Präsentation von Andrea Ott, Netzlounge vom

Palliative Care in der
spezialisierten
Langzeitversorgung
Mission (im)possible?
17. März 2016
Netzlounge
Palliativnetz ZH und SH
Andrea Ott
Co-Leitung Pflege und Betreuung ZLH,
RN, Pflegefachfrau BNSc,
MAS in Palliative Care,
MAS in Adult & Professional Education
Themenbereiche
•  Fallsituation ZLH
•  Spezialisierte Palliative Care Langzeitversorgung ZLH
•  ZLH in Zahlen
•  Aktuelles, gesellschaftliches Umfeld
•  Weitere Herausforderungen spezialisierte Palliative Care
Langzeitversorgung ZLH
•  Zukunftsvision ZLH
Zürcher Lighthouse Fallsituation Frau Müller*
* Name geändert
•  Geboren 1940 in Kroatien
•  Ex Ehemann in Genf als einziges Beziehungsnetz (zu Bruder und
Schwägerin kein Kontakt)
•  Lehrbeauftrage einer Universität (lehrte serbokroatisch)
•  Adenokarzinom des Endometriums ED 03/2014
Umfassende und langjährige Allergieneigung
PAVK, Menignom Sinus cavernsoum
St. n. regredierten Hemiplegiesyndrom 10/2010
•  Symptomatische Beschwerden: Bauchsz re durch Metastasen, Sz im
Knie li, Kopfsz, Gelenkschmerzen
Fallsituation Frau Müller*
* Name geändert
Entscheidungs-­‐
findung Therapien Total pain Entscheidungs-­‐
findung Lebensende Selbst-­‐ Konzept (Coping) Zu Hause sein organisieren Essen ? VW, Schuhe usw. Spezialisierte Palliative Care
BAG, Rahmenkonzept PalliaHve Care in der Schweiz, 2015 Unser Auftrag
Behandlung von Menschen, die eine komplexe
palliative (Langzeit-)Betreuung benötigen mit dem Ziel
der Linderung und bestmöglichen Verbesserung der
Lebensqualität, insbesondere im Bereich der
der Symptomkontrolle und der psychosozialen
Stabilisierung.
Gerade auch jüngere Menschen finden so ein
Langzeitsetting, das nicht primär auf betagte Menschen
ausgerichtet ist.
Unser Auftrag
Die wichtigsten Elemente, wenn ein Mensch in der Institution/
Akutpflege verstirbt:
1.  Effektive Kommunikation und ein «shared decision making»
2.  Experten, welche pflegen und behandeln («expert care»)
3.  Respektvolle und empathische Fürsorge/Pflege/Behandlung
4.  Vertrauen in «clinicans»
(Virdun, Luckett, Davidson & Phillips, 2015)
Organisation
Stiftung und Bevölkerung
Inter-­‐
professionell
es Team Pflege Bewohner und Angehörige Zuweiser: Hausärzte, Spitäler, Privatpersonen, Ambulante Dienste Ärzte Sozialdienst Hotellerie Seelsorge Freiwillige Psychologischer Dienst KreaCvatelier Verwaltung Pflegedienstleistun
g Hospizleitung Physiotherapie Seite 9
Lighthouse in Zahlen
Aufenthalte absolut 2013/14
1
9
0
12
53
48
Aufenthalte 2013
Aufenthalte 2014
Eingetreten
Bestehend (2012)
Wiedereintritt
•  DurchschniGliche BeGenbelegung: 83% = 12 von 16 BeGen Seite 10
Lighthouse in Zahlen
Austritte/Todesfälle absolut pro Jahr
7
9
6
5
5
Austritte
60
45
2010
2011
Verstorben
58
2012
45
44
2013
2014
Seite 11
Lighthouse in Zahlen 2014 Anzahl Personen
Aufenthaltsdauer absolut in Tagen 2014
16
10
6
6
bis 5 Tage
6 bis 10 Tage
6
11 bis 20 Tage 21 bis 50 Tage 51 bis 100 Tage
8
8
101 bis 200
Tage
201 bis 365
Tage
Seite 12
Lighthouse in Zahlen 2014
Häufigste Erkrankungen
Hals Nasen
Ohren
Harnorgane
Andere
HIV
Gehirn
Maligne
Erkrankung
en
Brust W
Blut
Haut
Verdauungstrakt
& Peritoneum
Genitalorgan
M/W
Atmungs- &
Thoraxorgane
Seite 13
Lighthouse in Zahlen 2014
Kostenzusammensetzung
Stiftung
Bewohner &
Garanten
Fr.324.00
Fr.478.00
Kosten pro Pflegetag:
802.- CHF
Seite 14
Lighthouse aktuell Aktuell:
12 Betten spezialisierte Langzeitpflege Palliative Care
4 Betten Palliativstation Kooperation USZ
Aktuelles, gesellschaftliches
Umfeld Die individualisierte Gesellschaft…
Nach einem marktgesellschaftlichen Muster lässt sich mittlerweile alles
wählen, denn Lebensqualität ist subjektiv!
Beispielsweise das Lebensmuster, die Kinder, ihre Anzahl, den Beruf, den
Wohnort, usw…
Und am Lebensende: Der flexible Mensch steht unter dem Zwang,
sein Leben zu gestalten(nach Soziologe Richard Sennet). Der Segen
der Freiheit hat sich in den Fluch des Gestaltungszwangs gewandelt
(Gronemeyer und Heller, 2014).
Beispiele aus dem Lighthousealltag (Bewohner- und Patientenaussagen):
«Ich brauche vegane Kost-übel, dass sie das nicht hinkriegen….»
« Ich will nicht von allen Pflegenden betreut werden, sondern nur von diesen Drei!»
«Ich sage, wo die ventrogluteale Injektion hinkommt und wer sie macht….»
Aktuelles, gesellschaftliches
Umfeld Die leistungsorientierte (kontrollierte) Gesellschaft…
«Die Orientierung an Leistung (….) lenkt die Aufmerksamkeit
permanent nach aussen. Das lässt uns persönlich immer weniger
auf unser Inneres hören und unser Bewertungssystem beobachten.»
(Dr. sc. ETH Peter Krummenacher und Dr. phil. Franziska Moser in einem Artikel mit dem Titel «Burnout:
Sinnkrise des Individuums oder Symptom eines Systems»)
Beispiele aus dem Lighthousealltag (Aussagen von Angehörigen):
«Ich muss wissen, zu welchem Zeitpunkt meine Mutter stirbt, sonst kann ich nicht planen im
Geschäft….»
«Rufen sie mich an, wenn meine Mutter am Sterben ist….»
«Ich kann dann nicht zum Rundtischgespräch kommen, ich werde dringend bei der Arbeit
gebraucht…» Anmerkung: Aussage nach 3 Terminvorschlägen…
«Ich muss bei der Arbeit erscheinen, mein Chef macht jetzt schon Bemerkungen wenn ich
etwas früher gehe. Ich habe angst, meinen Job zu verlieren….»
Aktuelles, gesellschaftliches
Umfeld Wir leben in einer Gesellschaft, in der eine ökonomisierte Medizin
umgesetzt wird…
….Finanzierung Akutpflege/Langzeitbetreuung/Ambulante Pflege….
….Selbstbeteiligung oder nicht, alles Material bezahlt oder nicht….
….BESA und RAI-HC….was wir abrechnen können und was nicht..
…Stellenpläne: Langzeitheimbereich: ca. 0.6 Pflegestellen/Bett
Spezialisierte Langzeitversorgung: 1,2 Pflegestellen/Bett
…...Aktuell 1-1,5 Mio. Fr. von Stiftung pro Jahr (davon 300.-Fr./Tag/BewohnerIn)
Beispiele aus dem Lighthousealltag (Bewohner- und Patientenaussagen):
«Wir bezahlen für die Langzeitpflege unseres Vaters 271.60/Tag, also dürfen wir auch hohe
Anforderungen an sie als Institution stellen…»
«Ich weiss nicht, wie ich die Rechnungen bezahlen soll….»
Aktuelles, gesellschaftliches
Umfeld Eine Gesellschaft, die medikalisiert ist…
Beispiele aus dem Lighthousealltag (Bewohner- /Patienten-/und Angehörigenaussagen):
«Also irgendein Medikament wird doch wohl helfen….»
«Also diese «charcheln» ist so unschön, geben sie was…»
«Ich habe doch Schmerzen, das sollte doch nicht sein….»
Aktuelles, gesellschaftliches
Umfeld «Irgendwo hatte sie gelesen, dass vor zweihundert Jahren neunzig
Prozent aller Kinder das Alter von 3 Jahren nicht erreicht hatten.
Aber das war früher gewesen, zu einer Zeit, in der die Menschen
besser darauf vorbereitet waren, den Tod ihrer Nächsten
anzunehmen, weil der Tod allgegenwärtig war.»
(Musso in seinem Roman «Engel im Winter»)
Der Tod ist nicht mehr allgegenwärtig-und das bringt
gesellschaftliche Veränderungen mit sich mit…
Beispiele aus dem Lighthousealltag (Bewohner- /Patienten-/und Angehörigenaussagen):
«Wie können Sie es nur zulassen, dass unsere 80-jähirge Mutter nun stirbt?»
«Also in so ein Sterbehaus will ich nicht…»
«Können wir die Sitzung nicht ausserhalb dieses Sterbeghettos machen, es wäre mir
sympathischer…»
Weitere Herausforderungen
Was sollen wir alles anbieten oder auch nicht anbieten?
•  Parenterale Ernährung via ZVK, PCA, Perfusoren in allen Variationen,
Beatmungen, Chemotherapien,…….
•  Was steht im Vordergrund-alles in der Medizin mögliche eventuell umzusetzen
oder vor allem eine psychosoziale Begleitung zu ermöglichen?
Unterschied Palliativstation und Hospiz
• 
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Palliativstation=Akutstation, Spital
Hospiz=Herberge mit Gastfreundschaft
Hospiz ≠ Hospiz (unterschiedlichen Entwicklung)
Kompetenzzentrum=«Wir können, was andere nicht können….»
Tendenz zu schnellen Aufnahmen, auch im Langzeitbereich
Wer bezahlt?
•  Krankenkasse, Gemeinde , Bewohner, Stiftung…..
Wie bleiben wir Mitarbeitende dabei gesund?
•  Knapp 100 Todesfälle im Jahre 2016 auf 16 Betten, durchschnittliche
Aufenthaltsdauer ca. 30 Tage-SOS?!?
Weitere Herausforderungen
Interprofessionelle Zusammenarbeit
•  Wer ist dabei von den Profis? Wie organisierbar und bezahlbar?
•  Freiwilligenarbeit-neu aufgabenbezogen!
Lighthouse ZukunT Vision Wäldli-ein Haus für Palliative Care:
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Palliativstation
Hospizbetten
Tageszentrum
Arztpraxis
Spitexanbindung
ALLES UNTER EINEM DACH!
Anfang 2018 sollte es soweit sein….
Über unsere Internetseite
www.zuercher-lighthouse.ch
können Sie sich aktuell informieren
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Quellen
Borasio, G.D. (2011/2014). Über das Sterben-Was wir wissen-was wir tun können-wie
wir uns darauf einstellen
Borasio G.D. (2014). Selbst-bestimmt-sterben. Was es bedeutet. Was uns daran
hindert. Wie wir es erreichen können
Heller, A. (2014). Muss auch noch das Sterben gelingen? Wider die Verprojektierung
des Sterbens. In Praxis Palliative Care (25)
Gronemeyer R. & Heller A. (2014). In Ruhe sterben-Was wir uns wünschen und was
die moderne Medizin nicht leisten kann
Krummenacher, P. & Hofer, F (2014). Burnout: Sinnkrise des Individuums oder
Symptom unseres Systems? Beilage im Tages Anzeiger im Dezember (Mediplanet)
Quellen
Madörin, M. & ZHAW (2014). Der Kostendruck auf das Gesundheitswesen und die
Pflege
Madörin, M. & ZHAW (2014). Das neue Wirtschaftlichkeitsgebot - Kostenkorsetts für die
Pflege
Musso, G. (2013). Ein Engel im Winter
Musso, G. (2014). Vielleicht morgen
Ott A. (2005). Verleugnung als Bewältigung - aushalten, durchhalten oder
entgegenhalten? Oder wie Pflegende angemessen intervenieren können.........
Ott, A. & Shaha, M. (2008). Interventionen bei Ungewissheit von Krebsbetroffenen,
insbesondere im Fokus von Palliative Care
Ott A. & Monteverde S. (2012). Den Schmerz nehmen, aber nicht die Autonomie.
Krankenpflege 9/2012