16 „Man gibt etwas und kriegt etwas zurück“

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Stadt Gießen
Samstag, 19. September 2015
Gießener Anzeiger
Zehntklässler der
Aliceschule verzieren unter Anleitung
von Künstler „Scid“
die Außenfassade
des MTV-Vereinsheims mit GraffitiMotiven der dortigen Sportarten. Die
Pflege der Grünanlagen übernehmen
Azubis von Sommerlad. Fotos: Docter
„Man gibt etwas
und kriegt etwas zurück“
FREIWILLIGENTAG Über 400 helfende Hände zeigen bei 31 Projekten großes Engagement
GIESSEN (fod). „Wir sind mit Geld nicht
zu bezahlen“, sagt Rosi Reuß, während sie
dem rundum erneuerten Sandkasten der
Kita St. Thomas Morus mit einem Rechen
den letzten Feinschliff verpasst. Dieser
Satz beschreibt perfekt das große Engagement, das gestern über 200 Menschen –
oder „400 helfende Hände“, wie es MitDie Spielzeugkisten vor dem Rathaus... organisatorin Patricia Ortmann nannte –
beim zweiten Freiwilligentag zeigten, zu
dem nach dem riesigen Erfolg im Vorjahr wieder das Freiwilligenzentrum für
Stadt und Landkreis
Gießen sowie die
Bürgerstiftung Mittelhessen aufgerufen
hatten. Laut dem
Stiftungsvorsitzenden Klaus Arnold
war es ein deutlicher
Zuwachs, nachdem
2014 noch um die
150 Menschen beteiligt waren. Die von
ihm am Morgen zum
Startschuss auf dem
Rathausvorplatz mit...wurden sofort verteilt, wie hier an der Pestalozzischule.
gebrachten Arbeitshandschuhe
mit
dem zur Aktion passenden Logo fanden
sofort reißenden Absatz bei den Freiwilligen, die sich gleich danach, sofern nicht
bereits geschehen, zu ihren Einsatzorten
aufmachten.
Und das in vielen Fällen nicht mit leeren
Händen. So war es Ortmann gelungen,
rund 40 Kisten, randvoll mit Spielsachen namhafter Hersteller, nach Gießen zu holen, die zur Aktion „Zusammen spielen“ der Bundesregierung gehören, mit der das gemeinsame Spielen von einheimischen und Flüchtlingskindern
gefördert werden soll. An der
Pestalozzischule wurde eine
der Kisten im Spielraum der
Ganztagsschule von Schulleiterin Anne Peters und
Malerarbeiten im Altenheim Tannenweg. zahlreichen Kindern in
Empfang
genommen.
Doch egal, ob die Kleinen
nun aus Syrien, Afghanistan oder eben Gießen
stammen – als die Bausteine
oder Bilderbücher erst mal
auf dem Tisch lagen, spielten
Herkunft oder Sprachbarrieren
keine Rolle mehr. „Wir möchten
uns in der aktuellen Flüchtlingssituation
selbst ein bisschen einbringen“, beschrieb
Mariella Kirchmann, hier eine von sechs
Freiwilligen, ihre Motivation. Neben Helfern der Immobilienverwaltung Kirchmann waren auch Mitglieder der Aktion
„Perspektiven“ an der Schule im Einsatz.
Überhaupt galt dieses Mal der Großteil
der Projekte den Flüchtlingen. Dass viele
Angebote dieses Thema im Fokus hätten,
fand Oberbürgermeisterin Dietlind GrabeFlüchtlinge kochen mit Bürgern.
Bolz „ganz besonders erfreulich“, wie sie
(c).
am Morgen betonte. Sie dankte wie auch
Landrätin Anita Schneider allen Helfern
und Organisatoren. Aus Sicht von Schneider „macht dieser Tag Werbung fürs Ehrenamt“ und biete die Möglichkeit, in diesen Bereich „mal hineinzuschnuppern.
Der Freiwilligentag ist so vielfältig wie
unsere Gesellschaft“, sagte sie.
Gleich einen ganzen Wandertag inklusive Grillen auf dem Schiffenberg und anschließendem Bowling hatten die UnicefHochschulgruppe und Auszubildende von
Sommerlad für eine Flüchtlingsklasse der
Friedrich-Feld-Schule (FFS) organisiert.
„Man gibt etwas und kriegt etwas zurück“,
meinte dazu Ali Can (Unicef). So habe
man neben viel Spaß auch einige arabische Wörter gelernt. Weitere FFS-Schüler
aus Ländern wie Somalia oder Eritrea
kochten derweil mit Bürgern in der Küche
der Evangelischen Familienbildungsstätte
in Wieseck. Laut Klassenlehrerin Christina Lang sei die Klasse, ein Vorbereitungskurs zum Hauptschulabschluss, überhaupt erst seit zwei Tagen zusammen. Zudem verfügte kaum einer von ihnen über
Küchenerfahrung.
„Wir helfen uns
einfach gegenseitig“, sagte Jörn
Dreier, einer der
Freiwilligen.
Sein Partner am
Herd war Samuel Tekleab,
Verlagsgruppe Rhein Main GmbH & Co. KG 2003-2013 / Erstellt von VRM am 20.09.2015
der sich das Kochen eines traditionellen
eritreischen Gerichts mit Rindfleisch, Linsen und Tomaten vorgenommen hatte.
Mit sogar 22 Personen war das Managementteam der Firma Lidl aus Butzbach
zur Sophie-Scholl-Schule in der Rödgener
Straße gekommen und veranstaltete dort
ein Fest für Flüchtlings- und einheimische
Kinder mit Torwandschießen, Hüpfburg „Grüne Engel“ in der Kita Thomas Morus.
und anderen Aktionen. Im Verlauf des Tages strömten immer
mehr Eltern mit
ihren Kindern aus
der nahe gelegenen
Erstaufnahmeeinrichtung
herbei,
denn die Freiwilligen hatten auch
zahlreiche
Kisten
mit
gesammelten
Spielsachen
und
Kleidung
mitgebracht, was sich offenbar herumsprach.
„Alles wurde sehr
gut angenommen“,
berichtete
später
Lidl-Mitarbeiterin
Sandra Neurohr.
Der
Verschöne- Letzte Infos am Morgen vor dem Aufbruch an die Einsatzorte.
rung der Außenfassade des Vereinsheims des MTV 1846 Gießen widmeten sich Zehnklässler der Aliceschule. Unter Anleitung von Künstler
„Scid“ kreierten sie Graffiti-Motive von
Sportarten, die im Verein vertreten sind.
Während auf der anderen Gebäudeseite
Azubis von Sommerlad Pflanzenbeete
vom Unkraut befreiten. Zur selben Zeit
hatten die „Grünen Engel“ rund um die
Kita St. Thomas Morus nicht nur
Narzissen- oder Tulpenzwiebeln
gelegt, sie richteten auch den
nicht mehr nutzbaren Sandkasten wieder her. „Das sah vorher schlimm aus“, war an
beiden Orten immer wieder
zu hören. Auf eine frisch
gestrichene Caféteria dürfen sich die Bewohner des
Awo-Seniorenheims
im Kostenlose Handschuhe für die Helfer.
Tannenweg freuen, dank tatkräftiger Mithilfe des Grünberger Malerbetriebs Koch und
zweier Freiwilliger des Hilfeverbunds Wohnen und Arbeit.
Die hier aufgeführten Projekte
sind natürlich nur eine kleine
Auswahl des Freiwilligentages.
Bei der Abschlussveranstaltung
am Nachmittag, wieder vor dem
Rathaus, berichtete Patricia Ortmann von „vielen wahnsinnig positiven
Rückmeldungen“ und zeigte sich „total zufrieden“ mit dem Verlauf des Tages. Klaus
Arnold konnte dem nur beipflichten. Dass
jedoch zuvor ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes dem Inhaber des Wagens, mit
dem die Lautsprecheranlage für die Ostschulband „OSTinato“ auf den Platz gebracht worden war, ein Knöllchen gegeKisten voller Kleidung und Spielsachen.
ben hatte, sorgte für einige Verärgerung.