IC und neurologische Erkrankungen Gibt es einen Zusammenhang? Gustav Kiss Neuro-Urologische Ambulanz Innsbruck Objektivierbare Kriterien für die IC (National Institute of Health (USA) • Blasenspiegelung: punktuell angelegte in mindestens 3 Quadranten vorkommende Rötungen an der Blasenschleimhaut, oder offene SHGeschwüre und / oder • Blasenschmerzen, oder Drangsymptomatik und hohe Blasenentleerungsfrequenz IC kann ausgeschlossen werden wenn: • Blasenkapazität > 350 ml • Blasenentleerungsfrequenz < 8mal / Tag • Harnwegsinfekt • Blasensteine, -tumore, Bestrahlungen • Urodynamisch nachgewiesene Blasenüberaktivität • Alter < 18 Blasensteuerungszentrum im Gehirn Rückenmark Blasensteuerungsverteiler im Rückenmark Harnblase „Ab 40 erwirbt jeder Mensch pro Lebensdekade eine neue neurologische Diagnose“ Gerstenbrand „Bin gottlob ganz gesund!“ sagte Hans Castorp. „Wahrhaftig?“ fragte Dr. Krokowski „…aber dann sind Sie eine höchst studierenswerte Erscheinung! Mir ist nämlich ein ganz gesunder Mensch noch nicht vorgekommen.“ Thomas Mann: Der Zauberberg Symptome der Harnblase • Inkontinenz (63%) • Drangsyndrom – (50%) • Erschwerte Blasenentleerung (39%) • Nykturie • Schmerz Zahl der neurologischen Diagnosen Die deutsche "Bibel" für Neurologie Brandt/Dichgans/Diener: Therapie und Verlauf neurologischer Erkrankungen 79 Hauptdiagnosen 241 Nebendiagnosen Madersbacher St. et al., 1999 Kohlhammer Verlag IV.Auflage, 2008 Parkinson – Erkrankung Schlaganfall Kopf-/Hirnverletzungen Multiple Sklerose Querschnittlähmung Bandscheibenvorfall Neuropathien Medikamente Neuropathien Schlaganfall Multiple Sklerosis Parkinson-Erkrankung Bandscheibenvorfall Querschnittlähmung Neurologische Erkrankungen mit Blasenfunktionsstörungen Harninkontinenz Reizblase Erschwerte Blasenentleerung Fehlender Harndrang Nächtlicher Harndrang Neuropathische Schmerzen G.Kiss GLEICHGEWICHT UNGLEICHGEWICHT „Die neurogene Blase“ Klinische und urodynamische Ergebnisse 34 % 18 % 32 % 13 % Harninkontinenz Wahrscheinlichkeit der Harninkontinenz im Laufe des Lebens Warum sind Symptome der überaktiven Blase bei der Querschnittlähmung häufig? Überaktive Blase, spastischer Beckenboden Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD) Folgen: • • • • • Verringerung der Blasenkapazität Inkontinenz Harnwegsinfekte Restharn Gefahr für den oberen Harntrakt (Abb. Chancellor) Videourodynamik bei Querschnitt / bei Bandscheibenvorfall Mit Genehmigung der Univ. Klinik f. Radiodiagnostik II, IBK, 2007 Ist „Reizblase“ bei MS häufig? Die 7 häufigsten Symptome bei MS (National Swedish MS Registry 2012) Sensibilitätsstörungen Lähmungen Blasen-/Mastdarmfunktionsstörungen Sehstörung Schwindel Ataxie Sexualfunktionsstörungen Blasenfunktionsstörungen bei MS Blasenüberaktivität Erschwerte Entleerung Restharn Drangsymptomatik Hohe Entleerungsfrequenz Hohe Entleerungsfrequenz Restharn Dranginkontinenz Harnwegsinfekte Schließmuskel Startverzögerung Unterbrochener Harnstrahl Restharn Urologische Symptome bei MS-Kranken 40 % mit Symptomen der hyperaktiven Blase kein Restharn 30 % mit Symptomen der hyperaktiven Blase + erschwerte Blasenentleerung mit Restharn (DSD) 15 % mit erschwerter Blasenentleerung ohne / mit Restharn 10 % keine urologischen Beschwerden Parkinson Erkrankung Eigenschaften urologischer Symptome bei M. Parkinson Urologische Symptome sind selten früher vorhanden als: • motorische Symptome • der Beginn der medikamentösen Parkinson-Therapie Häufigste Symptome • Drangsymptomatik • Nykturie • Schwacher Harnstrahl Verlaufscharakteristika von M. Parkinson und MSA Typischer M. Parkinson (PD) Atypische Parkinsonformen (MSA) MSA Krankheitsverlauf PD Motorische Symptome (Parkinsonismus) Urologische Symptome Sexualfunktionsstörung Auswirkungen der ON und OFF Phasen auf die urologischen Symptome Einnahme von L-Dopa Beginn der OFF-Phase ON Inkontinenz ON OFF OFF (Uchiyama, 2003) Medikamente können auch Ursache für Blasensymptome sein „Eine gute Therapie muß wehtun!“ (Von der besten Schwiegermutter aller Schwiegermütter) Folgerung? Ein gutes Medikament muß Nebenwirkungen haben… 2 – 4 % aller stationären Pat. in neurologischen Abteilungen werden wg. Medikamentennebenwirkungen behandelt! Mit zunehmendem Alter steigt auch die Zahl der täglich eingenommen Medikamente. In den Industrieländern nehmen Patienten über 70 durchschnittlich 3,8 verschiedene Arzneimittelpräparate regelmäßig zu sich (Dikkey & Morrow, 1990) Therapiemöglichkeiten bei der Reizblase Elektrostimulation Verhaltenstherapie Medikamente BeBo Reedukation InkontinenzHilfsmittel Operative Therapie EBM (evidence-based medicine) Grade der Evidenz: Level 1 Level 2 Level 3 Level 4 Level 5 - ausreichend viele kontrollierte, randomisierte Studien, Reviews zumindest eine kontrollierte, randomisierte Studie gut konzipierte, statistisch aussagekräftige, nicht gruppenzugeteilte Studien Hinweise aus klinischen Berichten Meinung respektierter Experten und/oder Expertenkomitees Neue Definition der Evidenz (BJM 2008) EBM (evidence-based medicine) Grad der Empfehlung Abwegung des Nutzen – Risiko Verhältnisses A: Eindeutige wissenschaftliche Hinweise: Nutzen >>> Risiken B: Wissenschaftliche Hinweise: Nutzen > Risiken C: Wissenschaftliche Hinweise: Nutzen <> Risiken D: Wissenschaftliche Hinweise: Nutzen < Risiken Methode sollte nicht an asymptomatischen Patienten angewandt werden E: Wissenschaftlich wodersprüchliche oder fehlende Hinweise auf das Verhältnis Nutzen ??? Risiko ??? Therapie der Reizblase nach europäischen Richtlinien 2014 1. Wahl Medikamente Zusatztherapien Verhaltenstherapie BeckenbodenPhysiotherapie 2. Wahl Botulinumtoxin Elektrostimulation Katheterismus InkontinenzHilfsmittel Medikamente gegen die Reizblase Wirkungsmechanismus Haupteffekt der Medikamente ist die Verbesserung der Speicherfunktion Vergrößerung der Kapazität, Verzögerung des Harndranges Blasenspezifische Botenstoffe im Nervensystem werden gehemmt Kassen-Medikamente gegen die Reizblase auf dem österreichischen Markt Die EMDA-Methode SH-Aufbau mit Hyaluron oder Chondroitin Botulinumtoxin-A in der Therapie der Detrusorhyperaktivität BOTOX® Zugelassen für die überaktive Blase Vereinzelt wissenschftliche Arbeiten für IC Elektrotherapien Schmerzstimulation im RM N. pudendus Stimulation Chronischer Schmerz Drangsyndrom IC SNM Neuromodulation in der Schmerztherapie Hinterstrangstimulation bei chronischen Rückenschmerzen seit den 70-er Jahren üblich (Implantierbarer Impulsgeber seit 1982) Elektrostimulation (Elektromodulation) mit dem „Magnetstuhl“ Operative Vergrößerung der Blasenkapazität Blasenaugmentation ohne oder mit katheterisierbarem Stoma Zusammenfassung Wichtigste Formen der neurologisch verursachten Blasenstörungen: •Dranginkontinenz („Reizblase“) •Restharn •Blasenentzündungen •oft auch eine Mischung dieser Symptome möglich Medikamente wirken gegen die Reizblase bei neurologischen Erkrankungen deutlich besser als bei der IC Eine IC verursacht keine neurolgischen Erkarnkungen und eine neurologische Erkrankung keine IC Operationen an der Blase selten notwendig Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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