Masterarbeit Aufwertung und Verdrängung in Berlin: Räumliche Analysen zur Messung von Gentrifizierung eingereicht beim Betreuer Prof. Dr. Axel Werwatz Technische Universität Berlin Fakultät VII - Wirtschaft und Management Institut für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsrecht FG Ökonometrie und Wirtschaftsstatistik sowie beim Zweitgutachter Dr. Andrej Holm Humboldt-Universität zu Berlin Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftliche Fakultät Institut für Sozialwissenschaften Stadt- und Regionalsoziologie vorgelegt von Guido Schulz Matrikelnummer: HU 554142 [email protected] Zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science (M.Sc.) in Statistik Berlin, den 25. August 2015 Aufwertung und Verdrängung in Berlin: Räumliche Analysen zur Messung von Gentrifizierung Guido Schulz Zusammenfassung Trotz des boomenden Berliner Immobilienmarktes, der großen medialen Aufmerksamkeit für das Thema der Gentrifizierung und der von stadtpolitischen Protestbewegungen kritisierten sozialen Auswirkungen von Aufwertungsprozessen, wurden in Berlin bisher kaum Studien zur Messung von Gentrifizierung unternommen. Mit dem Versuch einer stadtweit kleinräumigen Erfassung von Aufwertung und Verdrängung soll mit dieser Arbeit sowohl zur Schließung der Lücke in der deutschen Literatur zu Gentrifizierung, als auch zur Behebung methodischer Mängel vergleichbarer internationaler Studien beigetragen werden. Durch die Analyse von Aggregatsdaten des Beobachtungszeitraums von 2007 bis 2012 konnten mithilfe eigens (weiter)entwickelter deskriptiver wie inferentieller statistischer Methoden Gentrifizierungsgebiete auf Nachbarschaftsniveau identifiziert und vergleichend charakterisiert werden. Überdies wurde ein starker Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung nachgewiesen. So konnte gezeigt werden, dass Gentrifizierungsgebiete im Vergleich zu entsprechenden Kontrollgebieten viel höhere Binnenfortzugs- und Außenzuzugsraten besaßen. Im Zusammenhang mit den dort vorherrschenden intensiven sozialen und immobilienwirtschaftlichen Aufwertungsdynamiken ließ dies auf eine Verdrängung ärmerer Bevölkerungsgruppen schließen. Zudem ergab eine durch gewichtete, Spatial Autoregressive Models (SAR) ermittelte Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten ähnliche Werte, wie sie von Newman und Wyly im Jahre 2006 für New York City errechnet wurden. Valorisation and Displacement in Berlin: Spatial Analyses for Measuring Gentrification Guido Schulz Abstract The real-estate market in Berlin is booming, the issue of gentrification has recently received increased media interest and urban protest movements are condemning the social consequences of real-estate valorisation. Despite all this attention, research on measuring gentrification in Berlin has been scarce. By attempting to capture real- estate valorisation and its associated social upgrading and displacement processes, this study sought to close a gap in the German gentrification literature and also aimed to resolve methodological shortcomings of comparable international studies. By refining and developing descriptive as well as inferential statistical methods applied to aggregate data from 2007 to 2012, neighbourhoods experiencing gentrification could be identified and characterized. Furthermore, a strong relationship between real-estate valorisation and displacement could be verified. A comparison between gentrification and control areas revealed that the gentrification areas exhibit much higher mobility rates. Given the intense dynamics of social upgrading and real-estate valorisation in these areas, the high mobility rates strongly suggested that financially disadvantaged residents were being displaced. In addition, an estimation of economic displacement rates via weighted Spatial Autoregressive Models (SAR) yielded similar values to those Newman and Wyly had calculated for New York City back in 2006. Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis 1 Einleitung 1 1.1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.3 Technische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2 Gentrifizierung als Aufwertung und Verdrängung 2.1 2.2 2.3 8 Konzeptioneller Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.1 Gentrifizierung als Aufwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.2 Gentrifizierung als Verdrängung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Quantitative Studien zu Gentrifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.2.1 Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.2.2 Methodische Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.2.3 Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.2.4 Lücken und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Forschungshypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3 Daten 28 3.1 Rohdatenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.2 Beobachtungseinheit und Beobachtungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.3 Inferenz trotz Vollerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 3.4 Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.5 Kritische Einordnung der Datenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4 Methoden 4.1 4.2 39 Deskriptiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1.1 Klassifizierung der Nachbarschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.1.2 Gruppenvergleich und räumliche Verteilungsanalyse . . . . . . . . . . 41 Inferentiell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.2.1 Spatial Autoregressive Model (SAR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.2.2 Gewichtetes SAR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5 Lokalisierung und Charakterisierung von Gentrifizierungsgebieten 46 5.1 Klassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 5.2 Lokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 5.2.1 Immobilienwirtschaftliche und soziale Aufwertungsgebiete . . . . . . . 48 5.2.2 Gentrifizierungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Charakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.3.1 Mietpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.3.2 Armutsquoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.3.3 Zuzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5.3.4 Fortzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5.3.5 Robustheitscheck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Beispiel Reuterkiez . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.3 5.4 6 Vermessung von Aufwertung und Verdrängung 6.1 6.2 6.3 64 Modellspezifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 6.1.1 Nachbarschaftsdefinition und Repräsentation räumlicher Abhängigkeit 64 6.1.2 Variablenselektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Regressionsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 6.2.1 Modellevaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6.2.2 Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten . . . . . . . . . . . . . . . 69 6.2.3 Sonstige Regressionsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 6.2.4 Residualanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Beispiel Reuterkiez . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 7 Fazit 77 7.1 Einordnung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 7.2 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 7.3 Stadtpolitische Beurteilung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Literatur 82 A Abbildungen 91 B Tabellen 100 Abbildungsverzeichnis 1 Aufbau der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2 Begleitende Website mit interaktiven Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3 Gentrifizierung als Konjunktion von Aufwertung . . . . . . . . . . . . . . . . 9 4 Zwei Perspektiven auf Gentrifizierung: Aufwertung und Verdrängung . . . . . 18 5 Interpolationsschema von PLZ- auf LOR-Raumniveau . . . . . . . . . . . . . 31 6 Verteilungen der Definitionsvariablen von Kategorie . . . . . . . . . . . . . . 47 7 Karte von ∆r Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 8 Karte von ∆Armut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 9 Karte von Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 10 Einwohner*innen 2007 nach Bezirk und Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . 52 11 Verteilung von M iete2007 für die innere Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 12 Histogramm der innerstädtischen LOR nach M iete2007 und Kategorie . . . . 54 13 Verteilung von Armut2007 in der inneren Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 14 Histogramm der innerstädtischen LOR nach Armut2007 nach Kategorie . . . 56 15 Verteilungen der wohnräumlichen Mobilität nach Kategorie . . . . . . . . . . 57 16 Histogramm und Kerndichteschätzung der Regressionsresiduen ε̂std . . . . . . 73 17 Veranschaulichung der SAR Regressionsergebnisse am Beispiel Reuterkiez . . 75 A.1 Mosaikplot von ∆r M iete und ∆Armut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 A.2 Assoziationsplot von ∆r M iete und ∆Armut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 A.3 Karte von M iete2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A.4 Karte von M iete2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 A.5 Karte von Armut2007 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A.6 Karte von Armut2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A.7 Karte von FortzügeB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A.8 Karte von ZuzügeB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 A.10 Verteilungen der wohnräumlichen Mobilität für die innere Stadt . . . . . . . . 95 A.9 Karte von FortzügeA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 A.11 Karte von ZuzügeA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 A.12 Anteil der Intra-LOR Umzüge an allen Fortzügen in % . . . . . . . . . . . . . 97 A.13 Karte der Residuen ε̂ des SAR Modells FortzügeB . . . . . . . . . . . . . . . 98 A.14 Karte der räumlichen Komponente des SAR Modells FortzügeB . . . . . . . . 98 A.15 Karte der ökonomischen Verdrängungsraten (Version A) . . . . . . . . . . . . 99 A.16 Karte der ökonomischen Verdrängungsraten (Version B) . . . . . . . . . . . . 99 Tabellenverzeichnis 1 Verdrängungsformen und ihre Charakteristika . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2 Systematisierung ausgewählter Studien zu Aufwertung und Verdrängung . . . 22 3 Einwohner*innenzahl m im Jahre 2007 der gültigen LOR (n = 429) . . . . . . 30 4 Lagebeschreibung der Nachbarschaften nach Kategorie . . . . . . . . . . . . . 50 5 Deskriptive Statistiken zum LOR Reuterkiez . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6 Schätzergebnisse gewichteter SAR Modelle auf FortzügeB . . . . . . . . . . . 66 7 Gewichtete Korrelationen mit FortzügeB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 8 Ergebnisübersicht nach Hypothesenüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B.1 Statistiken zur Einwohner*innenzahl 2007 nach Kategorie . . . . . . . . . . . 100 B.2 Deskriptive Statistiken von ∆r M iete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B.3 Deskriptive Statistiken von ∆Armut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B.4 Deskriptive Statistiken von FortzügeB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B.5 Deskriptive Statistiken von ZuzügeB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B.6 Deskriptive Statistiken von FortzügeA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 B.7 Deskriptive Statistiken von ZuzügeA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1 Einleitung Seit Beginn der globalen Banken- und Finanzkrise im Jahr 2007 boomt der Berliner Immobilienmarkt. ImmoScout24, der Marktführer unter den Immobilienportalen im deutschsprachigen Raum, hat allen Grund die unter Immobilienbesitzer*innen vorherrschende Gold” gräberstimmung“ (Immobilienscout24, 2013) zu feiern. Bei den Kauf- und Mietpreissteigerungen hat Berlin das bei Immobilieninvestor*innen sonst so beliebte London mittlerweile weit abgehängt (vgl. Gabriel, 2015; Greater London Authority, 2014; Jürgens, 2013a) und das stadtweite Immobilieninvestitionsvolumen vervielfachte sich innerhalb weniger Jahre. Allein zwischen 2010 und 2012 stieg laut dem Immobiliendienstleister CBRE das Handelsvolumen Berliner Wohnimmobilienportfolios von 420 Millionen e auf 2,75 Milliarden e (Jürgens, 2013b). Für dieses hervorragende Investitionsklima sind nicht zuletzt das von kontinuierlichen Zuwanderungsüberschüssen (vgl. BBU, 2015, S. 38) getragene Nachfragewachstum und das relativ niedrige Ausgangsniveau der Berliner Immobilienpreise verantwortlich (vgl. Papon, 2015). Das außerordentliche Wachstum des Berliner Immobilienmarktes ist im Zuge der Krise als - im Vergleich zu anderen Metropolen etwas verzögerte - Integration in den globalisierten sekundären Kapitalkreislauf“(Harvey, 1978)1 zu interpretieren. ” In den letzten Jahren wurde dieser boomende Markt für die meisten Berliner Mieter*innen vor allem durch die fast flächendeckende immobilienwirtschaftliche Aufwertung und die damit verbundenen Mietpreissteigerungen spürbar. Für Mieter*innen mit unterdurchschnittlichen Einkommen verschärfte sich mit den Mietpreissteigerungen die Wohnungsnot, welche entscheidend durch die am Anfang der 2000er Jahre durchgeführte Privatisierung von ca. 230.000 kommunalen Wohnungen (Holm, 2010b) mitverursachte wurde. Das Angebot an verfügbaren, geschweige denn für Geringverdienende erschwinglichen Wohnungen, ist mittlerweile so gering, dass die stadtweite Wohnungsleerstandsquote in Berlin auf aktuell unter 3% gefallen ist - und damit die von New York City deutlich unterbietet (vgl. BBU, 2015; Gaumer, 2015).2 Nach Smith (1979, 1985, 1987) steht eine immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik 1 In Abgrenzung zur gewöhnlichen Warenproduktion (primärer Kapitalkreislauf) bezeichnet Harvey (1978, S. 104 ff.) Kapitalflüsse in Sachanlagen oder Konsumfonds als sekundären Kapitalkreislauf. Der sekundäre Kapitalkreislauf schließt insbesondere Investitionen in große Bauprojekte, Immobilienmärkte und ” Infrastrukturen“ (Holm, 2011b, S. 11) ein. 2 Für die innenstadtnahen Bezirke ist sogar von Leerstandsquoten von nur 1% bis 2% auszugehen (vgl. BBU, 2015, S. 52 f.). Um diese Zahlen besser einordnen zu können: Nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der Investitionsbank Berlin (2002, S. 38) setzt das Funktionieren des Wohnungsmarktes“ ” eine Mindestleerstandsquote von 3% voraus. Bei den Behörden von New York City wird bereits eine Wohnungsleerstandsquote von unter 5% als rental market emergency“ (Wyly u. a., 2010, S. 2607) bezeichnet. ” 1 wie zur Zeit in Berlin in direktem Zusammenhang mit sozialer Aufwertung, das heißt einem Bevölkerungsaustausch, bei dem die Bewohner*innen städtischer Nachbarschaften durch Haushalte mit höherem sozioökonomischen Status verdrängt werden. Dabei ist die Verdrängung kein unbeabsichtigter Nebeneffekt immobilienwirtschaftlicher Aufwertung, sondern notwendige Voraussetzung für den Erfolg der Investitionsstrategie“ (Holm, 2011c, S. 12). In ” diesem Zusammenhang sieht Marcuse (1992) den Kern von Gentrifizierungsprozessen. Seine Position ist jedoch in der Fachliteratur zu Gentrifizierung keineswegs unumstritten. Glatter (2007, S. 9) vertritt etwa die Meinung, dass die Verdrängung der Bewohner*innen nicht den ” Normalfall“ der Gentrifizierung darstelle. Dass aber aufwertungsbedingte Verdrängung für die unmittelbar Betroffenen ein Problem darstellt, darüber herrscht in der Literatur weitestgehend Einigkeit. Newman und Wyly beschreiben die Konsequenzen für von Verdrängung Betroffene wie folgt: Those who are forced to leave gentrifying neighbourhoods are torn from rich local ” social networks of information and cooperation (the ‘social capital’ much beloved by policy-makers); they are thrown into an ever more competitive housing market shaped by increasingly difficult trade-offs between affordability, overcrowding and commuting accessibility to jobs and services. All of the pressures of gentrification are deeply enmeshed with broader inequalities of class, race and ethnicity, and gender“ (Newman und Wyly, 2006a, S. 51). Holm (2011a, S. 48) ergänzt, dass sich die sozialen Kosten“ von aufwertungsbedingter Ver” drängung in Form von auflösende[n] Nachbarschaftsstrukturen, verstärkende[n] Segregations” tendenzen und [die Verminderung] preiswerter Wohnungsangebote“ nicht nur auf individueller, sondern auch auf gesamtstädtischer und wohnungspolitischer Ebene“ manifestieren. ” 1.1 Problemstellung Trotz der soziopolitischen Dringlichkeit des Themas, gab es bisher nur wenige empirische Studien (z.B. Atkinson, 2000; Atkinson u. a., 2011; Freeman, 2005; Newman und Wyly, 2006a; Wyly u. a., 2010), die versuchten Gentrifizierung als Verknüpfung von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung systematisch zu messen, oder das Ausmaß und die Form aufwertungsbedingter Verdrängungseffekte stadtweit zu erfassen. In Deutschland wurde bisher keine stadtweite Studie durchgeführt, welche die empirische Verbindung zwischen Aufwertung und Verdrängung untersuchte. Angesichts der beschriebenen Dynamik des Berliner Immobilienmarktes, des enorm gewachsenen medialen Interesses an dem Thema der Gentrifizierung und vor allem der von stadtpolitischen Protestbewegungen kritisierten 2 negativen sozialen Auswirkungen von Aufwertung, erscheint der Bedarf an einer empirischen Studie zur stadtweiten Messung von Gentrifizierung in Berlin als besonders dringend. Wo genau befinden sich in Berlin die am stärksten von Gentrifizierung betroffenen Nachbarschaften? Gibt es Indizien dafür, dass beispielsweise die vom Monitoring Soziale Stadtentwicklung (SenStadt, 2014, S. 10) festgestellte Abnahme der sozialen Benachteiligung“ ” in Kreuzberg-Nordost und Neukölln-Nord das Resultat gentrifizierungsbezogener Verdrängung ist? In welchem Maße wird in Berlin Verdrängung tatsächlich durch immobilienwirtschaftliche Aufwertung verursacht? Um diese und ähnliche Fragen zu beantworten, setzt sich diese Studie das Ziel mithilfe von Aggregatsdaten zu Berlin sowohl Gentrifizierungsgebiete kleinräumig zu identifizieren und vergleichend zu charakterisieren, als auch den für Gentrifizierungsprozesse wesentlichen Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung zu messen. Die Durchführung einer solchen Untersuchung ist jedoch methodisch außerordentlich komplex. Praktisch alle Stadtforscher*innen, die sich zum Thema der Messung von Gentrifizierung geäußert haben, betonen wie schwierig eine solche zu operationalisieren ist (z.B. Atkinson, 2004; Freeman, 2005; Newman und Wyly, 2006a; Shaw, 2008; Wyly u. a., 2010). Nach Meinung von Hamnett (2010, S. 184) und Slater (2009, S. 299) ist ein verlässlicher Nachweis von aufwertungsbezogener Verdrängung mit behördlichen Daten gar nicht zu erbringen. Um diese Herausforderung dennoch anzunehmen, wird im Rahmen dieser Arbeit zum einen die vom Gentrimap Projekt (Holm, 2012b) verwendete deskriptive Methodik zur Bestimmung und Charakterisierung von Gentrifizierungsgebieten weiterentwickelt. Zum anderen wird eine prozessbasierte, inferentielle Methodik zur Untersuchung von Kausalzusammenhängen bezüglich Aufwertung und Verdrängung neu ausgearbeitet. Zudem erlaubt die entwickelte inferentielle Methodik die erstmalige aggregatsdatenbasierte Schätzung ökonomischer Verdrängung. 1.2 Aufbau der Studie Der Aufbau dieser Studie wird in Abbildung 1 veranschaulicht.3 In Kapitel 2 werden zunächst die Begriffsdefinitionen von Gentrifizierung, Aufwertung und Verdrängung gesetzt, sowie ihr theoretischer Zusammenhang entwickelt. Auf Grundlage der anschließenden Diskussion des aktuellen Forschungsstandes werden konkrete Forschungsfragen und entsprechende Unterschieds- wie auch Kausalhypothesen formuliert. Danach werden in Kapitel 3 die später zur Analyse verwendeten kleinräumigen Aggregatsdaten im Hinblick auf ihren Inhalt und ihre Struktur ausführlich beschrieben und bewertet. Die zur Datenanalyse genutzten Methoden werden in Kapitel 4 erläutert: Zuerst wird die deskriptive Methodik vorgestellt, die bei der 3 Die Darstellungsform des Studienaufbaus wurde inspiriert durch Lersch (2014, S. 8). 3 Operationalisierung der Unterschiedshypothesen zur Anwendung kommt. Dann wird die inferentielle Methodik erklärt, die zur prozessbasierten Überprüfung der Kausalhypothesen benutzt wird. Mit Kapitel 5 beginnt der empirische Teil der Arbeit: Hier werden die Berliner Nachbarschaften in Gentrifizierungsgebiete, Kontrollgebiete und andere Gebiete klassifiziert, diese lokalisiert und im Hinblick auf die formulierten Unterschiedshypothesen vergleichend charakterisiert. In Kapitel 6 werden die Kausalhypothesen mithilfe der Schätzung gewichteter Spatial Autoregressive (SAR) Models inferentiell überprüft. Hierbei soll insbesondere der Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung erfasst werden. Kapitel 7 ordnet die Studie schließlich in den bisherigen Forschungsstand ein, fasst die empirischen Resultate knapp zusammen und nimmt zuletzt eine stadtpolitische Bewertung der Forschungsergebnisse vor. 4 Kapitel 1. Problem Messung von Gentrifizierung in Berlin 2.1 Theorie Gentrifizierung 2.2 Bisherige Literatur Ergebnisse Methoden Lücken & Kritik Unterschiedshypothesen H 1 – H 2.2b 2.3 Hypothesen 3. Strategie I: Daten 4. Strategie II: Methoden 5. Empirische Analyse I 6. Empirische Analyse II 7. Erkenntnisse Kausalhypothesen H 3.1 – H 3.2b Kleinräumige Aggregatsdaten Deskriptive Methoden Inferentielle Methoden Klassifizierung, Lokalisierung & Charakterisierung von Gentrifizierungsgebieten Vermessung von Aufwertungsund Verdrängungsprozessen Belege für den Zusammenhang zwischen immobilienwirt. & sozialer Aufwertung, ... Immobilienwirtschaftliche Aufwertung als Ursache für Verdrängung, ... Ideen für weiterführende Studien Stadtpolitische Einordnung Abbildung 1: Aufbau der Studie 5 1.3 Technische Hinweise Bevor in Kapitel 2 begonnen wird den konzeptionellen Rahmen der Studie auszuarbeiten, sollen einige technische Hinweise erfolgen. Für diese Arbeit wurde zur Veranschaulichung der Daten eine Vielzahl von Abbildungen und Tabellen erstellt. Befinden sich die Abbildungen oder Tabellen im Anhang, so werden sie mit dem Präfix A bzw. B gekennzeichnet. Um dem*der Leser*in eine detailliertere und flexible Perspektive auf die räumliche Verteilung der Daten zu ermöglichen, wurden neben den für diese Studie erstellten statischen Karten entsprechende webbasiert-interaktive Karten programmiert, die auf der Website http://amor.cms.hu-berlin.de/~schulzgu/gentri einzusehen sind (Abb. 2). In der PDF Version dieser Arbeit sind die webbasiert-interaktiven Karten auch direkt über die in den Abbildungsunterschriften der Karten hinterlegten Hyperlinks erreichbar. Die Website wurde in Zusammenarbeit mit Christian Behrens erstellt, dem hierfür mein besonderer Dank gilt. Abbildung 2: Begleitende Website mit interaktiven Karten Die Durchführung dieser Studie hing maßgeblich vom Zugang zu geeigneten, räumlich hoch auflösenden Daten ab. Glücklicherweise werden seit 2012 auf dem von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung betreuten Datenportal Berlin Open Data Datensätze der öffentlichen Verwaltung kostenlos und unbürokratisch zur Verfügung gestellt. Fabian Beran und Andrej Holm möchte ich dafür danken, dass sie mir die jährlichen Wanderungsdaten bereit stellten. Für den Zugang zu den Mietpreisdaten möchte ich JLL Research ebenfalls meinen Dank ausdrücken. Die Verarbeitung und Analyse der Daten wurde ausschließlich mit der freien Statistiksoft- 6 ware R (Version 3.2.1) durchgeführt. Die hierfür verwendeten R Skripte sind im offenen Git Repository http://github.com/chamaoskurumi/gentri einzusehen. Auf Anfrage können die zur Analyse verwendeten Daten zur Verfügung gestellt und alle Forschungsergebnisse mithilfe der auf Git archivierten Syntaxen in R reproduziert werden. Von den vielen verwendeten R Paketen seien an dieser Stelle die drei wichtigsten hervorgehoben: das zur Verarbeitung von räumlichen Daten essentielle, von Roger Bivand betreute Paket sp4 , das zur inferentiellen räumlichen Analyse hervorragende, von Edzer Pebesma und Roger Bivand programmierte Paket spdep5 und das von Hadley Wickam entwickelte, rein zur Datenvisualisierung verwendete, mächtige Paket ggplot26 . 4 http://cran.r-project.org/web/packages/sp 5 http://cran.r-project.org/web/packages/spdep 6 http://ggplot2.org 7 2 Gentrifizierung als Aufwertung und Verdrängung In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Studie gelegt. Zuerst wird ein ausführlicher konzeptioneller Rahmen entwickelt: Der Begriff der Gentrifizierung wird definiert, erklärt und schließlich theoretisch eingebettet (Kap. 2.1). Danach wird der aktuelle Forschungsstand zusammengefasst, und bisherige Ergebnisse sowie diverse Methoden zur Messung von Gentrifizierung kritisch reflektiert (Kap. 2.2). Aus dem entwickelten konzeptionellen Rahmen und der Kenntnis des allgemeinen Forschungsstandes werden die konkreten Forschungsfragen und entsprechenden Forschungshypothesen formuliert (Kap. 2.3). 2.1 Konzeptioneller Rahmen Der konzeptionelle Rahmen dieser Arbeit soll aus zwei sich ergänzenden Perspektiven entwickelt werden. Die Vorgehensweise ist analystisch, d.h. Gentrifizierung soll so weit in seine Elemente aufgelöst werden, dass seine logische Struktur sichtbar wird und sich die Zusammenhänge zwischen den Elementen erschließen lassen. Hierfür wird zunächst in Kapitel 2.1.1 Gentrifizierung definiert und in seine aus politisch-ökonomischer Perspektive zentralen Elemente, d.h. immobilienwirtschaftliche und soziale Aufwertung, zerlegt. Die enge Beziehung zwischen diesen Elementen soll daraufhin theoretisch motiviert werden. Ausgangspunkt und Annahme für das entwickelte Argument der Beziehung soll die These einer Kommodifizierung (Clark, 2005) und Inwertsetzung (Holm, 2011c) des Raumes sein. In einem zweiten Schritt soll in Kapitel 2.1.2 die zuvor aufgedeckte Beziehung aus einer anderen Perspektive betrachtet werden - der soziologischen Perspektive. Aus dieser Perspektive erscheint Gentrifizierung nicht als Aufwertung, sondern als vielfältige Verdrängung. 2.1.1 Gentrifizierung als Aufwertung Seit der Einführung des Begriffs durch Glass (1964) herrscht in der Literatur Uneinigkeit über die Definition von Gentrifizierung. Die Schwierigkeit, eine kohärente und konsensfähige Definition von Gentrifizierung zu formulieren, besteht in erster Linie darin, die sich bei Gentrifizierung Prozessen überlagernden bauliche[n] und infrastrukturelle[n] Veränderungen ” der Nachbarschaft mit immobilienwirtschaftlichen Wertschöpfungen, veränderten Bewohnerstrukturen, neuen Formen der Stadtpolitik und symbolischen Umbewertungen der Wohnquartiere“ (Holm, 2012a, S. 662) in einer Definition zu kondensieren. Definitionen, welche diese Mehrdimensionaliät von Gentrifizierung zu berücksichtigen versuchen (z.B. Beauregard, 1986; Hamnett, 1984; Krajewski, 2006) werden von Glatter (2007) als holistische“ Gentri” fizierungsdefinitionen bezeichnet. Clark (2005) kritisiert die Enge holistischer Definitionen, welche immer wieder dazu geführt hätte, das Phänomen Gentrifizierung nicht nur zu sehr 8 einzugrenzen, sondern es vor allem falsch einzugrenzen. Schließlich sei definitorische Enge nicht mit Präzision zu verwechseln, und die für eine Definitionsformulierung erforderlichen Abstraktionen sollten sich ausschließlich auf die notwendigen Beziehungen des Phänomens beschränken. So plädiert Clark (2005, S. 263) dafür, Gentrifizierung definitorisch nicht auf die Innenstadt bzw. den urbanen Raum, auf Wohngebiete oder auf die Erneuerung von architektonisch attraktiven Altbauten einzuschränken. Eine Gentrifizierungsdefinition sollte demnach die je nach zeitlichem und räumlichem Kontext unterschiedlichen Formen von Gentrifizierung, wie etwa Neubau-Gentrifizierung (Davidson und Lees, 2010), Super-Gentrifizierung (Lees, 2003) oder Insel-Gentrifizierung (Clark u. a., 2007), erfassen können. Als Formen von Gentrifizierung gelten für Clark alle Wandlungsprozesse, die folgender Definition genügen: Gentrification is a process involving a change in the population of land-users such ” that the new users are of a higher socio-economic status than the previous users, together with an associated [investment] in the built environment“ (Clark, 2005, S. 262).7 Diese Gentrifizierungsdefinition soll der folgenden Studie zugrunde liegen. Sie formuliert klar die Konjunktion von sozialer Aufwertung und immobilienwirtschaftlicher Aufwertung. Diese Konjunktion gilt als notwendige und hinreichende Bedingung für Gentrifizierung (Abb. 3).8 Abbildung 3: Gentrifizierung als Konjunktion von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung Von einer Berücksichtigung weiterer, möglicher Dimensionen von Gentrifizierung, wie 7 Im Orignalzitat heißt es together with an associated change in the built environment through a ” reinvestment in fixed capital“. Durch die Streichung der baustrukturellen Veränderung aus der Definition sollen auch rein spekulative Immobilieninvestitionen berücksichtigt werden, die eben keine Veränderung der physischen Baustruktur beinhalten. Durch die Ersetzung von reinvestment“ durch investment“ sollen ” ” außerdem Gentrifizierungsformen zugelassen werden, denen gar keine Investitionen vorausgingen - bei denen also zum ersten Mal investiert wurde. So kann Neubau-Gentrifizierung in Räumen auftreten, die sich vorher in öffentlichem Besitz und öffentlicher Nutzung befanden, aber durch Privatisierung kommodifiziert wurden. 8 Konjunktion bezeichnet hier die Verknüpfung zweier Aussagen im Sinne der klassischen Logik. Es gilt also: Gentrifizierung ⇔ immobilienwirtschaftliche Aufwertung ∧ soziale Aufwertung. 9 etwa die der funktionalen“ oder der symbolischen Aufwertung“ (Krajewski, 2013), wird hier ” ” abgesehen.9 In der Beschränkung auf das Wesen der Gentrifizierung, d.h. der Konjunktion von sozialer und immobilienwirtschaftlicher Aufwertung, liegt der Vorteil dieser Definition.10 Somit lässt sie Raum für verschiedenste Ausprägungsformen von Gentrifizierung. Außerdem bietet sie die Möglichkeit einer relativ einfachen Operationalisierbarkeit. Was genau unter immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung zu verstehen ist und worin der Zusammenhang zwischen den beiden besteht, soll im Folgenden geklärt werden. Immobilienwirtschaftliche Aufwertung Immobilienwirtschaftliche Aufwertung bezeichnet die Wertsteigerung unbeweglichen Sachguts. Der Wertsteigerung liegen zumeist, jedoch nicht notwendigerweise, Investitionen zu Grunde. Diese Investitionen müssen keine Verwendung finanzieller Mittel in die Verbesserung oder Erweiterung der Baustruktur (z.B. Sanierungen) beinhalten. Sie können auch der reinen Spekulation auf Wertsteigerung dienen und sich lediglich auf den Kauf der Immobilie beschränken (Clark, 2014).11 Auf individueller Ebene sind Wertsteigerungen von Immobilien auch unter Abwesenheit von Investitionen und als Folge räumlicher Effekte denkbar. Schließlich wird der Tauschwert von Immobilien nicht ” nur über den Produktionspreis [...], sondern wesentlich über externe Bewertungsfaktoren wie der Lage, dem Wohnungsmarktsegment oder der Knappheit des Angebots [bestimmt]“ (Holm, 2011c, S. 10). Obwohl Investitionen demnach auf individueller Ebene nicht notwendig für die Wertsteigerung von Immobilien sind, so sind sie es doch auf struktureller Ebene. Zu einer immobilienwirtschaftlichen Aufwertung einer gesamten Nachbarschaft kann es schließlich nicht ohne Investitionen kommen. Mit der Verbreitung immobilienwirtschaftlicher Kapitalanlagen, egal ob baustrukturell oder spekulativ, verbreitet sich auch der Verwertungsdruck und steigen in der Folge, sofern eine hinreichende Nachfrage besteht, die Preise in der ganzen Nachbarschaft. Nicht selten entsteht aber auch eine hinreichende Nachfrage erst durch baustrukturelle Investitionstätigkeiten. Andersherum kann die eigentlich unelastische Wohnungsnachfrage durch starken Zuzug steigen oder sich lokal begrenzt verschieben und somit erst Investor*innen 9 Wie bei Glatter (2007, S. 10) wird Gentrifizierung im Weiteren mit dieser konjunktiven Aufwertung gleichgesetzt, wobei mit dem Wort Aufwertung keine positive Konnotation verbunden werden soll. Wird im Folgenden lediglich von Aufwertung gesprochen, so ist damit die Konjunktion von sozialer und immobilienwirtschaftlicher Aufwertung gemeint. 10 Hackworth (2002, S. 815) stellt eine vielleicht noch elegantere und prägnantere Gentrifizierung Definition auf, welche sich ebenfalls auf das Wesen der Gentrifizierung beschränkt, jedoch die konjunktive Aufwertung weniger direkt offenlegt: Gentrification [is] the production of urban space for progressively more affluent ” users“. 11 Zur Verbreitung spekulativer Investitionen in Berliner Immobilien vgl. Uffer (2014). 10 zur Kapitalanlage motivieren. Für gentrifizierungsbezogene, immobilienwirtschaftliche Aufwertung existieren drei zentrale Erklärungsansätze (Holm, 2012a, S. 664): erstens, die Makroökonomie der zyklisch wiederkehrenden Attraktivität von Investitionen in den Immobiliensektor, zweitens, die Mikroökonomie der Rationalität von sogenannten Ertragslücken, sowie drittens, die Übergänge von einer Renten- in eine Renditeökonomie. Der erste und dritte Erklärungsansatz sind zum Verständnis dieser Arbeit nebensächlich - auf sie soll nicht weiter eingegangen werden. Um jedoch den Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung entwickeln zu können, soll der zweite Erklärungsansatz, also die mikroökonomische Rationalität von sogenannten Ertragslücken, kurz erörtert werden. Im Zentrum dieses Erklärungsansatzes stehen Modelle zur Rentabilität von Erneuerungsinvestitionen (Holm, 2012a, S. 665), welche auf Smiths Theorie der rent-gap aufbauen (Smith, 1979, 1985, 1987, 1996). Nach der rentgap Theorie besteht ein ökonomischer Aufwertungsanreiz, wenn die rent-gap, definiert als die Differenz zwischen dem Niveau potentieller Grundrente eines Grundstücks und der tatsächlich erzielten, kapitalisierten Grundrente (Smith, 1979, S. 545), hinreiched groß wird. Die ” Grundannahme dabei ist, dass sich Investitionen erst rentieren, wenn diese Lücke größer ist als die Investitionssumme selbst“ (Holm, 2012a, S. 665). Im Allgemeinen gilt: Je größer die rent-gap, desto größer die potentielle Rendite. Die rent-gap ist also vom Standpunkt der Investor*innen als Ertragslücke zu interpretieren.12 Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass politische Rahmenbedingungen bzw. das Handeln staatlicher Akteure einen massiven Einfluss auf das von Investor*innen aufzubringende Investitionsvolumen und die Größe von Ertragslücken ausüben. Einerseits können Inverstor*innen durch staatliche Fördermaßnahmen ihr privates Investitionsvolumen senken (z.B. durch Steuerersparnisse, günstige Kredite) oder diese zur Spreizung der Ertragslücke ausnutzen (z.B. Kostenmietensystem im Sozialen Wohnungsbau in Berlin). Andererseits können staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt der Spreizung von Ertragslücken Grenzen setzen (z.B. Mietpreisbremse, Erhöhung von Bestandsmieten nur unter bestimmten Voraussetzungen). Soziale Aufwertung Ein Öffnen bzw. Spreizen von Ertragslücken wird üblicherweise über investitionsgetragene immobilienwirtschaftliche Aufwertung erreicht. Der Ertragslückenschluss jedoch, d.h. die Realisierung des Renditepotenzials bestehender Ertragslücken, muss, wenn man von subjektbezogenen staatlichen Subventionen für die Nutzer*innen absieht, von den Nutzer*innen des Bodens allein bezahlt werden. Diese Realisierung des Renditepotentials 12 Eine sehr lesenswerte und ausführliche Abhandlung zu den Ursprüngen, der Struktur und dem Zweck von Smiths rent-gap Theorie findet sich in Slater (2015). 11 erfordert nicht nur die Kompensation der Investition, sondern auch die Zahlung der Rendite. Im Falle von Investitionen in Mietswohnungen bedeutet dies nichts anderes, als dass der Schluss der Ertragslücke per Zahlung eines höheren Mietzinses durch die Mieter*innen realisiert wird. Mit der Realisierung der Rendite werden die Mietswohnungen aus Sicht der Eigentümer*innen ihrem Zweck als zinstragende Kapitalanlage gerecht (Holm, 2011c, S. 11 ff.). Wenn also der Ertragslückenschluss die Zahlung höherer Mietzinsen erfordert, dann müssen Mieter*innen mit größeren finanziellen Resourcen ausgestattet sein bzw. bereit sein, den höheren Mietzins zu zahlen. Natürlich ist auch hier einschränkend zu berücksichtigen, dass der Staat durch die Gewährung von Fördermaßnahmen zugunsten der Nutzer*innen diesen die Bezahlung des Ertragslückenschlusses in Teilen abnehmen kann. Um vom speziellen, aber wichtigen Fall der Mietswohnungen zu abstrahieren, soll, ähnlich der oben getroffenen Definition von Gentrifizierung, Bezug auf die Nutzer*innen des Bodens genommen werden, um soziale Aufwertung wie folgt allgemein zu definieren: Soziale Aufwertung ist der Austausch der Nutzer*innen des Bodens, wobei die neuen Nutzer*innen von höherem sozioökonomischen Status sind, als die vorherigen (vgl. Krajewski, 2006, S. 62). Eine Beschränkung auf die Wohnbevölkerung wird hier vermieden, denn Krajewski bemerkt zurecht: Nicht nur die Wohnbevölkerung ist an der sozialen Aufwertung beteiligt; ein ” zusätzlicher Beitrag zum ’Upgrading’ [...] geht ebenso von der ’temporären’ Anwesenheit von Beschäftigten in hochwertigen Dienstleistungsberufen sowie von Städtetouristen aus“ (Krajewski, 2006, S. 61). Demnach ist der Austausch der Wohnbevölkerung zwar zentral für soziale Aufwertung, wird aber nicht alleine durch sie geleistet. Auch die temporären Nutzer*innen des Bodens wirken an der sozialen Aufwertung mit.13 In der Regel erfordert immobilienwirtschaftliche Aufwertung eine soziale Aufwertung, um den Ertragslückenschluss zu realisieren. Hierin besteht der wesentliche, gentrifizierungsbezogene Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung. Holm (2012a, S. 665) drückt dies so aus: Der Erfolg der Investitionsstrategie ist damit an den selte” nen Fall kollektiver Einkommenszuwächse der Haushalte in einem Gebiet (incumbent upgrading) oder den Austausch der [Bewohner*innen] gebunden“. Aus Sicht der Eigentümer*innen dient soziale Aufwertung folglich als Vehikel zum Schluss von Ertragslücken. So ist auch zu erklären, warum in vielen Definitionen von Gentrifizierung höheres Einkommen (Marcuse, 13 Dem Beitrag temporärer Nutzer*innen des Bodens zur sozialen Aufwertung wird über eine immobilienwirtschaftliche Aufwertung der Gewerbestruktur vermittelt. 12 1985, S. 196; Kennedy und Leonard, 2001, S. 5; Atkinson u. a., 2011, S. 1) oder größerer Wohlstand (Hackworth, 2002, S. 815) als zentrales und einziges Charakteristikum zuziehender Bevölkerung genannt wird und damit implizit ihre Fähigkeit beschrieben wird, den Ertragslückenschluss zu bezahlen. Dennoch benennen die hier verwendeten Definitionen von Gentrifizierung und sozialer Aufwertung den höheren sozioökonomischen Status als zentrales Charakteristikum der neuen Nutzer*innen.14 Mit dieser Formulierung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die durch immobilienwirtschaftliche Aufwertung erhöhten Miet-, Wohnungs- oder Häuserpreise durchaus von sozialen Gruppen gezahlt werden können, die selbst nur über eine ähnliche Ausstattung finanzieller Resourcen wie die vorherigen Nutzer*innen verfügen, aber bereit sind, eine höhere Wohnkostenquote in Kauf zu nehmen. Um sich einerseits am Immobilienmarkt gegen andere, möglicherweise zahlungskräftigere Nachfrager*innen durchzusetzen und andererseits eine durch die höhere Wohnkostenquote verursachte notwendige Senkung des Lebensstandards abschwächen oder kompensieren zu können, sind größere Resourcen von sozialem oder kulturellem Kapital vonnöten. Diese, wenn auch nur begrenzt wirksame Substituierbarkeit von ökonomischem durch soziales und kulturelles Kapital, soll durch die Benennung ihres höheren sozioökonomischen Status zum Ausdruck gebracht werden. Nachdem aus der Perspektive der politischen Ökonomie ein Verständnis von Gentrifizierung als Aufwertung entwickelt wurde, soll nun Gentrifizierung von einem ergänzenden Blickwinkel betrachtet werden. 2.1.2 Gentrifizierung als Verdrängung Betrachtet man Gentrifizierung vom Standpunkt der Soziologie und richtet damit den Fokus auf das sozialräumliche Handeln der Menschen, so manifestiert sich Gentrifizierung nicht als Aufwertungsprozess, sondern im Wesentlichen als Verdrängungsprozess. Leider bietet die Bevölkerungs- und Stadtsoziologie wenige explizit ausformulierte Definitionen von Verdrängung, an denen die Gentrifizierungsforschung anknüpfen könnte (Diller, 2014b, S. 24). So kommt es auch, dass Slater (2009, S. 304) mahnt: It is essential to have conceptual clarity ” before research on displacement begins“. Mit dieser Mahnung will Slater diverse Studien zu Gentrifizierung und Verdrängung kritisieren, in denen nur unzureichende Anstrengungen zur Definition und analytischen Klärung des Begriffs der Verdrängung unternommen wurden. Die 14 Sozialökonomischer Status ist nicht zu verwechseln mit sozialer Kompetenz. Mit dem Begriff soziale Aufwertung soll also keinenfalls unterstellt werden, dass die neuen Nutzer*innen des Bodens über höhere soziale Kompetenz verfügen würden, als die vorherigen. Soziale Aufwertung wird hier folglich rein vom Standpunkt der politischen Ökonomie interpretiert. 13 im Folgenden vorgestellte kummulative Definition und Systematisierung von Verdrängung stellt somit einen Versuch dar, ausgehend von den oft nur (zu) knapp ausformulierten, sich teilweise einander widersprechenden oder unvollständigen Definitionen von Marcuse (1985), Blasius (1994), Atkinson (2004), Slater (2009), Holm (2012a) und Diller (2014b) eine umfassendere und klarere Formulierung von Verdrängung auszuarbeiten. Marcuse (1985, S. 204 ff.) formulierte die bislang wohl umfassenste, wenngleich nur wohnraumbezogene Definition von Verdrängung, welche zugleich analystisch scharf die verschiedenen Verdrängungsformen systematisiert. Marcuses Systematisierung der Verdrängungsformen wurde später von Holm (2012a, S. 673 f.) und Diller (2014b, S. 24 f.) aufgegriffen und modifiziert. Eine auf diesen Modifikationen basierende, aber abgeänderte und erweiterte Systematisierung wird in Tabelle 1 dargestellt. Die in Tabelle 1 genannten Verdrängungsformen bilden gemeinsam den in dieser Arbeit verwendeten konzeptionellen Rahmen für wohnraumund haushaltsbezogene Verdrängung. Die verschiedenen Verdrängungsformen werden alle vom Standpunkt der verdrängten Haushalte entwickelt. Form Vermittlung Wohnräumliche Mobilität Physische Verdrängung direkt Fortzug Ökonomische Verdrängung direkt Fortzug Soziokulturelle Verdrängung indirekt Fortzug Ausschließende Verdrängung indirekt Verhinderung des Zuzugs Verdrängung aus dem Lebensstandard direkt und indirekt - Tabelle 1: Verdrängungsformen und ihre Charakteristika Erklärung der Verdrängungsformen Zunächst soll kurz der Unterschied im Vermittlungsmechanismus der unterschiedlichen Verdrängungsformen geklärt werden. Als direkt werden diejenigen Verdrängungsformen kategorisiert, die notwendigerweise die gegenwärtige individuelle Wohneinheit der Verdrängten betreffen. Im Gegensatz dazu haben die indirekten Verdrängungsformen nicht die gegenwärtige individuelle Wohneinheit der Betroffenen zum Gegenstand. Demnach ist direkte Verdrängung auch als unmittelbare und indirekte Verdrängung als mittelbare Verdrängung zu bezeichnen. Es folgt nun eine Übersicht über die einzelnen Verdrängungsformen: • Physische und ökonomische Verdrängung (Marcuse, 1985, S. 205) bezeichnen beide direkte Verdrängungsformen, die sich in einem unfreiwilligen Fortzug des betroffenen Haushalts manifestieren. 14 Als physische Verdrängung werden Entmietungsstrategien bezeichnet, bei denen der*die Eigentümer*in gezielt Einfluss auf die physische Ausstattung der Wohneinheit ausübt und dieser dazu führt, dass eine weitere Bewohnung unmöglich, gefährlich oder unerschwinglich wird (Grier und Grier, 1980). Als Beispiele seien das Unterlassen von notwendigen Reparaturen oder das Abstellen der Heizung genannt. Zwangsräumungen gelten demnach als auch als physische Verdrängung, da dem Haushalt durch Schlossaustausch oder das Entfernen des Hausrats die weitere Bewohnung unmöglich gemacht wird. Ökonomische Verdrängung hingegen bezeichnet den unfreiwilligen Fortzug von Haushalten, der durch Mietpreissteigerungen, welche die finanziellen Resourcen des Haushalts übersteigen, verursacht wird.15 • Soziokulturelle Verdrängung bezeichnet eine indirekte Form der Verdrängung, welche den unfreiwilligen Fortzug eines Haushalts aufgrund von soziokulturellen Entfremdungseffekten, wie etwa dem Verlust von nachbarschaftlichen Bindungen zum Inhalt hat (Diller, 2014b, S. 25). Indirekt ist diese Form der Verdrängung deshalb, weil sie notwendigerweise über Quartiers- oder Nachbarschaftsveränderungen vermittelt wird. Soziokulturelle Verdrängung wird bei Marcuse (1985, S. 207) als pressure of displacement“ bezeichnet. ” Seine Terminologie wird hier nicht übernommen, um einerseits auf den Zusammenhang mit symbolischer, sozialer und kultureller Aufwertung eines Quartiers aufmerksam zu machen und andererseits den Unterschied zu einer anderen Form der Verdrängung, der Verdrängung aus der Lebensqualität, zu verdeutlichen. • Ausschließende Verdrängung bezeichnet die verhinderte Möglichkeit des Zuzugs eines Haushalts in eine andere Wohneinheit, obwohl der Haushalt alle zuvor gültigen Bedingungen zur Bewohnung erfüllt hätte (Marcuse, 1985, S. 207). Diese Form der Verdrängung wirkt indirekt, weil es sich um einen Ausschluss von der Möglichkeit des Zuzugs in eine andere als die gegenwärtige Wohneinheit der Betroffenen handelt. Marcuse, der ausschließende Verdrängung exclusionary displacement nennt, beschreibt diesen indirekten Ausschluss wiefolgt: 15 Bei diesen beiden Formen handelt es sich um Verdrängung im engeren Sinne, d.h. sie entsprechen der von Grier und Grier (1980, S. 252) formulierten Verdrängungsdefinition: Displacement occurs when any household ” is forced to move from its residence by conditions that affect the dwelling [...] and that: 1) are beyond the household’s reasonable ability to control or prevent; 2) occur despite the household’s having met all previously imposed conditions of occupancy; and 3) make continued occupancy by that household impossible, hazardous, or unaffordable.“ 15 When one household vacates a housing unit voluntarily and that unit is then ” gentrified [...] so that another similar household is prevented from moving in, the number of units available to the second household in that housing market is reduced. The second household, therefore, is excluded from living where it would otherwise have lived“ (Marcuse, 1985, S. 206). Der Ausschluss wird zumeist über eine Kombination von Mietpreissteigerungen und eine Bevorteilung von Haushalten von höherem sozioökonomischen Status bei der Wiedervermietung erwirkt. Ausschließende Verdrängung ist also als sozialer Schließungseffekt auf dem Wohnungsmarkt interpretierbar, der durch den von Eigentümer*innen angestrebten ökonomischen Ertragslückenschluss entsteht.16 • Verdrängung aus der Lebensqualität (vgl. Blasius, 1994, 1996) gilt als einzige Verdrängungsform, bei der betroffene Haushalte weder einen unfreiwilligen Fortzug noch die Verhinderung eines Zuzugs erleiden. Betroffene Haushalte werden jedoch zu einer Senkung ihrer Lebensqualität gezwungen, um eine drohende ökonomische, physische oder soziokulturelle Verdrängung abzuwenden. Falls es sich um eine drohende ökonomische Verdrängung handelt, werden steigende Lebensunterhaltskosten durch Sparmaßnahmen in anderen Lebensbereichen versucht zu kompensieren. Falls es sich um eine drohende physische bzw. soziokulturelle Verdrängung handelt, werden Einschränkungen im materiellen bzw. immateriellen Wohlstand in Kauf genommen. Folglich ist Verdrängung aus der Lebensqualität auch als Verdrängungsdruck charakterisierbar, der, falls er zu stark wird, einen erzwungenen Fortzug auslösen kann. Verdrängungsdruck drängt somit die Betroffenen aus der Lebensqualität in Richtung eines unfreiwilligen Fortzugs. Eine direkte Verdrängung aus der Lebensqualität wird meist über Mietpreissteigerungen oder Entmietungsstrategien“ erwirkt. Eine Vermittlung der Verdrängung aus der Lebensqua” lität über Nachbarschaftseffekte, also eine indirekte Wirkung des Verdrängungsdrucks, ist allerdings auch möglich, wenn sich beispielsweise das Preisniveau des lokalen Gewerbes erhöht. Verdrängung aus der Lebensqualität verschärft sich oft in Kombination mit gebietsbezogener, ausschließender Verdrängung. Durch letztere wird den betroffenen Haushalten die Alternative eines freiwilligen Fortzugs in eine andere Wohneinheit von vergleichbarer Ausstattung und Mietehöhe genommen und es bleibt ihnen nur eine Kompensation des Verdrängungsdrucks über die Senkung der Lebensqualität. 16 Die von Glatter (2007, S. 102 f.) verwendeten Konzepte der freiwilligen“, neutralen“ oder vergoldeten ” ” ” Verdrängung“ können als nach Fortzugsmotivation der ehemaligen Bewohner*innen differenzierte Typen von ausschließender Verdrängung gedeutet werden. 16 Die Verdrängungsformen schließen sich nicht gegenseitig aus und Fortzugsentscheidungen sind selten monokausal. Es ist denkbar, dass Haushalte Mieterhöhungen zunächst über eine Verdrängung aus der Lebensqualität kompensieren, dann aber ökonomisch und soziokulturell verdrängt werden und schließlich auf der Suche nach neuem Wohnraum von gebietsbezogener, ausschließender Verdrängung betroffen sind. Definitionsprobleme Zugegebenermaßen ist auch der hier angestrengte konzeptionelle Rahmen des Verdrängungsbegriffs weder ausnahmslos eindeutig noch lückenfrei. Streng genommen würden Haushalte, die sich allein aufgrund von stark gestiegenen Lebensunterhaltskosten im Quartier zum Fortzug gezwungen sehen, nicht als ökonomisch verdrängt gelten. Schließlich wäre deren unfreiwilliger Fortzug über Quartierseffekte vermittelt und nicht über direkte Mietpreissteigerungen verursacht worden. Für diesen sicherlich eher seltenen Sonderfall ließe sich zusätzlich der Begriff der indirekten ökonomischen Verdrängung einführen. Außerdem ist die praktische Einordnung der konkreten Situation eines Fortzugs nicht immer eindeutig. Wie bereits erwähnt, sind Umzugsentscheidungen selten monokausal und unmissverständlich freiwillig oder unfreiwillig. Diese und andere in der Literatur nicht selten willentlich oder unwillentlich verschwiegenen Unzulänglichkeiten sollen hiermit transparent gemacht und die Notwendigkeit der konzeptionellen Weiterentwicklung des Verdrängungsbegriffs betont werden. Das Wesen der Gentrifizierung Verdrängung kann als Folge von Aufwertung (Holm, 2012a, S. 673 f.) ausgelegt werden. Allerdings macht nur eine Interpretation als logische, nicht als chronologische Folge von Aufwertung Sinn, da Aufwertung und Verdrängung denselben Wandlungsprozess lediglich aus unterschiedlicher Perspektive beschreiben.17 Theoretisch ist Gentrifizierung demnach notwendigerweise immer beides: Aufwertungsprozess und Verdrängungsprozess (Abb. 4). So ist auch die in Kapitel 2.1.1 getroffene Aussage, dass es sich bei der Konjunktion von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung um das Wesen der Gentrifizierung handelt, mit der Diagnose von Marcuse (1992, S. 80) vereinbar, nach der Verdrängung das 17 Zur Chronologie von Gentrifizierungsprozessen wurden entsprechende Verlaufsmodelle entwickelt (Krajewski, 2006, S. 47ff.; Holm, 2012, S. 671ff.). 17 Wesen der Gentrifizierung ausmacht.18 Abbildung 4: Zwei Perspektiven auf Gentrifizierung: Aufwertung und Verdrängung 2.2 Quantitative Studien zu Gentrifizierung Nach einem ersten Boom quantitativer Studien von Ende der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre (z.B. Hartman, 1979; Henig, 1981; LeGates und Hartman, 1981, 1986; Marcuse, 1985; Sumka, 1979) ebbte das Interesse und die Forschungstätigkeit zur Messung von Aufwertung und Verdrängung über lange Zeit ab. Gründe hierfür waren die vielerorts stagnierenden Immobilienmärkte und eine damit vermeintlich gesunkene Dringlichkeit des Themas, aber auch methodische Schwierigkeiten (Wyly u. a., 2010, S. 2604). Erst das Aufkommen einer weiteren Gentrifizierungswelle brachte ab Anfang der 2000er Jahre auch die quantitative Gentrifizierungsforschung vor allem im angelsächsischen Raum wieder in Schwung (z.B. Atkinson, 2000; Freeman, 2005; Freeman und Braconi, 2004; McKinnish, Walsh und White, 2008; Newman und Wyly, 2006a; Van Criekingen, 2009; Vigdor, Massey und Rivlin, 2002; Wyly u. a., 2010). Die zentralen und relevanten Ergebnisse dieser jüngsten Welle von quantitativen Studien zu Aufwertung und Verdrängung sollen im Folgenden zusammengefasst werden. Anschließend wird auch auf die generellen methodischen Schwierigkeiten dieser Studien eingegangen. Anhand einer Systematisierung ihrer methodischen Ansätze soll schließlich auf Lücken und Mängel in der existierenden Literatur aufmerksam gemacht werden. 2.2.1 Forschungsergebnisse Atkinson u. a. (2000, 2011) liefern Evidenz für gentrifizierungsbezogene Aufwertungsprozesse in London bzw. Melbourne/Sydney. Sie zeigen in beiden Studien, dass in Aufwertungsge- 18 Wesen wird hier nach den folgenden drei hegelianischen Bedeutungen ausgelegt: i.) [T]he permanent, ” dominant nature of a thing, that underlies its varying outer states“, ii.) the actual or essential nature of a ” thing in contrast to how it seems or its appearance“ und iii.) the essential or universal features of a group of ” entities, in contrast to their individual variations“ (Inwood, 1992, S. 89). 18 bieten ein überdurchschnittlicher Fortzug von Armen, Alleinerziehenden, Erwerbslosen und anderen Risikogruppen bei gleichzeitigem überdurchschnittlichem Zuzug von statushöherer Bevölkerung zu verzeichnen ist und interpretieren diese Prozesse als Verdrängung. Sie dokumentieren Verdrängung aus der Lebensqualität und direkte Verdrängung, und zeigen, wie arme, verdrängte Mieter*innen in günstige Stadtteile ausweichen mussten, in Abhängigkeit des staatlichen Hilfesystems gerieten oder gar in die Obdachlosigkeit gezwungen wurden. Nichtsdestotrotz räumen sie ein, dass eine genaue empirische Differenzierung von verdrängungsbezogenen, unfreiwilligen Umzügen und freiwilligen Umzügen sehr schwer ist. Newman und Wyly (2006a) und Wyly u. a. (2010) kommen in ihren Studien zu New York City unter zusätzlicher Zuhilfenahme von Regressionsanalysen zu entsprechenden Ergebnissen. Newman und Wyly (2006a, S. 51) schätzten für New York City während der 1990er Jahre eine direkte, d.h. physische und ökonomische Verdrängungsrate von 6,6% bis 9,9% und betonten, dass die Dunkelziffer jedoch deutlich höher liegen müsse. Die rein ökonomische Verdrängungsrate bezifferten sie auf 5,5% bis 8,3%. Diese Verdrängungsraten berechneten sie als Anteil aller stadtweiten Binnenfortzüge. Diesen Ergebnissen stehen eine Reihe von Studien (Freeman, 2005; Freeman und Braconi, 2004; McKinnish, Walsh und White, 2008; Vigdor, Massey und Rivlin, 2002) gegenüber, die das Ausmaß, die Form und die negativen Folgen von gentrifizierungsbezogener Verdrängung in Zweifel ziehen. So stellen Freeman und Braconi (2004) fest, dass benachteiligte Haushalte in Aufwertungsgebieten eine niedrigere Umzugsneigung“ als ähnliche Haushalte in Nicht” Aufwertungsgebieten besitzen. Sie folgeren daraus, dass Gentrifizierung keine Verdrängung von armen Haushalten verursachen würde. Dieser und ähnlichen Studien schlug allerdings eine harsche Kritik an Konzeption, Methodik und Ergebnisinterpretation entgegen (vgl. Davidson und Lees, 2010; Shaw, 2008; Slater, 2009). So entstand in der Literatur eine heftige Kontroverse über Form, Verlauf und Ausmaß von gentrifizierungsbedingter Verdrängung (vgl. Hamnett, 2010; Slater, 2010). In Deutschland wurden bisher noch keine stadtweiten Studien zur Messung von Aufwertung und Verdrängung durchgeführt. Holm (2011b) und Schnuck (2014) lokalisieren in ihren Arbeiten zu Berlin bzw. München zwar Aufwertungsgebiete und analysieren Binnenumzüge, jedoch wird kein Zusammenhang zwischen Aufwertung und Umzugsverhalten exlipizit überprüft.19 In diversen Fallstudien zu bestimmten Ortsteilen von Berlin und Dresden konnte hingegen 19 Rütsche (2015) versucht durch eine kleinräumige empirische Analyse der Wohnmobilität in Berlin den Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung zu erfassen, kommt aber zu keinen belastbaren Ergebnissen. 19 der Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung detailliert nachgewiesen werden (Diller, 2014a; Glatter, 2007; Holm und Bernt, 2004; Krajewski, 2006). 2.2.2 Methodische Herausforderungen Quantitative Studien zu Gentrifizierung haben zumeist eine Lokalisierung von Aufwertungsgebieten oder die Bestimmung und Messung von Verdrängung zum Ziel. In der Empirie setzt die Bestimmung und Messung von gentrifizierungsbezogener Verdrängung jedoch immer eine vorherige Lokalisierung von Aufwertungsgebieten voraus. Als wesentliche methodische Herausforderungen solcher Studien gelten die folgenden Sachverhalte: • Zur Messung von Prozessen von Aufwertung oder Verdrängung sind, egal ob auf Aggregats- oder Individualebene, Längsschnittdaten für einen Vorher-Nachher” Vergleich“ erforderlich. Insbesondere beim Versuch Verdrängung über Individualdaten zu messen und die Folgen für Betroffene zu bestimmen, stellt dies ein Problem dar (Lees, Slater und Wyly, 2010, S. 319; Davidson und Lees, 2010, S. 400). • Hohe anzunehmende Dunkelziffern erschweren präzise und verlässliche Analysen. Sind Mieter*innen beispielsweise gar nicht bei den Behörden gemeldet, wird auch ein erzwungener Umzug in den amtlichen Statistiken nicht erfasst. Da bei Haushaltsbefragungen meist nur der Haushaltsvorstand befragt wird, verschwinden bereits verdrängte arme Mieter*innen möglicherweise selbst aus den detailiertesten Befragungen, wenn sie beispielsweise bei Freund*innen oder Verwandten untergekommen sind (Wyly u. a., 2010, S. 2603). • Üblicherweise wird bei quantitativen Studien zu Gentrifizierung auf Aggregatsdaten zurückgegriffen.20 An diese bestehen jedoch hohe Anforderungen - was ihre Akquise wegen fehlender Verfügbarkeit oder eingeschränkter Zugänglichkeit besonders schwer macht (Glatter, 2007, S. 45 ff.): - Für einen Nachweis der Kleinteiligkeit des Gentrifizierungsprozesses werden Aggregatsdaten in feinstmöglicher räumlicher Auflösung benötigt. Bei unzureichender räumlicher Auflösung können lokale Prozesse von Verfall, Aufwertung oder Polarisierung unentdeckt bleiben. - Im Übrigen werden für eine adäquate Operationalisierung von Aufwertung und 20 Zu den allgemeinen, nicht gentrifizierungsbezogenen Problemen von Analysen aggregierter Sekundärdaten vgl. Glatter (2007, S. 45 f.). 20 Verdrängung schwer zugängliche Proxy Variablen wie etwa die Armutsquote, das Haushaltseinkommen, das Bildungsniveau oder die Mietpreise benötigt. • Stichproben von Individualdaten zu Aufwertung und Verdrängung sind meist nicht repräsentativ und eine verlässliche statistische Inferenz ist deshalb schwierig. • Eine Trennung von freiwilligem und unfreiwilligem Umzug ist schwierig zu operationalisieren - selbst mit Individualdaten (Atkinson, 2004, S. 112 ff.). Daraus ergibt sich auch die Schwierigkeit, empirisch zwischen Verdrängungseffekten und nicht gentrifizierungsbezogenen Umzügen zu differenzieren (vgl. Lee und Hodge, 1984).21 Außerdem können sich unterschiedliche Verdrängungseffekte in den aggregierten Statistiken wohnräumlicher Mobilität gegenseitig neutralisieren“. Während physische, ökonomische und soziokul” turelle Verdrängung die Fortzugsrate erhöht, senkt ausschließende Verdrängung die Fortzugsrate. In der Summe heben sich diese beiden Effekte dann möglicherweise auf und sind anhand der Umzugsstatistiken nicht mehr zu entdecken. • Eine weitere Herausforderung besteht darin, den spezifischen Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung zu erfassen. In der Vergangenheit wurden nur selten - zum Teil auch wenig überzeugende - Modelle entwickelt, die diesen Zusammenhang explizit und empirisch zu belegen versuchten (z.B. Freeman, 2005; Newman und Wyly, 2006a; Wyly u. a., 2010). 2.2.3 Systematisierung Im Vergleich zur ersten Welle quantitativer Studien zu Gentrifizierung hat sich seit Anfang der 2000er Jahre die Methodik zur Lokalisierung und Messung von Aufwertung und Verdrängung stetig verfeinert und die eben genannten Herausforderungen wurden etwas besser bewältigt. Kürzlich setzten Hedin u. a. (2012) mit ihrer Studie zu schwedischen Großstädten neue Maßstäbe bezüglich der Präzision von Lokalisierung und Charakterisierung von Aufwertungsgebieten. Diese Präzision wurde durch die Verwendung von detaillierten Längsschnittdaten auf feinster räumlicher Auflösung (100m x 100m) ermöglicht.22 Jedoch unternahmen Hedin u. a. (2012) keine expliziten Versuche neben Aufwertung auch Verdrängung zu messen, 21 Laut Lees, Slater und Wyly (2010, S. 319) führt dieses Problem der Differenzierbarkeit auch dazu, dass gentrifizierungsbezogene Umzüge als Teilmenge allgemeiner wohnräumlicher Mobilität leicht übersehen werden. Einige Autor*innen versuchen durch eine Kombination von qualitativen und quantitativen Methoden diese Differenzierung zu ermöglichen (Glatter, 2007; Krajewski, 2006; Wyly u. a., 2010). 22 Ähnliche Versuche stadtweiter Kartierungen von Aufwertungsgebieten wurden auch von Atkinson u. a. (2011), Holm (2011b) und Maciag (2015) durchgeführt. 21 geschweige denn, den Zusammenhang zwischen den beiden empirisch zu prüfen. Tabelle 2 liefert einen Überblick über die Methoden der wichtigsten quantitativen Studien zu Aufwertung und Verdrängung seit 2000. Diese sollen als Orientierung und Vorlage für die Ausrichtung dieser Arbeit dienen. Die in Tabelle 2 aufgeführten Studien verwendeten Aggregatsdaten zur Identifizierung von Aufwertungsgebieten und versuchten außerdem durch Analysen von Daten zur wohnräumlichen Mobilität, Verdrängung empirisch zu erfassen. Studie Jahr Geographischer Fokus Auflösung Stadtweit Individualdaten 3 3 Inferenz Atkinson 2000 London (GB) Nachbarschaften Vigdor, Massey und Rivlin 2002 Boston (USA) Stadtteile 3 3 Freeman und Braconi 2004 New York City (USA) Stadtteile 3 3 3 Freeman 2005 Diverse Großtädte (USA) Nachbarschaften 3 3 3 Newman und Wyly 2006 New York City (USA) Stadtteile 3 3 3 McKinnish u. a. 2008 Diverse Großtädte (USA) Nachbarschaften 3 3 Van Criekingen 2009 Historisches Zentrum - Brüssel (BEL) Ortsteile 3 Wyly u. a. 2010 New York City (USA) Stadtteile 3 3 Atkinson u. a. 2011 Sydney und Melbourne (AUS) Ortsteile 3 3 International 3 National 3 Krajewski 2006 Spandauer & Rosenthaler Vorstadt - Berlin Nachbarschaften Glatter 2007 Äußere Neustadt - Dresden Ortsteile Holm 2011 Berlin Ortsteil 3 Schnuck 2014 München Ortsteile 3 Rütsche 2015 Berlin Nachbarschaften 3 Auflösung = Räumliche Auflösung der Studie (ungefähre Bevölkerungszahl in Klammern): Stadtweit = Es wurde eine gesamtstädtische Analyse auf dem Niveau der räumlichen Auflösung durchgeführt. Individualdaten = Als Datengrundlage dienten neben Aggregatsdaten auch Befragungsdaten auf Personen-/Haushaltsniveau. Inferenz = 3 Stadtteile (50000-300000), Ortsteile (5000-50000), Nachbarschaften (<5000) Zumeist stammten diese Daten aus den lokalen Zensus. Es wurden Regressionsanalysen zur statistischen Inferenz durchgeführt. Tabelle 2: Systematisierung ausgewählter Studien zu Aufwertung und Verdrängung 2.2.4 Lücken und Kritik Bei der Betrachtung von Tabelle 2 fallen einige Punkte auf:23 • In der internationalen Forschung besteht eine starke geographische Fixierung auf USamerikanische Großstädte. • Inferentielle Regressionsanalysen wurden bislang nur auf Basis von Individualdaten 23 Die in der Auflistung getroffenen Aussagen behalten ihre Gültigkeit selbst dann, wenn man die Tabelle 2 um ältere Studien erweitert. 22 durchgeführt. • In Deutschland gab es bisher kaum Versuche, Aufwertung oder Verdrängung stadtweit zu messen. • In Deutschland gab es bisher noch keine Studien, die versuchten mithilfe von Regressionsanalysen den Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung zu erfassen. In der deutschen Gentrifizierungsforschung besteht also offensichtlich eine Lücke, was Studien zur empirischen Messung von Aufwertung, Verdrängung und deren Zusammenhang anbelangt.24 Einerseits mag dies an der bisher ungünstigen Datenlage liegen, aber auch daran, dass viele kritische Stadtsoziolog*innen und -geograph*innen wenig Interesse an oder Kenntnisse über quantitative Methoden zu besitzen scheinen.25 Diese Arbeit versucht die identifizierte Forschungslücke zu füllen und orientiert sich dabei an den in Tabelle 2 aufgeführten Studien. Deren analytische Vorgehensweise und Methodik soll jedoch nicht unreflektiert übernommen werden. Zwei zentrale Kritikpunkte sind an den bisherigen Studien zu äußern und sollen auch in dieser Arbeit berücksichtigt werden: • Diffuser konzeptioneller Rahmen: Freeman und Braconi (2004), McKinnish, Walsh und White (2008) und Vigdor, Massey und Rivlin (2002) werden von Slater (2009) zurecht für den unklaren konzeptionellen Rahmen ihrer Studien kritisiert. Diesen Autor*innen kann an verschiedenen Stellen eine mangelhafte Auseinandersetzung mit der Theorie und den Begriffen der Gentrifizierungsforschung vorgeworfen werden, was in der Folge auch zu einer unsauberen Interpretation ihrer empirischen Ergebnisse führte. • Mangelende Sorgfalt bei der Anwendung inferentieller statistischer Methoden: In keiner der Studien, die mit inferentiellen Regressionsanalysen arbeiten, wurden die Modellannahmen erwähnt oder überprüft. Da allen Regressionsanalysen räumliche Daten zugrunde lagen und die Modelle meist nur einen niedrigen Erklärungsgehalt besaßen, ist davon auszugehen, dass räumliche Autokorrelation in den Residuen vorherrschte und damit die Modellannahmen verletzt wurden. Dies führte möglicherweise zu verzerrten und ineffizienten Parameterschätzungen. Noch schwerwiegender ist, dass die meist sehr 24 Nach Einschätzung von Van Criekingen (2009, S. 825) ist der Zusammenhang zwischen Verdrängung und Aufwertung auch in der internationalen Literatur zu Gentrifizierung zu wenig erforscht. 25 Dass bisherige Studien zu Gentrifizierung in Berlin nur selten auf quantitative Methoden zurückgriffen, war der Befund einer von Caroline Häberle und mir im Rahmen des Projektseminars Gentrification” Theorien, Erklärungsmodelle und Untersuchungsmethode“ an der HU Berlin (WiSe 2013/2014) durchgeführten, systematischen Bibliographieauswertung. 23 schlechte Anpassungsgüte der Regressionsmodelle (z.B. Newman und Wyly, 2006a; Wyly und Hammel, 2004) in den Studien kaum problematisiert wurde. In einigen Studien wurden überhaupt keine Angaben über die Anpassungsgüte der Modelle gemacht (z.B. Freeman, 2005; McKinnish, Walsh und White, 2008). 2.3 Forschungshypothesen Nachdem der konzeptionelle Rahmen definiert, sowie Ergebnisse, Lücken und Schwächen vergangener quantitativer Studien zu Aufwertung und Verdrängung besprochen wurden, können auf dieser Grundlage die Forschungsfragen und -hypothesen detailliert formuliert werden: Forschungsfragen 1. Wo befinden sich in Berlin die am stärksten von Gentrifizierung betroffenen Nachbarschaften? 2. Wie unterscheiden sich diese Nachbarschaften von vergleichbaren Nachbarschaften, die weniger starke Aufwertungsdynamiken erfuhren? 3. Welche Muster wohnräumlicher Mobilität herrschen in den Nachbarschaften stärkster Aufwertung vor und wie unterscheiden sich diese von Mustern vergleichbarer Nachbarschaften, die weniger starke Aufwertungsdynamiken erfuhren? 4. Welche Anzeichen für Verdrängungsprozesse liefern diese Mobilitätsmuster? 5. Wie lassen sich unterschiedlich starke Binnenfortzugsraten erklären und welche Rückschlüsse erlaubt dies auf Verdrängungsprozesse? 6. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Aufwertung und Verdrängung, und wie stark ist er? Hypothesen • Forschungsfragen 1 & 2: Nach der rent-gap Theorie sind die größten Ertragslücken in Gebieten niedriger Ausgangsmietpreise zu erzielen. Diese preisgünstigen Wohnlagen werden zumeist von ärmerer Bevölkerung bewohnt.26 Demnach sind die größten 26 Dass Gentrifizierungsprozesse oft nicht in den allerärmsten Stadtvierteln zu beobachten sind, ist nicht mit der rent-gap Theorie zu erklären. Slater (2015, S. 14) schlägt deshalb eine Ergänzung der rent-gap Theorie vor, die eine territoriale Stigmatisierung“ von Stadtvierteln berücksichtigt. ” 24 Aufwertungsdynamiken, immobilienwirtschaftlich wie sozial, in Berlin in eben solchen Stadtvierteln zu erwarten. Diese Vermutungen wurden schon teilweise durch das Monitoring Soziale Stadtentwicklung (SenStadt, 2014), sowie durch das GentriMap Projekt erhärtet (Holm, 2012b). Außerdem zeigen die Mietspiegel der letzten Jahre, dass vor allem gründerzeitliche Altbauten und Zwischenkriegsbestände von den deutlichsten Preissteigerungen betroffen waren (Berner, Holm und Jensen, 2015, S. 29). Diese Gebäudestrukturen sind vor allem in den Innenstadtlagen zu finden. H 1 Innenstadtnahe Nachbarschaften mit hohen Armutsquoten und günstigen Mieten sind am stärksten von Gentrifizierungsprozessen betroffen. • Forschungsfrage 3 & 4: Vermutlich gewinnen die in Gentrifizierungsgebieten zu beobachtenden Prozesse sozialer Aufwertung erst durch die beschleunigende Wirkung eines erhöhten Zuzugs ihre starke Dynamik. Höhere Zuzugsraten in Gentrifizierungsgebieten wirken demnach vermittelnd für eine beschleunigte soziale Aufwertung. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Verbesserung von Sozialindikatoren in bestimmten Stadtvierteln Berlins im Wesentlichen auf den Zuzug von sozioökonomisch Bessergestellten zurückzuführen ist (Holm, 2011b; Holm und Bernt, 2004; Krajewski, 2006; Rütsche, 2015). Czarnetzki (2013) und der BBU (2015) dokumentieren insbesondere einen starken Zuzug von außerhalb Berlins in die neuerdings begehrten Innenstadtgebiete. So ergibt sich folgende Hypothese: H 2.1 Gentrifizierungsgebiete besitzen höhere Außenzuzugsraten als vergleichbare Gebiete. • Forschungsfrage 3 & 4: Zwischen 2007 und 2013 stieg in Berlin die durchschnittliche Differenz zwischen Mietspiegel und Angebotsmieten von 17% auf 35% (Berner, Holm und Jensen, 2015, S. 29). Für Aufwertungsgebiete ist von einer noch größeren Differenz auszugehen. Da mit der Ertragslücke zwischen Bestandsmiete und potenzieller Mieteinnahmen der Vorteil eines Mieter*innenwechsels für die Eigentümer*innen steigt (Berner, Holm und Jensen, 2015, S. 30), ist in Aufwertungsgebieten auch mit einer überdurchschnittlichen Anzahl an unfreiwilligen Fortzügen, sowie erhöhtem Verdrängungsdruck zu rechnen (Rütsche, 2015, S. 33). Schließlich erfordert immobilienwirtschaftliche Aufwertung auch soziale Aufwertung und diese wird bei Gentrifizierungsprozessen über Verdrängung vermittelt. Deshalb sind für die Gentrifizierungsgebiete Berlins ebenfalls erhöhte Binnenfortzugs- und Verdrängungsraten zu erwarten, wie sie bereits von Atkinson (2000) und Atkinson u. a. (2011) in den Gentrifizierungsgebieten Londons, Sydneys und Melbournes beobachtet wurden. Allein die erhöhten Binnenfortzugsraten wären als deutliches Anzeichen für eine überwiegend direkte oder soziokulturelle 25 Verdrängung zu interpretieren und hätten ebenfalls eine beschleunigende Wirkung auf Aufwertungsprozesse. H 2.2a Gentrifizierungsgebiete besitzen höhere Binnenfortzugsraten als vergleichbare Gebiete. • Forschungsfrage 3 & 4: Der H 2.2a stehen die Forschungsergebnisse von Freeman und Braconi (2004), McKinnish, Walsh und White (2008) und Vigdor, Massey und Rivlin (2002) gegenüber. Diese Autor*innen dokumentierten in diversen US-amerikanischen Großstädten, insbesondere für ärmere Haushalte, niedrigere Fortzugsraten in Aufwertungsgebieten als in Vergleichsgebieten. Auch in Berlin ist ein solches Phänomen denkbar: Während sich innerhalb des Berliner S-Bahn Rings [...] Gentrification zu ” einem Mainstream-Phänomen“ (Berner, Holm und Jensen, 2015, S. 29) entwickelt hat, fiel zwischen 2003 und 2013 die Binnenwanderungsquote, also der Anteil der Bevölkerung, der im jeweiligen Jahr innerhalb der Stadt umgezogen ist, um etwa 30% (BBU, 2015, S. 38 f.).27 Dabei weisen besonders die innenstadtnahen Bezirke niedrige Umzugsraten auf (BBU, 2015, S. 58). Erklärbar wäre eine niedrigere Fortzugsrate in Aufwertungsgebieten als Ausdruck ausschließender Verdrängung (vgl. Gude, 2015), die physische, ökonomische und soziokulturelle Verdrängung überkompensiert. Mieter*innen klammern“ sich an ihren Mietvertrag und ziehen entgegen ihren Wunsch nicht ” um, da sie (zurecht) befürchten, keine preislich und qualitativ vergleichbare Wohnung in ihren Wunschnachbarschaften zu finden. So geht Slater (2009, S. 305) von einem Phasenmodell aus, nach dem erhöhte Fortzugsraten nur kurz vor dem Einsetzen von Aufwertungsprozessen zu beobachten sind und niedrigere Fortzugsraten während der Aufwertungsprozesse ablaufen. Als Hypothese ergibt sich somit: H 2.2b Gentrifizierungsgebiete besitzen niedrigere Binnenfortzugsraten als vergleichbare Gebiete. • Forschungsfrage 5 & 6: Ärmere Bevölkerungsschichten ziehen öfter um als wohlhabendere - selbst unter Abwesenheit von immobilienwirtschaftlicher Aufwertung (Chanfreau, 2011; Newman und Wyly, 2006a). Unter der Voraussetzung von H 1 würde ein positiver Zusammenhang zwischen Armutsquote und Fortzugsrate eine Beschleunigung von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung gleichermaßen erklären. Ein solcher positiver Zusammenhang würde außerdem den Verdacht einer stärkeren Betroffenheit ärmerer Bevölkerungsschichten von direkter Verdrängung erhärten und 27 Diese Statistik bezieht sich nur auf die Mieter*innen der BBU Mitgliedsunternehmen. Vermutlich ist dieser Trend aber für den Berliner Wohnungsmarkt im Ganzen zu verallgemeinern. 26 die diesbezüglichen Forschungsergebnisse von Atkinson (2000) und Wyly u. a. (2010) bestätigen. H 3.1 Je höher die Armutsquote in einer Nachbarschaft, desto höher ist die dortige Binnenfortzugsrate. • Forschungsfrage 5 & 6: Während H 2.2a und H 2.2b lediglich postulieren, dass in Aufwertungsgebieten eine höhere bzw. niedrigere Binnenfortzugsrate vorherrscht, soll in H 3.2a und H 3.2b der spezifische Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher Aufwertung und Binnenfortzugsrate auch kausal formuliert und isoliert werden. Es soll also geklärt werden, ob immobilienwirtschaftliche Aufwertung zu höheren bzw. niedrigeren Binnenfortzugsrate führt. Je nach Ergebnis ermöglicht eine Quantifizierung dieses Zusammenhangs auch die Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten als allein auf immobilienwirtschaftliche Aufwertung zurückführbare Binnenfortzüge. H 2.2a entsprechend gilt dann: H 3.2a Je stärker die immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik in einer Nachbarschaft, desto höher ist die dortige Binnenfortzugsrate. • Forschungsfrage 5 & 6: Als Gegenhypothese zu H 3.2a, also in Entsprechung zu H 2.2b, gilt: H 3.2b Je stärker die immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik in einer Nachbarschaft, desto niedriger ist die dortige Binnenfortzugsrate. 27 3 Daten In diesem Kapitel werden die Quellen (Kap. 3.1), die Struktur (Kap. 3.2 und 3.3), sowie der Inhalt (Kap. 3.4) der Daten beschrieben, die später analysiert und zur Überprüfung der Forschungshypothesen genutzt werden. Im Anschluss daran, soll die Datenlage kurz kritisch reflektiert und auf die Grenzen ihrer Interpretierbarkeit hingewiesen werden (Kap. 3.5). 3.1 Rohdatenquellen Ähnlich dem GentriMap Projekt (Holm, 2012b) werden spezifische Anforderungen an die Daten gestellt. Die Daten sollen für das gesamte Bundesland Berlin kleinräumig, d.h. auf Nachbarschafts- bis Ortsteilsniveau verfügbar sein. Desweiteren sollen sie den entsprechenden Geobasisdaten zuzuordnen, sowie genau und verlässlich sein. Über die folgenden Quellen konnten Daten bezogen werden, die diesen Anforderungen genügen: • Demographische Daten wurden vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erhoben und über das Berlin Open Data Portal28 aus dem abgestimmten Datenpool bezogen. • Wanderungsdaten wurden vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg käuflich erworben. • Sozialdaten wurden den Status- und Kontextindikatoren des Monitorings Soziale Stadtentwicklung29 entnommen, das alle zwei Jahre von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt erstellt wird. • Immobilienwirtschaftlichen Daten wurden von JLL Research30 zur Verfügung gestellt und basieren auf den Erhebungen der IDN ImmoDaten GmbH. • Geobasisdaten wurden vom Amt für Statistik Berlin-Brandenburg erstellt und über das Berlin Open Data Portal oder das Geoportal31 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bezogen. 3.2 Beobachtungseinheit und Beobachtungszeitraum Lebensweltlich orientierte Räume (LOR) In dieser Arbeit werden ausschließlich Ag- gregatsdaten, d.h. keine personenbezogenen Einzeldaten verwendet. Als Beobachtungseinheit 28 http://daten.berlin.de/datensaetze/ 29 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/basisdaten_stadtentwicklung/monitoring 30 http://www.jll.de/germany/de-de/research 31 http://www.stadtentwicklung.berlin.de/geoinformation/fis-broker/ 28 und Aggregatsniveau der Daten dienen die Lebensweltlich orientierten Räume (LOR), die die Berliner Behörden seit 2007 als räumliche Grundlage für Planung, Prognose und Beobachtung ” demografischer und sozialer Entwicklungen in Berlin“ einsetzen (SenStadt, 2013). LOR sollen eine räumliche Abbildung lebensweltlicher Homogenität bei gleichzeitiger Wahrung ” einer Vergleichbarkeit der Planungsraumeinheiten“ liefern, und werden unter anderem über einheitliche Baustrukturen bzw. Milieubildung, große Straßen und Verkehrstrassen sowie ” natürliche Barrieren, aber auch eine Begrenzung der Einwohnerzahl“ (SenStadt, 2013) definiert. Die LOR bestehen aus drei hierarchischen Ebenen: Prognoseräume, Bezirksregionen und Planungsräume. Für diese Arbeit wird jedoch nur die Planungsraumebene verwendet. Wenn im Folgenden von LOR gesprochen wird, so sind damit die Planungsräume gemeint. Als Beobachtungseinheit für die quantitative Gentrifizierungsforschung eignen sich die LOR deshalb besonders gut, da sie die feinste, öffentlich verfügbare, räumliche Auflösung vieler behördlicher Aggregatsdaten darstellen und ihre Vergleichbarkeit stets gewährleistet ist.32 Dennoch sei auch auf den großen Nachteil von Aggregatsdaten hingewiesen: Durch Mittelwertsbildung bleiben LOR interne Verteilungen unberücksichtigt und Änderungen innerhalb eines LOR potenziell unentdeckt, falls sich gegenläufige Tendenzen im Aggregat einander aufheben.33 Beobachtungszeitraum 2007-2012 Als Beobachtungszeitraum werden die Jahre von 2007 bis 2012 gewählt.34 Dies hat mehrere Gründe. Zum einen sind vergleichbare behördliche Daten auf LOR Niveau erst ab 2007 verfügbar, zum anderen waren keine neueren Sozialdaten als zum Stichtag 31.12.2012 zu akquirieren. Die Festlegung des Beobachtungszeitraums ist aber auch inhaltlich motiviert: Mit dem Einsetzen der globalen Finanzkrise 2007 erfuhr der Berliner Immobilienmarkt einen Sprung an Attraktivität für Investor*innen. Damit begann eine neue Welle immobilienwirtschaftlicher Aufwertungsprozesse in Berlin, die bis heute anhält und durch diese Arbeit erfasst werden soll. Ein Beobachtungszeitraum von sechs Jahren erlaubt außerdem eine verhältnismäßig sensible Analyse der sozialen und immobilienwirtschaftlichen 32 Im Gegensatz zum GentriMap Projekt (Holm, 2012b), bei dem als räumliche Auflösung die viel gröberen ImmoScout24 Ortsteile dienten, erlauben die LOR eine viel nuanciertere und präzisere Analyse. 33 Auch bei der statistischen Inferenz entstehen durch die Verwendung von räumlichen Aggregatsdaten besondere Tücken (vgl. Moulton, 1990). 34 Jährlicher Stichtag ist der 31.12. Werden Variablen mit Jahresbezug verwendet, so wird dies über die Jahreszahl im Subskript gekennzeichnet. 29 Veränderungen.35 Ausschluss bestimmter LOR Um Verzerrungen durch Zufallsfehler zu vermeiden, wurden, der Methodologie des Monitorings Soziale Stadtentwicklung folgend, LOR mit weniger als 300 Einwohnern von der Analyse ausgeschlossen (SenStadt, 2014). Zu Beobachtungsbeginn waren das folgende LOR: Großer Tiergarten, Westhafen, Gleisdreieck/Entwicklungsgebiet, Lietzengraben, Olympiagelände, Messegelände, Güterbahnhof Grunewald, Stadion Wilmersdorf, Forst Grunewald, Am Treptower Park Nord, Adlershof West, Gewerbegebiet Bitterfelder Str., Tegeler Forst und das Gewerbegebiet Köllnische Heide. Außerdem wurden die LOR Blankenburg, Blankenfelde, Herzbergstraße, Motardstr. bei der Analyse nicht berücksichtigt.36 Für Blankenburg und Blankenfelde standen keine immobilienwirtschaftlichen Daten für die Jahre 2007 und 2008 zur Verfügung. Herzbergstraße und Motardstr. gelten als Ausreißer bei den Umzugsraten und hätten die Analysen vezerrt.37 Es werden also insgesamt 18 der 447 LOR, oder 14548 Berliner*innen (Referenzjahr 2007) von der Analyse ausgeschlossen, und 429 LOR fließen als sogenannte gültige LOR (n) in die Analyse ein. Trotz der Heterogenität der LOR Größen ist die räumliche Auflösung der LOR mit einer Mediangröße von 6914 Einwohner*innen als Nachbarschafts- bis Stadtviertelniveau zu bezeichnen (Tab. 3). Im Folgenden werden die Begriffe Nachbarschaft, Quartier und Gebiet als Synonym für LOR verwendet. min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean 403 4424 6914 10070 31270 7784 Tabelle 3: Einwohner*innenzahl m im Jahre 2007 der gültigen LOR (n = 429) Interpolation von PLZ- auf LOR-Raumniveau Bis auf die immobilienwirtschaftlichen Daten konnten alle Daten auf LOR Ebene akquiriert werden. Um eine Analyse auf LOR Ebene 35 Auch die Studie von Atkinson u. a. (2011) basiert auf einem Beobachtungszeitraum von sechs Jahren. In der Literatur sind sonst längere Beobachtungszeiträume von etwa zehn Jahren üblich (z.B. Atkinson, 2000; Freeman, 2005). 36 Die hier aufgeführten Namen der LOR entsprechen genau der von den Behörden verwendeten Bezeichnung und Schreibweise. 37 Die LOR Motardstr. und Herzbergstraße weisen deshalb so extrem hohe Umzugsraten auf, weil sich dort Zentrale Aufnahmestellen für Flüchtlinge befinden. Diese fungieren als Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende in Berlin. 30 zu ermöglichen, mussten die immobilienwirtschaftlichen Daten deshalb vom groben, nicht hierarchischen Postleitzahlniveau (190 Räume) auf das feinere LOR (447 Räume) Niveau interpoliert werden.38 Hierfür wurde ähnlich dem GentriMap Projekt (Holm, 2012b) als Verfahren eine Interpolation nach Bevölkerungsgewichtung gewählt. Das Verfahren soll anhand der schematischen Abbildung 5 erklärt werden. Abbildung 5: Interpolationsschema von PLZ- auf LOR-Raumniveau per Blockgewichtung Als Grundlage für die Bevölkerungsgewichtung dienten die Geometrien und Einwohner*innenzahlen der statistischen Blöcke, welche die kleinste flächige Unterteilung des Berli” ner Stadtgebiets“ (Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, 2015) im behördlichen Raumbezugssystem darstellen. Zunächst wurden die geometrischen Schwerpunkte der Blöcke bestimmt (B1 bis B7). Diesen wurde in einem zweiten Schritt ein metrisches Attribut x ihres entsprechenden Postleitzahlgebietes P LZ zugeordnet, sodass beispielsweise x(P LZ1) = x(B1) = x(B2) = x(B3) und x(P LZ2) = x(B4) = · · · = x(B7). Daraufhin wurden die Geometrien der LOR auf die Karte gelegt“ um eine Zuordnung der Blöcke zu ihren entsprechenden LOR zu ” ermöglichen. Zuletzt wurden die Attribute der Blöcke Bi mit dem Gewicht ihrer jeweiligen Einwohner*innenzahl mBi den entsprechenden LOR zugewiesen und anschließend skaliert. So erhielt beispielsweise der LOR1 das Attribut x nach folgendem Gewichtungsschema: x(LOR1 ) = mB1 x(B1) + mB2 x(B2) + mB7 x(B7) . mB1 + mB2 + mB7 Für den LOR2 gilt analog x(LOR2 ) = mB3 x(B3) + mB5 x(B5) . mB3 + mB5 Dieses Interpolationsverfahren wurde für jedes Jahr getrennt durchgeführt, da sich die 38 Alle Geodaten wurden noch vor der Interpolation auf das gemeinsame räumliche Bezugssystem EPSG:3068 Soldner Berlin umprojeziert. 31 Blockgeometrien und Einwohner*innenzahlen von Jahr zu Jahr änderten.39 Eine Interpolation von groben auf feinere räumliche Auflösungen ist grundsätzlich problematisch, da sie Informationen generiert“, die gar nicht vorliegen. Durch die Blockgewichtung erhalten die ” zu interpolierenden Daten jedoch eine zusätzliche Quelle der räumlichen Präzision und der Interpolationssprung von PLZ- auf LOR-Niveau wird im Rahmen dieser Arbeit als vertretbar klein beurteilt. 3.3 Inferenz trotz Vollerhebung Hypothetische Grundgesamtheiten Im Gegensatz zu vielen anderen quantitativen Studien zu Gentrifizierung greift diese Arbeit auf keine personenbezogenen Einzeldaten zurück, d.h. es werden ausschließlich Aggregatsdaten analysiert. Da die Aggregatsdaten für das gesamte Bundesland Berlin vorliegen, sind diese als Vollerhebung und nicht als Stichprobe zu interpretieren. Dies legt eine rein deskriptive Analyse nahe und macht den Gebrauch inferentieller Methoden zunächst widersinnig. Schließlich versucht die inferentielle Statistik über die erhobenen Daten hinaus allgemeinere Schlußfolgerungen für umfassendere Grundge” samtheiten zu ziehen“ (Fahrmeir, Kneib und Lang, 2007, S. 13). Natürlich wäre es möglich, eine umfassendere Grundgesmtheit“ als hypothetische Grundgesamtheit zu konstruieren. So ” ist die Konstruktion einer hypothetischen Grundgesamtheit durch eine räumliche oder zeitliche Erweiterung des Studienrahmens denkbar, beispielsweise als Menge aller mitteleuropäischen Großstädte bzw. als einen in die Zukunft erweiterten Beobachtungszeitraum. Die Konstruktion einer solchen hypothetischen Grundgesamtheit wäre aber allein Mittel zum Zweck, den Einsatz inferentieller Methoden künstlich und formalistisch zu legitimieren - was dies letzlich zu einer absurden Vorgehensweise macht. Problematisch wäre auch die tatsächliche Durchführung der Inferenz: Wie sollte ex post aus den vorliegenden Aggregatsdaten eine Zufallsstichprobe konstruiert werden? Was sollte die vorliegenden Aggregatsdaten repräsentativ für die hypothetische Grundgesamtheit machen? Die Konstruktion einer hypothetischen Grundgesamtheit macht hier also keinen Sinn. Die Grundgesamtheit bleibt die Menge aller ” für die Fragestellung relevanten statistischen Einheiten“ (Fahrmeir, Kneib und Lang, 2007, S. 15), und das sind in dieser Arbeit die Berliner LOR im Beobachtungszeitraum von 2007 bis 2012. 39 Aufgrund von Ungenauigkeiten in den Geometrien konnten jährlich etwa 12000 Einwohner*innen keinem LOR zugeordnet werden. Diese Zahl ist so verschwindend gering, dass nur mit einer minimalen und folgenlosen Verzerrung des Interpolationsverfahrens zu rechnen ist. 32 Prozessbasierte Inferenz Dennoch ist der Einsatz inferentieller Methoden für die vorliegenden Daten und die formulierten Forschungsfragen zweckmäßig. Er erfordert aber eine alternative Interpretation der Inferenz, denn die von einer Stichprobe auf deren Grundgesamtheit ist hier nicht möglich. Eine plausible, andere Interpretation statistischer Inferenz liefert Frick (1998) mit der prozessbasierten Inferenz. Hierbei wird unterstellt, dass der Datengenerierung ein bestimmter Prozess zu Grunde liegt, auf dessen Gesetzmäßigkeiten per Inferenz geschlossen werden kann. In diesem Sinne besteht der inferentielle Sprung“ nicht im ” Schluss von der Stichprobe zur Grundgesamtheit. Der inferentielle Sprung“ besteht nun in ” der empirischen Verifikation von vorher formulierten Hypothesen über den datengenerierenden Prozess. Eine solche prozessbasierte Interpretation statistischer Inferenz soll dieser Arbeit zu Grunde gelegt werden.40 3.4 Variablen Als Nächstes sollen die in der empirischen Analyse verwendeten Variablen erläutert werden. Als Grundlage für die Variablenbeschreibungen dienen die in Kapitel 3.1 genannten Datenquellen. In der empirischen Analyse wird sich später immer wieder auf die kurzen Variablennamen bezogen, um die umständlichen, ausführlichen Definitionen nicht wiederholen zu müssen. Variablenbeschreibungen • EW : Anzahl der gemeldeten Einwohner*innen. Für drei Alterskohorten wurden zusätzliche Variablen generiert: EWu18 (Anteil der unter 18 Jährigen in %, d.h. Kinder und Jugendliche), EW18-35 (Anteil der 18-35 Jährigen in %, d.h. junge Erwachsene) und EWü65 (Anteil der über 65 Jährigen in %, d.h. Senior*innen). • Wohndauer5 und Wohndauer10 : Anteil der Einwohner*innen mit mindestens 5 bzw. 10 Jahren Wohndauer an ihrer aktuellen Adresse an den Einwohner*innen in %. • FortzügeB : Jahresdurchschnittliche Binnenfortzugsrate in %. Die Binnenfortzugsrate ist definiert als der Anteil der Abmeldungen mit darauffolgender Anmeldung unter einer anderen Adresse innerhalb Berlins an den Einwohner*innen in %. Umzüge innerhalb eines LOR fließen auch in die Fortzüge mit ein.41 40 Eine prozessbasierte Interpretation statistischer Inferenz ist im Übrigen auch für Stichproben gültig (Frick, 1998, S. 530). 41 Aufgrund einer fehlerhaften Datenlieferung durch das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg stehen keine Daten der Intra-LOR Umzüge für das Jahr 2007 zur Verfügung. Die dadurch entstehende Unterschätzung der Binnenumzugsraten erscheint aber als gering, da sie über sechs Jahre hinweg herausgemittelt“ werden konnte. ” 33 • ZuzügeB : Jahresdurchschnittliche Binnenzuzugsrate in %. Die Binnenzuzugsrate ist definiert als der Anteil der Anmeldungen mit vorheriger Abmeldung unter einer anderen Adresse innerhalb Berlins an den Einwohner*innen in %. Umzüge innerhalb eines LOR fließen auch in die Zuzüge mit ein.42 • FortzügeA: Jahresdurchschnittliche Außenfortzugsrate in %. Die Außenfortzugsrate ist definiert als der Anteil der Abmeldungen mit darauffolgender Anmeldung unter einer anderen Adresse außerhalb Berlins an den Einwohner*innen in %. Dies schließt auch Fortzüge ins Ausland ein. • ZuzügeA: Jahresdurchschnittliche Außenzuzugsrate in %. Die Außenzuzugsrate ist definiert als der Anteil der Anmeldungen mit vorheriger Abmeldung unter einer anderen Adresse außerhalb Berlins an den Einwohner*innen in %. Dies schließt auch Zuzüge aus dem Ausland ein. • Armut: Anteil der Arbeitslosen (SGB II und III) und nicht arbeitslosen Empfänger*innen von Existenzsicherungsleistungen (SGB II und XII) an den Einwohner*innen in %. Somit sind auch sogenannte Aufstocker*innen“ mit eingeschlossen, deren ” Einkommen unterhalb des SGB II Regelsatzes liegt. Die Variable ist als Rate der transferleistungsbeziehenden Bevölkerung oder als Armutsquote zu interpretieren. • ∆Armut: Differenz zwischen der Armutsquote 2012 (Armut2012 ) und der Armutsquote 2007 (Armut2007 ) in Prozentpunkten. Positive Werte entsprechen also einem Anstieg der Armutsquote, negative Werte einer Senkung der Armutsquote. • Alleinerziehende: Anteil der Alleinerziehenden mit Kindern an der Menge der Haushalte mit Kindern in %. • StädtWohnungen: Anteil der Wohnungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften an den Wohnungen insgesamt in %. • Miete: Median der realen Angebotsmietpreise gemessen in e/m2 . Die Beträge wurden mit dem Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes (Destatis, 2015) zum Indexjahr 2012 deflationiert.43 42 43 Siehe vorherige Fußnote. Es sei darauf hingewiesen, dass die Erhöhung des SGB II (Hartz IV) und SGB XII (Sozialhilfe) im Beobachtungszeitraum hinter der Entwicklung der Verbraucherpreise zurückblieb (vgl. Bundesregierung, 2013). Durch die hier vorgenommene Deflationierung wird die reale Belastung für transferleistungsabhängige Mieter*innen bei Mietpreissteigerungen also leicht unterschätzt. 34 • ∆r M iete: Jahresdurchschnittliche Wachstumsrate des Medians der Angebotsmietpreise (M iete) in %. Diese Variable ist als relative Änderung der realen Angebotsmietpreise zu interpretieren. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate wurde über das geometrische Mittel errechnet. • Kategorie: Klassifizierung der Nachbarschaften in die drei Kategorien Gentri, Kontroll und Andere. Die genauen Definitionen dieser Kategorien werden in Kapitel 4.1.1 beschrieben. • Stadtraum: Gebietseinteilung der Stadt in innere Stadt, äußere Stadt. Die innere Stadt entspricht ziemlich genau dem Stadtgebiet innerhalb des S-Bahn Rings. • SanGebiet: Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen nach §142 BauGB. Mögliche Ausprägungen sind kein Sanierungsgebiet (nein) oder Sanierungsgebiet (ja). Die Ausprägung ja beinhaltet seit 2002 aufgehobene Sanierungsgebiete, aktuelle Sanierungsgebiete mit vereinfachtem Verfahren und umfassende Sanierungsgebiete. • DStadtmitte: Distanz in m zum ungefähren geographischen Mittelpunkt der Stadt. Der Mittelpunkt der Stadt wurde als der geometrische Schwerpunkt des LOR Alexanderplatzviertel definiert. Proxyvariablen für Aufwertung Die eben vorgestellten Variablen ∆r M iete und ∆Armut sollen als Proxyvariablen für immobilienwirtschaftliche bzw. soziale Auf-/Abwertung fungieren. Sie dienen zur Messung der jeweiligen Aufwertungsdynamik (gr. dynamiké = mächtig), also der Mächtigkeit des Aufwertungsprozesses. Die Wahl dieser Variablen als Proxies soll nun kurz begründet werden. • ∆r M iete: Zwischen der Änderung der Angebotsmietpreise und immobilienwirtschaftlicher Aufwertung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Ähnlich den Preisen von Wertpapieren, gelten Angebotsmietpreise als Indikator für den Wert einer Immobilie und die an sie gebundenen Ertragserwartungen. Die Steigerung der Angebotsmiete einer Immobilie entspricht demnach einer Steigerung ihres Wertes und der an sie gebundenen Ertragserwartungen. Sie drückt also die Erhöhung der kapitalisierten Grundrente aus, die natürlich nur realisiert wird, sofern es zum Vertragsabschluss kommt. Warum im Berliner Kontext den Angebotsmietpreisen eine solch zentrale Rolle bei der immobilienwirtschaftlichen Aufwertung zukommt und es legtitim ist, Immobilienpreise, Bestandsmieten oder tatsächliche Neuvertragsmieten nicht in den Proxy mit einfließen zu lassen, ist den folgenden Umständen geschuldet: 35 - Mieter*innenstadt: Etwa 86 Prozent (Stand 2011) der Berliner*innen wohnen in Mietwohnungen (SenStadt, 2011). Der Anteil der Mietwohnungen am Gesamtbe” stand ist in Berlin im Vergleich der Bundesländer, aber auch unter den deutschen Metropolen [...] mit Abstand am höchsten“ (BBU, 2015, S. 15). Trotz des nicht zu vernachlässigenden Beitrags von Umwandlungen in Eigentumswohnungen für immobilienwirtschaftliche Aufwertung (vgl. Paul, 2015), wird diese im Wesentlichen vom viel größeren und bedeutsameren Mietmarkt getragen. - Niedrige Neubautätigkeit: Obwohl in bestimmten Nachbarschaften Berlins Aufwertungsprozesse auch entscheidend durch Neubautätigkeiten gefördert werden können (Neubau-Gentrifizierung) und räumliche Effekte einer Ausstrahlung“ von ” Aufwertungsprozessen durch Neubau nicht unterschätzt werden sollten, so ist bei der vorherrschend niedrigen Neubauquote44 davon auszugehen, dass in Berlin die Form der rental gentrification“ (Van Criekingen, 2010) stark dominiert. Dies gilt ” insbesondere für die innenstadtsnahen Bestandsviertel. - Grenzen der Erhöhung von Bestandsmieten: Im internationalen Vergleich besitzt Deutschland ein relativ mieter*innenfreundliches Mietrecht. Dies erlaubt zum einen die Befristung von Mietverträgen nur unter engen Vorraussetzungen und setzt zum anderen den Möglichkeiten sowie dem Ausmaß von Bestandsmietserhöhungen viele Grenzen. Es ist also davon auszugehen, dass stadtweit gesehen die Mieterhöhungen im Bestand - mit Ausnahme des sozialen Wohnungsbaus einen deutlich schwächeren Beitrag zu Aufwertungsprozessen beisteuern als die Angebotsmietpreise. - Nachfrageüberschuss: Bis zum Jahr 2013 sank die durchschnittliche Leerstandsquote in Berlin auf unter 3% und nur noch wenige Wohnungen gelten als schwer vermietbar (BBU, 2015). Die niedrige Leerstandsquote ist Ausdruck einer seit Jahren starken Nachfrage nach Wohnraum, welche nicht zuletzt auf die konstant positiven Wanderungssaldi der Stadt zurückzuführen ist. Aufgrund des Nachfrageüberschlusses auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist schließlich davon auszugehen, dass die Angebotsmieten fast gleich den Neuvertragsmieten sind, und damit das Aufwertungspotenzial fast der Aufwertungsrealisierung entspricht. • ∆Armut: Wohnraumsbezogene soziale Aufwertung setzt den Zuzug von Haushalten von höherem sozioökonomischen Status voraus. Im nachbarschaftlichen Aggregat sollte 44 Im Jahre 2012 wurden in Berlin etwa 5400 Wohnungen fertigestellt (GSW, 2014, S. 14). Zum Vergleich: Der aktuelle Berliner Wohnungsbestand beträgt etwa 1,9 Millionen Wohnungen. 36 sich dieser Prozess also als Senkung der Armutsquote manifestieren. Eine Senkung der Armutsquote ist auch auf Grundlage kollektiver Einkommenszuwächse der Haushalte und ohne Zuzug denkbar, aber ein solcher Prozess ist selten (Holm, 2012a, S. 665) und verläuft sehr langsam (Glatter, 2007, S. 10). Tatsächlich wäre es sinnvoll, wohnraumsbezogene soziale Aufwertung nicht nur über die Änderung der Armutsquote zu operationalisieren, sondern auch andere Komponenten des sozioökonomischen Status, wie etwa Bildungsgrad oder Einkommen, in den Proxy mit einfließen zu lassen. Da leider keine kleinräumigen und verlässlichen Aggregatsdaten zu Bildungsgrad oder Einkommen verfügbar waren, bildet die Änderung der Armutsquote alleine den Proxy für soziale Aufwertung. 3.5 Kritische Einordnung der Datenlage Aufgrund der schwierigen Datenlage werden einige Aspekte von Gentrifizierungsprozessen in Berlin unberücksichtigt bleiben müssen. So waren, wie bereits erwähnt, leider keine geeigneten Daten zur detaillierten Sozialstruktur (z.B. Bildungsgrad oder Einkommen) zu akquirieren. Daten zu Bestandsmieten, Haushaltsgröße, Beschäftigungs- und Gewerbestruktur, Eigentümerstruktur, Neubau und Umwandlungen waren ebenfalls nicht verfügbar. So hätte beispielsweise eine Analyse der Verteilung der Haushaltsgröße Rückschlüsse über die Verdrängung aus der Lebensqualität erlaubt. Daten über die Eigentümerstruktur hätten hingegen eine differenzierte Untersuchung immobilienwirtschaftlicher Aufwertung ermöglicht. Außerdem waren keine personenbezogenen Daten über die umgezogenen Menschen zu akquirieren. Dieser Umstand wird unabhängig von der gewählten Analysemethode dazu führen, dass lediglich indirekte Schlussfolgerungen über die Charakteristika der Zu- oder Fortgezogenen möglich sein werden.45 Eine zentrale Problematik der verwendeten Daten besteht in ihrer Beschränkung auf gebietsbezogene Aggregatszahlen. Ohne Individualdaten werden Aussagen über die (Un)freiwilligkeit von Umzügen nicht endgültig überprüfbar sein. In Analogie zur Problematik räumlicher Aggregatsbetrachtung, durch die Verteilungsänderungen innerhalb eines Gebiets unentdeckt bleiben können, ist auch die gewählte Aggregatsbetrachtung des Beobachtungszeitraums kritisch zu beurteilen. Obwohl für die meisten Variablen jährliche Daten vorliegen, wird zur Vereinfachung der Analyse die Betrachtung auf zwei Zeitpunkte 45 Eine diesbezüglich vielversprechende Studie wird momentan von Fabian Beran durchgeführt, der mithilfe einer eigens durchgeführten Befragung von 12000 Weggezogenen versucht, Verdrängungsprozesse in Berlin zu quantifizieren. Eine Projektbeschreibung seiner Studie findet sich unter http://geographie.hu-berlin.de/ de/abteilungen/angewandte-geographie/forschung/verdraengung-berlin. 37 (2007 und 2012) bzw. auf Jahresdurchschnittszahlen beschränkt. Durch diesen Vorher” Nacher“ Vergleich werden die Verlaufsprozesse innerhalb der sechs Beobachtungsjahre unberücksichtigt bleiben müssen.46 46 Für eine differenzierte, jedoch erheblich komplexere Analyse, welche Verlaufsprozesse berücksichtigt, bieten sich sogenannte Space-Time Panel Betrachtungen an (vgl. Pebesma, 2012). Space-Time Panel Betrachtungen ermöglichen potentiell eine Phasendifferenzierung (vgl. Friedrichs, 1996; Slater, 2009) von Gentrifizierungsprozessen und würden damit genauere Rückschlüsse über die Kausalbeziehungen zwischen Aufwertung und Verdrängung zulassen. 38 4 Methoden Nachdem die Daten vorgestellt und die Operationalisierung von Aufwertung durch Proxyvariablen erläutert wurde, soll im Folgenden erklärt und begründet werden, mit welchen Methoden die Forschungshypothesen empirisch überprüft werden. Zuerst werden die zur Operationalisierung der Unterschiedshypothesen H 1 bis H 2.2b eingesetzten deskriptiven Methoden beschrieben (Kap. 4.1). Anschließend werden die zur Bearbeitung der Kausalhypothesen H 3.1 bis H 3.2b verwendeten inferentiellen Methoden erklärt (Kap. 4.2). 4.1 Deskriptiv Die Unterschiedshypothesen H 1 bis H 2.2b beruhen auf einer Differenzierung zwischen Gentrifizierungsgebieten und vergleichbaren Gebieten. Das bedeutet, dass eine geeignete Klassifizierung der LOR die Voraussetzung für eine spätere Überprüfung dieser Hypothesen ist. Eines zweckmäßiges Klassifikationsverfahren, welche die gesamten Berliner LOR chronologisch in geeignete Gruppen/Kategorien partitioniert, wird nun vorgestellt. Aus dem Klassifikationsverfahren soll die kategoriale Variable Kategorie hervorgehen, welche in Kapitel 5 die Grundlage für die Gruppenvergleiche zur Überprüfung von H 1 bis H 2.2b bildet. 4.1.1 Klassifizierung der Nachbarschaften Ähnlich den Studien von Freeman (2005) und Holm (2012b) soll Gentrifizierung relational definiert und über eine Klassifizierung der Nachbarschaften in Gentrifizierungsgebiete, Kontrollgebiete und andere Gebiete operationalisiert werden: • Gentrifizierung: Diejenigen Nachbarschaften, die im Beobachtungszeitrum gleichzeitig die stärksten Mietpreissteigerungen wie auch den stärksten Rückgang der Armutsquote verzeichneten, werden als Gentrifizierungsgebiete klassifiziert. So soll über die Proxyvariablen die Konjunktion von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung operationalisiert werden. Als Schwellenwert wird das jeweils nach Einwohner*innenzahl 2007 gewichtete 0,75 Quantil (Q0,75 ) von ∆r M iete bzw. das 0,25 Quantil (Q0,25 ) von ∆Armut verwendet. Nach dieser Klassifizierung können maximal ca. ein Viertel der Nachbarschaften als Gentrifizierungsgebiete klassifiziert werden. Für ein beliebiges LOR i gilt also Kategorie(i) = Gentri, wenn ∆r M iete(i) > 0 ∧ ∆r M iete(i) > Q0,75 (∆r M iete) ∧ ∆Armut(i) < 0 ∧ ∆Armut(i) < Q0,25 (∆Armut). 39 • Kontrolle: Als Kontrollgruppe sollen diejenigen Nachbarschaften definiert werden, in denen zu Beginn des Beobachtungszeitraums eine ähnlich hohe durchschnittliche Angebotsmiete (M iete2007 ) und eine ähnlich hohe Armutsquote (Armut2007 ) vorherrschten wie in den Gentrifizierungsgebieten. Als ähnlich gelten Nachbarschaften den Gentrifizierungsgebieten nur dann, wenn ihre M iete2007 und ihre Armut2007 in das entsprechende Intervall zwischen dem jeweils gewichteten 0,1 Quantil der Gentrifizierungsgebiete (QGentri ) und dem 0,9 Quantil der Gentrifizierungsgebiete (QGentri ) 0,1 0,9 fallen. Durch das Abschneiden“ des oberen und unteren Dezils soll die Kategorie ” der Kontrollgebiete gegen mögliche Ausreißer innerhalb der Gentrifizierungsgebiete robust gemacht werden. Als weitere Kondition für die Kontrollgebiete soll gelten, dass sie im Unterschied zu den Gentrifizierungsgebieten schwächere oder gar keine Aufwertungsprozesse durchlaufen haben. Demnach waren die Kontrollgebiete zwar im Jahre 2007 den Gentrifizierungsgebiete ähnlich, haben aber im Laufe der Jahre bis zum Ende des Beobachtungszeitraums 2012 eine andere Entwicklung durchlaufen. Formal formuliert gilt folglich für ein beliebiges LOR i mit Kategorie(i) 6= Gentri genau dann Kategorie(i) = Kontroll, wenn M iete2007 (i) Armut2007 (i) ∈ [QGentri (M iete2007 ), QGentri (M iete2007 )] ∧ 0,1 0,9 ∈ [QGentri (Armut2007 ), QGentri (Armut2007 )]. 0,1 0,9 • Andere: Alle bislang nicht klassifizierten LOR werden als Andere definiert. Somit gilt für alle LOR i, für die Kategorie(i) 6= Gentri ∧ Kategorie(i) 6= Kontroll, dass Kategorie(i) = Andere. Für die Interpretation dieser Klassifizierung ist es wichtig, sich die Bedeutung der getroffenen relationalen Defininition bewusst zu machen. Durch die Konditionen ∆r M iete(i) > 0 und ∆Armut(i) < 0 wird sichergestellt, dass Nachbarschaften nur dann als Gentrifizierungsgebiete zugelassen werden, wenn sie eine tatsächliche Steigerung der durchschnittlichen Angebotsmiete und einen tatsächlichen Rückgang der Armutsquote erfahren haben. Die Konditionen für Gentrifizierungsgebiete wurden also so gewählt, dass sie als notwendige und hinreichende Bedingungen für Gentrifizierungsprozesse interpretiert werden können. Im Gegensatz dazu, schließt die Klassifizierung in die übrigen Kategorien aber nicht aus, dass dort auch Gentrifizierungsprozesse stattfanden. Schließlich beziehen sich die Konditionen für Kontrollgebiete ausschließlich auf M iete2007 bzw. Armut2007 . Die Kontrollgebiete sollten - wie auch die anderen Gebiete - also keinesfalls als Nicht-Gentrifizierungsgebiete interpretiert werden. 40 Alternative Klassifizierung als Robustheitscheck Mithilfe der Klassifizierung sollen die am stärksten von Gentrifizierungsprozessen betroffenen Nachbarschaften, sowie ihnen entsprechende Vergleichsgebiete identifiziert werden. Die Wahl der jeweiligen Schwellenwerte zur Klassifizierung erfolgte jedoch, sofern sie dieser Identifikation dienen, nach keinem eindeutigen, formellen Kriterium. Die Schwellenwerte sollten lediglich hinreichend viele Gentrifizierungsund Kontrollgebiete in ähnlicher Lage definieren, damit die Vergleiche sinnvoll bleiben. So hat sich nach systematischem Verschieben der Schwellenwerte die Wahl der oben genannten Werte als besonders geeignet herausgestellt. Um dem Fehlen eines eindeutigen und formellen Kriteriums zur Festlegung der Schwellenwerte Rechnung zu tragen, sollen die in der empirischen Analyse durchgeführten Vergleiche nach Kategorie einen Robustheitscheck durchlaufen. Dabei werden dieselben Vergleiche auf Grundlage einer alternativen Klassifizierung erneut durchgeführt. Nach der alternativen Klassifizierung sollen die Schwellenwerte verschärft“ ” und die Kategorien somit strenger“ definiert werden. Nach der alternativen Klassifizierung ” gilt: • Für ein beliebiges LOR i gilt Kategorie(i) = Gentri, wenn ∆r M iete(i) > 0 ∧ ∆r M iete(i) > Q0,85 (∆r M iete) ∧ ∆Armut(i) < 0 ∧ ∆Armut(i) < Q0,15 (∆Armut). • Für ein beliebiges LOR i mit Kategorie(i) 6= Gentri gilt Kategorie(i) = Kontroll, wenn M iete2007 (i) Armut2007 (i) Gentri ∈ [QGentri 0,25 (M iete2007 ), Q0,75 (M iete2007 )] ∧ Gentri ∈ [QGentri 0,25 (Armut2007 ), Q0,75 (Armut2007 )]. • Alle LOR i, für die Kategorie(i) 6= Gentri ∧ Kategorie(i) 6= Kontroll, gilt Kategorie(i) = Andere. Die Formalisierung der Klassifizierungskonditionen erscheint unübersichtlich - in der konkreten Anwendung wird die Klassifizierung jedoch leicht verständlich (Kap. 5.1). 4.1.2 Gruppenvergleich und räumliche Verteilungsanalyse Die soeben entwickelte Klassifizierung bzw. die Variable Kategorie liefert die Basis zur später durchgeführten Überprüfung von H 1 bis H 2.2b. Die Überprüfung erfolgt per Gruppenvergleich von univariaten Verteilungen und ihrer zentralen Lageparameter. Zur Veranschaulichung werden die Verteilungen auch graphisch per Violin- und Boxplots dargestellt, da dies einen besonders einfachen Gruppenvergleich zulässt. Um den variiernden 41 Einwohner*innenzahlen der LOR Rechnung zu tragen, werden alle Violin-, Boxplots und Lageparameter gewichtet. Jede Nachbarschaft i erhält hierfür als Gewicht ihre jeweilige Einwohner*innenzahl zu Beobachtungsbeginn EW2007 (i). Um räumliche Verteilungen und Zusammenhänge zu analysieren, werden zusätzlich statische wie auch webbasiert-interaktive Karten erstellt.47 4.2 Inferentiell Um die Kausalhypothesen H 3.1 bis H 3.2b zu operationalisieren, reicht es nicht aus, die unbe” reinigten“ Korrelationen zwischen den zwei betreffenden Variablen zu berechnen. Schließlich kann einer einfachen Korrelation der Einfluss anderer, dritter Variablen zugrunde liegen. Stattdessen sollen die Kausalhypothesen auf Grundlage der Schätzung von direkten Effekten überprüft werden. Direkte Effekte messen den Einfluss exogener Variablen auf eine endogene Response und können über linearen Regressionsmodelle geschätzt werden. Die Regressionskoeffizienten repräsentieren dabei die um den Einfluss anderer exogener Variablen bereinigten, direkten Effekte und werden in dieser Arbeit im Sinne einer prozessbasierten Inferenz interpretiert.48 Räumliche Daten sollten jedoch nicht ohne Weiteres durch gewöhnliche lineare Regressionen modelliert werden. Eine in räumlichen Daten zumeist vorherrschende räumliche Autokorrelation macht spezifische Modellanpassungen erforderlich. In Anlehnung an die gängige Definition von zeitlicher Autokorrelation, die beispielsweise oft bei Aktienkursen auftritt, wird für räumliche Daten Autokorrelation wie folgt definiert: Locations close to each other exhibit more similar values than those further apart“ (Dormann ” u. a., 2007, S. 609). In Bezug auf lineare Regressionsmodelle führt die Existenz von räumlicher Autokorrelation zur Verletzung der klassischen Annahme von unabhängig und identisch verteilten Fehlertermen. Dadurch kann es einerseits zur Verzerrung von Parameterschätzungen kommen, andererseits kann sich das Typ 1 Fehlerrisiko bei der Durchführung von NeymanPearson Tests erhöhen (Dormann u. a., 2007, S. 609). Um diese beiden Probleme zu beheben, muss räumliche Autokorrelation explizit in die Modellierung mit aufgenommen werden. Zu diesem Zweck soll das Spatial Autoregressive Model (SAR) eingeführt werden. 47 Die webbasiert-interaktiven Karten sind unter folgender URL zu erreichen: http://amor.cms.hu-berlin. de/~schulzgu/gentri. 48 Direkte Effekte alias lineare Regressionskoeffizienten entsprechen partiellen Korrelationen, die lediglich anders skaliert wurden (Revelle, 2013, S. 134 f.). 42 4.2.1 Spatial Autoregressive Model (SAR) Die folgende Darstellung des SAR basiert auf Bivand, Pebesma und Rubio (2008, S. 277 ff.), Waller und Gotway (2004, S. 378 ff.) und Cressie (1993, 548 ff.). Es sei Y ein n-elementiger Responsevektor, X die n × k dimensionale Design Matrix, β der k-elementige Koeffizientenvektor und e der n-elementige Fehlervektor. Unter der Annahme iid ei ∼ N (0, σ 2 ) ∀i ∈ {1, . . . , n} beschreibt Y = XT β + e (1) ein gewöhnliches, multiples lineares Regressionsmodell. Um nun räumliche Autokorrelation zu berücksichtigen, beinhalten SAR Modelle im Gegensatz zu gewöhnlichen linearen Modellen eine Regression auf die Werte anderer Beobachtungseinheiten. Anstatt jedoch alle anderen Beobachtungen bei der Autoregression zu berücksichtigen, wird die Autoregression üblicherweise auf eine Teilmenge, d.h. die sich in Nachbarschaft N von Beobachtung i befindlichen Beobachtungen beschränkt. In dieser Arbeit soll die Berücksichtigung von räumlicher Abhängigkeit durch den Fehlerterm e erfolgen, welcher ∀i ∈ {1, . . . , n} folgendermaßen modelliert wird:49 ei = X bij eij + εi . (2) j ∈ Ni bij bezeichnet hierbei den räumlichen Abhängigkeitsparameter zwischen der Beobachtungseinheit i und j, wobei bii = 0 ∀i. Fehlerterme sollen also nicht auf sich selbst“ regressiert werden. ” iid Mit (2) wird die ursprüngliche ∼ Annahme des gewöhnlichen Modells über den Fehlerterm e aufgehoben und um eine Ebene verschoben“, sodass jetzt für den residualen Fehlerterm ε ” iid 2 die Annahme εi ∼ N (0, σ ) ∀i getroffen wird.50 Definiert man B als die n × n dimensionale Matrix der räumlichen Abhängigkeitsparameter, so ergibt sich aus (1) und (2) e = B(Y − X T β) + ε ⇔ (3) ε = (I − B)(Y − X T β) ⇔ (4) Y = X T β + B(Y − X T β) + ε 49 (5) Die hier vertretene SAR Formulierung ist auch als Spatial Error oder als Spatial Moving Average Modell interpretierbar (Plant, 2012, S. 432 f.). Eine Autoregression des Fehlerterms wird hier einer Autoregression der Response vorgezogen, da auf diese Weise latente räumliche Effekte besser durch das Modell antizipiert werden können (LeSage und Pace, 2009, S. 27 f.). 50 Zur Transparenz sei an dieser Stelle auf eine weitere, implizite Annahme des SAR Modells hingewiesen: Die Unterstellung räumlich fixer Effekte, d.h. die Annahme räumlicher Stationarität. Diese Annahme erweist sich gerade bei der Modellierung räumlichen Sozialdaten häufig als empirisch unhaltbar. In zukünftigen Studien könnte das rechenaufwändige Modell der geographisch gewichteten Regression diese Mängel beheben und helfen lokale Phänomene aufzuspüren (vgl. Brunsdon, Fotheringham und Charlton, 1996). 43 Mit dieser SAR Formulierung sind also die direkten Effekte der Kovariablen messbar, während räumliche Autokorrelation mithilfe von autokorrelierten Fehlertermen kontrolliert wird. Wie beim gewöhnlichen linearen Modell ist beim SAR Y multivariat normalverteilt mit Mittelwert E[Y ] = X T β. Jedoch besitzt Y beim SAR unter der Vorraussetzung der Existenz von (I − B)−1 und der oben getroffenen Homoskedastizitätsannahme V ar[ε] = σ 2 I =: Σε die deutlich komplexere Kovarianzmatrix V ar[Y ] = (I − B)−1 Σε (I − B T )−1 . 4.2.2 (6) Gewichtetes SAR Bei heterogenen Beobachtungseinheiten ist die Homoskedastizitätsannahme jedoch nicht zu begründen. In unserem Fall sind die Beobachtungseinheiten eindeutig heterogen: Die einzelnen LOR i unterscheiden sich erheblich in ihrer jeweiligen Einwohner*innenzahl mi (Tab. 3). Deshalb ist davon auszugehen, dass V ar[Yi ] ∝ 1/mi . Auf dieser Grundlage wird die gewichtete Version des SAR formuliert. Um der Varianzheterogenität Rechnung zu tragen, wird hierfür eine Gewichtungsmatrix V := diag[1/mi ] definiert, sodass Σε := V ar[ε] = σ 2 V . Die LOR werden also proportional zur Inversen ihrer Einwohner*innenzahl gewichtet. In (6) eingesetzt, ergibt sich somit für das gewichtete SAR V ar[Y ] = σ 2 (I − B)−1 V (I − B T )−1 . (7) Eine zur Schätzung und Inferenz zweckmäßige Umparametrisierung bietet die gemeinsame Einführung des räumlichen Autokorrelationsparameters λ einerseits und einer alternativen Matrix W zur Repräsentation räumlicher Abhängigkeit andererseits. Definiert man B =: λW , so wird aus (2) X ei = λ wij eij + εi (8) j ∈ Ni und aus (5) und (6) ergibt sich schließlich Y = X T β + λW (Y − X T β) + ε V ar[Y ] = σ 2 (I − λW )−1 V (I − λW T )−1 . Schätzverfahren (9) (10) Die Parameter des Modells können effizient über die Maximum Likelihood Methode geschätzt werden (Bivand, Pebesma und Rubio, 2008, S. 278). In einem zweistufigen Verfahren wird λ zunächst per line search so bestimmt, dass es die log-Likelihood maximiert.51 51 Zur algorithmischen Erleichterung der Optimierung von λ, verwendet die R Prodezur spdep::spautolm die Restriktion λ ∈ [1/mini (ζi ), 1/maxi (ζi )], wobei ζi die Eigenwerte der Matrix W bezeichnen. Details zu diesem Schätzalgorithmus finden sich in Bivand, Pebesma und Rubio (2008, S. 284ff). 44 Danach werden die restlichen Koeffizienten β per Generalized Least Squares geschätzt. Die wahren Werte Y ergeben sich schließlich als Summe der drei geschätzten SAR Modellkomponenten: der nicht-räumlichen Trendkomponente X T β̂, dem stochastischen Residuum ε̂ und der ebenfalls stochastischen, räumlichen Komponente Y − X T β̂ − ε̂. Diese Zerlegung der Response kann zur empirischen Modelldiagnostik verwendet werden. 45 5 Lokalisierung und Charakterisierung von Gentrifizierungsgebieten Nach Abschluss der rein theoretischen Betrachtung der Methoden, kommen diese in der folgenden Analyse nun zur Anwendung. Der empirische Teil dieser Arbeit beginnt mit der Durchführung des Klassifikationsverfahrens der LOR, aus dem die Variable Kategorie hervorgeht (Kap. 5.1). Anschließend wird die räumliche Verteilung der klassifizierten Gebiete samt ihrer zugrunde liegenden Aufwertungsprozesse anhand von Karten analysiert (Kap. 5.2). Mithilfe einer ausführlichen, vergleichenden Charakterisierung der identifizierten Gentrifizierungsgebiete werden schließlich die Unterschiedshypothesen H 1 bis H 2.2b chronologisch überprüft (Kap. 5.3). Zuletzt wird der Neuköllner Reuterkiez als Beispiel für ein Gentrifizierungsgebiet herausgegriffen und diverse deskriptive Statistiken an ihm veranschaulicht (Kap. 5.4). 5.1 Klassifizierung Empirisch ergaben sich für die Generierung von Kategorie chronologisch die folgenden Konditionen: • Kategorie(i) = Gentri, wenn ∆r M iete(i) > 4, 2% ∧ ∆Armut(i) < −3, 1 Prozentpunkte • Kategorie(i) = Kontroll, wenn M iete2007 (i) ∈ [5, 09 e/m2 , 7, 26 e/m2 ] ∧ Armut2007 (i) ∈ [16, 8% , 45, 1%] • Kategorie(i) = Andere, sonst. Auf Grundlage dieser Konditionen wurden von den 429 gültigen LOR 45 (10,5%) als Gentrifizierungsgebiete, 139 (32,4%) als Kontrollgebiete und 245 (57,1%) als andere Gebiete klassifiziert. In Abbildung 6 wird die empirische Klassifizierung anhand von Violin- und Boxplots veranschaulicht, wobei die empirischen Schwellenwerte als rot gestrichelte Linien dargestellt werden. Die Plots von ∆r M iete und ∆Armut illustrieren die Kategorienbildung der Gentrifizierungsgebiete als diejenigen Nachbarschaften, die gleichzeitig eine starke immobilienwirtschaftliche sowie eine starke soziale Aufwertung erfuhren. Die Plots von M iete2007 und Armut2007 veranschaulichen die Kategorienbildung der Kontrollgebiete als diejenigen Nachbarschaften, die den Gentrifizierungsgebieten zu Beobachtungsbeginn ähnlich waren. Nach der alternativen Klassifizierung der LOR wurden 24 (5,6%) als Gentrifizierungsgebiete, 46 ∆rMiete (%) 8 6 Q0.75 4 2 0 −2 ∆Armut (Prozentpunkte) 10 5 0 Q0.25 −5 −10 −15 Gentri Kontroll Andere Gesamt Gentri Andere Gesamt Kontroll Andere Gesamt 50 10 Armut2007 (%) Miete2007 (Euro/m2) 47 Kontroll 9 8 QGentri 0.9 7 6 QGentri 0.9 40 30 20 QGentri 0.1 10 5 QGentri 0.1 Gentri 0 Kontroll Andere Gesamt Gentri Abbildung 6: Verteilungen der Definitionsvariablen von Kategorie 80 (18,6%) als Kontrollgebiete, 326 (75,8%) als andere Gebiete definiert. Auf die alternative Klassifizierung soll bis zu den Robustheitschecks in Kapitel 5.3.5 nicht weiter eingegangen werden. 5.2 Lokalisierung Bevor auf die räumliche Verteilung der einzelnen Kategorien/Gruppen eingegangen wird, soll zunächst die räumliche Verteilung der Proxies von immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung einzeln untersucht, sowie ihr statistischer Zusammenhang überprüft werden. 5.2.1 Immobilienwirtschaftliche und soziale Aufwertungsgebiete Räumliche Verteilung der relativen Mietpreisänderung Betrachtet man die Karte zu ∆r M iete (Abb. 7), so fällt auf, dass es praktisch in der gesamten inneren Stadt zu starken Mietpreissteigerungen kam. Die jahresdurchschnittliche, reale Mietpreissteigerung innerhalb des S-Bahn Rings betrug 4,8%, außerhalb des S-Bahn Rings 1,7%. Besonders stark betroffen waren die Ortsteile Moabit, Alt-Treptow, der Süden Kreuzbergs, sowie der Norden Neuköllns. Im Norden Neuköllns befinden sich auch die Top“ acht Quartiere mit den ” stärksten Mietpreissteigerungen Berlins. Spitzenreiter“ ist der LOR Hasenheide mit einer ” jahresdurchschnittlichen Mietpreissteigerung von 11,2%.52 Außerhalb des S-Bahnrings sind die stärksten Mietpreissteigerungen im Wesentlichen im westlichen Lichtenberg, sowie den Pankower Neubaugebieten von Karow und Buch zu verzeichnen. Zu realen Mietpreissenkungen kam es im Beobachtungszeitraum nur in 18 der 429 LOR. Diese befinden sich hauptsächlich an den äußeren Rändern von Spandau und Reinickendorf. Räumliche Verteilung der Änderung der Armutsquote Die räumliche Verteilung von ∆Armut (Abb. 8) ergibt ein weniger deutliches, wenngleich ähnliches Bild. In der inneren Stadt sank fast überall die Armutsquote - im Durchschnitt um 2,6 Prozentpunkte oder 10%. Die stärksten Senkungen der Armutsquote sind entlang des S-Bahn Rings vom Prenzlauer Berg, über das östliche Friedrichshain und Alt-Treptow bis nach Nord-Neukölln zu verzeichnen. In der äußeren Stadt sind gleichermaßen Senkungen (z.B. Weißensee und Baumschulenweg) wie auch Steigerungen (z.B. Reinickendorf oder Marienfelde) der Armutsquote zu beobachten. Statistischer Zusammenhang Der zuvor theoretisch motivierte Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung wird empirisch gestützt: Der gewichtete 52 Diese jahresdurchschnittlichen 11,2% entsprechen einer realen kumulierten Mietpreissteigerung von knapp 90% innerhalb von sechs Jahren. 48 ∆rMiete (%) 12 8 4 0 Abbildung 7: Karte von ∆r Miete ∆Armut (Prozentpunkte) 5 0 −5 −10 −15 Abbildung 8: Karte von ∆Armut 49 Korrelationskoeffizient zwischen ∆r M iete und ∆Armut beträgt stadtweit -0,46 und für die innere Stadt -0.53. Für überdurchschnittlich arme, innerstädtische Nachbarschaften beträgt der gewichtete Korrelationskoeffizient sogar -0,61. Mietpreissteigerungen gingen also zumeist mit Senkungen der Armutsquote einher. Zur Veranschaulichung dieses Zusammenhangs findet sich ein Mosaik- und ein Assoziationsplot im Anhang (Abb. A.1 und A.2). Aus den Plots wird ersichtlich, dass insbesondere für die am stärksten von Aufwertung betroffenen Gebiete, d.h. für die als Gentrifizierungsgebiete klassifizierten Nachbarschaften, ein hohe Korrelation besteht. Dieser festgestellte Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung liefert einen ersten, starken Anhaltspunkt für stattfindende Verdrängungsprozesse. 5.2.2 Gentrifizierungsgebiete Aufgrund des eben festgestellten starken Zusammenhangs von Mietpreissteigerungen und Senkungen der Armutsquote ist nun eine übereinstimmende räumliche Verteilung der Gentrifizierungsgebiete zu erwarten. Tabelle 4 bietet eine grobe Lagebeschreibung der klassifizierten Nachbarschaften. Demnach machen die Gentrifizierungsgebiete fast ein Drittel der innerstädtischen LOR aus. Fast alle Gentrifizierungsgebiete liegen, wie zu erwarten war, innerhalb des S-Bahn Rings. Außerhalb des S-Bahn Rings wurden nur vier LOR als Gentrifizierungsgebiete klassifiziert. Im Gegensatz dazu liegen die Kontrollgebiete und die anderen Gebiete mehrheitlich in der äußeren Stadt. Im Median befinden sich die Kontrollgebiete doppelt so weit vom Stadtzentrum entfernt, wie die Gentrifizierungsgebiete. In den als Gentrifizierungsgebieten klassifizierten LOR lebten im Jahre 2007 insgesamt 456355 Menschen und die Mediangröße betrug 9734 Einwohner*innen (Tab. B.1). Zwischen 2007 und 2012 betrug die jahresdurchschnittliche Steigerung der Angebotsmietpreise in den Gentrifizierungsgebieten 5,7% und die Armutsquote sank dort im Durchschnitt um 4,9 Prozentpunkte (Tab. B.2 und B.3). Gentri Kontroll Andere 45 139 245 429 n nach Stadtraum † 41/4 39/100 57/188 137/292 Q0.5 (DStadtmitte) 3726m 7392m 9867m 8065m n † Gesamt innere Stadt / äußere Stadt Tabelle 4: Lagebeschreibung der Nachbarschaften nach Kategorie Die Karte der klassifizierten Nachbarschaften (Abb. 9) macht deutlich, was bereits durch den Vergleich der Karten von ∆r M iete und ∆Armut zu erwarten war: Die meisten Gentrifi50 zierungsgebiete fallen in die innerstädtischen Altbezirke Kreuzberg, Friedrichshain, sowie ins nördliche Neukölln. Des Weiteren wurden Teile von Pankow, Prenzlauer Berg und dem Osten Charlottenburgs als Gentrifizierungsgebiete klassifiziert. Die wenigen sich in der äußeren Stadt befindlichen Gentrifizierungsgebiete fallen in die Bezirke Lichtenberg und TreptowKöpenick. Der Großteil der innerstädtischen Kontrollgebiete befindet sich in Moabit und Schöneberg. Die Kontrollgebiete in der äußeren Stadt konzentrieren sich auf die Stadtteile Reinickendorf, Spandau und Tempelhof. Viele der Kontrollgebiete befinden sich in unmittelbarer Nähe, meist stadtauswärts, von den Gentrifizierungsgebieten. Eine Aufschlüsselung der Einwohner*innenzahlen 2007 nach Bezirk und Kategorie findet sich in Abbildung 10. Demnach besitzen die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln gemeinsam einen Anteil von knapp 70% an der in Gentrifizierungsgebieten lebenden Bevölkerung. In einigen innenstadtnahen Bezirken (z.B. Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick) sind nur sehr wenige Gentrifizierungsgebiete zu finden und in einige Außenbezirke fallen gar keine Gentrifizierungsgebiete (z.B. Spandau, Reinickendorf, Marzahn-Hellersdorf). Kategorie Gentri Kontroll Andere Abbildung 9: Karte von Kategorie 51 Friedrichshain−Kreuzberg Neukölln Pankow Lichtenberg Charlottenburg−Wilmersdorf Kategorie Treptow−Köpenick Gentri Kontroll Mitte Andere Tempelhof−Schöneberg Spandau Reinickendorf Marzahn−Hellersdorf Steglitz−Zehlendorf 0 100 200 300 Einwohner*innen 2007 in 1000 Abbildung 10: Einwohner*innen 2007 nach Bezirk und Kategorie 5.3 Charakterisierung Mit der Feststellung, dass sich die Gentrifizierungsgebiete hauptsächlich in Innenstadtnähe befinden, wurde der erste Aspekt von H 1 bestätigt. Neben der Nähe zur Innenstadt postuliert H 1 aber außerdem, dass die am stärksten von Gentrifizierungsdynamiken betroffenen Nachbarschaften ursprünglich hohe Armutsquoten und günstige Mietpreise aufwiesen. Zur Überprüfung dieser Vermutung können die Gentrifizierungsgebiete allerdings nicht mit den Kontrollgebieten verglichen werden, da letztere ohnehin nach dem Kriterium einer den Gentrifizierungsgebieten ursprünglich ähnlichen Mietpreisstruktur und Armutsquote definiert wurden. Ein solcher Vergleich wäre redundant. Stattdessen soll in Kapitel 5.3.1 und 5.3.2 die Verteilung von M iete2007 bzw. Armut2007 der innerstädtischen Gentrifizierungsgebiete mit denen der gesamten inneren Stadt verglichen, und auf diese Weise H 1 überpüft werden. Anschließend wird zur Überprüfung von H 2.1 und H 2.2 in Kapitel 5.3.3 ein Vergleich der wohnräumlichen Mobilität, d.h. der Fortzugs- und Zuzugsraten, zwischen Gentrifizierungsund Kontrollgebieten durchgeführt. Der Vergleich zwischen den Mustern wohnräumlicher Mobilität soll Hinweise über mögliche Zusammenhänge zwischen Aufwertung und Verdrängung liefern. 5.3.1 Mietpreise Betrachten wir zunächst die Verteilung der realen Medianangebotsmietpreise gemessen in e/m2 zu Beginn des Beobachtungszeitraums. Abbildung 11 stellt die Verteilung von M iete2007 52 innerstädtischer Gentrifizierungsgebiete der entsprechenden Verteilung der gesamten inneren Stadt gegenüber. Es fällt auf, dass die Gentrifizierungsgebiete die Nachbarschaften mit den in 2007 günstigsten Mietpreisen einschließen, aber keine Nachbarschaften des Hochpreissegments unter den Gentrifizierungsgebieten zu finden sind. Doch die M iete2007 konzentriert sich für Gentrifizierungsgebiete nicht nur im niedrigen Preissegment: Die Medianmietpreise 2007 der Gentrifizierungsgebiete und der gesamten Innenstadt stimmen fast überein (6,31 zu 6,43 e/m2 ). Auch sonst ähneln sich die beiden Verteilungen in ihrer Gestalt. Dies suggeriert, dass nicht nur Nachbarschaften mit den günstigsten Mietpreisen gentrifiziert werden, sondern auch die, mit durchschnittlichen Mietpreisen. Aus dem Histogramm der innerstädtischen LOR nach M iete2007 und Kategorie (Abb. 12) geht hervor, dass nur etwa ein Drittel der innerstädtischen Nachbarschaften mit den günstigsten Mietpreisen (< 6 e/m2 ) als Gentrifizierungsgebiet klassifiziert wurden. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass in den restlichen zwei Drittel der günstigsten Nachbarschaften keine Gentrifizierungsprozesse stattfanden. Die stärksten Aufwertungsprozesse sind lediglich nicht nur in den günstigsten Gebieten zu beobachten. Am häufigsten fanden starke Gentrifizierungsprozesse in Nachbarschaften des mittleren Preissegments mit einer M iete2007 zwischen 6 und 7 e/m2 statt. 11 Miete2007 (Euro/m2) 10 9 8 7 6 5 Gentri Gesamt Abbildung 11: Verteilung von M iete2007 für Gentrifizierungsgebiete (n = 41) und die gesamten Gebiete der inneren Stadt (n = 137) Zur Veranschaulichung der räumlichen Verteilung der M iete2007 und M iete2012 finden sich im Anhang entsprechende Karten (Abb. A.3 und A.4). Sie illustrieren wie innerhalb von nur 53 Anzahl der LOR 50 40 Kategorie Gentri 30 Kontroll Andere 20 10 0 4 5 6 7 8 9 10 11 2 Miete2007 (Euro/m ) Abbildung 12: Histogramm der innerstädtischen LOR nach M iete2007 und Kategorie (n = 137) sechs Jahren immobilienwirtschaftliche Aufwertung Nachbarschaften des Niedrigpreissegments in Gebiete des Mittelpreissegments transformiert hat (z.B. Nordneukölln und Moabit). Sie zeigen auch, wie ehemalige Gebiete des Mittelpreissegments ins Hochpreissegment (z.B. Friedrichshain und Kreuzberg) gehoben wurden. Außerhalb des S-Bahn Rings verteuerten sich die ehemals günstigen Ortsteile Weißensee, Pankow und Tempelhof auffällig stark. 5.3.2 Armutsquoten Kommen wir zur vergleichenden Analyse der Armutsquoten. Abbildung 13 stellt die Verteilung von Armut2007 innerstädtischer Gentrifizierungsgebiete der entsprechenden Verteilung der gesamten inneren Stadt gegenüber. Die Verteilungen besitzen eine ähnlich hohe Streuung (σ = 11,1 zu 11,7), aber Gentrifizierungsgebiete besitzen eine wesentlich höhere Medianarmutsquote als die gesamte Innenstadt (30,3% zu 22,9%). Die beiden Verteilungen ähneln sich, jedoch ist die der Gentrifizierungsgebiete nach oben verschoben“: Es sind lediglich die Nachbarschaften ” mit den niedrigsten Armutsquoten (< 10%), in denen nicht auch starke Gentrifizierungsprozesse zu beobachten sind. Das entsprechende Histogramm der innerstädtischen LOR (Abb. 14) zeigt, dass von den Nachbarschaften mit hohen Armutsquoten (> 40%) etwas mehr als die Hälfte und von den Nachbarschaften mit der höchsten Armutsquote (> 50%) alle als Gentrifizierungsgebiete klassifiziert wurden. Knapp 70% der Gentrifizierungsgebiete besitzen eine für innenstädtische Nachbarschaften überdurchschnittliche Armutsquote. Es ist also 54 davon auszugehen, dass die stärksten Gentrifizierungsprozesse in überdurchschnittlich armen und den ärmsten Nachbarschaften stattfinden, aber nicht auf diese beschränkt sind. Auch Nachbarschaften mit mittleren Armutsquoten (≈ 20%) sind von starken Gentrifizierungsprozessen betroffen. 50 45 Armut2007 (%) 40 35 30 25 20 15 10 5 Gentri Gesamt Abbildung 13: Verteilung von Armut2007 für Gentrifizierungsgebiete (n = 41) und die gesamten Gebiete der inneren Stadt (n = 137) Die räumliche Verteilung von Armut2007 und Armut2012 (Abb. A.5 und A.6) ist schwerer zu interpretieren. Im Gegensatz zur immobilienwirtschaftlichen Aufwertung erfolgen Änderungen der Armutsquote relativ langsam und sind deshalb auf den beiden Karten mit linearer Skala schwieriger zu erkennen. Die stärksten Senkungen der Armutsquote von ehemals überdurchschnittlich armen Nachbarschaften konzentrieren sich im südlichen Kreuzberg, im östlichen Friedrichshain und im Norden Neuköllns. Zu Hypothese 1 H 1, nach der innenstadtnahe Nachbarschaften mit hohen Armutsquoten und günstigen Mieten am stärksten von Gentrifizierungsprozessen betroffen sind, kann nach Durchführung der vergleichenden Analyse der Lage, Armutsquote und Mietpreisstruktur der Gentrifizierungsgebiete als bedingt bestätigt erachtet werden. Günstige und arme Nachbarschaften wurden überproportional oft als Gentrifizierungsgebiete, d.h. als Gebiete in denen die stärksten Gentrifizierungsprozesse zu beobachten sind, klassifiziert. Außerdem sind starke Gentrifizierungsprozesse fast ausschließlich auf die innere Stadt beschränkt. Jedoch scheint 55 Anzahl der LOR 30 20 Kategorie Gentri Kontroll Andere 10 0 0 10 20 30 40 50 60 Armut2007 (%) Abbildung 14: Histogramm der innerstädtischen LOR nach Armut2007 und Kategorie (n = 137) das ledigliche Vorherrschen hoher Armutsquoten oder günstiger Mietpreise in innerstädtischen Nachbarschaften nicht zwangsläufig zu starken Gentrifizierungsdynamiken zu führen. Genauso wenig sind starke Gentrifizierungsdynamiken in der Innenstadt auf überdurchschnittlich arme oder günstige Nachbarschaften beschränkt.53 Gerade innerstädtische Gebiete des ehemals mittleren Preissegments (6 bis 7 e/m2 ) sind von starken Gentrifizierungsprozessen betroffen. Nichtsdestotrotz scheint in Berlin die territoriale Stigmatisierung“ (Slater, 2015, S. 14) von ” armen Stadtteilen, wie etwa dem von Medien als Problembezirk“ titulierten Neukölln, selten ” so groß zu sein, als dass sich dort immobilienwirtschaftliche Investition wegen fehlender Nachfrage nicht lohnen würde. Die grundsätzliche Bestätigung von H 1 kann als empirische Evidenz für die rent-gap Theorie gewertet werden. 5.3.3 Zuzüge Vorgehensweise Zur empirischen Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Aufwertung und Verdrängung und der damit verbundenen Hypothesen H 2.1 und H 2.2 werden nun die Verteilungen wohnräumlicher Mobilität vergleichend analysiert. Dieser Vergleich kann auf 53 Dieser Befund unterstützt die Einschätzung von Holm (2010a), derzufolge der Begriff der Gentrifizierung erst durch die zunehmende Betroffenheit von Mittelschichtshaushalten in den Mainstream-Diskurs Eingang fand. 56 20 14 18 ZuzügeB (%) FortzügeB (%) 16 12 10 8 6 16 14 12 10 8 6 4 4 Gentri Kontroll Andere 57 Gentri Kontroll Andere Gentri Kontroll Andere 10 14 9 12 7 ZuzügeA (%) FortzügeA (%) 8 6 5 4 3 10 8 6 4 2 2 1 0 0 Gentri Kontroll Andere Abbildung 15: Verteilungen der wohnräumlichen Mobilität (FortzügeB, ZuzügeB, FortzügeA, ZuzügeA) nach Kategorie Grundlage der Kategorie durchgeführt werden, da Umzugsraten keinen (direkten) Einfluss auf das Klassifizierungsverfahren der Nachbarschaften hatten. Abbildung 15 bietet einen umfassenden Überblick über die Mobilitätsmuster nach Kategorie. Sie illustriert die Verteilungen der jahresdurchschnittlichen Binnen- und Außenfortzugsraten, sowie der Binnenund Außenzuzugsraten. Entsprechende Tabellen der deskriptiven Statistiken finden sich im Anhang (Tab. B.4 bis B.7). Um sicherzustellen, dass die empirischen Ergebnisse der Überprüfung von H 2.1 und H 2.2 robust sind, wurde im Anhang die zusätzliche Abbildung A.10 erstellt. Sie stellt ebenfalls die Verteilungen der Umzugsraten nach Kategorie dar, jedoch sind die berücksichtigten LOR auf die Innenstadt beschränkt. So kann kontrolliert werden, ob etwaige unterschiedliche Mobilitätsmuster allein auf die Lage der Nachbarschaften zurückzuführen wären. Auch die räumliche Verteilung der Umzugsraten soll zumindest am Rande berücksichtigt werden. Die entsprechenden Karten finden sich im Anhang (Abb. A.7 bis A.11). Zuzugsraten Zuerst soll die Verteilung der Außenzuzugsraten (ZuzügeA) von Gentrifi- zierungsgebieten und Kontrollgebieten verglichen werden. Abbildung 15 zeigt, dass die Außenzuzugsraten der Gentrifizierungsgebiete deutlich über denen der Kontrollgebiete liegen - im Durchschnitt um etwa 2,8 Prozentpunkte oder knapp 70%. Im Median besitzen Gentrifizierungsgebiete eine Außenzuzugsrate von 6,92%, Kontrollgebiete lediglich 3,65%. Diese Medianaußenzuzugsrate der Kontrollgebiete entspricht im Übrigen exakt dem Berliner Durchschnitt. Aber nicht nur die Außenzuzuzugsraten liegen im Vergleich höher. Auch die Binnenzuzugsraten (Zuzüge) der Gentrifizierungsgebiete sind höher - im Durchschnitt um etwa 1,2 Prozentpunkte oder ca. 10%. Die Medianbinnenzuzugsrate der Gentrifizierungsgebiete beträgt 10,88%, die der Kontrollgebiete 9,47%.54 Die absolute wie auch relative Attraktivität der Gentrifizierungsgebiete drückt sich auch im stark positiven Außenwanderungssaldo von 1,70% aus. Kontrollgebiete besitzen im Gegensatz dazu ein fast ausgeglichenes Außenwanderungssaldo von 0,43%. Der berlinweite Durchschnitt der Außenwanderungssaldos liegt bei 0,48%. Betrachtet man die räumliche Verteilung der Außenzuzugsraten (Abb. A.11), so sind die höchsten Werte im östlichen Friedrichshain, Prenzlauer Berg, Mitte, dem Wedding und südlich des Tiergartens festzustellen. Wie häufig in Großstädten zu beobachten ist, liegen die Außenzuzugsraten der inneren Stadt deutlich über denen der äußeren. Die Binnenzuzugsraten (Abb. A.8) sind, sieht man von einigen Ausreißernachbarschaften“ ab, ” 54 Betrachtet man ausschließlich die innerstädtischen Nachbarschaften, so bleiben die Ergebnisse grundsätzlich bestehen: Gentrifizierungsgebiete besitzen höhere Außen- und Binnenzuzugsraten, jedoch ist die Differenz zu den Kontrollgebieten etwas geringer (Abb. A.10). 58 in Treptow, dem östlichen Friedrichshain, Nordneukölln und Wedding am höchsten. Im von immobilienwirtschaftlich und sozialer Aufwertung stark betroffenen Kreuzberg sind hingegen keine außergewöhnlich hohen Binnen- oder Außenzuzugsraten zu beobachten. Zu Hypothese 2.1 Gentrifizierungsgebiete sind für Zuzüge von außerhalb wie innerhalb Berlins besonders attraktiv - absolut, wie auch im Vergleich zu ähnlichen Nachbarschaften mit schwächeren Aufwertungsdynamiken. H 2.1, nach der Gentrifizierungsgebiete höhere Außenzuzugsraten als vergleichbare Gebiete besitzen, wird dadurch bestätigt. Sie kann sogar um die Binnenzuzugsraten erweitert als bestätigt gelten. Dieses Ergebnis ist als weiteres Anzeichen für Verdrängung, wie auch als empirischer Ausdruck der Wechselwirkung zwischen Aufwertung und Verdrängung zu interpretieren. Einerseits sind Gentrifizierungsgebiete für den Zuzug attraktiv, weil sie aufgewertet wurden. Andererseits werden sie aufgewertet, weil sie für den Zuzug attraktiv geworden sind. Darüber hinaus besteht eine Gleichzeitigkeit im Verhältnis zwischen Aufwertung und Verdrängung. Immobilienwirtschaftliche Aufwertung basiert auf einer gesteigerten, kaufkräftigen Nachfrage und soziale Aufwertung hat den Zuzug von Haushalten mit höherem sozioökonomischen Status zum Inhalt. 5.3.4 Fortzüge Um weitere Erkenntnisse bezüglich des Zusammenhangs zwischen Aufwertung, wohnräumlicher Mobilität und Verdrängung zu sammeln, sollen nun die Fortzugsraten vergleichend analysiert werden. Im Zentrum der Analyse der Fortzugsraten stehen die gegensätzlich formulierten Hypothesen H 2.2a und H 2.2b. Besitzen Gentrifizierungsgebiete höhere (H 2.2a) oder niedrigere (H 2.2b) Binnenfortzugsraten als vergleichbare Gebiete? Abb. 15 zeigt: Ähnlich den Außenzuzugsraten, weisen Gentrifizierungsgebiete eine im Durchschnitt um etwa 2,8 Prozentpunkte oder knapp 30% höhere Binnenfortzugsrate als Kontrollgebiete auf. Selbst wenn man die Analyse auf die innerstädtischen Gebiete beschränkt, bleibt die Differenz bestehen - sie schrumpft aber auf 1,9 Prozentpunkte bzw. knapp 20% (Abb. A.10). Im Median besitzen Gentrifizierungsgebiete eine jahresdurchschnittliche Binnenfortzugsrate von 12,47%, während die Kontrollgebiete eine Medianbinnenfortzugsrate von nur 9,47% aufweisen. In knapp 90% der Gentrifizierungsgebiete liegt die jährliche Binnenfortzugsrate über 10%. Unter den Kontrollgebieten besitzen hingegen nur 37% der Nachbarschaften eine Binnenfortzugsrate über 10%. Die Binnenfortzüge der Gentrifizierungsgebiete sind so zahlreich, dass sie nicht durch die Binnenzuzüge kompensiert werden. Das Binnenwanderungssaldo für Gentrifizierungsgebiete beträgt -1,59%, für Kontrollgebiete hingegen neutrale -0,06%. Im Vergleich zu den Binnenfortzugsraten bewegen sich die Außenfortzugsraten für alle Kategorien auf deutlich niedrigerem Niveau. Aber auch bei 59 den Außenfortzugsraten liegen die Werte der Gentrifizierungsgebiete im Durchschnitt etwa 1,7 Prozentpunkte bzw. knapp 50% höher als die der Kontrollgebiete. Im Median beträgt die jährliche Außenfortzugsrate der Gentrifizierungsgebiete 5,22%, die der Kontrollgebiete 3,22%. Die Karte der Binnenfortzugsraten (Abb. A.7) zeigt, dass auffallend hohe Werte überwiegend im östlichen Friedrichshain, Wedding, sowie in Nordneukölln zu beobachten sind. Die Außenfortzugsraten (Abb. A.9) sind für die innere Stadt eindeutig höher als für die äußere Stadt. Auffallend hohe Werte sind in Mitte, Wedding und südlich des Tiergartens zu beobachten. Zu Hypothese 2.2 H 2.2a, nach der Gentrifizierungsgebiete höhere Binnenfortzugsraten als vergleichbare Gebiete besitzen, wird eindeutig bestätigt. Auch die Außenfortzugsraten der Gentrifizierungsgebiete liegen höher. Die generell hohen Umzugsraten in den Gentrifizierungsgebieten suggerieren stark, dass die dortige Senkung der Armutsquote in erster Linie auf einen Bevölkerungsaustausch zurückzuführen ist. So können hohe Umzugsraten zweifellos als Beschleuniger von Aufwertung gelten. Je höher die Umzugsraten, desto schneller der Bevölkerungsaustausch, desto verbreiteter die Möglichkeit zum Ertragslückenschluss durch Umwandlung oder Wiedervermietung und umso rascher die soziale Aufwertung. Eine Beschleunigung von Aufwertung durch hohe Mobilitätsraten ist am Besten mittels ausschließender Verdrängung erklärbar: Zuziehende müssen von höherem sozioökonomischen Status sein, um die höheren Wohnkosten zahlen und sich gegen Mitbewerber*innen“ bei der Wohnungsverga” be durchsetzen zu können. Haushalte von ähnlichem sozioökonomischen Status, wie dem der ehemaligen Bewohner*innen, wird der Zuzug strukturell verwehrt. Umgekehrt ist der Einfluss von Aufwertungsdynamik auf die Umzugsraten anhand der deskriptiven, unbedingten Aggregatsstatistiken nicht zu klären. Sind die Fortzugsraten in den Gentrifizierungsgebieten wirklich aufgrund der starken Aufwertungsdynamik höher oder lebt in diesen Gebieten möglichweise eine jüngere oder ärmere Bevölkerung, welche aufwertungsunabhängig eine höhere Umzugsneigung aufweist? Wie viele Menschen unfreiwillig fortziehen, oder wie viele unfreiwillig nicht fortziehen ist diesen Aggregatsstatistiken nicht zu entnehmen. Zu Form und Ausmaß von Verdrängung sind folglich aufgrund hier nicht isolierbarer Effekte dritter Einflussfaktoren (z.B. Lage, Demographie etc.) nur wage Schlussfolgerungen möglich. Die hohen Umzugsraten suggerieren, dass in den Gentrifizierungsgebieten die aktuellen Bewohner*innen selbst nicht so stark von ausschließender Verdrängung betroffen sind, als dass sich ihr unfreiwilliger Verbleib in aggregiert niedrigeren Fortzugsraten ausdrücken würde. Dieser Umstand soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch starke Indizien für eine zunehmende Betroffenheit von ausschließender Verdrängung gibt. So fallen seit Jahren die Binnenfortzugsraten (vgl. BBU, 2015, S. 38 f.) im Allgemeinen und die Intra-LOR Umzugsquoten im Besonderen 60 (Abb. A.12). Dass trotz der vermutlich starken und weiter zunehmenden ausschließenden Verdrängung in den Gentrifizierungsgebieten hohe Fortzugsraten zu beobachten sind, legt eine erhöhte Betroffenheit von direkter und soziokultureller Verdrängung nahe.55 Ein Versuch zur Erklärung der Binnenfortzugsraten und der Isolierung des Effekts von Aufwertungsdynamiken, wird in Kapitel 6 anhand inferentieller Methoden angestrengt. 5.3.5 Robustheitscheck Um die Ergebnisse der Charakterisierung auf ihre Robustheit zu überprüfen, wurden dieselben vergleichenden Analysen auf Grundlage der alternativen Klassifizierung noch einmal durchgeführt. Unter der alternativen Definition von Kategorie erhöht sich die Konzentration der Gentrifizierungsgebiete in den ehemals ärmsten und günstigsten Nachbarschaften. Alle Gentrifizierungsgebiete liegen nun ausnahmslos innerhalb des S-Bahn Rings. H 1 wird also deutlicher als unter der vorherigen Klassifizierung bestätigt. Außerdem zeichnen sich die Gentrifizierungsgebiete auch nach der alternativen Klassifizierung durch etwa um 2,1 Prozentpunkte bzw. 20% höhere Binnenfortzugsraten und 1,5 Prozentpunkte bzw. 50% höhere Außenzuzugsraten aus. Lediglich bei den Binnenzuzügen ist kaum mehr ein Unterschied zwischen Gentrifizierungs- und Kontrollgebieten zu beobachten. Somit werden auch H 2.1 und H 2.2a erneut verifiziert. Die vorherigen Bestätigungen von H 1, H 2.1 und H 2.2a können also als robust erachtet werden. 5.4 Beispiel Reuterkiez Zum Abschluss der Charakterisierung der Gentrizierungsgebiete sollen am Beispiel des im nördlichen Neukölln gelegenen LOR Reuterkiez die deskriptiven Statistiken veranschaulicht und interpretiert werden (Tab. 5). Im Jahre 2007 noch waren die Mietpreise im Reuterkiez deutlich unterdurchschnittlich 55 In jedem Fall stehen die hohen Fortzugsraten der Gentrifizierungsgebiete im (vermeintlichen) Widerspruch zu denen im BBU (2015, S. 58 f.) dokumentierten niedrigen Quoten von Mietvertragskündigungen durch die Mieter*innen. Zunächst sind diese Quoten nur schwer mit den tatsächlichen Umzugsraten zu vergleichen. Dass die Quoten der Mietvertragskündigung bei den BBU Mitgliedsunternehmen aber so gering ausfallen (im Innenstadtbereich etwa 4,5 bis 7%), muss auch andere Ursachen haben. Erstens ist es möglich, dass aufgrund der groben räumlichen Auflösung der Umzugsraten im BBU Marktmonitor räumliche Disparitäten in der Statistik untergehen. Zweitens ist es möglich, dass wegen der unterdurchschnittlichen Mietpreisentwicklung im Bestand und der Neuvermietung der BBU Mitgliedsunternehmen Mieter*innen sich an ihren verhältnismäßig guten Mietvertrag klammern“, deshalb ein geringerer Verdrängungsdruck besteht und sie darum seltener ” umziehen. Drittens erfassen die BBU Statistiken keine Auszüge, die nach dem Verkauf einer BBU Immobilie durch erhöhten Verdrängungsdruck verursacht werden. 61 2007 2012 26908 27427 EWu18 in % 15,2 13,4 EW18-35 in % 34,0 37,7 9,0 8,1 Wohndauer 5J+ in % 48,3 52,3 Wohndauer10 in % 28,4 30,0 Armut in % 34,3 27,4 Miete in e/m2 5,37 8,74 EW EWü65 in % 2007-2012 Jahresdurchschn. Zuzugsrate in % 15,1 Jahresdurchschn. Fortzugsrate in % 15,3 Hinweis: Umzugsraten ohne Umzüge innerhalb des Reuterkiezes Tabelle 5: Deskriptive Statistiken zum LOR Reuterkiez und die Armutsquote deutlich überdurchschnittlich. Von 2007 bis 2012 fand gleichzeitig ein starker Rückgang der Armutsquote (−6, 9 Prozentpunkte), sowie eine starke Steigerung der Angebotsmietpreise (+3, 37 e/m2 ) statt. Nach beiden Klassifizierungen wurde der Reuterkiez folglich als Gentrifizierungsgebiet definiert. Es ist davon auszugehen, dass durch die im Reuterkiez auffällig hohen Umzugsraten immobilienwirtschaftliche Aufwertung beschleunigt wurde, da bei Wiedervermietung die Wohnung einfacher saniert oder zumindest der Mietzins quasi beliebig hoch gesetzt werden konnte. Um die Folgen der Mietpreissteigerung für die Mieter*innen zu veranschaulichen, soll ein kleines Rechenbeispiel durchgeführt werden. Angenommen ein Single bezog im Jahr 2007 eine durchschnittlich teure, 50m2 große Wohnung im Reuterkiez für damals 269 e Kaltmiete. Sofern sich der*die Mieter*in auf dem sechs Jahre später bereits stark angespannten Wohnungsmarkt durchsetzen“ kann, wären ” bei einem Umzug in eine vergleichbare Wohnung innerhalb des Kiezes 2012 durchschnittlich 437 e Kaltmiete zu zahlen. Dies entspricht einer realen Mietpreissteigerung von 168 e bzw. 63%.56 Außerdem fanden im selben Zeitraum reale Strompreissteigerungen um ca. 20% statt. 56 Wie bereits in Kapitel 3.4 beschrieben, wurden alle Mietpreise zum Indexjahr 2012 inflationsbereinigt. Ohne Inflationsbereinigung betrüge die Kaltmiete für die 2007 bezogene Wohnung 248 e und die Mietpreissteigerung 189 e, bzw. 76%. 62 Die Mehrkosten für den*die Mieter*in wären also enorm. Was die Armutsquote betrifft, so bedeutet der Rückgang der Armutsquote um 6,9 Prozentpunkte im Reuterkiez, dass etwa jede fünfte transferleistungsabhängige Person entweder freiwillig oder unfreiwillig aus dem Kiez fortgezogen ist, oder keine weiteren Transferleistungen bezieht. Die hohen Umzugsraten im Reuterkiez suggerieren stark, dass die Senkung der Armutsquote über soziale Aufwertung, d.h. Bevölkerungsaustausch erreicht wurde. Bei jahresdurchschnittlichen Umzugsraten um 15% müsste kummulativ gerechnet über den Zeitraum von 2007 bis 2012 ein Bevölkerungsaustausch in Höhe von 90% im Kiez stattgefunden haben.57 Dies ist aber unmöglich, wie die Statistiken zum Anteil der seit mindestens fünf Wohndauer5 bzw. zehn Jahren Wohndauer10 unter derselben Adresse wohnhaften Bewohner*innen des Kiezes zeigt. Diese Anteile blieben relativ konstant bei etwa 50 bzw. 30% und erhöhten sich sogar leicht. Dass trotz der hohen Umzugsraten kein Bevölkerungsaustausch in Höhe von 90% stattfand, ist nur dadurch zu erklären, dass viele Personen innerhalb der sechs Jahre in den Kiez zu- und wieder fortzogen. Wieviel Prozent der Bevölkerungsaustausch tatsächlich betrug, ist anhand dieser Statistiken nicht zu klären. Für eine ungefähre obere Grenze des Bevölkerungsaustausches im Kiez liefern die Statistiken der Wohndauer5 zumindest einen Anhaltspunkt: Der maximal mögliche Anteil der ausgetauschten Bevölkerung beträgt etwa 50 %. Für einen hohen Anteil von temporären Bewohner*innen des Kiezes spricht auch dessen altersdemographische Zusammensetzung. Der Anteil der 18-35 Jährigen an der Gesamtbevölkerung (EW18-35 ) betrug 2012 im Reuterkiez 37,7%. Schließlich besitzen junge Erwachsene aufgrund ihrer Stellung im Lebenszyklus eine viel höhere Umzugsneigung als andere Altersgruppen. Auch der für viele Gentrifizierungsprozesse typische Anstieg des Anteils junger Erwachsener (ca. +10%) ist im Reuterkiez zu beobachten. Gleichzeitig fiel der Anteil von Kindern und Jugendlichen (EWu18 ), sowie der Anteil der Senior*innen (EWü65 ) an der Gesamtbevölkerung um jeweils ca. 10%. Diese beispielhafte Analyse des sich (aktuell) in begehrter Lage befindlichen Reuterkiezes veranschaulicht, wie soziale und demographische Charakteristika vermutlich hohe Umzugsraten bedingen und den Kiez attraktiv für immobilienwirtschatliche Aufwertung machen. Durch die Verbindung von ehemals günstigen Mieten und gestiegener Attraktivität der Lage ist die starke immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik der letzten Jahre mit der rent-gap Theorie gut erklärbar. Die soziale Aufwertung im Kiez wurde sicherlich durch die hohen Umzugsraten beschleunigt und lässt entsprechend starke Verdrängungsprozesse vermuten. 57 Dass sich die Einwohner*innenzahl (EW ) trotz des leicht negativen Umzugssaldos positiv entwickelt hat, ist nur mit einem Geburtenüberschuss zu erklären. 63 6 Vermessung von Aufwertung und Verdrängung Das vorherige Kapitel lieferte empirische Anhaltspunkte für Verdrängung und deren Zusammenhang mit Aufwertungsprozessen. Die darin verwendeten Methoden waren jedoch weder zur Isolierung und Quantifizierung einzelner Zusammenhänge geeignet, noch erlaubten sie genauere Rückschlüsse auf Ausmaß und Form von Verdrängung. Zu diesen Zwecken, d.h. zur Bearbeitung von H 3.1 bis H 3.2b, werden im Folgenden gewichtete SAR Modelle geschätzt und die Regressionskoeffizienten als direkte Effekte im Sinne einer prozessbasierten Inferenz interpretiert. Nach der Dokumentation und Erklärung der empirischen Modellspezifikationen (Kap. 6.1) folgt die ausführliche Darstellung und Interpretation der Regressionsergebnisse (Kap. 6.2). Zuletzt wird das oben bereits beschriebene Beispiel des Reuterkiezes wieder aufgegriffen, um die Regressionsergebnisse zu veranschaulichen (Kap. 6.3). 6.1 Modellspezifikation 6.1.1 Nachbarschaftsdefinition und Repräsentation räumlicher Abhängigkeit Zur Erstellung der Matrix W zur Repräsentation räumlicher Abhängigkeit musste zunächst eine Nachbarschaftsdefinition getroffen werden. Da unterschiedliche Nachbarschaftsdefinitionen in der räumlichen Analyse zu abweichenden Ergebnissen führen können (vgl. Bivand, Pebesma und Rubio, 2008, S. 240), wurden drei Matrizen auf Grundlage verschiedener Nachbarschaftsdefinitionen erstellt. So können die Regressionsergebnisse zumindest bzgl. ihrer Nachbarschaftsdefinition auf Robustheit überprüft werden. Als Standarddefinition von Nachbarschaft wurde die gemeinsame Polygongrenze zugrunde gelegt und damit die entsprechende Matrix Wpoly generiert.58 Bei den alternativen Matrizen W1500m und W2000m wurden alle LOR als Nachbarn definiert, deren Zentroide sich in maximal 1500m bzw. 2000m Abstand befanden. Zur Berechnung aller drei Matrizen wurde das Varianz stabilisierende Schema nach Boots, Tiefelsdorf und Griffith (1999) angewendet, bei dem sich die Gewichte auf insgesamt n summieren.59 6.1.2 Variablenselektion Die Wahl der Prädiktoren wurde im Wesentlichen inhaltlich motiviert. Von der Aufnahme eines inhaltlich legitimen Prädiktors wurde jedoch abgesehen, wenn dieser einen zu hohen 58 Durch diese Standarddefinition werden etwaige Probleme mit sogenannten zero link Polygonen antizipiert (Bivand, Pebesma und Rubio, 2008, S. 240 ff.). 59 Zu den Vorteilen dieses Gewichtungsschemas vgl. Bivand, Pebesma und Rubio (2008, S. 253 f.). 64 Varianzinflationsfaktor (> 5) gegenüber den anderen Prädiktoren aufwies und somit Multikollinearitätsprobleme zu erwarten waren. Neben den Proxies für immobilienwirtschaftliche und soziale Aufwertung gingen das ursprüngliche Mietpreisniveau und die ursprüngliche Armutsquote als Prädiktoren in die Regressionsgleichungen ein. Um die bedingte Varianz zu verringern und die Schätzung der direkten Effekte zu ermöglichen, wurden des Weiteren diverse Kontrollvariablen als Prädiktoren aufgenommen, die einen Zusammenhang mit den Umzugsraten vermuten ließen. Zu den Kontrollvariablen gehören: • die drei Alterskohorten Kinder/Jugendliche, junge Erwachsene und Senior*innen, • der Anteil der seit mindestens 10 Jahren unter derselben Adresse wohnhaften Bevölkerung, • der Anteil der städtischen Wohnungen, • der Sanierungsgebietsdummy, • sowie die binäre Lagevariable des Stadtraums.60 Zuletzt ging der Anteil der Alleinerziehenden an den Haushalten mit Kindern als Prädiktor in die Modellgleichungen ein, da Alleinerziehende bereits in anderen Studien explizit als Risikogruppe von Verdrängung identifiziert wurden (Atkinson u. a., 2000, 2011).61 Zum Zweck einer besseren Interpretierbarkeit der Ergebnisse wurden mit Ausnahme der Aufwertungsproxies ∆r M iete und ∆Armut alle metrischen Prädiktoren vor der Modellschätzung zentriert. 6.2 Regressionsergebnisse Zur Überprüfung von H 3.1 bis H 3.2b wurden drei gewichtete SAR Modelle für FortzügeB geschätzt. Tabelle 6 fasst die Regressionsergebnisse dieser Modelle zusammen. Die Ergebnisse werden nun vor allem im Hinblick auf die Forschungshypothesen chronologisch erläutert. 60 Weitere potentielle Kontrollvariablen wie beispielsweise der Anteil der seit mindestens 5 Jahren unverändert wohnhaften Bevölkerung oder die Entfernung zur Stadtmitte blieben aufgrund ihrer zu hohen Varianzinflationsfaktoren unberücksichtigt. 61 Für das Jahr 2007 liegen leider keine Daten zum Anteil Alleinerziehender vor. Deshalb wurde auf die Daten aus dem Jahr 2012 zurückgegriffen. 65 FortzügeB W Gewichtung (1) (2) (3) Wpoly W1500m W2000m EW2007 EW2007 EW2007 Konstante 8,320 *** (0,241) 8,439 *** (0,246) 8,240 *** (0,249) ∆r M iete 0,135 *** (0,045) 0,130 *** (0,046) 0,151 *** (0,046) ∆Armut 0,030 (0,028) 0,038 (0,028) 0,043 (0,028) M iete2007 0,228 *** (0,088) 0,219 ** (0,087) 0,235 *** (0,087) Armut2007 0,077 *** (0,011) 0,075 *** (0,011) 0,073 *** (0,011) Alleinerziehende 2012 0,029 *** (0,011) 0,032 *** (0,011) 0,030 *** (0,011) EWu18 2007 0,040 (0,032) 0,051 (0,032) 0,057 (0,032) EW18-35 2007 0,200 *** (0,018) 0,209 *** (0,019) 0,212 *** (0,019) EWü65 2007 −0,003 (0,016) −0,002 (0,016) −0,002 (0,016) Wohndauer10 2007 −0,026 *** (0,009) −0,023 ** (0,009) −0,025 *** (0,009) StädtWohnungen 2012 −0,008 *** (0,003) −0,009 *** (0,003) −0,007 *** (0,003) SanGebiet 2012 [ja] 0,008 (0,164) −0,041 (0,163) −0,020 (0,165) Stadtraum [äußere Stadt] 0,170 (0,216) 0,080 (0,224) 0,248 (0,222) λ̂ 0,373 *** (0,058) 0,411 *** (0,064) 0,429 *** (0,069) LogLikelihood -635,5 -637,4 -638,8 σ̂ 2 6855,6 6857,3 6987,4 AIC 1301,0 1304,7 1307,6 0,855 0,853 0,852 n 429 429 429 k+2 15 15 15 2 RN agelkerke Hinweis: * p < 0,1; ** p < 0,05; *** p < 0,01; Standardabweichung in Klammern Tabelle 6: Schätzergebnisse gewichteter SAR Modelle auf FortzügeB 66 6.2.1 Modellevaluation Die gewichteten SAR Modelle auf FortzügeB wurden auf Grundlage von Wpoly (Modell 1), W1500m (Modell 2) und W2000m (Modell 3) berechnet. Alle drei Modelle besitzen einen positiven, hochsignifikanten Autokorrelationsparameter λ̂ und der Erklärungsgehalt ist mit 2 62 Die drei Modelle unterscheiden Werten um 0,85 für das RN agelkerke als hoch einzustufen. sich kaum in ihrer Anpassungsgüte, den Koeffizientenschätzungen und deren Präzision. Somit können die Ergebnisse bezüglich ihrer zugrunde liegenden Nachbarschaftsdefinition als robust bezeichnet werden. Deshalb soll im Folgenden die Diskussion der Ergebnisse auf das Modell 1, welches knapp die beste Anpassungsgüte besitzt, beschränkt werden. Eine durchschnittliches LOR der inneren Stadt besitzt, sofern man die Abwesenheit von Aufwertungsprozessen voraussetzt, eine jährliche Binnenfortzugsrate von 8,3%. Zwischen der Binnenfortzugsrate und der relativen Mietpreissteigerung, den Angebotsmietpreisen, der Armutsquote, dem Anteil der Alleinerziehenden, sowie dem Anteil junger Erwachsener bestehen hochsignifikante (p < 0, 01) positive Zusammenhänge. Negative hochsignifikante Zusammenhänge bestehen mit dem Anteil der seit mindestens 10 Jahren ansässigen Bevölkerung und dem Anteil städtischer Wohnungen. Somit entprechen die Vorzeichen aller signifikanten Koeffizienten dem, was durch die inhaltlichen Zusammenhänge zu erwarten ist. Zu Hypothese 3.1 Nach H 3.1 gilt: Je höher die Armutsquoten in einer Nachbarschaft, desto höher ist die dortige Binnenfortzugsrate. Die Regressionsergebnisse bestätigen diese Vermutung eindeutig. Die Koeffizientenschätzung für Armut2007 ist nicht nur hochsignifikant und positiv, sondern auch von erheblicher Größe (0,077). Angenommen zwei Nachbar- schaften unterscheiden sich lediglich in ihrer Armutsquote, z.B. um eine Differenz von 25 Prozentpunkten. Interpretiert man den geschätzten Koeffizienten als direkten Effekt, dann besitzt das ärmere Gebiet allein aufgrund seiner höheren Armutsquote eine um etwa 1,9 Prozentpunkte höhere jährliche Binnenfortzugsrate. Es ist also davon auszugehen, dass gerade in den überdurchschnittlich armen Nachbarschaften der für die Immobilienwirtschaft besonders interessanten Innenstadt die Aufwertung erheblich durch die armutsbedingten höheren Binnenfortzugsraten beschleunigt wird. Ziehen mehr Mieter*innen fort, werden zwangsläufig mehr Mietverträge gekündigt. Die Neuverträge erlauben den Eigentümer*innen schließlich beschleunigte Mietpreissteigerungen im Bestand. Armutsinduzierte höhere Binnenfortzugs- 62 2 Die Werte des RN agelkerke der gewichteten SAR Modelle sind nicht ohne weiteres als Anteil der erklärten Streuung zu interpretieren. Bei entsprechenden gewöhnlichen linearen Regressionsmodellen wurden jedoch 2 auch Radj. von etwa 0,83 erreicht. 67 quoten wirken somit als Katalysator für immobilienwirtschaftliche Aufwertung. Zusätzlich wirkt sich dieser Zusammenhang auch beschleunigend auf die soziale Aufwertung aus. Wo eine höhere Bevölkerungsfluktuation in Verbindung mit dynamischer immobilienwirtschaftlicher Aufwertung vorherrscht, ist davon auszugehen, dass ein verstärkter Bevölkerungsaustausch durch statushöhere Bewohner*innen stattfindet. Die Bestätigung von H 3.1 liefert zudem auch Hinweise über das Ausmaß der Betroffenheit armer Bevölkerungsschichten von Verdrängung. Es erhärtet sich der Verdacht, dass ärmere Bevölkerungsschichten stärker von direkter Verdrängung betroffen sind als andere, wohlhabendere Schichten. Letztlich ist bei steigendem Verdrängungsdruck ein unfreiwilliger Fortzug für diese Haushalte schwieriger abzuwenden, da ihnen schneller die materiellen Resourcen zur Kompensation erhöhter Ausgaben per Verdrängung aus der Lebensqualität ausgehen. Zu Hypothese 3.2 Mit der klaren Bestätigung von H 2.2a in Kapitel 5.3.4 wurde auch die Bestätigung von H 3.2a wahrscheinlich. Tatsächlich spricht der positive, hochsignifikante Koeffizient für ∆r M iete deutlich für die Bestätigung von H 3.2a, nach der die Binnenfortzugsrate in einer Nachbarschaft umso höher liegt, je stärker die dortige immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik ist. Anhand eines Beispiels soll der geschätzte direkte Effekt von 0,135 nun veranschaulicht werden. Angenommen zwei Nachbarschaften unterscheiden sich nur in ihrer inflationsbereinigten, relativen Mietpreisänderung, z.B. um eine Differenz von 10 Prozentpunkten, dann besitzt das Gebiet der stärkeren Preissteigerung allein aufgrund seiner immobilienwirtschaftlichen Aufwertungsdynamik eine um etwa 1,35 Prozentpunkte höhere jährliche Binnenfortzugsrate. Steigen die Angebotsmietpreise in einer Nachbarschaft jährlich um 1%, so verlassen demnach 0,135% mehr Anwohner*innen ihre Wohnung, um an einen anderen Ort in Berlin zu ziehen. Dieser direkte Effekt ist auch als Schätzung für ökonomische Verdrängung zu interpretieren. Schließlich isoliert die Regression den Zusammenhang zwischen ∆r M iete und FortzügeB, wobei anzunehmen ist, dass der Koeffizient im Wesentlichen den Einfluss von ∆r M iete auf FortzügeB misst, und nicht umgekehrt. H 3.2a wurde auf Grundlage stadtsoziologischer Gentrifizierungstheorie formuliert und damit ein möglicher kausaler Einfluss von ∆r M iete auf FortzügeB begründet. Umgekehrt macht es jedoch wenig Sinn anzunehmen, dass höhere Binnenfortzugsraten zu einer Steigerung der Angebotsmietpreise führen. Allenfalls wäre es denkbar, dass mit steigender Binnenfortzugsrate eine Verlangsamung des Anstiegs der Angebotsmietpreise einhergeht, da sich das Angebot der verfügbaren Mietwohnungen vergrößert. Ein solcher kompensierender, negativer Effekt ist unter der verwendeten Modellspezifikation nicht vom positiven Effekt von ∆r M iete auf FortzügeB zu differenzieren. Dies ist der erste Grund, warum der Koeffizient für ∆r M iete als untere Schranke für eine Schätzung von ökonomischer 68 Verdrängung zu interpretieren ist. Der zweite ist, dass eine mögliche ökonomische Verdrängung über die Berliner Landesgrenzen hinaus bei der Schätzung unberücksichtigt bleibt.63 Und der dritte, womöglich schwerwiegenste Grund für die Unterschätzung des tatsächlichen Ausmaßes ökonomischer Verdrängung, besteht in der Nichterfassung vieler Umzugsbewegungen. Es ist anzunehmen, dass von ökonomischer Verdrängung Betroffene tendenziell in prekären Verhältnissen leben und dadurch eine behördliche Erfassung ihres Umzugs unwahrscheinlicher wird. Neben diesen drei Quellen möglicher Unterschätzung des Ausmaßes ökonomischer Verdrängung besteht natürlich auch eine statistische Unsicherheit in der Schätzung. Die Standardabweichung des Koeffizienten beträgt 0,045, was einem 95% Konfidenzintervall von [0, 045 , 0, 225] entspricht.64 Dieses relativ große Konfidenzintervall sollte bei der Interpretation des genauen Koeffizientenschätzwertes bedacht werden. 6.2.2 Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten Auf Grundlage des geschätzten Koeffizienten von ∆r M iete in Höhe von 0,135 lässt sich der Versuch einer konkreten Schätzung von ökonomischen Verdrängungsraten wagen. Die Schätzung soll auf Basis zweier Berechnungsweisen erfolgen. • Version A Ein mögliches Maß ökonomische Verdrängungsraten auszudrücken, ist der kummulierte Anteil ökonomisch Verdrängte*r an der Gesamtbevölkerung. Berechnet werden diese Verdrängungsraten als über den Beobachtungszeitraum kummulierte, rein auf immobilienwirtschaftliche Aufwertung zurückzuführende, relative Binnenfortzugsrate. Die in Kapitel 5 identifizierten Gentrifizierungsgebiete erfuhren zwischen 2007 und 2012 im Durchschnitt eine jährliche relative Angebotsmietpreissteigerung von 5,7%. Im Sinne eines Proxies für immobilienwirtschaftliche Aufwertung führte diese Teuerung laut der Regressionsergebnisse zu einer jährlichen Erhöhung der Binnenfortzugsquote um 0,77 Prozentpunkte. Das entspricht für die Beobachtungszeit von sechs Jahren einem rein durch Mietpreissteigerung bedingten Binnenfortzug, respektive einer ökonomischen Verdrängungsrate von 4,6%65 der in den Gentrifizierungsgebieten lebenden Bevölkerung. Im Bezug auf die Einwohner*innenzahlen von 2007 sind dies etwa 21000 Menschen. Berlinweit ergibt sich für den gesamten Beobachtungszeitraum eine ökonomische Ver- 63 Auch Newman und Wyly (2006b, S. 2) lassen bei ihrer empirischen Schätzung von Verdrängungsraten Umzüge über die Stadtgrenzen hinaus unberücksichtigt. 64 Das Konfidenzintervall wurde nach der Faustregel CI0.95 ≈ µ ± 2σ berechnet. 65 (∆r M iete ∗ β̂∆r M iete ) ∗ 6 Jahre = (5, 7 ∗ 0, 135) ∗ 6 ≈ 4, 6% 69 drängungsrate von 2,3%, was knapp 77000 Menschen entspricht. Dies sind aus den oben genannten Gründen, aber auch wegen des vor der Analyse vorgenommenen Ausschlusses einiger LOR sehr konservative Schätzungen. • Version B Eine alternative Ausdrucksweise ökonomischer Verdrängungsraten wählten Newman und Wyly (2006a, S. 30). Sie ermittelten die ökonomische Verdrängungsrate als den auf zu hohe Wohnkosten zurückzuführenden Anteil der jährlichen Binnenfortzüge. Berechnet man die jährliche ökonomische Verdrängungsrate für Berlin analog, d.h. als den Anteil der Binnenfortzüge, der auf immobilienwirtschaftliche Aufwertung zurückzuführen ist, so ergibt sich ein Wert von 6,2%66 für die Gentrifizierungsgebiete und 4,1% für die gesamte Stadt. Interessanterweise ähneln diese Werte den Schätzungen ökonomischer Verdrängungsraten von Newman und Wyly (2006a, S. 30), die für New York City in den 1990er Jahren eine stadtweite, ökonomische Verdrängungsrate zwischen 5,5% und 8,3% ermittelten. Im Unterschied zu dieser Arbeit, standen Newman und Wyly (2006a) für ihre Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten Individualdaten der Befragung des US Bureau of the Census zur Verfügung. Jedoch beschränkten sich ihre Daten auf eine Stichprobe. Es ist also erstaunlich, dass sich mit der hier durchgeführten prozessbasierten Inferenz von reinen Aggregatsdaten Schätzwerte für ökonomische Verdrängungraten in Berlin von vergleichbarer Größe ergeben. Für beide Berechnungsweisen wurden entsprechende Karten erstellt. Sie befinden sich im Anhang (Abb. A.15 und Abb. A.15). Die geschätzten Werte wurden für beide Berechnungsweisen nach unten auf null begrenzt, da eine negative Verdrängungsrate keinen Sinn ergibt. Verdrängungsraten von null ergaben sich jedoch nur für diejenigen Nachbarschaften, die im Beobachtungszeitraum keine reale Mietpreissteigerung erfuhren. 6.2.3 Sonstige Regressionsergebnisse Nach der Überprüfung von H 3.1 und H 3.2 sowie der Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten soll nun kurz auf andere relevante Schätzergebnisse eingegangen werden. Änderung der Armutsquote Es fällt auf, dass der Zusammenhang zwischen ∆Armut und FortzügeB als insignifikant geschätzt wurde. Intuitiv wäre zu erwarten gewesen, dass die soziale Aufwertungsdynamik umso stärker ist, je höher die jeweilige Binnenfortzugsrate ausfällt. Das 66 (∆r M iete ∗ β̂∆r M iete ) / FortzügeB = (5, 7 ∗ 0, 135)/12, 39 ≈ 0, 062 = 6, 2% 70 heißt, es wurde ein signifikanter, negativer Regressionskoeffizient für ∆Armut vermutet. Dass der Koeffizient insignifikant ist, mag aber daran liegen, dass immobilienwirtschaftliche Aufwertung ursächlich für den Zusammenhang zwischen Binnenfortzügen und sozialer Aufwertung ist, und deshalb nach der Kontrolle des Einflusses von ∆r M iete keine signifikanter Zusammenhang zwischen ∆Armut und FortzügeB mehr messbar ist. Immobilienwirtschaftliche Aufwertung verursacht ökonomische Verdrängung, was sich in einer Erhöhung der Binnenfortzugsraten ausdrückt. Diese Erhöhung der Binnenfortzugsraten beschleunigt den Bevölkerungsaustausch und damit die soziale Aufwertung. Demnach liegt FortzügeB in der Mitte des Kausalpfads von ∆r M iete zu ∆Armut (Tab. 7) und der insignifikante Regressionskoeffizient von ∆Armut wird erklärbar. Für diese Interpretation spricht auch die geschätzte unbereinigte“ Korrelation ” zwischen FortzügeB und ∆Armut, die -0,39 für die gesamte Stadt und -0,47 für die innere Stadt beträgt (Tab. 7). Diese Werte unterstützen den postulierten Zusammenhang zwischen sozialer Aufwertung und Binnenfortzügen.67 ∆r M iete =⇒ FortzügeB =⇒ Gesamte Stadt 0, 55∗∗∗ −0, 39∗∗∗ Innere Stadt 0, 40∗∗∗ −0, 47∗∗∗ ∆Armut Tabelle 7: Gewichtete Korrelationen zwischen ∆r M iete und FortzügeB, sowie zwischen FortzügeB und ∆Armut mit Signifikanzniveau Alleinerziehende Der Koeffizient für Alleinerziehende 2012 ist leicht positiv und hochsi- gnifikant. Dies suggeriert, dass Alleinerziehende stärker von Verdrängung betroffen sind. Ein solcher Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Atkinson u. a. (2011, S. 25 ff.) für Sydney und Melbourne. Die tendenziell schwierigen Lebensverhältnisse von Alleinerziehenden machen deren erhöhte Gefährdung durch gentrifizierungsbezogene Verdrängung schlüssig und erklärbar. Städtische Wohnungen Überdies steht der Anteil städtischer Wohnungen in einem hochsignifikant negativen Zusammenhang mit den Binnenfortzugsraten. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Mieter*innen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften im Durchschnitt günstigere Mietverträge besitzen, sich deshalb seltener für einen freiwilligen Fortzug entscheiden oder deshalb weniger stark von ökonomischer Verdrängung betroffen 67 Eine tiefergehende Untersuchung des Zusammenhangs zwischen sozialer Aufwertung und anderen Umzugsbewegungen - insbesondere der Zuzüge - übersteigt den Rahmen dieser Arbeit. 71 sind.68 So weist beispielsweise das LOR Moritzplatz, welches einen hohen Anteil städtischer Wohnungen besitzt (41%), trotz seiner hoher Armut2007 (46,8%) und starken ∆r M iete (5,3%) eine relativ geringe Binnenfortzugsquote von 9,1% auf. Stadtraum Überraschenderweise besteht nur ein insignifikanter Zusammenhang zwischen dem Stadtraum und der Binnenfortzugsquote. Selbst Interaktionsterme mit der binären Variable Stadtraum oder eine Ersetzung durch die metrische Variable DStadtmitte erlangten keine Signifikanz. Die Lage der LOR scheint nach Kontrolle immobilienwirtschaftlicher, sozialer und demographischer Einflüsse für das Binnenfortzugsverhalten also irrelevant zu sein. 6.2.4 Residualanalyse Abschätzung der Auswirkungen möglicher Annahmeverletzungen Zur Validierung der Regressionsergebnisse soll nun eine bündige Residualanalyse vorgenommen werden. Die in Kapitel 4.2.1 vorgestellte Modelldefinition des SAR beinhaltet unter anderem die iid Normalverteilungsannahme für die residualen Fehlerterme ε. Anstatt einer rigorosen, formalistischen Überprüfung dieser Annahme, soll eine kurze Einschätzung möglicher Auswirkungen ihrer Verletzung erfolgen. Zunächst soll die iid Annahme diskutiert werden. Obwohl im Falle des Modells 1 die räumliche Verteilung der Residuen ε̂ (Abb. A.13) eine leichte, verbleibende Heteroskedastie oder Autokorrelation suggeriert und die iid Annahme damit verletzt ist, kann davon ausgegangen werden, dass durch die Vorsichtsmaßnahmen“ des gewichteten SAR Modells die ” größten Autokorrelations- und Heteroskedastieprobleme bereits beseitigt wurden. Dies legt der Vergleich mit der Karte der räumlichen Komponente Ŷ −X T β̂ nahe (Abb. A.14).69 Mithilfe der Karte wird das Abfangen“ räumlicher Autokorrelation durch die räumliche Komponente ” ersichtlich, denn benachbarte LOR besitzen hier deutlich häufiger ähnliche Werte als bei den Residuen ε̂. Nun soll auch die Normalverteilungsannahme kontrolliert werden. Das Histogramm und die Kerndichteschätzung der standardisierten Residuen (Abb. 16) zeigt: Die Verteilung ist leptokurtisch, leicht rechtsschief und besitzt einige positive Ausreißer. Die Residuen sind offensichtlich nicht normalverteilt, wobei jedoch kaum zu befürchten ist, 68 Berner, Holm und Jensen (2015, S. 19) fanden jedoch heraus, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesell” schaften [...] für einen erheblichen Anteil am Berliner [Zwangs]räumungsgeschehen verantwortlich“ sind, somit unter anderem physische Verdrängung zu verantworten haben. 69 Tests auf in ε̂ verbleibende räumliche Autokorrelation oder Heteroskedastie ist in R für gewichtete SAR Modelle leider nicht implementiert. 72 dass die Überkurtosis und die leichte Rechtsschiefe zu nennenswerten Verzerrungen oder Ineffizienzen in der Schätzung geführt haben. Lediglich die Ausreißer besitzen das Potential, die Koeffizientenschätzung verzerrt und die Varianz aufgeblasen“ zu haben.70 ” 0.8 FortzügeB (Modell 1) 0.6 0.4 0.2 0.0 −4 Abbildung 16: −2 0 2 4 6 8 10 12 14 Histogramm (weiß) und Kerndichteschätzung (orange) der standardisierten Regressionsresiduen ε̂std von Modell 1. Zum Vergleich eine Standardnormalverteilung (blau). Rugplot der Beobachtungen unterhalb der x-Achse (schwarz). Ausschluss von Ausreißern Zur Überprüfung der Regressionsergebnisse auf ihre Robustheit bzgl. des Einflusses von Ausreißern, wurde das Modell 1 um deren Einfluss bereinigt und erneut geschätzt. Diese Bereinigung fand auf Basis des Ausschlusses der Ausreißerbeobachtungen statt. Dabei wurden alle Beobachtungen mit einem betragsmäßigem standardisierten Residuum von mehr als vier als Ausreißer definiert (|ε̂std | > 4).71 Durch den Ausschluss der Ausreißer verbesserte sich die Anpassungsgüte deutlich. Das AIC sank auf 1224,4 und das 2 RN agelkerke erhöhte sich auf 0,875. Die Koeffizientenschätzungen hingegen änderten sich nur unwesentlich, während die p-Werte der vorher bereits signifikanten Koeffizienten noch weiter abfielen. Allein der geschätzte Autoregressionsparameter λ̂ stieg erheblich auf nun 0,541. 70 Von einer Berechnung der leverage oder cook’s distance Werte wurde angesichts der komplexen Varianz- Kovarianzstruktur des gewichteten SAR abgesehen. 71 Im Falle des Modells 1 für FortzügeB waren dies die relativ kleinen LOR Plötzensee und Park Ruhwald. Die Anzahl der Beobachtungen verringerte sich somit auf n = 427. 73 Die Robustheit der ursprünglichen Regressionsergebnisse wird folglich durch entsprechende Ergebnisse nach Ausschluss der größten Ausreißer bekräftigt. Generell erscheint gerade bei einer auf der Grundgesamtheit beruhenden prozessbasierten Inferenz der Ausschluss von Ausreißern als sinnvoll, da das Ziel ohnehin im Schluss auf den generellen datengenerierenden Prozess besteht. Außerdem ist beim Vorliegen der Grundgesamtheit bekannt, dass die Ausreißer auch tatsächliche Ausreißer sind. 6.3 Beispiel Reuterkiez Zur Veranschaulichung der Regressionsergebnisse soll nun das Beispiel des Reuterkiezes wieder aufgegriffen werden. Die folgende beispielhafte Interpretation der Regressionergebnisse ermöglicht es, den in Kapitel 2.1 theoretisch motivierten Zusammenhang von Aufwertung und Verdrängung noch einmal empirisch zu explizieren. Die Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf das Wasserfalldiagramm in Abbildung 17. Es veranschaulicht die Koeffizientenschätzungen für den Reuterkiez und muss von links nach rechts gelesen werden. Es illustriert den additiven Charakter des linearen SAR Modells, indem es zunächst die einzelnen, vorhergesagten Werte der Prädiktoren, dann die stochastischen Komponenten des Modells, d.h. die räumliche Komponente und das Residuum, sukzessive aufsummiert. Als Summe ergibt sich der wahre, d.h. der beobachtete Wert. Das Wasserfalldiagramm vermittelt also einen Eindruck darüber, in welchem Umfang der Einfluss eines Prädiktors oder einer Modellkomponente in die Schätzung der Response einging. Bei der Betrachtung von Abbildung 17 fällt zunächst auf, dass der vorhergesagte Wert der Konstanten nicht dem Berliner Durchschnitt von 8,92% entspricht. Ein Grund für diese Abweichung ist, dass die Aufwertungsproxies ∆r M iete und ∆Armut als einzige metrische Prädiktoren vor der Modellanpassung nicht zentriert wurden. Die vorhergesagte Konstante von 8,32 Prozentpunkten entspricht also einem hypothetischen Berliner Durchschnitt unter der ceteris paribus Annahme, nach der die realen Mietpreise und Armutsquoten im Durchschnitt konstant blieben. Außerdem führte die Berücksichtigung der kategorialen Prädiktoren (Stadtraum und SanGebiet) zwangsläufig zur Abweichung vom gesamtberliner Durchschnitt, da sich die Modellkonstante nur auf die als Grundfaktorstufen definierten Ausprägungen innere Stadt und kein Sanierungsgebiet bezog. Der zweite Summand (1,15 Prozentpunkte) im Wasserfalldiagramm entspricht dem geschätzten Einfluss der Mietpreisänderung auf die Binnenfortzugsrate des Reuterkiezes. Über die sechsjährige Zeitspanne des Beobachtungszeitraums entspricht dies einer kumulativen Erhöhung der Fortzugsrate um 6,9 Prozentpunkten. Im Sinne einer für Gentrifizierungsprozesse notwendigen, synchronen Verbindung zwischen Aufwertung und Verdrängung erscheint im Reuterkiez die jahresdurchschnittliche Mietpreissteigerung von 74 re W ah Bi e Ei ug sr at e fo rtz uu m id es R ne nt e e ss n ge lü nf po Ko m en nn he lic m äu nt ka ifi nu n t. W oh er 10 au ne 6 12.47 −0.08 0.1 −0.16 0.08 0.29 −0.48 2.32 Vorhergesagte Werte R gn si In St äd nd W oh he wa c Er de en 5 Ju ng e eh er zi 1.14 10 in Wahrer Wert m ut 11 le 9 −0.21 1.15 Stochastische Komponenten Al 8.32 12 Ar te ie g un te 8 M er st an 4 nd sä ei tp r ie M Ko n 75 Binnenfortzugsrate in % 13 Berliner Durchschnitt 7 Beispiel Reuterkiez 3 2 1 0 Abbildung 17: Veranschaulichung der SAR Regressionsergebnisse auf FortzügeB anhand eines Wasserfalldiagramms des Reuterkiezes 8,5% als Ursache der ökonomischen Verdrängung von insgesamt 6,9% der Bewohner*innen innerhalb von sechs Jahren. Das entspricht etwa 1850 ökonomisch verdrängten Menschen. Die ökonomische Verdrängung wiederum trug zum Bevölkerungsaustausch und vermutlich auch in hohem Maße zur sozialen Aufwertung des Kiezes bei: Zwischen 2007 und 2012 sank die Armutsquote im Reuterkiez um ebenfalls 6,9 Prozentpunkte. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Senkung der Armutsquote und der Binnenfortzugsrate konnte durch das SAR Modell jedoch nicht festgestellt werden. Laut dem Wasserfalldiagramm trugen neben der immobilienwirtschaftlichen Aufwertung auch andere Faktoren erheblich zur überaus hohen jahresdurchschnittlichen Binnenfortzugsrate von 12,47% des Reuterkiezes bei. So schätzt das SAR Modell den Einfluss der überdurchschnittlichen Armutsquote (34,4%) auf die Binnenfortzugsquote auf 1,14 Prozentpunkte, während der hohe Anteil junger Erwachsener (34,0%) sich in einem zusätzlichen Beitrag zur Binnenfortzugsrate von 2,32 Prozentpunkten ausdrückt. Alle anderen Einflüsse sind gering oder insignifikant. Mit einem Residuum in Höhe von -0,48 Prozentpunkten blieben letzlich etwa 12% der Abweichung der Binnenfortzugsrate vom Berliner Durchschnitt unerklärt. Folglich ist die Vorhersagegüte des SAR Modells für die 2 Beobachtung Reuterkiez, sofern man sie mit dem globalen RN agelkerke von 0,855 vergleichen kann, als leicht überdurchschnittlich zu bewerten. 76 7 Fazit 7.1 Einordnung der Studie Ziel dieser Arbeit war es, Gentrifizierungsgebiete in Berlin auf Nachbarschaftsniveau zu identifizieren und zu charakterisieren. Überdies sollte der Zusammenhang zwischen Aufwertung und Verdrängung untersucht und gemessen werden. Zu diesem Zweck wurde der konzeptionelle Rahmen und die quantitative Methodik bisheriger Gentrifizierungsforschung weiterentwickelt, aber auch neue methodische Ansätze eingeführt. Zu den zentralen Erweiterungen und Neuerungen dieser Studie gehörten: • Die Weiterentwicklung der begrifflichen Bestimmung von Gentrifizierung, Aufwertung und Verdrängung, sowie die Präzisierung ihres theoretischen Zusammenhangs, • die Weiterentwicklung deskriptiver Methodik zur empirischen Identifikation und vergleichenden Charakterisierung von Gentrifizierungsgebieten, • die Einführung einer prozessbasierten, inferentiellen Methodik zur differenzierten Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen Aufwertung und Verdrängung, • die Entwicklung einer Methodik zur aggregatsdatenbasierten Schätzung ökonomischer Verdrängung, • die Durchführung der bisher räumlich höchst auflösenden, stadtweiten Studie zur Messung von Gentrifizierung in Berlin, sowie • die Verknüpfung von statischer und webbasiert-interaktiver Ergebnispräsentation. Mit der kleinräumigen Erfassung von Aufwertung und Verdrängung konnte diese Arbeit sowohl zur Schließung einer Lücke in der deutschen Literatur zu Gentrifizierung, als auch zur Behebung methodischer Mängel vergleichbarer internationaler Studien beitragen. Mithilfe der in Teilen weiterentwickelten, in Teilen neu ausgearbeiteten Methodik konnten robuste Belege für den Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung, sowie für die Verknüpfung von Aufwertung und Verdrängung gesammelt werden. Sofern ähnliche Aggregatsdaten vorliegen, wäre die Methodik auch in Untersuchungen über andere Städte anwendbar und würde sogar einen interstädtischen Vergleich des Ausmaßes von Aufwertung und Verdrängung zulassen. Alle empirischen Ergebnisse dieser Arbeit entsprechen im Wesentlichen den gängigen Theoremen der Gentrifizierungsforschung - und dies, obwohl der informelle Wohnungsmarkt mitsamt der Dunkelziffer behördlich nicht erfasster Armut und wohnräumlicher Mobilität 77 die Analyse vermutlich in unbekanntem Ausmaß verzerrt hat. Dass trotz dieser Verzerrung, der unterschiedlichen Erhebungsmethoden und Kontexte die Schätzung ökonomischer Verdrängungsraten in etwa ähnliche Werte ergab, wie sie von Newman und Wyly (2006a) für New York City errechnet wurden, ist bemerkenswert. Dennoch blieben aufgrund der schwierigen Datenlage und dem begrenzten Umfang einer Masterarbeit viele Aspekte von Gentrifizierungsprozessen zwangsläufig unbeleuchtet. So war es beispielsweise nicht möglich, eine detaillierte Analyse von sozialen Aufwertungsprozessen durchzuführen oder das Ausmaß anderer Verdrängungsformen zu schätzen. Zudem wurde der kontroverse Zusammenhang zwischen Tourismus und Aufwertung ignoriert und die wichtige Rolle von Landes- und Bundeswohnungspolitik nicht explizit berücksichtigt. Eine meines Erachtens empfehlenswerte Weiterführung dieser Arbeit bestünde in einer alternativen, differenzierteren Klassifizierung der Nachbarschaften, die auch das Umzugsverhalten in den jeweiligen Gebieten berücksichtigt (vgl. Robson u. a., 2009, S. 16ff.). Dies würde zu einem besseren Verständnis verschiedener Gentrifizierungsformen (vgl. Holm, 2013) und des Gentrifizierungsprozesses beitragen. Eine weitere aussichtsreiche Fortführung der Forschung verspricht das sogenannte Origin-Destination Flows Modelling (vgl. LeSage und Fischer, 2010; LeSage und Pace, 2008; LeSage und Thomas-Agnan, 2014). Im Gegensatz zu den in dieser Arbeit verwendeten SAR, die nur allgemein alle Fortzüge in ein Gebiet oder alle Zuzüge aus einem Gebiet modellierten, werden Origin-Destination Flows als Bewegung aus einem Ursprungsgebiet in ein Zielgebiet modelliert. Dabei gehen die Attribute des Ursprungsgebietes und des Zielgebietes gemeinsam als Prädiktoren in die Regressionsgleichung ein. Mithilfe solcher Modelle wären genauere Rückschlüsse über Form und Ausmaß von Verdrängung möglich und Vermutungen wie etwa die der gentrifizierungsinduzierten Verdrängung in günstigere Stadtteile systematisch überprüfbar. Allgemein wäre für eine genauere Messung von Gentrifizierung und den verschiedenen Verdrängungsformen die Zusammenführung von Individual- und Aggregatsdaten ideal. 7.2 Zusammenfassung der Ergebnisse Im Folgenden werden die zentralen Forschungergebnisse durch eine kurze, chronologische Rekapitulation der einzelnen Forschungshypothesen zusammengefasst (Tab. 8). Zu Beginn der Analyse wurden die am stärksten von Gentrifizierung betroffenen Nachbarschaften mehrheitlich in den innerstädtischen Altbezirken Kreuzberg, Friedrichshain, sowie im nördlichen Neukölln lokalisiert. Zudem bestätigten die Daten den durch die rent-gap Theorie postulierten, starken Zusammenhang zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung. 78 Hypothese Ergebnis Unterschiedshypothesen 3/7 H1 Rent-gap Theorie H 2.1 Erhöhte Außenzuzüge 3 H 2.2a Erhöhte Binnenfortzüge 3 H 2.2b Niedrige Binnenfortzüge 7 Kausalhypothesen H 3.1 H 3.2a H 3.2b + Armut −→ Binnenfortzüge + Immo. Aufwertung −→ Binnenfortzüge − Immo. Aufwertung −→ Binnenfortzüge 3 3 7 3= Bestätigung; 3/7 = teilweise Bestätigung; 7 = keine Bestätigung Tabelle 8: Ergebnisübersicht nach Hypothesenüberprüfung Die durch die rent-gap Theorie motivierte H 1, nach der innenstadtnahe Nachbarschaften mit hohen Armutsquoten und günstigen Mieten am stärksten von Gentrifizierungsprozessen betroffen sind, bestätigte sich nur teilweise. Zwar waren starke Gentrifizierungsprozesse hauptsächlich in überdurchschnittlich armen und günstigen Nachbarschaften der Innenstadt zu beobachten, jedoch nicht nur dort. So waren innerstädtische Gebiete des ehemals mittleren Mietpreissegments ebenfalls stark von Gentrifizierungsprozessen betroffen und auch unterdurchschnittlich arme Gebiete erfuhren vereinzelt starke Aufwertungsprozesse. Trotz dieser Einschränkungen lieferte die grundsätzliche Bestätigung von H 1 deutliche Evidenz für die Validität der rent-gap Theorie als Erklärungsansatz von Gentrifizierung in Berlin. Bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Aufwertung und Umzugsverhalten bestätigte sich auch H 2.1, derzufolge Gentrifizierungsgebiete besonders attraktiv für Zuziehende sind: Gentrifizierungsgebiete besitzen im Durchschnitt eine um knapp 70% höhere Außenzuzugsrate und eine um ca. 10% höhere Binnenzuzugsrate als die Kontrollgebiete. Die empirische Evidenz für H 2.1 ist nicht nur als notwendiges Indiz für Verdrängung, sondern auch als Ausdruck der Wechselwirkung zwischen Aufwertung und Verdrängung zu interpretieren. In der Folge konnte gezeigt werden, dass Gentrifizierungsgebiete weitaus höhere Binnenfortzugsraten als vergleichbare Gebiete besitzen, was die entsprechende Forschungshypothese 2.2a ebenfalls bestätigte. Die Binnenfortzugsraten der Gentrifizie- rungsgebiete liegen durchschnittlich um etwa 30% über denen der Kontrollgebiete - was ein weiteres, noch stärkeres Indiz für Verdrängung darstellte. In der Summe legen die generell höheren Umzugsraten in den Gentrifizierungsgebieten die Schlussfolgerung nahe, dass die 79 dortige Senkung der Armutsquoten in erster Linie mittels der Verdrängung eines Teils der Bewohner*innen erfolgte. Um vermutete Wirkungszusammenhänge von Aufwertungsprozessen empirisch aufzudecken, wurden drei weitere Kausalhypothesen überprüft. Hierbei bestätigte sich zunächst die in H 3.1 geäußerte Annahme, dass höhere Armutsquoten in einer Nachbarschaft zu höheren Binnenfortzugsraten führen. Da die Innenstadt für die Immobilienwirtschaft besonders interessant ist, suggeriert dieser Befund, dass Aufwertung in zentral gelegenen, armen Gebieten erheblich durch die dort vorherrschenden armutsbedingt höheren Binnenfortzugsraten beschleunigt wird. Armut kann also katalysierend auf immobilienwirtschaftliche wie soziale Aufwertung wirken. Auch H 3.2a wurde empirisch klar bestätigt: Die Binnenfortzugsrate einer Nachbarschaft erwies sich als umso höher, je stärker die dortige immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdynamik ist. Dieser Befund lieferte starke Evidenz für ökonomische Verdrängung in Berlin: Immobilienwirtschaftliche Aufwertung verursacht demnach den unfreiwilligen Umzug eines Teils der Berliner Bevölkerung. Der Anteil ökonomisch Verdrängter an der Bevölkerung wurde in der Summe der Jahre 2007 bis 2012 für die Gentrifizierungsgebieten auf mindestens 4,62% und berlinweit auf mindestens 2,30% geschätzt. Diese Schätzungen unterliegen zwar einer statistischen Unsicherheit, sind aber nicht zuletzt aufgrund der anzunehmenden Dunkelziffer sicherlich zu konservativ. 7.3 Stadtpolitische Beurteilung der Ergebnisse Diese Arbeit liefert zum ersten Mal berlinweit empirische Evidenz sowohl für eine systematische Wechselwirkung zwischen immobilienwirtschaftlicher und sozialer Aufwertung, also auch für die bei Gentrifizierungsprozessen wesentliche Verknüpfung von Aufwertung und Verdrängung. Aus politischer Sicht sind diese Zusammenhänge jedoch keinesfalls neu: Seit Jahren kämpfen gerade in den stark von Gentrifizierung betroffenen Stadtteilen wie Kreuzberg oder Friedrichshain stadtpolitische Protestbewegungen gegen Verdrängung und weisen nachdrücklich auf die negativen sozialen Effekte immobilienwirtschaftlicher Aufwertung hin. Auch in den Alltagsgesprächen der Berliner Mieter*innen sind die fast flächendeckenden, starken Mietpreissteigerungen und die harte Konkurrenz am Berliner Wohnungsmarkt angekommen sogar wenn sie selbst nicht unmittelbar davon betroffen sind. Leider scheinen die negativen Effekten der Gentrifizierung von der Berliner Politik bisher nur teilweise wahrgenommen zu werden. Symptomatisch hierfür ist, dass im Bericht 2013 des Monitoring Soziale Stadtentwicklung, das der Senatsverwaltung als Frühwarnsystem ” der Ermittlung von gebietsbezogenen Handlungsbedarfen der sozialen Stadtentwicklung“ (SenStadt, 2014) dient, die Worte Gentrifizierung oder Verdrängung nicht einmal vorkom- 80 men. Die durch massenhafte Privatisierungen und den Rückzug aus der Förderung von Sozialwohnungen politisch mitverursachte und durch Aufwertungsprozesse vergrößerte Angebotslücke von etwa 120.00072 für Niedrigverdiener*innen erschwinglichen Mietwohnungen, wäre sicherlich nur durch den Erhalt und (Wieder-)Aufbau einer öffentlich finanzierten, sozialen Wohnraumsversorgung zu schließen. Ein solcher Lösungsansatz wird aktuell vom Berliner Mietenvolksentscheid 73 angestrebt. Er könnte vermutlich nicht nur vielen von Verdrängung Betroffenen helfen, sondern hätte auch eine präventive Wirkung. Die vorliegende Arbeit ist nicht geeignet, um über die Effektivität des vom Mietenvolksentscheid vorgeschlagenen Lösungsansatzes zur Linderung der akuten wie langfristigen Wohnungsnot in Berlin zu entscheiden. Dennoch machen die Forschungsergebnisse den sozioökonomischen Hintergrund für die Anliegen dieser und anderer stadtpolitischer Initiativen verständlicher, und verweisen zugleich in ihrer politischen Dimension wie schon eine Vielzahl vorheriger Studien (vgl. Berner, Holm und Jensen, 2015; Bernt und Holm, 2009; Dörfler, 2010; Häussermann und Kapphan, 2013; Holm, 2013) auf die Dringlichkeit einer tiefgreifenden Reform der Wohnungspolitik. 72 Diese Zahl bezieht sich auf eine Schätzung von Andrej Holm (vgl. Schönball, 2015). 73 Der Berliner Mietenvolksentscheid ist ein im Jahre 2014 gegründetes Bündnis von Mieter*inneninitiativen, das sich für die Schaffung von ausreichendem, preiswertem Wohnraum in Berlin“ (Mietenvolksentscheid, 2015) ” einsetzt. 81 Literatur Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (2015). RBS-Block. Techn. Ber. Potsdam: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. u r l: http://www.statistik-berlin-brandenburg.de/ regionales/rbs/rbsblock.asp?Kat=4002 (besucht am 15. 05. 2015). 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Für die Kategorie Gentri besteht ein hoch signifikanter Zusammenhang zwischen Mietpreissteigerung und Armutssenkung. 91 Miete2007 (Euro/m2) 14 12 10 8 6 4 Abbildung A.3: Karte von M iete2007 Miete2012 (Euro/m2) 14 12 10 8 6 4 Abbildung A.4: Karte von M iete2012 92 Armut2007 (%) 50 40 30 20 10 Abbildung A.5: Karte von Armut2007 Armut2012 (%) 50 40 30 20 10 Abbildung A.6: Karte von Armut2012 93 FortzuegeB (%) 25 20 15 10 5 Abbildung A.7: Karte von FortzügeB ZuzügeB (%) 20 15 10 5 Abbildung A.8: Karte von ZuzügeB 94 22 16 20 18 ZuzügeB (%) FortzügeB (%) 14 12 10 8 6 14 12 10 8 4 6 Gentri Kontroll Andere 95 10 Gentri Kontroll Andere Gentri Kontroll Andere 14 9 12 8 ZuzügeA (%) FortzügeA (%) 16 7 6 5 4 10 8 6 4 3 2 2 1 Gentri Kontroll Andere Abbildung A.10: Verteilungen der wohnräumlichen Mobilität (FortzügeB, ZuzügeB, FortzügeA, ZuzügeA) für die innere Stadt FortzügeA (%) 10 5 0 Abbildung A.9: Karte von FortzügeA ZuzuegeA (%) 16 12 8 4 0 Abbildung A.11: Karte von ZuzügeA 96 Gentri Andere Intra−LOR Umzüge in % 22 Gentri Kontroll 20 18 16 14 gesamte Stadt innere Stadt 12 2008 2009 2010 2011 2012 2008 2009 2010 2011 2012 Abbildung A.12: Zeitverlauf des Anteils der Umzüge innerhalb der LOR (Intra-LOR Umzüge) an allen Binnenumzügen in % nach Kategorie. Aufgrund einer fehlerhaften Lieferung durch das Amt für Statistik Berlin Brandenburg stehen keine Daten für Intra-LOR Umzüge für das Jahr 2007 zur Verfügung. 97 Residuen ε 20 15 10 5 0 −5 Abbildung A.13: Karte der Residuen ε̂ des gewichteten SAR Modells auf FortzügeB (Modell 1) Räuml. Komponente 2 1 0 −1 Abbildung A.14: Karte der räumlichen Komponente Ŷ − X T β̂ des gewichteten SAR Modells auf FortzügeB (Modell 1) 98 (A) Verdrängungsrate (%) 10.0 7.5 5.0 2.5 0.0 Abbildung A.15: Karte der geschätzten ökonomischen Verdrängungsraten nach Version A: Anteil der zwischen 2007 und 2012 ökonomisch Verdrängten an der Gesamtbevölkerung in %. (B) Verdrängungsrate (%) 15 10 5 0 Abbildung A.16: Karte der geschätzten ökonomischen Verdrängungsraten nach Version B: Anteil der Binnenfortzüge, der auf immobilienwirtschaftliche Aufwertung zurückzuführen ist in %. 99 B Tabellen Gentri Kontroll Andere 45 139 245 430 9734 7172 6313 6914 456355 1158061 1724890 3339306 n Q0.5 (EW2007 ) Σ EW2007 Gesamt Tabelle B.1: Statistiken zur Einwohner*innenzahl 2007 nach Kategorie min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean 4,3 4,8 5,6 6,3 11,2 5,7 Kontroll -3,2 1,5 2,6 3,7 7,2 2,6 Gesamt -3,2 1,4 2,7 4,2 11,2 2,8 Gentri Tabelle B.2: Deskriptive Statistiken von ∆r M iete für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean -13,5 -5,9 -4,6 -4,0 -3,2 -4,9 Kontroll -6,9 -2,2 -1,2 0,1 5,4 -1,2 Gesamt -14,8 -3,1 -1,3 -0,4 7,8 -1,6 Gentri Tabelle B.3: Deskriptive Statistiken von ∆Armut für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean Gentri 5,38 11,32 12,47 13,37 15,77 12,39 Kontroll 5,73 8,33 9,53 10,68 14,40 9,62 Gesamt 3,92 7,33 8,92 10,98 24,62 9,19 Tabelle B.4: Deskriptive Statistiken von FortzügeB für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt 100 min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean Gentri 7,98 10,10 10,88 12,27 21,07 11,00 Kontroll 6,93 8,77 9,47 10,75 14,43 9,80 Gesamt 3,88 7,70 9,18 10,65 21,07 9,21 Tabelle B.5: Deskriptive Statistiken von ZuzügeB für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean Gentri 1,97 4,53 5,22 5,93 6,83 5,18 Kontroll 1,42 2,53 3,22 4,32 8,85 3,51 Gesamt 0,88 2,50 3,17 4,55 13,17 3,59 Tabelle B.6: Deskriptive Statistiken von FortzügeA für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt min Q0,25 Q0,5 Q0,75 max mean Gentri 2,77 5,62 6,92 7,83 12,52 6,90 Kontroll 1,20 2,63 3,65 5,32 11,37 4,09 Gesamt 0.88 2,43 3,65 5,67 16,65 4,22 Tabelle B.7: Deskriptive Statistiken von ZuzügeA für Gentrification-, Kontrollgebiete und die gesamte Stadt 101 Eigenständigkeitserklärung Ich erkläre ausdrücklich, dass es sich bei dieser Abschlussarbeit um eine von mir erstmalig, selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasste Arbeit handelt. Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der oben genannten Arbeit verwendeten fremden Quellen, auch aus dem Internet (einschließlich Tabellen, Grafiken u. Ä.) als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass ich ausnahmslos sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen bzw. unverändert übernommenen Tabellen, Grafiken u. Ä. (Zitaten) als auch bei in eigenen Worten wiedergegebenen Aussagen bzw. von mir abgewandelten Tabellen, Grafiken u. Ä. anderer Autorinnen und Autoren (Paraphrasen) die Quelle angegeben habe. Mir ist bewusst, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Selbstständigkeit als Täuschung betrachtet und entsprechend der fachspezifischen Prüfungsordnung und/oder der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten der HU (ASSP) bzw. der Fächerübergreifenden Satzung zur Regelung von Zulassung, Studium und Prüfung der Humboldt-Universität (ZSPHU) geahndet werden. Berlin, den 25. August 2015 Guido Schulz
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