, d. h. die Zahl ihrer Arbeitsplätze übersteigt die der erwerbstätigen Einwohner, sodass sie auch für umliegende Gemeinden Arbeitsplätze vorhalten. Ein Drittel
der Kommunen bringt es dabei auf Einpendlerüberschüsse von mehr als zehn Prozent. Zu ihnen gehören vorrangig die größeren Städte. Unter den Kommunen mit geringerer Arbeitsplatzzentralität und Auspendlerüberschüssen von mehr als zehn Prozent sind dagegen vor allem kleine Gemeinden mit weniger
als 10.000 Einwohnern vertreten.
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Kommunen des Typs 9 nach Pendlersalden 2013
Trotz ihrer Bedeutung als Wirtschaftsstandorte und Verwaltungszentren verlief die wirtschaftliche Entwicklung in den Städten und Gemeinden in den letzten Jahren sehr verhalten. Während in der Phase der
Hochkonjunktur zwischen 2009 und 2013 die Zahl der Arbeitsplätze in den Kommunen mit mehr als
5.000 Einwohnern um durchschnittlich acht Prozent gestiegen ist, betrug das Wachstum in Typ 9 nur
zwei Prozent. Ein Viertel der Kommunen musste sogar Arbeitsplatzverluste hinnehmen.
Es gibt in Typ 9 aber auch eine kleine Gruppe von Städten und Gemeinden (knapp 15 %), in denen die
Zahl der Arbeitsplätze um über zehn Prozent gestiegen ist; die meisten davon liegen im erweiterten Umland von Berlin oder in Tourismusregionen.
Einwohnerverluste durch hohe Sterbeüberschüsse und Abwanderungen
Nahezu 80 Prozent der Städte und Gemeinden des Typs 9 haben zwischen 2011 und 2013 Einwohner
verloren. In keinem anderen Demographietyp sind schrumpfende Kommunen so stark vertreten. Für die
rückläufigen Einwohnerzahlen der letzten Jahre waren sowohl natürliche Verluste als auch Wanderungsverluste verantwortlich.
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Kommunen des Typs 9 nach Bevölkerungsentwicklung 2011 bis 2013
Die Kommunen des Typs 9 haben sehr hohe Sterbeüberschüsse, ihre natürlichen Verluste übertreffen
den Durchschnitt aller Kommunen um mehr als das Doppelte. Fast drei Viertel von ihnen mussten zusätzlich Wanderungsverluste hinnehmen.
Die Wanderungsmobilität ist durch den Wegzug junger Menschen (sogenannte Bildungswanderung) geprägt. Nahezu 90 Prozent der Kommunen verzeichneten Verluste in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen;
in den meisten Fällen beliefen sie sich auf über drei Prozent pro Jahr. Wanderungsgewinne in dieser Altersgruppe beschränkten sich weitgehend auf die größeren Städte mit Universitäten oder Fachhochschulen, wie Wismar, Wilhelmshaven, Mittweida, Bremerhaven, Frankfurt/Oder oder Eisenach, sowie auf
attraktive Touristen- und Badeorte mit einem umfangreichen Arbeitsplatzangebot, wie Bad Reichenhall,
Sylt, Wernigerode oder Kühlungsborn.
Die Bevölkerungsverluste waren aber nicht auf die Bildungswanderung begrenzt. Als einziger verzeichnet Typ 9 auch bei der Familienwanderung ein negatives Vorzeichen. Allerding fielen die Verluste durchweg gering aus. Einen leicht positiven Effekt für die Wanderungsbilanz brachte dagegen die Zuwanderung alter Menschen. Insbesondere in den touristisch attraktiven Regionen, wie der Mecklenburgischen
Seenplatte, Rügen oder der Holsteinischen Schweiz, lagen die Gewinne zum Teil sehr hoch.
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Jährliche Wanderungssalden* in den Kommunen des Typs 9
* gemittelt aus den Werten der Jahre 2010 bis 2013
Die massive Abwanderung der jüngeren Menschen wirkt sich sowohl auf die Alters- als auch die Haushaltsstruktur aus. Kommunen des Typs 9 haben die geringsten Anteile von Familien mit Kindern, dafür
aber die meisten über 65-Jährigen. Die Folge ist ein Medianalter, das mit 51 Jahren um vier Jahre über
dem Durchschnitt aller Kommunen liegt.
Medianalter 2013 nach Demographietypen
Perspektive: steigende Einwohnerverluste und starke Alterung
Die demographische Perspektive der Kommunen des Typs 9 ist besorgniserregend. In fast allen Städten
und Gemeinden nimmt die Zahl der Einwohner (weiter) ab. Nach der Bevölkerungsprognose werden
sich die Verluste bis 2030 in den meisten Kommunen auf mehr als zehn Prozent, in einem Viertel sogar
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auf mehr als 20 Prozent belaufen. Ein etwas geringeres Ausmaß der Schrumpfung können die Hochschulstandorte sowie Kommunen in Tourismusregionen erwarten.
Bevölkerungsentwicklung 2012 bis 2030 in den Kommunen des Typs 9
Parallel zur Schrumpfung wird sich die Alterung der Bevölkerung in großen Schritten fortsetzen, sodass
das Medianalter bis 2030 voraussichtlich um weitere fünf Jahre ansteigen wird.
Medianalter 2013 und 2030 in den Kommunen des Typs 9
Die Einwohnerverluste konzentrieren sich auf die jüngeren Bewohner. Ihre Zahl wird sich aufgrund weiter sinkender Geburtenzahlen und hoher Abwanderungen beträchtlich verringern. Dagegen steigt die
Zahl der Älteren weiter an; der Anteil der über 65-Jährigen wird bis 2030 um weitere zehn Prozentpunkte
zugelegt haben und dann bei 37 Prozent liegen.
Auch wenn Typ 9 hinsichtlich seiner demographischen Entwicklung recht homogen ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Alterung in den besonders stark schrumpfenden Kommunen noch
schneller vollziehen wird, während sie in den größeren Städten und regionalen Wirtschaftszentren, soweit sie weiterhin von der Zuwanderung jüngerer Menschen profitieren, abgeschwächt verläuft.
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Altersstruktur 2012 und 2030 in den Kommunen des Typs 9
Geringe Kaufkraft und hohe Einkommensarmut
Die Einwohner der Städte und Gemeinden sind nicht wohlhabend. Ihre Einkommen sind gering und ihre
Kaufkraft liegt um fast ein Viertel unter dem Durchschnitt aller Kommunen. In dieser Hinsicht ist Typ 9
sehr homogen, das Merkmal „geringe Kaufkraft“ gilt für fast alle Kommunen gleichermaßen.
Kaufkraft nach Demographietypen
Ein noch größerer Abstand zu den andere Demographietypen zeigt sich bei den Armutsindikatoren: in
drei Viertel der Kommunen leben mehr als 20 Prozent der Kinder in Bedarfsgemeinschaften, in fast allen
Kommunen beziehen mehr als zehn Prozent der Einwohner unter 65 Jahren Sozialhilfe nach SGB II und
in der Hälfte der Kommunen beläuft sich die Arbeitslosenquote auf über 15 Prozent. Damit ist die sozioökonomische Situation der Bevölkerung die mit Abstand prekärste der neun Demographietypen.
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Kinderarmut nach Demographietypen
Prekäre Haushaltssituation der Kommunen und geringer finanzieller Handlungsspielraum
Die Steuerkraft der Kommunen des Typs 9 ist außergewöhnlich schwach. Sie lag in den Jahren 2010 bis
2013 um fast 40 Prozent unter dem Durchschnitt aller Städte und Gemeinden. In diesem Wert spiegelt
sich zum einen das niedrige Einkommensniveau der Bevölkerung wider, zum anderen verweist er aber
auch auf eine sehr schwache wirtschaftliche Basis. Selbst in den zahlreichen Kommunen mit einem größeren Besatz an Arbeitsplätzen reichte das Gewerbesteueraufkommen fast nie, um die Steuerkraft auf
ein durchschnittliches Niveau zu bringen.
Jährliche Steuereinnahmen pro Einwohner* in den Kommunen des Typs 9
* gemittelter Wert aus den Jahren 2010 bis 2013
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Die prekäre Finanzsituation der Kommunen wird durch hohe Sozialausgaben verstärkt, die sich aus den
hohen Armutsquoten ergeben. Unter diesen Rahmenbedingungen ist das Ausmaß der Verschuldung
sehr problematisch. Obwohl in den allermeisten Städten und Gemeinden die Haushaltseinnahmen durch
Mittel aus dem Solidarpakt aufgestockt wurden, belaufen sich die Schulden in den kommunalen Kernhaushalten im Mittel auf das 1,6-Fache der jährlichen Steuereinnahmen. Wenn dieser Mittelzufluss ab
2020 versiegt, wird sich die Finanzsituation der Kommunen bedrohlich verschlechtern.
Schulden als Anteil der Steuereinnahmen 2013 nach Demographietypen
Der finanzielle Handlungsspielraum der Kommunen in Typ 9 ist somit äußerst gering, was angesichts
der Herausforderungen höchst problematisch ist.
3. Herausforderungen
Die demographische Entwicklung setzt die Kommunen unter einen starken Anpassungsdruck. Dieser ist
umso größer, als die wirtschaftliche Basis schwach, die sozialen Belastungen hoch und die finanziellen
Spielräume äußerst gering sind. Die Städte und Gemeinden müssen sich also mit einer Reihe von Herausforderungen auseinandersetzen.
Strategie zur Gestaltung des demographischen Wandels: Eine grundlegende Herausforderung besteht darin, Strategien für einen planvollen Umgang mit den demographischen Veränderungen immer
wieder zu aktualisieren. Dazu müssen sich die Kommunen laufend Klarheit über das Ausmaß und die
Folgen des demographischen Wandels verschaffen und sich mit lokalen und regionalen Akteuren darüber verständigen, wie die Abwanderung vermindert und die Wohn- und Lebensqualität vor Ort verbessert werden kann.
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Einbindung der Bürger in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse: Um die Herausforderungen
durch den demographischen Wandel in den Griff zu bekommen, sind die Kommunen auf die Mitwirkung
ihrer Bürger angewiesen. Diese müssen die Notwendigkeit von Umbau- und Anpassungsmaßnahmen
akzeptieren und sie müssen die Gemeinschaft durch Übernahme von Verantwortung und Selbsthilfe entlasten. Die Kommunen sind somit gefordert, gemeinsam mit den Bürgern neue Formen der Beteiligung
und der Mitgestaltung zu entwickeln und umsetzen.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit: Die Erhaltung der vorhandenen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze sind eine wichtige Voraussetzung dafür, die hohen Abwanderungsquoten und die hohen Armutsraten in der Bevölkerung zu senken. Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gehört somit
zu den zentralen Herausforderungen für die Kommunen. Das schließt auch ein ausreichendes Angebot
an Fachkräften und Auszubildenden ein.
Anpassung der Infrastrukturen und Sicherung der Daseinsvorsorge: Durch den Rückgang der Einwohnerzahlen sind die Kapazitätsauslastungen von Netzinfrastrukturen und der Bestand von Versorgungseinrichtungen gefährdet. Gleichzeitig verlangt die stark wachsende Zahl alter Menschen Ergänzungen im Infrastrukturangebot. Damit gehören der demographiesensible Umbau der Infrastrukturen und
die Sicherung der Daseinsvorsorge zu den zentralen Herausforderungen für die Kommunen.
Aufwertung der IKT-Infrastruktur: Eine leistungsfähige Infrastruktur für die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) ist eine zwingende Voraussetzung für die Sicherung der Wohn- und Standortqualität. Soweit sie nicht vorhanden ist, müssen die Kommunen ihre Energien dafür einsetzten, einen
entsprechenden Versorgungsstandard herbeizuführen. Das wird vor allem für Kommunen in ländlichen
Räumen zutreffen.
Erhaltung von Lebensqualität: Wohnattraktivität und Lebensqualität sind entscheidende Voraussetzungen für die Bindung der Bewohner. Das reicht neben der Wohnraumversorgung weit in die Bereiche
Bildung, Freizeit und Kultur und Unterstützung bei der Bewältigung des Alltagslebens hinein. Es schließt
aber auch den sozialen Zusammenhalt, Gestaltungsmöglichkeiten und Platz für Kommunikation und
Kreativität ein.
Nachhaltige Siedlungsentwicklung: Bei schrumpfenden Einwohnerzahlen ist eine zurückhaltende
Siedlungsentwicklung angezeigt, um zu verhindern, dass Bestandsgebiete und Ortskerne geschwächt
und Infrastrukturkosten in die Höhe getrieben werden.
Unterbringung und Integration von Migranten und Flüchtlingen: Die Organisation von Unterkünften
und Wohnraum für Flüchtlinge sowie ihre soziale Betreuung sind für Politik und Verwaltung der Kommunen immense Herausforderungen. Die Zuwanderungen sollten dennoch als Chance für eine Abschwächung der Einwohnerverluste und eine Verjüngung der Bevölkerung verstanden werden. Dies verlangt
allerdings eine schnelle Integration der Migranten und Flüchtlinge und erfordert kurzfristig Maßnahmen
in vielen kommunalen Handlungsfeldern. Zugleich werden die Kommunen für politische Akzeptanz werben müssen, um den Zusammenhalt der lokalen Gesellschaft zu sichern.
Ausbau regionaler Kooperation: Die einzelnen Kommunen können die anstehenden Aufgaben nicht
allein bewältigen. Damit sind sie gefordert, partnerschaftlich mit lokalen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzuarbeiten sowie mit anderen Gebietskörperschaften zu kooperieren und dafür
neue Beteiligungs- und Kooperationsformen zu entwickeln.
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4. Potenziale
Die Ausgangslage der Städte und Gemeinden dieses Typs ist schwierig. Die differenziertere Betrachtung
zeigt jedoch eine Reihe von Merkmalen und Aspekten, die Anknüpfungspunkte für eine zukunftsfähige
Entwicklung bieten:
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Die regionalen Zentren und die Hauptorte der Kommunen können davon ausgehen, dass sich ihre
Standortgunst durch wirtschaftliche Zentralisierungstendenzen verstärkt und sich Wachstumsimpulse
auf sie konzentrieren.
Die Ferienorte und Kurorte haben in einer alternden und zunehmend gesundheitsbewussten Gesellschaft weiteres Entwicklungspotenzial.
Die ländlichen Kommunen verfügen über natürliche Ressourcen (Boden, Flächen, Energieträger),
die für eine nachhaltige Entwicklung immer wichtiger werden.
Die natürlichen Ressourcen können als Ausgangspunkte für regionale Wertschöpfungsketten genutzt
werden.
Die Hochschulstandorte haben zahlreiche Möglichkeiten, die Kompetenzen der Hochschulangehörigen und -absolventen für wirtschaftliche Entwicklungen und zivilgesellschaftliches Engagement zu
nutzen.
Die Bereitschaft von Bund, Ländern, Stiftungen und anderen Institutionen, die erforderlichen Umbauund Anpassungsprozesse in schrumpfenden Regionen zu unterstützen, bietet den Kommunen die
Chance auf Förderung und externe Hilfe für Anpassungs- und Umbaumaßnahmen.
5. Handlungsansätze und Empfehlungen
Angesichts der Herausforderungen brauchen die Kommunen Mut, neue Entwicklungsansätze zu entwickeln und diese in Experimenten zu erproben. Das setzt eine ungeschminkte Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit sowie die Überprüfung und Infragestellung bestehender Versorgungsformen und Versorgungsstandards voraus.
Den notwendigen Umbau werden die Städte und Gemeinden kaum einzeln, sondern nur im regionalen
und interkommunalen Verbund bewerkstelligen können. Da die erforderlichen Anpassungen voraussichtlich zu weiteren Einschnitten im Umfang kommunaler Leistungen führen werden, müssen Politik und
Verwaltung alles tun, um Ablehnung und Politikverdrossenheit zu verhindern und stattdessen soziales
Engagement zu fördern. Das erfordert, neue Entwicklungsperspektiven zu eröffnen sowie Bürger und
andere Vertreter der Zivilgesellschaft an diesem Prozess der Neupositionierung zu beteiligen.
Die Ausgangsbedingungen, Potenziale und Ressourcen sind in den einzelnen Städten und Gemeinden
unterschiedlich ausgeprägt. Sie alle müssen aber die Zukunftsgestaltung als grundlegenden Umbauprozess anzugehen. Die folgenden Empfehlungen sollen dafür eine Orientierung geben. Allerdings muss
jede Kommune ihre eigene Strategie entwickeln, Prioritäten setzen und auf der Grundlage ihrer Rahmenbedingungen die Handlungsansätze und Maßnahmen spezifizieren. Dabei sollte sie sich mit den folgenden Handlungsfeldern auseinandersetzen:
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Position bestimmen und Zielperspektiven entwickeln
Bürger in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse einbinden
Infrastrukturen an Schrumpfung und Alterung anpassen
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Lebensqualität sichern
Siedlungsstrukturen nachhaltig entwickeln
Flüchtlinge und Zuwanderer integrieren
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken
Regionale und interkommunale Kooperation ausbauen
Position bestimmen und Zielperspektiven entwickeln
Ausgangspunkt kommunalen Handelns muss die Einsicht sein, dass die Zukunftsvorsorge angesichts
der demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung neue Herangehensweisen erfordert.
Das setzt voraus, dass die politischen Entscheidungsträger die Tragweite der demographischen Entwicklung für die Stadt- bzw. Ortsentwicklung anerkennen. Sie dürfen auf keinen Fall zwischenzeitliche
Entwicklungen, wie erhöhte Zuwanderungen aus dem Ausland oder eine Erhöhung der Zahl der Geburten, als Wiedereinsetzen des Bevölkerungswachstums fehlinterpretieren. Vielmehr sollten sie die Herausforderungen durch die demographischen Entwicklungen klar benennen, sich ihnen offensiv stellen
und das Problembewusstsein für Anpassungs- und Stabilisierungserfordernisse in der Öffentlichkeit erhöhen.
Transparenz herstellen
Eine zentrale Voraussetzung für die Gestaltung des Wandels sind Kenntnisse über Formen und Ausmaß
der demographischen Entwicklungen sowie die Abschätzung der Folgen für kommunale Einrichtungen
und das soziale Leben in den Städten und Gemeinden.
Für belastbare Grundlageninformationen über lokale und regionale Entwicklungen sollten die Kommunen Monitoringsysteme nutzen, mit denen sich die Situation und Entwicklung kontinuierlich beobachten
lassen. Der Aufwand für die Einrichtung von Beobachtungs- und Monitoringsystemen hat sich für die
Städte und Gemeinden in den letzten Jahren erheblich verringert. So veröffentlichen fast alle Bundesländer regelmäßig regionalisierte Analysen und Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung, die Bertelsmann
Stiftung hält im „Wegweiser Kommune“ eine umfassende Sammlung von Daten und Informationen für
alle Kommunen über 5.000 Einwohner bereit und immer mehr Landkreise und Regionen stellen ihren
Gemeinden aufbereitetes Material zur Verfügung.
Um angemessen und legitimiert handeln zu können, müssen diese Informationen öffentlich kommuniziert werden. Gleichzeitig sollten die Kommunalpolitiker die Aufgabe übernehmen, die Bürger und die
anderen Akteure vor Ort für die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, zu sensibilisieren. Dabei
dürfen sie weder ein Katastrophenszenario an die Wand malen noch negieren, dass langfristig tragfähigen Lösungen auch zu Leistungseinschränkungen und Belastungen führen.
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Öffentlichen Diskurs verstetigen
Die Verantwortung für die zukunftsfähige Entwicklung der Kommunen tragen die Bürgerschaft, die Unternehmen, die Verwaltung und die Politik gemeinsam. Zivilgesellschaft und Wirtschaft werden aber nur
dann bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, wenn sie umfassend in die Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse eingebunden werden. Folglich muss die Verständigung auf Herausforderungen und eigene Potenziale der Ortsentwicklung sowie weiterführend die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten
vor Ort in einem öffentlichen Diskussionsprozess erfolgen.
Entwicklungsstrategie erarbeiten
Für die längerfristige Perspektive sollten sich Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerschaft gemeinsam auf Entwicklungsziele sowie Strategien und Maßnahmen zur Zukunftssicherung einigen. In Anbetracht der Dringlichkeit für Anpassungsmaßnahmen und der Begrenztheit der Handlungsspielräume der
Kommunen muss der Schwerpunkt auf langfristig tragfähigen Lösungen liegen und geklärt werden, wo
die Prioritäten öffentlichen Handels liegen sollen, auf welche Stärken aufgebaut wird, welche bisher vernachlässigten Potenziale besser genutzt werden und wo die Belastbarkeit der Bürger endet.
Bürger in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse einbinden
Die Bewältigung der Zukunftsaufgaben ist nur über die Einbindung der Bürger und ihr ausgeprägtes bürgerschaftliches Engagement zu leisten. Damit wird die Neupositionierung der Kommunen zu einer Pionieraufgabe, die unkonventionelle und kreative Lösungen braucht und voraussetzt, dass interessierte
Gruppen, Initiativen und einzelne Bürger sich mit Ideen und Engagement sowie der Übernahme von Verantwortung und Selbsthilfe einbringen.
Das setzt seitens der Bevölkerung ein großes Verständnis für die Herausforderungen und die Bereitschaft voraus, Verantwortung zu übernehmen. Das Engagement der Bürger bedarf aber auch der Zuversicht, dass ihnen Gestaltungsspielräume und Entscheidungskompetenzen zugestanden werden. Die
beste Voraussetzung dafür, möglichst viele Bürger zu aktivieren, ist, seitens der Politik eine Partizipationskultur aufzubauen und zu pflegen und in der Kommunalverwaltung eine integrierte und partizipatorische Arbeitsweise zu etablieren.
Um die zivilgesellschaftlichen Potenziale zu aktivieren, müssen Gruppen, Initiativen und einzelnen Bürgern, die Engagement und Ideen mitbringen, Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten außerhalb der üblichen Strukturen und hierarchischen Verfahren zugesichert werden. Wenn diese Potenziale aktiviert werden, können unkonventionelle und innovative Lösungen für lokale und regionale Herausforderungen entwickelt und umgesetzt werden, die ohne Übernahme von Verantwortung und Selbsthilfe nicht möglich
wären.
Ein guter Ansatzpunkt, um Selbsthilfeprojekte anzuregen, sind viele untergenutzte öffentliche und private
Flächen und Gebäude. Die Kommunen können z. B. Kulturinitiativen leer stehende Gebäude für Zwischennutzungen zur Verfügung stellen oder innerörtliche Freiflächen für „Urban Gardening“- oder Kinder- und
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Jugendprojekte freigeben und mit geringfügigen Mitteln unterstützen. Hier muss jede Kommune für sich
nach neuen Wegen und Methoden suchen und Experimente wagen.
Die Verantwortung für das Gemeinwohl sollte schon bei Kindern und Jugendlichen gefördert werden.
Dazu sollten sie früh an bürgerschaftliche Beteiligungsprozesse (z. B. durch Kinder- und Jugendkonferenzen) herangeführt werden. Das bürgerschaftliche Engagement ist aber auch für Erwachsene selten
ein Selbstläufer. Zwar ist die Bereitschaft für aktive Beteiligung bei vielen Menschen vorhanden, aber da
das Interesse an ehrenamtlichen Tätigkeiten in traditionellen Organisationen, wie Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und Vereinen, schwindet, wissen sie häufig nicht, wie sie sich engagieren und wo sie ihre
Kompetenzen und ihre Lebens-, Berufs- und Führungserfahrungen einsetzen können. Um dieses Potenzial für Freiwilligenarbeit, bürgerschaftliches Engagement und Selbsthilfe zu aktivieren, braucht es neue
Formen sozialer Netze sowie Kommunikations- und Kooperationsformen. Ihren Aufbau und ihre Pflege
müssen die Städte und Gemeinden unterstützen und
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eine zentrale Anlaufstelle für Information, Beratung und Koordination einrichten,
Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, die als öffentlich zugängliche Orte für Projektarbeit und Kommunikation zur Verfügung stehen,
sich für die Qualifizierung ehrenamtlich tätiger Bürger einsetzen sowie
eine Anerkennungskultur für ehrenamtlich tätige Bürger schaffen.
Insbesondere kleine Gemeinden, die selbst nur über geringe personelle und fachliche Ressourcen verfügen, sollten dabei mit anderen Gemeinden oder dem Kreis zusammenarbeiten und auf das leistungsfähige Netzwerk zur Unterstützung ehrenamtlicher und bürgerschaftlicher Aktivitäten zurückgreifen.
Infrastrukturen an Schrumpfung und Alterung anpassen
In den meisten Kommunen wird die Sicherung der Daseinsvorsorge ein zentrales Problem. Schließlich
ist absehbar, dass das vielerorts schon sehr ausgedünnte Leistungsangebot in Zukunft nicht mehr in der
bisherigen Quantität und Qualität aufrechterhalten werden kann. Erschwerend kommt hinzu, dass der
Bedarf nach Infrastrukturangeboten in etlichen Bereichen steigt; insbesondere die Gesundheitsversorgung, die Pflege- und Unterstützungsleistungen für Ältere und die Integration von Zuwanderern verlangen erhebliche Angebotsergänzungen.
Aufgabe der Städte und Gemeinden ist es daher, zu überprüfen,
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welche Leistungen sie weiterhin selbstverantwortlich erbringen können,
wie technische und soziale Infrastrukturen kosteneffizient umstrukturiert und an die sich ändernde
Nachfrage angepasst werden können,
welche Leistungen eingeschränkt bzw. aufgegeben werden müssen,
welche Leistungen von der Gemeinschaft der Bürger, von Genossenschaften oder Stiftungen übernommen werden können,
welche Leistungen an private Unternehmen abgegeben werden können und
in welchen Bereichen Unterstützung von außen (Kreis, Bundesland) notwendig sein wird.
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In welcher Form die Städte und Gemeinden ihre technischen und sozialen Infrastrukturen letztlich umstrukturieren und welche Lösungen sie finden, hängt von den Ausgangsbedingungen ab. Auf jeden Fall
aber sollten die folgenden Optionen überprüft werden:
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Bündelung von Versorgungsangeboten an zentralen Standorten
Flexibilisierung von Einrichtungen, z. B. durch Mehrfachnutzung
Standortschließungen
mobile oder temporäre Formen der Leistungserbringung
Zusammenarbeit mit privaten und sozialen Trägern oder Bürgerinitiativen
interkommunale Bewirtschaftung und arbeitsteilige Bereitstellung von Infrastrukturen
Dezentralisierung oder Rückbau technischer Netzinfrastrukturen
In Anbetracht ihrer angespannten Haushaltssituation müssen die Kommunen zur Aufrechterhaltung der
Daseinsvorsorge intensiv mit lokalen Akteuren aus dem öffentlichen, privatwirtschaftlichen und privaten
Bereich zusammenarbeiten, die interkommunale Kooperation in der Erbringung von Leistungen verstärken sowie die bürgerschaftliche Selbsthilfe aktivieren. Das trifft in besonderem Maße für die folgenden
drei Handlungsfelder zu:
Gesundheitsversorgung sichern
Die Sicherung der Gesundheitsversorgung ist für viele Kommunen eine relativ neue Aufgabe. Zum einen
wachsen mit der Zahl alter Menschen die Anforderungen an die medizinische Vor-Ort-Versorgung; zum
anderen geht in vielen kleinen Kommunen die Zahl der Arztpraxen zurück, weil sich keine Nachfolger
finden.
Insbesondere in den ländlichen Räumen und in den kleineren Gemeinden müssen zur medizinischen
Versorgung neue Strukturen aufgebaut werden, wie u. a.:
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Gesundheitszentren oder Gemeinschaftspraxen mit angestellten Ärzten, die andernorts wohnen und
Teilzeit arbeiten können
Niederlassungen von Ärzten, ggf. mit begrenzten Öffnungszeiten
Einrichtungen zur Erstversorgung durch Gemeindeschwestern zur Entlastung der Ärzte
mobile ärztliche Versorgung
hochwertige digitale Infrastruktur für die elektronische Kommunikation zwischen Ärzten und zwischen
Arzt und Patient bei Beratungen und Untersuchungen sowie perspektivisch auch für Behandlungen
mittels Telemedizin
Zwar haben die Kommunen rechtlich kaum Handlungsmöglichkeiten, die medizinische Versorgung ihrer
Bürger zu beeinflussen. Die Kommunalpolitiker sollten dennoch beizeiten aktiv werden und gemeinsam
mit den wichtigen Akteuren nach Lösungen suchen, um eine bedarfsgerechte Ärzteversorgung zu sichern. Dazu gehört u. a. auch eine Willkommenskultur und Familienfreundlichkeit, um potenzielle Ärzte
zum Zuzug zu motivieren.
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Erreichbarkeit der Angebote sichern
Durch die Einschränkung von Leistungen und die räumliche Konzentration von Versorgungseinrichtungen werden für viele Nutzer die Wege länger. Nicht alle können die damit verbundenen Anforderungen
an die persönliche Mobilität bewältigen. Für nicht automobile Gruppen, zu denen zukünftig eine steigende Zahl hochbetagter Menschen gehören wird, muss somit die Erreichbarkeit von Einrichtungen gesichert werden.
Für die Kommunen heißt das, für zusätzliche flexible Beförderungsangebote zu sorgen. Beispiele dafür
sind Sammeltaxis und Anrufbusse oder, insbesondere bei längeren Wegen im ländlichen Raum, Bürgerbusse und Beförderungspatenschaften, die weitgehend ehrenamtlich geleistet werden können.
Die Daseinsvorsorge kann auch durch mobile Angebote geleistet werden. Die wohl wichtigste ist die ambulante Pflege, die im Zuge der gesellschaftlichen Alterung weiter zunehmen wird. Aber auch für zahlreiche andere Leistungen bietet sich der Ausbau der mobilen Versorgung an, wie z. B. für die Nahversorgung, die medizinische Versorgung, für Bibliotheken oder die Bürgerberatung. Auch auf diesen Gebieten
müssen die Kommunen aktiv werden und sich dafür einsetzen, dass ihre Bürger ausreichend versorgt
sind.
Leistungsfähigen Breitbandzugang sichern
Das Internet hat, wie in alle Lebensbereichen, auch in die Daseinsvorsorge Einzug gefunden. Zahlreiche
Einrichtungen, die vor Ort wegfallen, lassen sich durch internetgestützte Leistungen ersetzen, und viele
Versorgungs- und Dienstleistungsangebote können nur über schnelle Internetverbindungen genutzt werden.
Ein leistungsfähiges Internet ist nicht nur für Versorgung der Bürger wichtig, sondern auch für die
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Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen,
Wohnattraktivität; insbesondere bei jungen Menschen hat die Internetversorgung höchste Priorität
Organisation der Freiwilligenarbeit und die Vernetzung von Akteuren,
Sicherung von Verwaltungsleistungen,
Information und Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen sowie
Sicherung von Verwaltungsleistungen.
Allerdings ist die erforderliche Breitbandinfrastruktur nicht flächendeckend vorhanden und gerade in
ländlichen Räumen, wo die Versorgung bereits ausgedünnt ist und die mangelnde Tragfähigkeit viele
bestehende Einrichtungen gefährdet, ist die Internetversorgung häufig unzureichend, weil die nötigen
Investitionen für die privaten Netzanbieter aufgrund der geringen Siedlungs- und damit Nutzerdichte wenig lukrativ sind.
Dort, wo die infrastrukturellen Voraussetzungen für die volle Nutzbarkeit der digitalen Kommunikationstechnik fehlen, sollte es für die Kommunen absolute Priorität haben, dafür zu sorgen, dass dieser Standortmangel behoben wird.
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Folglich müssen die Kommunen unter Umständen selbst für einen Mindeststandard der Datenübertragungsrate sorgen1. Dafür können sie öffentliche Fördermittel der Bundesregierung und des Europäischen Strukturfonds nutzen und sollten sich zu Partnerschaften oder Kooperationen zusammenfinden.
Infrage kommen z. B.:
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Nachbargemeinden und Landkreis
kommunale Eigenunternehmen oder Stadtwerke
privaten Investoren
Bürgerstiftungen
Genossenschaften unter Einbindung von Bürgern und Betrieben
Neben der technischen Infrastruktur des Kabel- oder Funknetzes ist eine zweite, nicht minder wichtige
Voraussetzung für die Nutzung der Möglichkeiten des Internets, dass Service und Hilfe für die Nutzer
vorhanden sind und die digitale Kompetenz möglichst vieler Bevölkerungsgruppen verbessert wird. Um
also die Potenziale des Internets ausschöpfen zu können, müssen diese Leistungen verbindlich bereitgestellt werden. Die Kommunen können dies selbst übernehmen oder auch an eine Freiwilligen-Initiative
oder ein ortsansässiges Unternehmen delegieren.
Lebensqualität sichern
Wohnattraktivität und Lebensqualität sind entscheidende Voraussetzungen für die Ortsbindung der Bewohner und damit auch für die Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen einzusetzen. Sie beeinflussen
zudem Standortentscheidungen von Unternehmen und, in den größeren Städten, die Zuwanderungsbereitschaft von Berufseinsteigern, Auszubildenden und Studenten.
Das Spektrum der Handlungsfelder zur Sicherung und Aufwertung der Lebensqualität ist recht breit und
variiert nach Größe der Kommune, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen vor Ort. Für alle Städte
und Gemeinden ist es aber wichtig, alle Alters- und Haushaltsgruppen einzubeziehen und ihr Stadt- bzw.
Ortszentrum als attraktiven und lebendigen Begegnungsraum zu sichern.
Allerdings sind viele Kommunen immer weniger imstande, selbst als Träger sozialer Einrichtungen und
Dienste, als Förderer von Sport und Kultur oder als Investor aufzutreten. Ihre Funktion ist daher zunehmend die eines Initiators, Motivators und Moderators für familien- und seniorenpolitische Aktivitäten sowie für bauliche Anpassungs- und Aufwertungsmaßnahmen. Ihr übergreifendes Ziel muss es sein, unterschiedliche Interessen und gesellschaftliche Akteure vor Ort zu vernetzen und Bürger als Träger von
Leistungen zu aktivieren. Dabei sollten sie insbesondere in den folgenden Handlungsfeldern aktiv werden:
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Die Bundesregierung hat eine Datenübertragungsrate von bis zu 50 MBit/sec bis 2018 in ganz Deutschland und für alle zum Ziel ihrer Digitalen Agenda erklärt, weil diese Übertragungsrate für viele Anwendungen mindestens erforderlich ist. Allerdings wird bezweifelt, dass diese
Rate überall erreicht wird. Für realisierbar und notwendig werden 30 MBit/sec gehalten; sie sind das Minimum für verschiedenste Anwendungen wie Videokonferenzen, Mobilitätsangebote, Gesundheitsversorgung, technische Anwendungen kleiner Unternehmen, mobile Versorgungsangebote oder Verwaltungsleistungen.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Familien- und Kinderfreundlichkeit sichern
Familien stehen für die Zukunftsfähigkeit der Kommunen. Da aber die Zuwanderungspotenziale von Familiengründern und jungen Familien sehr gering, die Abwanderungsquoten junger Menschen dagegen
hoch sind, müssen die Städte und Gemeinden die Ortsbindung ihrer jungen Einwohner stärken und damit deren Abwanderungsneigung verringern.
Die Profilierung als attraktiver Wohnstandort für Haushalte mit Kindern erfordert, die Qualität der Bildung
und Betreuung von Kindern sowie der Entlastungsstrukturen für Familien bei der Bewältigung ihres Alltags zu sichern.
Darüber hinaus sollten die Städte und Gemeinden Kinder und Jugendliche als wichtige eigenständige
Zielgruppe anerkennen und
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ihnen vielfältige Aufenthalts- und Nutzungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum bieten,
sie als nicht automobile Gruppe bei der Entwicklung von flexiblen Mobilitätsangeboten berücksichtigen,
dafür sorgen, dass es für sie attraktive Angebote in Bereichen wie Sport, Kultur und Umwelt gibt, sowie
ihnen Teilhabe an lokalen Entwicklungen gewähren und sie an bürgerschaftliches Engagement heranführen und damit ihre Verantwortung für das Gemeinwohl fördern.
Erfahrungen zeigen, dass sich Kinder und Jugendliche in vielerlei Hinsicht bei der Gestaltung ihres Wohnumfelds engagieren, wenn ihnen dazu Möglichkeiten geboten und ihre Interessen ernst genommen
werden. Indem ihnen Einfluss auf ihre Lebensbedingungen und Verantwortung für ihre Umwelt eröffnet
wird, verstärkt das ihre Identifikation mit dem Wohnort und vertieft ihre lokale Bindung.
Ortsbindung und Heimatverbundenheit verringert zwar die Abwanderungsneigung junger Erwachsener.
Um sie aber vor Ort zu halten, müssen sie die Möglichkeit für eine wohnortnahe Ausbildung und einen
wohnortnahen Berufseinstieg haben. Die Städte und Gemeinden sollten daher Aktivitäten der Wirtschaftsförderung, wie den Ausbau von Angebot und Qualität der beruflichen Ausbildung, die Unterstützung des Übergangs von der Schule in den Beruf und überbetriebliche Vernetzung zur Schaffung attraktiver Ausbildungs- und Berufseinstiegsstellen, auch als wichtigen Beitrag zur „Heimatbindung“ sehen und
ihnen entsprechendes Gewicht verleihen.
Sozial benachteiligte Gruppen fördern
Die hohen Zahlen der Arbeitslosen und der sozialhilfebedürftigen Haushalte belegen ausgeprägte soziale Benachteiligungen in den Städten und Gemeinden. Die Integration dieser benachteiligten Gruppen
und die Verbesserung ihrer Chancen sind wichtige Aufgaben der Kommunalpolitik. Dabei sollte sie sich
insbesondere auf Kinder und Jugendliche konzentrieren. Gerade angesichts der geringen Zahl junger
Menschen muss das Ziel sein, keinen zurückzulassen.
Die soziale Einbindung von Kindern und Jugendlichen erhöht nicht nur die soziale Kompetenz, sondern
auch die Chancengleichheit. Allerdings verlangt die hohe Kinderarmut besondere Anstrengungen, um für
sozial benachteiligte Kinder die Ausgangsbedingungen für einen guten Schulstart zu verbessern und sie
frühzeitig zum Lernen zu befähigen und zu motivieren. Da bekanntermaßen die ersten eineinhalb Jahre
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
für die Sprachentwicklung und Lernfähigkeit entscheidend sind, sollten die Kommunen die frühkindliche
Förderung ausbauen sowie die Sprach- und Bildungsförderung von Kindern in Tageseinrichtungen und
die Hilfen für Kinder mit besonderem Förderungsbedarf verstärken. Schulpflichtige Kinder aus sozial
schwachen Haushalten müssen auch durch schulbegleitende Maßnahmen unterstützt werden.
Eigenständige Lebensführung älterer Menschen unterstützen
Besondere Anstrengungen müssen unternommen werden, um der wachsenden Zahl älterer Menschen
bis ins hohe Alter ein eigenständiges Leben zu ermöglichen und ihrem Bedarf an Unterstützung und Pflege
zu gerecht zu werden.
Allerdings wird die selbstständige Lebensführung durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen, wie die Auflösung traditioneller Unterstützungsnetze aus Familie und Verwandtschaft, den Rückzug
von Handel und Diensten aus der Fläche und die geringe Leistungsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs in
der Fläche erschwert.
Es bedarf daher neuer Formen von Leistungen für das Alter, um
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den älteren Bürgern einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Einrichtungen zu sichern,
sie in generationenübergreifende Netzwerke einzubinden und sie zu befähigen, möglichst lange gesellschaftlich aktiv zu bleiben,
Versorgungsangebote gut erreichbar oder selbst mobil zu machen, z. B. durch Gesundheitsdienste,
Bildungsangebote, rollende Bibliotheken etc.,
die fußläufige Mobilität für bewegungseingeschränkte Menschen im öffentlichen Raum zu sichern,
niederschwellige Unterstützungsnetzwerke auszubauen und zu etablieren,
die Selbsthilfekräfte und Selbstverantwortung der älteren Menschen zu stärken,
Maßnahmen zur altersgerechten Wohnungsanpassung zu initiieren und
die digitale Kompetenz der Älteren zu erhöhen, damit sie Angebote im Internet nutzen können.
Die Rolle der Städte und Gemeinden liegt dabei wieder vorrangig in der Initiierung, Motivierung und Begleitung von zielführenden Aktivitäten und in der Vernetzung von Akteuren. Dazu müssen sie
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eine zentrale Anlaufstelle für Information, Beratung und Koordination einrichten,
die relevanten Akteure einbeziehen, das sind Unternehmen, Kirchen, Vereine, Verbände und Initiativen, sowie
die älteren Bürger einbeziehen, d. h. ihre Selbsthilfe- und ehrenamtlichen Potenziale aktivieren.
Ortskerne stabilisieren und aufwerten
Für die Bewohner hängt es oft von den räumlichen, funktionalen und baukulturellen Qualitäten der Stadtzentren oder Ortskerne ab, wie sehr sie sich mit ihrem Wohnort identifizieren. Und da die Identifikation
mit dem Wohnort eine wichtige Voraussetzung für bürgerschaftliches Engagement und Ortsbindung ist,
hängt die Entwicklungsperspektive der Kommunen eng mit der Attraktivität ihrer Zentren zusammen.
Die Stadt- und Ortszentren sind aber nicht nur der Identifikationsort nach innen, sondern auch das Aushängeschild nach außen. Für die Tourismusorte und die regionalen Versorgungszentren bestimmt es ihr
Image und damit ihre Attraktivität für Besucher, potenzielle Investoren und Zuwanderer.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Die Erhaltung bzw. die Stärkung eines attraktiven Zentrums ist daher eine wichtige kommunale Aufgabe.
Daher sollten die Städte und Gemeinden dafür sorgen, dass
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eine kleinteilige Nutzungsmischung erhalten oder wiederhergestellt wird,
öffentliche Infrastrukturen als Ankernutzungen im Zentrum angesiedelt sind,
eine hohe Aufenthaltsqualität durch vielfältig nutzbare, verkehrsberuhigte Plätze und Straßen sowie
attraktive Fußwegeverbindungen gesichert ist,
das Zentrum als Ort der Repräsentation für öffentliche Zusammenkünfte, Veranstaltungen, Kunst
und Kultur genutzt wird,
Belastungen und Nutzungseinschränkungen durch den motorisierten Verkehr minimiert werden sowie
regionstypische Ortsbilder und die regionstypische Architektur bewahrt oder wiederhergestellt werden.
Eine wichtige Aufgabe in diesem Zusammenhang besteht darin, allen Beteiligten klar zu machen, dass
die räumliche Bündelung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen sowie von privaten Handelsangeboten und Dienstleistungen die Möglichkeiten verbessert, ein vielseitiges Versorgungsangebot und die
eigene Tragfähigkeit zu sichern. Die Nähe mehrerer und unterschiedlicher Angebote erhöht die Besucher- und Kundenfrequenz, die Anbieter stützen sich gegenseitig. Dagegen wächst bei einer räumlichen
Streuung über das Gemeindegebiet zum einen die Gefahr, dass sich einzelne Einrichtungen nicht halten
könnten und der Gemeinde verloren gehen, zum anderen drohen Leerstände im Zentrum.
Eine Voraussetzung für eine Erfolg versprechende Orientierung auf das Zentrum ist die Akzeptanz und
Unterstützung durch die lokale Öffentlichkeit. Die Kommunalpolitik sollte daher für die Aufwertung des
Zentrums werben und Konzepte zusammen mit den Bürgern entwickeln.
In den ländlichen Kommunen ist es oft schon durch kleine, kostengünstige Maßnahmen unter Beteiligung von Bürgern, Vereinen oder Grundbesitzern möglich, regionstypische Ortsbilder zu bewahren oder
wiederherzustellen.
Die größeren Städte sollten die Wirtschaftsakteure in die Gestaltung des öffentlichen Raums einbeziehen. Diese haben häufig ein ausgeprägtes Eigeninteresse an einem attraktiven, lebendigen Zentrum,
sodass mit ihrer Kooperation Kapital für die Finanzierung von Maßnahmen im öffentlichen Raum mobilisiert werden kann.
Siedlungsstrukturen nachhaltig entwickeln
In der Siedlungspolitik ist die Innenentwicklung die einzige Option, um auf den Schrumpfungsprozess zu
reagieren. Wenn sich Entwicklungspotenziale auf Randbereiche orientieren, kommt es in den Kernbereichen zwangsläufig zum Verlust an Funktionen und Aufenthaltsqualität sowie zu Leerstand und Verfall.
Leerstand im Zentrum ist Zeichen für Niedergang und muss in jedem Fall vermieden werden.
Um solche Entwicklungen zu vermeiden, sollten sich die Städte und Gemeinden konsequent auf die Innenentwicklung konzentrieren und Neubaumaßnahmen auf den Kernsiedlungsraum mit einer aufnahmefähigen Infrastrukturausstattung beschränken. Dazu empfiehlt sich,
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ein Flächenkataster aufzubauen und zu pflegen, in dem innerörtliche Baulücken, untergenutzte Flächen, Brachen und Leerstände systematisch erfasst sind,
Flächenmanagementverfahren zu entwickeln, mit denen die Nachfrage nach Bauland und Immobilien auf die Siedlungskerne gelenkt und die Vermarktung von Bestandsimmobilien gefördert werden,
sowie
längerfristig ausgerichtete Stabilisierungs- und Entwicklungskonzepte zu erarbeiten.
Im Rahmen solcher Konzepte sollten überdimensionierte und nicht mobilisierbare Reserveflächen zurückgestuft oder umgewidmet und für Rand- und Außenlagen Rückbauoptionen für untergenutzte und
unattraktive Bestände entwickelt werden.
Eine wichtige kommunale Aufgabe ist die Erhaltung attraktiver Wohnquartiere. Dazu gehört, ältere Bestandsgebiete durch Umbau und Modernisierung von Wohnungen, ergänzende Neubauten sowie Aufwertung des Wohnumfelds und der Infrastrukturen an veränderte Wohnwünsche anzupassen.
Der Umbau und die Modernisierung von Wohnungsbeständen und Wohnquartieren dienen auch dazu,
den Generationenwechsel in altershomogenen Quartieren zu unterstützen und Gebiete gegenüber Abwertungstendenzen zu stabilisieren. Insbesondere in älteren Geschosswohnungsbeständen besteht z. T.
ein erheblicher Aufwertungsbedarf.
Flüchtlinge und Zuwanderer integrieren
Die meisten Kommunen werden nicht die bevorzugten Ziele von Migranten sein. Die hohen Zahlen von
Flüchtlingen und internationalen Zuwanderern verlangen gegenwärtig aber auch von diesen Kommunen
erhebliche Anstrengungen für deren kurzfristige Unterbringung und soziale Betreuung. Die Betreuung
und Unterstützung von Flüchtlingen in den Flüchtlingsunterkünften wird vielerorts weitgehend durch bürgerschaftliches Engagement in der Bevölkerung geleistet. Das Einleben der Zuwanderer in die deutsche
Gesellschaft bedarf aber noch weit umfangreicherer Unterstützung und stellt den Kommunen zahlreiche
neue Aufgaben.
Dabei sollten sich die Kommunen auch darauf verständigen, für welche Gruppen sie attraktiv sind und
mit welchen Strategien sie diese Gruppen längerfristig halten können. In kleineren Städten und Gemeinden im ländlichen Raum werden das eher Familien und Menschen mit ländlicher Herkunft sein, soweit
sie überschaubare Strukturen gegenüber dem Leben in Großstädten bevorzugen. Um also die Potenziale, die die Zuwanderung mit sich bringt, auch nutzen zu können, sollten sie ihre Integrationskräfte auf
die wichtigsten Zielgruppen konzentrieren. Dabei sollten sie in den folgenden Handlungsfeldern aktiv
werden:
Akzeptanz für Aufnahme und Integrationsleistungen in der Bevölkerung sichern
Die Kommunen müssen sich für die Aufnahme von Flüchtlingen und Zuwanderern des Verständnisses
und der breiten Unterstützung in der Bevölkerung, der Wirtschaft und den gesellschaftlichen Institutionen
versichern. Andernfalls sind ihre politische Legitimität und der soziale Frieden gefährdet.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Dazu sollten sie offensiv für Empathie mit Flüchtlingen werben, die Herausforderungen ausreichend öffentlich kommunizieren und die Chancen, die die Zuwanderung für die Ortsentwicklung bietet, herausgestellt werden. Diese bestehen darin,
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Bevölkerungsrückgang und gesellschaftliche Alterung abzumildern,
den Nachwuchs für den Arbeitsmarkt zu vergrößern,
die lokale Wirtschaft zu stärken,
den Wohnungsleerstand zu reduzieren und
der sinkenden Auslastung der Infrastrukturen, dabei insbesondere der Schulen, entgegenzuwirken.
Informieren, beraten, koordinieren
In Anbetracht der Herausforderungen benötigen die Kommunen ein Flüchtlingsmanagement, das als Informations- und Beratungsstelle fungiert und verantwortlich die Koordination von Aufgaben innerhalb der
Verwaltung und mit Externen übernimmt. Zu seinen Aufgaben gehören u.a.:
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Aufbau einer zentralen Anlaufstelle für Information und Erstberatung der Zuwanderer
Einrichtung bzw. Sicherung von Dolmetscherdiensten
Einrichtung und Pflege einer mehrsprachigen Webpage mit wichtigen Informationen und Links für
Zuwanderer und der Darstellung lokaler Einrichtungen und Dienste
Sicherung der sozialen Betreuung und Gesundheitsversorgung
Wohnraumversorgung sichern
Wenngleich die Unterbringung für Flüchtlinge kurzfristig gesichert werden muss und sich dabei Übergangslösungen und Provisorien häufig nicht vermeiden lassen, sollten von vorherein Konzepte für die
längerfristige Versorgung mit Wohnraum entwickelt werden. Zu den wichtigen Zielen für ein solches
Konzept gehört,
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Zuwanderer nicht räumlich konzentriert und abseits von Wohnquartieren anzusiedeln,
Flüchtlinge nicht in Quartieren mit hohen Armutsquoten und soziale Belastungen zu konzentrieren
sowie
keine Neubauten zu errichten, sondern leer stehende Wohnungen und Gebäude nutzen.
Zur Beschaffung von Wohnraum müssen sich die Kommunen mit der Wohnungswirtschaft und Wohnungseigentümern abstimmen.
Sprachkurse vorhalten
Die möglichst schnelle Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt gehört zu den wichtigsten Voraussetzungen für ihre Teilhabe im ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Bereich. Die wenigsten Zuwanderer verfügen aber über die notwendigen Sprachkenntnisse. Deshalb müssen sie möglichst
unmittelbar nach ihrer Zuwanderung einen Sprachkurs absolvieren können. Die Kommunen sollten,
auch wenn sie dazu nicht verpflichtet sind, diese Leistung offensiv übernehmen. Dabei bietet sich an,
alle verfügbaren Formate nutzen, also neben Volkshochschulen und anderen Bildungsträgern u. a.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
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Projekte in Schulen und Kitas zur Sprachschulung von Eltern sowie
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audiovisuelle Medien, die in öffentlichen Bibliotheken oder anderen Einrichtungen bereitgestellt werden und für die Betreuungspersonal eingesetzt wird.
Daneben können die Städte und Gemeinden die Beschäftigung und Qualifizierung der Zuwanderer
dadurch unterstützen, dass sie
 Arbeitsmöglichkeiten in den Kommunen schaffen,
 Selbsthilfe in den Flüchtlingsunterkünften einfordern und unterstützen sowie
 Lotsen- und Mentorenprogramme zur Beratung und Begleitung von Zuwanderern bei beruflicher
Qualifizierung und Ausbildung sowie beim beruflichen Wiedereinstieg initiieren und unterstützen.
Kinder fördern
Je jünger die Zuwanderer sind, desto besser lassen sie sich in unsere Gesellschaft einbinden. Darum
sollte die Integration von Kindern ein Schwerpunkt der kommunalen Politik sein. Um ihre Fähigkeiten
frühzeitig zu erkennen und zu fördern, sollten die Kommunen
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Sprachkurse in Kitas und bei Bedarf auch zusätzlich zu den Schulen anbieten, damit Bildungserfolge
und der Übergang in höhere Schulen nicht durch mangelhafte Sprachkenntnisse verhindert werden,
die zugewanderten Eltern in Kitas und Schulen einbinden, damit sie das Bildungssystem in Deutschland kennenlernen und den schulischen Erfolg ihrer Kinder unterstützen können,
Patenschaften für den Übergang von Schule in Beruf bzw. Ausbildung initiieren und unterstützen sowie
Mentoren-Leseprogramme initiieren und unterstützen.
Willkommens- und Anerkennungskultur aufbauen und verstetigen
Ihr Einleben am Wohnort und in der Nachbarschaft hängt in hohem Maße davon ab, wie die Zuwanderer
aufgenommen werden. Darum sollten Politik und Verwaltung eine Haltung ausstrahlen, die zeigt, dass
Zuwanderer willkommen sind und dass kulturelle Vielfalt eine Bereicherung für die Kommune sein kann.
Dazu sollten sie u. a.
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die Verwaltung und kommunale Institutionen interkulturell öffnen (Ausbildungs- und Arbeitsplätze mit
Migranten besetzen, interkulturelle Kompetenz ausbauen),
mit Vereinen und religiösen Gemeinschaften der Zuwanderer Kontakt pflegen,
kulturelles Verständnis fördern (z. B. über Veranstaltungen),
Selbsthilfe und Nachbarschaftshilfe durch Migranten unterstützen,
dafür Sorge tragen, dass zugewanderte Kinder und Jugendliche in Sportvereine, Musikschulen, Volkhochschulen, Freiwilliger Feuerwehr etc. aufgenommen werden. sowie
zivilgesellschaftlich getragene Projekte zur Einbindung von Zugewanderten unterstützen.
Die Notwendigkeit, zeitnah die Integration zu unterstützen und damit später anfallende soziale Belastungen möglichst gering zu halten, verlangt von den Kommunen große Anstrengungen. Dabei kommt den
zivilgesellschaftlichen Akteuren und Einrichtungen, ehrenamtlich Aktiven, Kirchen, Vereinen und Wohlfahrtsverbänden sowie den örtlichen Unternehmen und Wirtschaftsinstitutionen eine Schlüsselrolle zu.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Die Kunst einer erfolgreichen Integrationspolitik liegt also auch in der guten und effektiven Zusammenarbeit der zahlreichen Akteure in den Städten und Gemeinden.
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärken
Erhaltung der vorhandenen und Schaffung neuer Arbeitsplätze sind eine wichtige Voraussetzungen, um
die hohen Armutsraten in der Bevölkerung und die hohen Abwanderungsquoten jüngerer Menschen zu
senken. Dabei muss auch die Herausforderung angegangen werden, dass Ausbildungsplätze und Stellen für Fachkräfte aufgrund eines unzureichenden Arbeitskräfteangebots schon derzeit häufig nicht besetzt werden können. Dieses Problem wird mit dem überproportional starken Abschmelzen des Erwerbspersonenpotenzials zukünftig noch gravierender.
Die Sicherung und der Ausbau der wirtschaftlichen Basis sind somit eine wichtige Zukunftsaufgabe. Die
Städte und Gemeinden müssen ihren Gewerbebestand durch eine aktive Wirtschaftsförderung pflegen
und die Innovationskräfte in der Wirtschaft stärken, um den Strukturwandel voranzutreiben und die Entwicklung neuer, zukunftsfähiger wirtschaftlicher Aktivitäten zu unterstützen.
Die Entwicklung der Bestandsbetriebe und die Ansiedlung neuer Unternehmen setzen ein gutes Angebot qualifizierter Berufseinsteiger und Fachkräfte voraus. Die Kommunen müssen es als ihre Verantwortung sehen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für ein solches Angebot zu sorgen. Da infolge der Alterung
der Belegschaften und der Verringerung des Nachwuchses bei gleichzeitig steigenden Qualifikationsanforderungen der Unternehmen hochwertige Ausbildungs- und Weiterbildungsangebote im Bereich der
beruflichen Bildung immer wichtiger werden, sollte die kommunale Wirtschaftsförderung die lokale und
überlokale Netzwerke aus Bildungseinrichtungen, Verbänden und Unternehmen herbeiführen, mit denen
das Angebot und die Qualität der beruflichen und fachlichen Ausbildung verbessert und der Übergang
von der Schule in den Beruf unterstützt werden kann. Gleichzeitig muss eine gute Erreichbarkeit der Einrichtungen gewährleistet werden. In ländlichen Räumen heißt das unter Umständen, Bildungs- mit Beförderungsangeboten zu kombinieren.
Die Pflege und Entwicklung von Netzwerken ist aber nicht nur im Bereich der Aus- und Weiterbildung,
sondern auch für die Förderung des Strukturwandels und die Bestandssicherung von großer Bedeutung.
Die kommunale Wirtschaftsförderung sollte daher einen Schwerpunkt darauf legen,
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betriebsübergreifende Informations- und Wissenstransfers zu organisieren,
Gründer- und Branchennetzwerke zu nutzen, um Unternehmensgründungen zu unterstützen, sowie
über die Vernetzung von Betrieben Kooperationen und regionale Wertschöpfungsketten anzuregen
und zu fördern.
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Kommunen bedarf es unterschiedlicher
Strategien, um die erforderlichen Entwicklungsimpulse auszulösen. So können die Mittel- und Kreisstädte in den ländlichen Räumen von den Konzentrationsprozessen öffentlicher und privater Anbieter
profitieren. Sie sollten sich um die Ansiedlung oder den Ausbau von Bildungs-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen bemühen, für eine hohe Aufenthaltsqualität im Stadt- bzw. Ortszentrum sorgen und darüber ihre Attraktivität als regionales Zentrum stärken.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
In den ländlichen Räumen eröffnet der Übergang von fossilen auf erneuerbare Energien neue wirtschaftliche Entwicklungsperspektiven, und für viele ländliche Kommunen bietet sich die Chance, ihren Eigenbedarf an Energie zu decken und darüber hinaus Energie für die Region zu exportieren. Auf diesen Feldern sollte die Kommunalpolitik einen Anstoß geben und zusammen mit lokalen und regionalen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft umsetzungsfähige Konzepte entwickeln. Parallel dazu sollte sie auf
der Grundlage von Energie, Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen neue Wertschöpfungsketten von
der Erzeugung bis zum Vertrieb anregen und unterstützen.
Eine wichtige Voraussetzung für die Sicherung und Erweiterung wirtschaftlicher Aktivitäten im ländlichen
Raum im Allgemeinen und der Nutzung der erneuerbaren Energie im Besonderen ist eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur. Dies umso mehr, als digitale Anwendungen und auf ihnen aufbauende Technologien (zum Beispiel 3D-Drucker) völlig neue Perspektiven für die dezentrale Fertigung eröffnen und
damit ländlichen Räumen neue Wachstumspotenziale erschließen. An Standorten und in Regionen, in
denen eine solche leistungsfähige IT-Infrastruktur fehlt, müssen die Kommunen selbst Wege finden, sie
zu schaffen.
Die Städte mit Universitäten und Fachhochschulen müssen in deutlich höherem Maße als bisher den
Wissenstransfer zwischen Hochschule und Wirtschaft sowie Ausgründungen unterstützen und Neugründungen anregen. Dabei erlaubt ihnen ihr Überhang an untergenutzten und leer stehenden Gebäuden
sogar, Studierenden und Absolventen Räumlichkeiten zum Erproben von Ideen und zur Umsetzung von
Planungen zur Verfügung zu stellen. Zur Sicherung ihres Fachkräftepools sollten sie zudem versuchen,
inländische wie ausländische Studierende an die Region zu binden. Dafür müssen die Kommunen ihre
Willkommenskultur allen Zuwanderern gegenüber stärken.
Für die Kommunen in den touristisch attraktiven Regionen eröffnen gesellschaftliche Alterung und
die stark ansteigende Orientierung auf Gesundheit zusätzliche Entwicklungspotenziale. Sie sollten zusammen mit lokalen und regionalen Akteuren überprüfen, wie sie ihre Attraktivität durch ganzheitliche
Tourismuskonzepte, wie Gesundheitstourismus, Wellness- oder naturbezogenen Tourismus oder auch
spezielle Tourismusangebote für pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit bestimmten Krankheiten, erhöhen können. Dafür müssen zahlreiche Betriebe und Akteure, wie Klinken, Pflegeeinrichtungen,
Gesundheitseinrichtungen, Ärzte, Handwerk, Handel etc., einbezogen und ggf. die notwendigen Infrastruktureinrichtungen ausgebaut werden.
Die Industriestädte und Kommunen in altindustriellen Regionen können für die Modernisierung der
Wirtschaft auf Standortqualitäten, wie ihren Fachkräftepool mit einem breiten Wissens- und Erfahrungsschatz, die Industriekultur mit z. T. baukulturell wertvollen Gebäuden und städtebaulichen Ensembles,
zurückgreifen. Sie können z. B. ihre Standortattraktivität für innovative Milieus erhöhen, indem sie ihre
weichen Standortfaktoren, wie das Wohnraumangebot, Kultur- und Freizeitangebote, aufwerten und die
Ansiedlung von Start-ups und kreativen Branchen besonders fördern.
Alle Städte und Gemeinden müssen sich den Aufgaben zur Aktivierung ihrer wirtschaftlichen Potenziale
stellen. Damit sind die Anforderungen an die lokale Wirtschaftsförderung sehr hoch. Um auf diesem Gebiet mit intelligenten und kreativen Lösungen erfolgreich sein zu können, muss die Wirtschaftsförderung
in den Kommunen konsequenterweise einen hohen Stellenwert haben und personell gut ausgestattet
sein.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Die Anforderungen und die Gestaltungsspielräume sind in den regionalen Wirtschaftszentren größer als
in den kleinen Wohngemeinden. Aber auch die größeren Städte können die Herausforderungen nicht
allein meistern. Ihre Zukunftsperspektive hängt in hohem Maße von der wirtschaftlichen Entwicklung der
gesamten Region ab und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht lokal isoliert umsetzen.
Vielmehr braucht es, um die Ressourcen effizient einsetzen zu können, kooperativer Strategien, die das
regionale Umfeld einbeziehen. Die einzelnen Städte und Gemeinden sind somit gefordert, sowohl mit
regionalen Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzuarbeiten als auch mit anderen Gebietskörperschaften zu kooperieren. Die Wirtschaftsförderung muss, ausgehend von der eigenen Kommune, grundsätzlich regional abgestimmt handeln.
Regionale und interkommunale Kooperation ausbauen
Regionale und interkommunale Kooperationen haben eine existenzielle Bedeutung für die Städte und
Gemeinden dieses Typs. Ihre Zukunftsperspektive hängt in hohem Maße von der wirtschaftlichen Entwicklung der gesamten Region ab und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit lässt sich nicht lokal isoliert umsetzen. Vielmehr braucht es kooperative Strategien, die das regionale Umfeld einbeziehen, um
die Ressourcen effizient einsetzen können. Damit sind die Kommunen gefordert, mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammenzuarbeiten und mit anderen Gebietskörperschaften zu kooperieren.
Insbesondere in den ländlichen Räumen verlangt die Sicherung der Daseinsvorsorge neue Kooperationsformen, denn viele der erforderlichen Infrastrukturen und Dienstleistungen sind nur im Verbund möglich. Da sich zudem viele Infrastrukturangebote nur in den Zentren erhalten und finanzieren lassen,
kommt den Kreisstädten und anderen Mittelstädten häufig die Rolle des Stabilisators zu. In dieser Funktion sollten sie eng mit den kleineren Gemeinden zusammenzuarbeiten, vertrauensvolle Kommunikationsstrukturen etablieren und gemeinsame Planungen erarbeiten.
Wichtige Akteure der regionalen Kooperation sind auch die Landkreise. Sie müssen umfassende Aufgaben der Informationsvermittlung und Beratung leisten und als Koordinator wichtige Dienstleistungsaufgaben und Bündelungsfunktionen für die Planung und Umsetzung gemeinschaftlicher Projekte übernehmen.
Für ihre Zusammenarbeit sollten die Kommunen entsprechende Fördermittel nutzen und sich dabei nicht
nur auf Programme konzentrieren, die gezielt auf interkommunale und regionale Strategien ausgerichtet
sind, sondern auch Strukturanpassungsprogramme einbeziehen, mit deren Hilfe die Herausforderungen
demographischer Schrumpfungsprozesse bewältigt werden können.
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
6. Indikatorenerläuterung
Allgemeine methodische Hinweise
Die Durchschnittswerte aller Kommunen beziehen sich auf die Gemeindewerte und nicht auf die Personen in den Kommunen (Grundgesamtheit sind jeweils die Kommunen, nicht die Bewohner).
Die Bevölkerungsprognose der Bertelsmann Stiftung hat die derzeit sehr hohe Zahl von Flüchtlingen
und Zuwanderern noch nicht berücksichtigt. Die tatsächliche Entwicklung bis 2030 wird daher dazu
führen, dass weniger Kommunen als prognostiziert schrumpfen und mehr als prognostiziert wachsen
und dass sich die gesellschaftliche Alterung verlangsamt. Gleichwohl gehen wir davon aus, dass die
hohen Wanderungsgewinne die demographische Entwicklung kurz- und mittelfristig nur überlagern und
ihre Dynamik beeinflussen, nicht aber die Trends verändert.
Anteil Einpersonen-Haushalte
Erklärung
x % aller Haushalte in der Kommune sind Einpersonenhaushalte
Berechnung
Einpersonenhaushalte / Anzahl Haushalte * 100
Anteil Haushalte mit einem Haushaltsnettoeinkommen von 50.000 Euro/Jahr und mehr
Erklärung
x % der Haushalte verfügen über ein Gesamtnettoeinkommen von über 50.000 Euro pro
Jahr
Berechnung
Haushalte mit HH-Einkommen von 50.000 Euro und mehr / Anzahl Haushalte * 100
Zusatz
Bei der Erstellung der Einkommensklassen der Haushalte wird die Haushaltsgröße nicht
berücksichtigt. Es kann sein, dass z.B. Single-Haushalte und auch Familien in dieser
Einkommensklasse liegen.
Anteil Haushalte mit Kindern
Erklärung
In x % aller Haushalte leben Kinder
Berechnung
Haushalte mit Kindern / Anzahl Haushalte * 100
Zusatz
Kinder sind in diesem Zusammenhang ledige Kinder über 18 Jahren ohne eigenen
Hausstand und alle im Haushalt lebenden Personen unter 18 Jahren.
Anteil Hochqualifizierte am Arbeitsort
Erklärung
x % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat einen akademischen Berufsabschluss
Berechnung
SvB mit akademischem Berufsabschluss am Arbeitsort / SvB am Arbeitsort * 100 (Stichtag: 30.06.)
Zusatz
Veränderung der Erhebung von Schul- und Berufsabschlüssen. Bis 2011 wurden die
SvB mit (Fach-)Hochschulabschluss erfasst, seit 2012 die SvB mit akademischem
Berufsabschluss. Im Jahr 2012 weicht der Stichtag einmalig auf den 31.12. ab
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Anteil Hochqualifizierte am Wohnort
Erklärung
x % der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Einwohner der Kommune hat einen
akademischen Berufsabschluss
Berechnung
SvB mit akademischem Berufsabschluss am Wohnort / SvB am Wohnort * 100
(Stichtag: 30.06.)
Zusatz
Veränderung der Erhebung von Schul- und Berufsabschlüssen. Bis 2011 wurden die
SvB mit (Fach-)Hochschulabschluss erfasst, seit 2012 die SvB mit akademischem
Berufsabschluss. Im Jahr 2012 weicht der Stichtag einmalig auf den 31.12. ab
Anteil des Pendlersaldos an der Bevölkerung 15 bis 64 Jahre
Erklärung
Der Pendlergewinn bzw. –verlust pro 100 Einwohner der erwerbsfähigen Bevölkerung
(15 bis 64 Jahre) beträgt x Personen
Berechnung
(Anzahl SvB Einpendler – Anzahl SvB Auspendler) / Bevölkerung 15-64 * 100
Anteil unter 18-Jährige an der Gesamtbevölkerung
Erklärung
Der Anteil der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren an der Gesamtbevölkerung beträgt x %
Berechnung
Bevölkerung unter 18 Jahren / Gesamtbevölkerung * 100
Anteil 65- bis 79-Jährige an der Gesamtbevölkerung
Erklärung
Der Anteil der Personen im Alter von 65 bis 79 Jahren an der Gesamtbevölkerung beträgt x %
Berechnung
Bevölkerung 65 – 79 Jahre / Gesamtbevölkerung * 100
Arbeitsplatzzentralität (Bedeutung als Arbeitsort)
Erklärung
In der Kommune arbeiten mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte als dort wohnen (Wert >1), oder umgekehrt (Wert <1).
Berechnung
SvB am Arbeitsort / SvB am Wohnort (Stichtag 30.06.)
Bildungswanderung (Wanderungssaldo der 18- bis 24-Jährigen)
Erklärung
Der Wanderungsgewinn bzw. –verlust pro 1.000 Einwohner beträgt in der Gruppe der
18- bis 24-Jährigen x Einwohner der betrachteten Altersgruppe
Berechnung
(Zuzüge 18-24-Jährige – Fortzüge 18-24-Jährige) / Bevölkerung * 1.000
Zusatz
Bezugsjahre: Wanderungsgewinn/ -verlust und Bevölkerung jeweils über die letzten 4
Jahre gemittelt
Kaufkraft privater Haushalte (Durchschnitt)
Erklärung
Das durchschnittliche Gesamtnettoeinkommen eines Haushaltes beträgt x Euro
Berechnung
Summe aller Haushaltsnettoeinkommen / Anzahl Haushalte
Kinderarmut
Erklärung
x % der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren erhalten Leistungen nach SGB II (Sozialgeld)
Berechnung
Sozialgeldempfänger unter 15 Jahre / Bevölkerung unter 15 Jahre * 100
Zusatz
Stichtag für SGB II-Bezieher: im Dezember; Bezieher von Kinderzuschlag sind nicht erfasst)
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Typ 9: Stark schrumpfende Kommunen mit Anpassungsdruck
Kommunale Steuereinnahmen pro Einwohner
Erklärung
Die über die letzten 4 Jahre gemittelten Steuereinnahmen einer Kommune betragen im
Durchschnitt x Euro pro Einwohner
Berechnung
Steuereinnahmen / Gesamtbevölkerung
Zusatz
Steuereinnahmen = Grundsteuer A + Grundsteuer B + Gewerbesteuer + Gemeindeanteil
an Einkommensteuer + Gemeindeanteil an Umsatzsteuer
Bezugsjahre: Steuereinnahmen und Bevölkerung jeweils gemittelt über die letzten 4
Jahre. Für einige Bundesländer liegen die Daten nur auf Kreisebene vor.
Medianalter
Erklärung
Gibt das Lebensalter an, das die Gesamtbevölkerung in zwei gleich große Altersgruppen
teilt.
Berechnung
Medianalter = Alter des n/2-ten Einwohners bei einer Rangfolgenbildung nach erreichtem Lebensalter
Natürliche Saldorate
Erklärung
Innerhalb des Jahres wurden in dem betrachteten Gebiet x Personen auf je 1.000 Einwohner mehr geboren als gestorben sind (bzw. umgekehrt, falls Saldo negativ).
Berechnung
(Lebendgeburten – Sterbefälle) / Bevölkerung * 1.000
Zusatz
Bezugsjahre: Lebendgeburten, Sterbefälle und Bevölkerung jeweils gemittelt über die
letzten 4 Jahre
Relative Bevölkerungsentwicklung seit 2011 (Bevölkerung im Jahr 2011 = 0)
Erklärung
Die Bevölkerungszahl hat seit dem Jahr 2011 um x % zugenommen/abgenommen
Berechnung
((Bevölkerung aktuell * 100) / Bevölkerung 2011) - 100
SGB II-Quote
Erklärung
x % der Bevölkerung unter 65 Jahren erhalten Leistungen nach SGB II
Berechnung
Leistungsbeziehende nach SGB II / Bevölkerung unter 65 Jahren * 100
(Stichtag für SGB II-Bezieher: im Dezember)
Wanderungssaldorate
Erklärung
Innerhalb des Jahres zogen in das betrachtete Gebiet x Personen auf je 1.000 Personen
der Bestandsbevölkerung mehr zu als daraus fortgezogen sind (bzw. umgekehrt, falls
Saldo negativ).
Berechnung
(Zuzüge – Fortzüge) / Bevölkerung * 1.000
Zusatz
Bezugsjahre: Zuzüge, Fortzüge und Bevölkerung jeweils gemittelt über die letzten 4
Jahre
Einheit
je 1.000 Einwohner
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