GOLDENES INTERVALL – DIE ERSTEN 1000 TAGE

GOLDENES INTERVALL – DIE ERSTEN 1000 TAGE
Die ersten 1000 Tage beschreiben den Zeitraum von
der Befruchtung bis zum 2. Geburtstag.
In diesem Zeitfenster entstehen Organe, das Immunsystem bildet sich aus, der Stoffwechsel reift. Das
Gehirn beginnt den Wachstumsspurt und verdreifacht sich bis zum Ende des 2. Lebensjahres.
Ernährung und Umweltreize können in dieser
sensiblen Phase einen Menschen nachhaltig prägen.
Das britische Medizinjournal Lancet spricht daher
auch vom „Goldenen Intervall der Interventionen“.1
Mit Hilfe der Epigenetik, der Wissenschaft vom Anund Abschalten der Gene, wird untersucht, wie sich
äußere Einflüsse auf die Entwicklung eines Lebewesens auswirken. Nährstoffe und bioaktive Bestandteile in der Nahrung können die Expression bestimmter Gene (d. h. die Ausprägung genetischer Informa-
tionen) durch unterschiedliche Prozesse beeinflussen. Ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern,
kann mit Hilfe epigenetischer Mechanismen die
Ausprägung bestimmter Merkmale aktiviert oder
deaktiviert werden. So legt die DNA zwar den
Bauplan eines Lebewesens fest, dessen Ausprägung
kann jedoch durch äußere Faktoren, wie beispielsweise eine gesunde Ernährung, noch maßgeblich
beeinflusst werden.
Eine fetale Überernährung durch die Ernährungsgewohnheiten der Mutter in der Schwangerschaft oder
eine schnelle Gewichtszunahme durch u. a. übermäßige Eiweißaufnahme im Säuglingsalter sind z. B. mit
einem erhöhten Risiko für Übergewicht und damit
assoziierten Erkrankungen wie Diabetes und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden.
SCHWANGERSCHAFT:
DIE ERSTEN 270 TAGE – GESUNDE ERNÄHRUNG
BEGINNT IM MUTTERLEIB
Mit einem gesunden Lebensstil können während der
Schwangerschaft Risikogene beim ungeborenen
Baby stummgeschaltet werden (Epigenetik).
Werdende Mütter haben einen erheblichen Mehrbedarf an wichtigen Mikronährstoffen. Im Verhältnis
dazu steigt der Energiebedarf nur leicht an.
Hier sind besonders die hohe Qualität der Nahrung
und eine ausgewogene Nährstoffzusammensetzung
entscheidend.
Nicht doppelt so viel essen, sondern doppelt so gut:
Der Mehrbedarf an Kalorien steigt bei Schwangeren
nur um rund 250 kcal – das ist ungefähr eine Scheibe
Vollkornbrot mit Käse.
Übergewicht beginnt im Mutterleib: Kinder mit einem
Geburtsgewicht von über 4000 Gramm haben in
ihrem späteren Leben ein doppelt so hohes Risiko,
übergewichtig zu werden.2
1 http://mail.elsevier-alerts.com/go.asp?/bELA001/mJN91O4/uV8HT5/xX7UK8
2 Schellong K, et al., Birth Weight and Long-Term Overweight Risk: Systematic Review and a Meta-Analysis Including 643,902 Per¬sons from 66 Studies and 26 Countries
Globally. PloS One 2012;7.
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NACH DER GEBURT:
DIE ERSTEN 365 TAGE –
VON DER MUTTERMILCH ZUR BEIKOST
Das Geburtsgewicht ist ein guter Indikator für eine
gesunde Funktion von Organen und Stoffwechsel –
2400 bis 4000 Gramm sind normal.
Nach der Geburt schützt Stillen, u. a. durch den
niedrigen Eiweißgehalt von höchster Qualität, am
besten vor einer ungünstigen Programmierung des
kindlichen Stoffwechsels.
Studien zeigen, dass gestillte Kinder ein geringeres
Risiko für Übergewicht und damit assoziierten
Erkrankungen im späteren Leben haben als mit
herkömmlicher Säuglingsmilch ernährte Kinder.3
Die Nährstoffe der Muttermilch und die Reserven
des Babys reichen bis etwa zum 6. Monat aus, um
das Wachstum optimal zu fördern.
Ab spätestens dem 7. Monat sollten Kalorien und
Nährstoffe, wie Eisen und Vitamine, zunehmend über
Beikost zugeführt werden, damit der wachsende
Bedarf der Babys gedeckt werden kann.
Was Kinder in dieser sensiblen Phase essen, kann
die Vorlieben ein Leben lang prägen.
Babys wachsen in den ersten 1000 Tagen so schnell
wie nie mehr danach im Leben:
Nach der Geburt verdreifachen Babys ihr Gewicht
bis zum 1. Lebensjahr und sie wachsen jeden Monat
um ca. 2 cm.
Bis zum 7. Monat ist die Muskulatur so stark
ausgeprägt, dass sich Babys durch robben oder
krabbeln fortbewegen bzw. sitzen können.
DIE ZWEITEN 365 TAGE –
DU BIST WAS DU ISST
Das Gehirn wächst bis zum Ende des 2. Lebensjahres auf 75 Prozent seiner zukünftigen Größe an.
Durch die ausgeprägte Gehirnaktivität zeigen sich
zunehmend Fähigkeiten wie Fühlen, Denken und
Erinnern. Der passive Wortschatz beträgt etwa
200 Wörter.
Das Kind kann nun mit der Familie zusammen essen
und einen Großteil der Familienkost zu sich nehmen.
Oftmals erhalten Kinder zu wenig Nährstoffe, wie
Jod, Vitamin D, Folsäure und Eisen. Hingegen ist die
Eiweißzufuhr durch zu viele Milchprodukte (Milch,
Quark, Joghurt, Käse) in den ersten Lebensjahren oft
zu hoch. Dies ist von Bedeutung, da eine zu hohe
Eiweißaufnahme in den ersten 1000 Tagen als
Risikofaktor für ein erhöhtes Körpergewicht im
späteren Kindesalter gilt.
Es ist wichtig, dass die Ernährung gesund und
kindgerecht ist, denn ein Kleinkind hat besondere
Ernährungsbedürfnisse, wie z. B. einen deutlich
höheren Bedarf an Vitaminen und Nährstoffen.
3 Harder T, et al., Duration of Breastfeeding and Risk of Overweight: A Meta-Analysis. Am J Epidemiol 2005;162:397-403.
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Auf das Eiweiß kommt es an:
In der Ernährung von Babys spielen Eiweiße
(Proteine) eine besondere Rolle: Der Nährstoff gehört
zu den Grundbausteinen der Zellen und wird für den
Aufbau von Knochen, Muskeln und Bindegewebe
benötigt.
Ein Zuviel an Eiweiß führt zu einer erhöhten Insulinfreisetzung. Neben Insulin wird zudem die Ausschüttung des Wachstumsfaktors Insulin like Growth
Factor-I (IFG-I) angeregt. Beide Stoffe können die
Gewichtszunahme beschleunigen.5
Der Eiweißbedarf eines Kindes verändert sich
kontinuierlich im Laufe der ersten 1000 Tage, mit
dem Alter nimmt er ab.
Muttermilch versorgt die Kinder optimal mit einer an
den Bedarf angepassten Eiweißmenge von hoher
Qualität.
Zu viel Eiweiß und eine damit verbundene schnelle
Gewichtszunahme kann sich in diesem Goldenen
Intervall negativ auf den Stoffwechsel auswirken und
Übergewicht und spätere Folgeerkrankungen
begünstigen.
Für nicht gestillte Kinder ist Säuglingsmilch mit
einem Eiweißgehalt nahe dem der Muttermilch mit
1,8 g Protein/100 kcal zu bevorzugen.3
Die Annäherung an den niedrigen Eiweißgehalt sowie
an das Aminosäureprofil (Proteinqualität) der
Muttermilch gewährleistet ein Wachstum, vergleichbar mit dem gestillter Kinder.
Bei Babys, die im ersten Lebensjahr gestillt werden,
sinkt die Wahrscheinlichkeit, im späteren Leben
übergewichtig zu werden, um 25 Prozent.
Die Frühe Protein Hypothese4 sagt aus, dass die
übermäßige Proteinzufuhr zu einem frühen Zeitpunkt
im Leben zu einer beschleunigten Gewichtszunahme
führt und die Neigung zu späterem Übergewicht und
damit assoziierten Krankheiten programmieren kann.
Kuhmilch sollten Kinder aufgrund des hohen
Eiweißgehaltes erst nach dem ersten Lebensjahr
bekommen.
4 Koletzko B et al., Can infant feeding choices modulate later obesity risk?. Am J Clin Nutr 2009;89:1502-8.
5 Axelsson IE et al., Protein intake in early infancy: effects on plasma amino acid concentrations, insulin metabolism, and growth. Pediatr Res 1989;26:614–7.
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