Rektor wollte Kesb auf den Plan rufen

Kantone
Sonntag, 13. März 2016 / Nr. 11 Zentralschweiz am Sonntag
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Rektor wollte Kesb auf den Plan rufen
SCHULEN Streit zwischen
Eltern, Schülern und Lehrern
kommt vor. In Cham aber
eskalierte ein solcher Konflikt –
mit drastischen Folgen.
WOLFGANG HOLZ
[email protected]
Weil dem Sohn von René Baumgartner
ein «Liftkurs» in Französisch letztes Jahr
verweigert wurde, protestierte der Vater
bei der Chamer Schulleitung. Schüler, die
dank besserer Noten in der Sekundarund Realschule in einen höheren Niveaukurs wechseln, werden bekanntlich in
solchen Zusatzkursen unterstützt, damit
sie verpassten Lehrstoff aufholen können.
So ist es auf der Website der Bildungsdirektion zu lesen. «Dieser Liftkurs wurde zwar vom Schulleiter zuerst angekündigt, später aber grundlos verweigert»,
erzählt der 47-jährige Elektroingenieur.
Folge: Sein Sohn habe den Stoff selber
aufarbeiten und gleichzeitig alle Prüfungen des Niveaus A nachholen müssen.
Zudem seien alle Noten des Niveaus B
gestrichen worden. Weil dies nicht klappte, sei sein Sohn ins Niveau B zurückgestuft worden. Baumgartner: «Er verlor
die Motivation an Französisch.» Sein
Vorschlag, auf den Liftkurs zu verzichten
und nur die Noten zu zählen, sei grundlos vom Chamer Rektor Philip Fuchs
abgewiesen worden. «Mein Sohn und ich
wurden im Gespräch angeschrien.»
Vater beschwert sich bei Gemeinde
Der Vater reichte eine Aufsichtsbeschwerde beim Gemeinderat ein. Dieser
wies diese im Herbst zurück: «Wesentliche Verfahrensfehler sind auszuschliessen. Das Angebot des Liftkurses wurde
zwar verspätet, aber aufgrund des Entscheids des Rektors gesprochen», hiess
es. Doch diese Offerte sei erst erfolgt, so
Baumgartner, nachdem er die Beschwerde eingereicht habe. Und nachdem sein
Sohn längst bei anderen Lehrern in einem
anderen Schulhaus gewesen sei. Also viel
zu spät. Er gibt zu, dass er ein Jahr lang
mit der Gemeinde herumgestritten und
dabei auch provozierende E-Mails verfasst
habe. «Ich bin aber kein Querulant.»
Die Gemeinde schliesslich schlägt ein
Gespräch mit der Ombudsfrau vor. Offen-
«Die Gemeinde hat
die Ombudsstelle
eingeschaltet.»
M A RT I N M E N G I S ,
GEMEINDESCHREIBER CHAM
bar ohne eine Einigung zu erzielen. «Es
gelang nicht», sagt Baumgartner, «den
Chamer Schulvorsteher Beat Schilter zu
einer Aussage zu bewegen, warum der
Kurs nicht stattgefunden hat.»
Zuvor suchte indes Chams Rektor Philip Fuchs sein Heil in Sachen Konfliktbewältigung, indem er Anfang Januar eine
Gefährdungsmeldung an die Kindes- und
Erwachsenenschutzbehörde Zug (Kesb)
verfasste. «Die Zusammenarbeit zwischen
Herrn Baumgartner und den Schulen
Cham ist seit Eintritt seines Sohns in die
Oberstufe sehr stark belastet und zur Zeit
nicht mehr möglich», heisst es in der
Gefährdungsmeldung von Philip Fuchs.
Und weiter: «Der Konflikt eskaliert. Nach
einem Gespräch mit dem Rektor und
dem Schulpräsidenten wurden alle Versuche zu Gesprächen abgelehnt, weil sie
nicht genau in der gewünschten Zusammensetzung stattfinden konnten.»
Kesb dafür gar nicht zuständig
Die Kesb schaute sich die Sache an,
kam aber zum Schluss, dass es sich um
keine Gefährdung des Kindswohls handelte. Wie Gabriella Zlauwinen, Amtsleiterin der Kesb Zug, auf Anfrage mitteilt,
«war uns schnell klar, dass wir dafür nicht
zuständig sind, sondern dass es sich um
einen Konflikt zwischen Eltern und Schule handelt». Zuvor hatte der Chamer
Rektor in einem Mail an einen KesbMitarbeiter, das der Redaktion vorliegt,
über besagten Sohn geschrieben: «Er
wirkt ängstlich – in Mundart ‹verknit-
tert› –, er scheint sich nicht richtig entwickeln zu können, er lügt sehr viel.»
Rektor Philip Fuchs nimmt zu den Geschehnissen keine Stellung. «Da sich die
Kommunikation zwischen der Gemeinde
beziehungsweise zwischen den Schulen
Cham und Herrn Baumgartner seit längerem als sehr schwierig erwiesen hatte,
hat die Gemeinde die Ombudsstelle des
Kantons Zug eingeschaltet», erklärt Gemeindeschreiber Martin Mengis. In Anwesenheit der Ombudsfrau Katharina
Landolf habe eine Aussprache zwischen
René Baumgartner und der Gemeinde
stattgefunden, wobei das weitere Vorgehen gemeinsam festgelegt worden sei.
«Zu weiteren Fragen nehmen der Gemeinderat und die Schulen Cham aufgrund des Persönlichkeitsschutzes und
laufender Verfahren keine Stellung.»
Apropos: Der Konflikt zwischen Vater
und Rektor geht weiter – bald treffen sich
beide zur Vergleichsverhandlung bei der
Staatsanwaltschaft. Es geht um Gewalt
und Drohung gegen Behörden und Beamte, üble Nachrede, Verleumdung und
Beschimpfung.
Der Mann mit dem feinen Gespür für die Männersorgen
ZUG Es ist nicht «jederManns» Stärke, über Kummer
zu sprechen. Tom Huber will
dies durch Strassenarbeit
ändern – mit einem einzigartigen Angebot.
Der Mann – das starke Geschlecht.
Der unerschrockene Krieger, der seinen
Mann in jeder Situation steht, keinen
Schmerz kennt. Und Gefühle zeigen, das
tut ein echter Kerl erst recht nicht.
Es ist das leicht überspitzte Rollenklischee, das dem Mann anhaftet, von
der Natur vielleicht im Kern vorgegeben,
von der Gesellschaft jedoch letztlich
geprägt. Männer brauchen oft Jahre, bis
sie sich eingestehen, dass sie mit ihrer
Lebenslage nicht mehr zurechtkommen
und notfalls professionelle Unterstützung suchen sollten. Die Hemmschwelle, sich zu öffnen und über Sorgen,
Ängste und Emotionen zu sprechen, ist
bei Männern generell hoch.
Small Talk zu Beginn
Diesem gesellschaftlich verankerten
«Einzelkämpfer»-Phänomen hat sich
der Verein Männer Zug vor Jahren angenommen. Der Verein hat ein Projekt
der aufsuchenden Männerarbeit entwickelt und dieses im November 2014
an das Fachzentrum Eff-Zett übergeben.
Wenn die Männer also nicht kommen,
um Hilfe zu suchen, so muss man die
Sache eben umdrehen und zu ihnen
gehen. Diese Aufgabe hat in Zug Tom
Huber im Sommer 2013 von seinem
Vorgänger übernommen. An öffentlichen Orten in der Stadt Zug – etwa am
See, im Bahnhof, im Metalli – sucht er
locker und unverbindlich den Kontakt
zu potenziellen Klienten, um ihnen ein
offenes Ohr zu bieten und bei Bedarf
das Angebot dieser aufsuchenden Män-
Tom Hubers Arbeitsumfeld
sind die öffentlichen Orte der Stadt Zug.
Bild Werner Schelbert
nerarbeit vorzuschlagen. Eine Tasche
mit dem Eff-Zett-Logo ist sein diskretes
Erkennungszeichen.
«Es funktioniert am besten, wenn am
Beginn ein simpler Small Talk steht»,
sagt der Luzerner, der für seine Aktion
«Huber sucht» die Grundbegabung
braucht, auf Menschen zuzugehen und
sie abzuholen. «Oft sehe ich es den
Männern an, wenn es ihnen nicht gut
geht. Sei es an ihrem Ausdruck oder an
der Haltung», erklärt Huber. Er verlasse
sich auf sein Gespür und handle dann
intuitiv. Er merkt sofort, wenn ein Angesprochener bereit ist, mit ihm in den
Dialog zu treten – oder auch nicht.
«Wichtig ist, dass alles stets auf Augenhöhe vor sich geht und Sympathie
mitspielt. Punktuell bin ich auch sehr
direkt mit meinen Worten oder humorvoll. Damit erreiche ich die Männer.»
Dabei erlebt Tom Huber immer wieder,
dass die Männer – wenn das Eis geschmolzen und das Vertrauen gefestigt
ist – plötzlich frank und frei über das
sprechen, was sie beschäftigt. «Für
viele ist es Neuland, dass ihnen jemand
zuhört und sie ernst genommen werden», sagt Huber. Dabei deckt das
Kummerspektrum die ganze Bandbreite ab: Job, Finanzen, Liebe, das soziale
Netz, Ehekrisen, ein Hadern mit sich
selbst ... Allen erdenklichen Problemen
ist Huber schon begegnet. «Es ist ein
berührender Moment für die Männer,
wenn sie sich öffnen können, nachdem
sie ihre Last lange mit sich herumgetragen haben», sagt Huber.
Im Verlauf des Dialogs kriegt er ein
Bild von der Situation seines Gesprächspartners. Wenn dieser es möchte, hat er die Gelegenheit für ein sogenanntes Street Coaching, ein kostenloses Beratungsgespräch – ein- oder je
nach Bedarf mehrmalig, üblicherweise
an einem ruhigen Ort an der Seepromenade. «Auch dies führt dazu, dass
die Hemmschwelle niedriger bleibt, als
wenn das Gespräch in einem ‹sterilen›
Sitzungszimmer stattfinden würde», so
Huber. «Das Coaching-Angebot wird
gerne in Anspruch genommen.»
Weiterführende Unterstützung
Neben dem Street Coaching ist auch
die Triage ein wichtiger Faktor bei Tom
Hubers Tätigkeit. Heisst, dass er seinen
Klienten je nach Bedarf Wege und Fachstellen aufzeigt, an die sie sich für weiter-
führende Hilfe wenden können. Huber
arbeitet in einem 30-Prozent-Pensum
beim Fachzentrum Eff-Zett und ist wöchentlich mehrere Stunden im Freien
unterwegs für seine aufsuchende Arbeit.
Auch wenn er sich in seinem Büro in
Zug aufhält, ist Huber stets via Beratungstelefon erreichbar, eine Art dargebotene
Hand für Männer, über welche sie Beratung oder Triage-Angebote erhalten.
Für Tom Huber ist seine Arbeit mit
Menschen sehr bereichernd. «Ich bin
frei darin, wie ich auf die Leute zugehen
möchte», sagt er. «Dabei kann ich mich
einbringen als der, der ich bin. Meine
Arbeit bringt jeden Tag etwas Neues. Zu
beobachten, dass sich die Männer positiv entwickeln und selbstbewusster werden, ist das Highlight an der Arbeit.»
Positives Fazit
Erste Auswertungen des Projektes mit
der Bezeichnung «Huber sucht» zeigt,
dass es unter der männlichen Bevölkerung ein konstantes Bedürfnis nach
konkreter inhaltlicher Beratung sowie
emotionaler Unterstützung gibt. Auf
diesem Gebiet hat Männer Zug schweizweit Pionierarbeit geleistet. Auch heute
noch ist das Angebot in Zug in seiner
Form einmalig hierzulande und wird
vom Eff-Zett geführt. Es wird festgehalten, dass durch «Huber sucht» eine
wichtige Lücke in der Beratungslandschaft geschlossen werden kann. Dadurch, dass Männer erreicht werden,
welche konventionelle Beratungsangebote meiden, aber dennoch Beratungsbedarf haben, können psychosoziale
Chronifizierungen eingedämmt und
nicht zuletzt Kosten gespart werden.
ANDREAS FAESSLER
[email protected]
HINWEIS
Alles Wissenswerte unter www.eff-zett.ch,
Kontakt: [email protected],
Hubers Beratungstelefon: 076 495 60 15.
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16.–20. März, Messe zürich