Wenn Hänschen schon nicht wollte - Motivationale Aspekte der Weiterbildungsbeteiligung von bildungsfernen Adressaten Dr. Julia Gorges AE09 Pädagogische Psychologie Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 1 Agenda • Weiterbildungsbeteiligung bildungsferner Gruppen in Deutschland • Motivation – genau genommen • Motivation in der Beratungssituation Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 2 Weiterbildungsbeteiligung nach Bildungsniveau (BMBF, 2014) 80 Weitere Faktoren: Erwerbstätigkeit (Vollzeit), Alter (junges Erwerbsalter), Betriebsgröße (mittel bis groß), Stellung im Beruf (mittel bis hoch) 70 60 50 Motivation niedrig 40 mittel 30 Günstige Gelegenheitsstrukturen hoch 20 10 0 WB insgesamt betriebliche WB ind.-berufs. WB nicht berufs. WB Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 3 Stichwort bildungsfern • Kernmerkmal bildungsfern • Niedriger Schulabschluss, keine Berufsausbildung • Mit Blick auf Weiterbildungsbeteiligung auch mittleres Bildungsniveau deutlich benachteiligt • Soziale Disparitäten im deutschen Bildungssystem • Primäre Ungleichheiten: Differentielle Lern- und Entwicklungsumgebungen, Vorkenntnisse, schulische Kompetenzentwicklung, Erfolgserlebnisse und Motivation • Sekundäre Ungleichheiten: Elterliche Bildungsentscheidungen, Differentielle Prioritäten am Ende der Sekundarstufe I Individuelle Lernmotivation kann, muss aber nicht ausschlaggebend sein Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 4 Motivation…ein kleines Wort mit vielfältiger Bedeutung Motivationstheorien WARUM verhält sich eine Person in bestimmter Art und Weise? Motive, Ziele, Überzeugungen Initiierung, Ausrichtung und Persistenz von Verhalten Auswirkungen auf Erlebensqualität Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 5 Motivation – genau genommen Handlung Person Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 Umwelt 6 Motivation – genau genommen Handlung Person Umwelt Anlässe für Weiterbildung - (drohende) Arbeitslosigkeit - Vorgaben seitens Arbeitgebern / Berufsverbänden / Gesetzgeber - Herausfordernde Situationen / Veränderungen - Soziale Einflüsse (Kollegen etc.) Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 7 Motivation – genau genommen Handlung Person Wert (positiv) - Wert (negativ) Intrinsischer Wert - Monetäre Kosten (Spaß, Interesse am Thema) - Zeitaufwand - Anstrengung - Psychologische Kosten - Soziale Kosten - Opportunitätskosten Nutzwert (Beitrag zum Erreichen anderer Ziele) - Umwelt Persönlicher Wert (Beitrag zu Identität) Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 8 Motivation – genau genommen => „Will ich das und warum?“ Wert Wert (positiv) Wert (negativ) - Intrinsischer Wert - Monetäre Kosten - Nutzwert - Zeitaufwand - Persönlicher Wert - Anstrengung - Psychologische Kosten - Soziale Kosten - Opportunitätskosten Erfolgserwartung Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 9 Motivation – genau genommen Erfolgserwartung => „Kann ich das?“ Eigene Stärken und Schwächen Spezifische Kompetenzen Unspezifische Kompetenzen Fachspezifische & allgemeine Selbst- und Zeitmanagement akademische Selbstkonzepte Abschirmung von attraktiven Vorwissen Handlungsalternativen Intellektuelle Fähigkeiten Belohnungssaufschub Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 10 Wie kommt es zu Erfolgserwartung und Wert? (Wahrnehmung von) Sozio-kulturelles Umfeld Ziele Selbstkonzepte Interessen Erfolgserwartung Ressourcen zur Motivationsförderung: Abstrahierte, selbstbezogene Vorstellungen & spezifische, biografische Erlebnisse Frühere (Lern-) Erfahrungen Weiterbildungs -teilnahme Subjektiver Wert von Weiterbildung Gefühlsbezogene Erinnerungen Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 11 Zur Rolle von (schulischen) Vorerfahrungen • Schulfachspezifische Kompetenzüberzeugungen haben nachhaltige Wirkung bei wahrgenommener Ähnlichkeit der Lerninhalte Mathematik BWL • Bei inhaltlicher Überlappung sind auch schulfachspezifische Wertüberzeugungen nachhaltig wirksam Physik Maschinenbau • Repräsentative affektive Erinnerungen können neue Bildungsentscheidung stützen, aber auch hemmen Erfolgserlebnisse und positive, affektgeladene Erfahrungen sind eine wichtige Ressource für Motivation Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 12 Motivation in der Beratungssituation Auch wenn Hänschen (noch) nicht wollte – Hans ist zumindest interessiert… Unmittelbarer Ertrag durch konkreten und möglichst unmittelbaren Anwendungsbezug des Gelernten Wert „Will ich das und warum?“ Anerkennung der Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt - Ganz persönlicher Nutzen – Verknüpfung mit wichtigen persönlichen Zielen Intrinsischer Wert Nutzwert Persönlicher Wert Berücksichtigung monetärer und nichtmonetärer Erträge (z.B. in der Familie, im sozialen Umfeld) Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 13 Motivation in der Beratungssituation …und Weiterbildung hat Hans viel zu bieten… Weiterbildung als Gegenentwurf zu Schule durch Spaß im Kurs und innovative Lehr-LernFormen Wert „Will ich das und warum?“ Weiterbildung zur Interessenverfolgung und Selbstverwirklichung („für jeden etwas dabei“) - Reflexion von in Person verankerten bildungsaffinen Eigenschaften (z.B. Neugier) und Tugenden (z.B. Fleiß) Intrinsischer Wert Nutzwert Persönlicher Wert Erhöhung der Salienz positiv-affektiver Erinnerungen – Aktivierung im Gespräch Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 14 Motivation in der Beratungssituation …Hans ist nicht aufzuhalten… Finanzierbare monetäre Kosten – Finanzierungsmöglichkeiten ausloten Wert „Will ich das und warum?“ - Monetäre Kosten Zeitaufwand Anstrengung Psychologische Kosten Soziale Kosten Opportunitätskosten Realistische Einschätzung von Aufwand und Ertrag unterstützen Commitment erhöhen – „trotzdem“ & „jetzt erst recht“ Positive Vorerfahrungen ermöglichen – Weiterbildungsbeteiligung schrittweise steigern Erhöhung der Salienz von lohnendem Lernengagement – Aktivierung im Gespräch Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 15 Motivation in der Beratungssituation …und Hans kann es schaffen! Anknüpfen an „Lieblingsfächer“ Erfolgserwartung „Kann ich das?“ Bestandsaufnahme – Was kann ich gut? Wo kenne ich mich aus? Fachspezifische & allgemeine akademische Kompetenzüberzeugungen Vorwissen Intellektuelle Fähigkeiten Selbst- und Zeitmanagement Belohnungssaufschub Selbstmanagement und Lernstrategien kann man lernen – Unterstützung vermitteln Teilziele erreichen und Erfolgserlebnisse ermöglichen – Weiterbildungsbeteiligung schrittweise steigern Erhöhung der Salienz von Erfolgserlebnissen – Aktivierung im Gespräch Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 16 Motivationale Aspekte – eine Übersicht Wert „Will ich das und warum?“ Erfolgserwartung „Kann ich das?“ Positive Wertaspekte Spezifische Kompetenzen Negative Wertaspekte Unspezifische Kompetenzen Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 17 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: [email protected] Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 18 Weiterführende Literatur Gorges, J. (2015). Warum (nicht) an Weiterbildung teilnehmen? Ein erwartungs-wert-theoretischer Blick auf die Motivation erwachsener Lerner. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18(1) (Sonderheft 30), 9-28. Gorges, J. & Hollmann, J. (2015). Motivationale Faktoren der Weiterbildungsbeteiligung bei hohem, mittlerem und niedrigem Bildungsniveau. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18(1) (Sonderheft 30), 51-69. Gorges, J., & Göke, T. (2015). How do I know what I can do? Anticipating expectancy of success regarding novel academic tasks. British Journal of Educational Psychology, 85(1), 75-90. Kaufmann, K., & Widany, S. (2013). Berufliche Weiterbildung–Gelegenheits-und Teilnahmestrukturen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 16(1), 29-54. Reich-Claassen, J. (2010). Warum Erwachsene (nicht) an Weiterbildungsveranstaltungen partizipieren : Einstellungen und prägende Bildungserfahrungen als Regulative des Weiterbildungsverhaltens ; eine qualitativ-explorative Untersuchung erwartungswidriger Teilnahme und Nichtteilnahme an Erwachsenbildung. Berlin: LIT. Wigfield, A., & Eccles, J. S. (2000). Expectancy–value theory of achievement motivation. Contemporary educational psychology, 25(1), 68-81. Dr. Julia Gorges • Berliner B-Tag • 25. Juni 2015 19
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