Die Zukunft wartet nicht - Industriellenvereinigung

DAS MAGAZIN FÜR MITGLIEDER
P.b.b. Verlagspostamt 1030 Wien, Zulassungsnr. 03Z034897M
Juli/August 2015
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Seite 4
Beste Bildung, Industrie 4.0, „Science for Industry“: Die Industriellenvereinigung
sagt, was der Industriestandort Österreich für eine erfolgreiche Zukunft braucht.
Gastkommentar Mandlbauer:
Über den idealen Politiker. Man wird
ja noch träumen dürfen. Seite 10
Serie: Der griechische Opfermythos – und die Lehren für
Österreich
Seite 18
Wien: Frühlingsfest: Mitterlehner
und Hesoun betonen Bedeutung der Industrie
Seite 22
Foto: IV/Amor
Die Zukunft wartet nicht
Mittelstand
Bürokratie abbauen –
Standort sichern
INITIATIVE Der Stärkung und nachhaltigen Sicherung des Standortes hat sich die
„Initiative Mittelstand“ verschrieben. Die Plattform hat neue Mitglieder zur Unterstützung ihrer Bemühungen gewonnen.
„E
in starker Wirtschaftsstandort
bedeutet Arbeitsplätze, Einkommenschancen und soziale
Sicherheit“, bringt der Sprecher
der „Plattform für Leistung und Eigentum“, Günter Stummvoll, die Motivation
der Mitglieder der „Initiative Mittelstand“
auf den Punkt. Österreich falle aber seit
2007 in internationalen Rankings stetig zurück. Was die Rahmenbedingungen für die
Geschäftstätigkeit von Unternehmen, das
bestehende Regulierungsumfeld sowie Reformschritte betrifft, liege Österreich laut
Weltbank derzeit nur auf Rang 21, laut aktuellem IMD-Ranking sogar nur auf Platz
Wertschöpfungsabgabe sind Gift für den
Wirtschaftsstandort und das Investitionsklima in Österreich“, so Stummvoll.
Breite Allianz gegen Bürokratie
Handlungsbedarf ortet die Allianz unter
anderem im Bereich der Überbürokratisierung: So müssten etwa heimische Unternehmen im Durchschnitt 166 Stunden
pro Jahr für Steuererklärungen aufwenden
– bei einer gesamten Steuerbelastung von
52 Prozent des Gewinns. In der Schweiz
seien es hingegen nur 63 Stunden bei einer
gesamten Steuerbelastung von 29 Prozent
des Gewinns. „Die bürokratischen Belastungen machen es den Unternehmen äußerst schwer, erfolgreich zu wirtschaften
und dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen“, hält IV-Präsident Georg Kapsch fest.
„Dringenden Durchforstungsbedarf“ im
heimischen Regulierungswerk konstatiert
auch WKÖ-Präsident Christoph Leitl: „Allein im Arbeitnehmerschutzrecht gibt es
rund 1.200 Bestimmungen. Wer soll sich da
noch auskennen?“
INFORMATION
Web-Tipp:
www.der-mittelstand.at
2 iv-positionen | Juli/August 2015
26. „Mit der Fortsetzung unserer Initiative
– der nunmehr erfreulicherweise auch die
Rechtsanwaltskammer und die Notariatskammer beigetreten sind – wollen wir uns
zum Wirtschaftsstandort Österreich bekennen, aber uns gleichzeitig auch sehr deutlich
gegen die standortfeindliche, überbordende
Bürokratie zur Wehr setzen. Strukturreformen müssen endlich in Angriff genommen werden – Entbürokratisierung stellt
einen Schlüsselfaktor bei der Stärkung und
nachhaltigen Sicherung des Standortes dar.
Jüngste Vorschläge wie generelle 6. Urlaubswoche, Arbeitszeitverkürzung oder
Eine Verbesserung, die die Plattform unter anderem fordert, ist das sogenannte
One-Stop-Shop-Prinzip, daran komme eine
engagierte Bürokratiereform nicht mehr
vorbei, so etwa die Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV),
Michaela Reitterer, die auf den „Unmut
der Branche“ wegen „dem hohen Aufwand
rund um Lohnverrechnung und Betriebsanlagengenehmigungen“ verweist. Ähnliches berichtet der Präsident der Land- und
Forstbetriebe Österreich, Felix Montecuccoli: So müssten zum Beispiel für Land- und
Forstmaschinen im Straßenverkehr jeweils
zwei bis drei Genehmigungen verschiedener Stellen eingeholt werden.
Foto: istockphoto.com/Tsuji
One-Stop-Verfahren
Editorial
Arbeit braucht
Reformen
Die Krise am Arbeitsmarkt ist vor allem hausgemacht – und daher auch lösbar.
Schönreden schafft keinen einzigen Job.
•
Weniger „altes Denken“, mehr auf Betriebsebene lösen: Wer mehr Arbeitsplätze will, muss sich für zeitgemäße Arbeitszeit-Modelle auf betrieblicher
Ebene einsetzen. Das hilft allen Beteiligten und entspricht einer modernen
Während die Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Staaten sinkt, ist die Lage
Arbeitswelt. Wir brauchen bei vielen Reformen einen echten Turnaround
am österreichischen Arbeitsmarkt angespannt – und sie spitzt sich zu. Laut
Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission wird der ehemalige Muster-
auch im Mindset. Arbeit hat nichts mit Verteilung derselben zu tun!
•
Mehr Leistungsorientierung, höhere Attraktivität für Erwerbstätigkeit: Wer
schüler Österreich 2015 sogar auf Rang fünf in der EU zurückfallen. Die Kom-
Leistung erbringt, soll nicht das Gefühl haben müssen, der Dumme zu
mission prognostiziert für Österreich einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf
sein. Der Anstieg der Notstandshilfebezieher in Österreich in den vergan-
5,8 Prozent, während in Deutschland (4,6 Prozent), Großbritannien (5,4 Prozent),
genen Jahren ist alarmierend. Um diese Menschen gilt es sich besonders
Tschechien (5,6 Prozent) sowie in Luxemburg (5,7 Prozent) die Arbeitslosigkeit
zu bemühen, um sie in menschenwürdige und gute Arbeit zu bringen!
zurückgeht bzw. stagniert. Die österreichische Arbeitsmarktkrise ist vor allem
Zur raschen Integration in den ersten Arbeitsmarkt sind vor allem jene
hausgemacht. Ein Grund: Wir verzeichnen einen regelrechten Einbruch bei den
arbeitsmarktpolitischen Instrumente verstärkt einzusetzen, die Beschäf-
Ausrüstungsinvestitionen in Höhe von minus 4,3 Prozent gegenüber 2014.
tigungsanreize schaffen und arbeitsplatznahe Qualifizierung ermöglichen.
Unsere Wachstumsschwäche ist folglich Ausdruck einer Investitionskrise – als
Ergebnis der Erosion unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und des
In diesem Sinn: Wer durch konkrete Taten Wachstum und Vertrauen in den
Vertrauensverlustes in die Verlässlichkeit der politischen Rahmenbedingungen.
Standort fördert, tut das einzig Richtige, um die Arbeitslosigkeit zu senken. Die
substanzielle Senkung der Lohnnebenkosten ist jetzt umzusetzen. Schönreden
Was tut die Politik? Sie setzt vollkommen unbeirrt weiterhin völlig falsche Signale,
oder die Verweigerung, über die hohe Arbeitslosigkeit zu reden, schafft keinen
die Unternehmen verunsichern und von Investitionen abhalten. Die Steuerreform
einzigen Job.
bringt keine echte Entlastung für die Betriebe, was fehlt, ist eine substanzielle
Senkung der Lohnnebenkosten. Ebenso sind die Rufe von Teilen der Politik und/
oder Arbeitnehmervertretern nach einer Arbeitszeitverkürzung, einer generellen
sechsten Urlaubswoche, Überstunden-Euro oder nach einem gesetzlichen
Ich darf Ihnen, liebe Leserinnen und Leser der „iv-positionen“ einen erholsamen
Sommer wünschen – die nächste Ausgabe der „iv-positionen“ erscheint im
September.
Quotenmodell für Ältere völlig kontraproduktiv. Mit all diesen Maßnahmen wird
unser Land nur weiter in die Wachstums- und Arbeitsmarkt-Sackgasse manövriert, aus der wir eigentlich rasch wieder heraus wollen. Und auch können. Drei
Ansätze sind dabei entscheidend:
•
Ihr
Grundlegende Modernisierung der Arbeitswelt, weniger Regelwerk: Österreichs Unternehmen leiden unter einer Vielzahl sinnloser Auflagen und
Bürokratie, was ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächt und negative Folgen
für die Beschäftigung im Land hat. Die Wirtschaft braucht mehr Flexibilität
und unternehmerische Freiheit, um im stetig intensiver werdenden internationalen Wettbewerb mithalten zu können.
Christoph Neumayer, Generalsekretär
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Foto: IV
Druck: Ueberreuter Druckzentrum GmbH, 2100 Korneuburg. Erscheinungsort: Wien. Offenlegung nach § 25 des Mediengesetzes: iv-positionen erscheint 10x jährlich in einer Auflage von 8.300, Unternehmensgegenstand: Information zu
industrie- und gesellschaftspolitischen Themen für Mitglieder der Industriellenvereinigung und Meinungsträger in Österreich. Siehe auch unter www.iv-net.at/b80
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf geschlechtsspezifische Endungen verzichtet. Die verwendeten Bezeichnungen beziehen sich auf beide Geschlechter gleichermaßen.
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Coverstory
Die Zukunft
wartet nicht
M
ehr als 800 Kinder und
Jugendliche „übernahmen“ am 18. und 19.
Juni das Haus der Industrie in Wien. Beim dritten Kindertag der Industrie (KIDI) unter
dem Motto „Entdecke die Geheimnisse der
Industrie“ hatten
sie die Möglich„Unsere Standortquakeit, die vielfältige
lität hat bestenfalls
und
spannende
Mittelmaß erreicht – wir Welt der Indusmüssen daher dringend
trie
persönlich
kennen zu lernen.
gegensteuern.“
Erfolgreiche UnIV-Präsident Georg Kapsch
ternehmerinnen
und Unternehmer
erklärten beispielsweise, wie in der Industrie Metalle, Mineralien und Holz zu jenen
4 iv-positionen | Juli/August 2015
Produkten werden, die wir alle im Alltag
selbstverständlich benutzen. In Ideenwerkstätten, Vorträgen und Workshops wurden
Kinder und Jugendliche für Naturwissenschaft und Technik begeistert. „Der Kindertag der Industrie ist ein wichtiges Signal für
die Zukunftsorientierung und Offenheit der
Industrie. Wir wollen einen Beitrag dafür
leisten, dass die heute Fünf- bis 14-Jährigen
fit für ihre Zukunft sind. Das – und insbesondere eine fundierte Allgemeinbildung
– ist eine wichtige Säule für die künftigen
Leistungen der Industrie für Wachstum und
Wohlstand. Aber wir müssen noch an vielen anderen Schrauben drehen“, so IV-Präsident Georg Kapsch.
Strategische Zukunftsfragen
Engagement für die Zukunft des Stand-
Fotos: IV-OÖ/Krügl, IV/Amor
INDUSTRIESTANDORT: Beste Bildung,
„Industrie 4.0“, „Science for Industry“,
die Industriellenvereinigung
zeigt auf, was Österreich für eine
erfolgreiche Zukunft braucht.
Coverstory
ortes ist heute umso wichtiger, als Österreich seit Jahren stetig an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Kapsch: „Mittlerweile
hat unsere Standortqualität bestenfalls
Mittelmaß erreicht – wir müssen daher
dringend gegensteuern, sonst werden
wir auch den Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht stoppen können.“ Die negative Tendenz bei der Standortqualität
unterstreicht das jüngste IMD-Ranking,
bei dem Österreich nur mehr auf Rang
26 liegt – 2007 war es noch Rang elf. Im
europäischen Innovationsranking (IUS)
erreichte Österreich nur mehr Platz elf,
nach Rang sechs im Jahr 2009. Das pure
Verwalten des Status quo sei längst nicht
mehr ausreichend: „Wir müssen aktiv
unser Land zukunftsfit gestalten“, so der
IV-Präsident. Neben standortpolitischen
Hausaufgaben, wie einer Trendwende
bei den Lohnnebenkosten, der Modernisierung der Arbeitszeitgesetzgebung
und vor allem strukturellen Reformen in
den Bereichen Pensionen, Gesundheit,
Verwaltung und Förderungen, braucht es
auch die intensive Auseinandersetzung
mit strategischen Zukunftsfragen.
Viele davon bündeln sich in der „Industrie 4.0“ – ein Begriff, der mehr als nur ein
Schlagwort ist. Die Digitalisierung fördert
und fordert das Zusammenwachsen von
modernsten Informations- und Kommunikationstechnologien mit Produkten und
Prozessen in Produktion und Logistik.
Durch Vernetzung von Produkten, Daten
und Menschen werden die Effizienz und
die Flexibilität vor allem von produzie-
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5
Coverstory
„Digitale Reife“ in Österreich stärken
IV-Generalsekretär Christoph Neumayer:
„Zukunftsweisende Standortpolitik muss
den industriellen Wandel unterstützen.
Studien zeigen, dass die Entwicklung in
Richtung einer ,vernetzten Fabrik‘ zwar
allgemein als wichtig für die Wirtschaft des
eigenen Landes gesehen wird, doch nur
sechs Prozent der Unternehmen fühlen
sich in Österreich sehr gut darauf vorbereitet, 31 Prozent gut, während 42 Prozent
sich als schlecht
vorbereitet einstufen.“ Forschungs„Zukunftsweisende
programme sollen
Standortpolitik muss
daher darauf ausden industriellen
gerichtet werden,
Wandel unterstützen.“
die TechnologieIV-Generalsekretär Christoph Neumayer
kompetenz in Österreich und die
„digitale
Reife“
zu stärken, neue Dienstleistungen unterstützen und Arbeitsplätze der Zukunft
fördern, so die Industriellenvereinigung.
Zur gezielten Weiterentwicklung der
„Industrie 4.0“ soll eine österreichweite
Plattform beitragen. Grundvoraussetzung
für eine erfolgreiche „Industrie 4.0“ in ÖsFACTBOX
terreich ist natürlich eine leistungsfähige
IT- Infrastruktur, weshalb sich die IndusIST Austria: IV-Einsatz
triellenvereinigung für die rasche Umfür Standort zahlt sich aus
setzung einer digitalen Offensive für den
Breitband-Ausbau und die TechnologieDas Engagement der Industrie für die Zukunft des
entwicklung durch F&E einsetzt.
Standortes zahlt sich aus. Das zeigt etwa das im
Jahr 2010 gegründete außeruniversitäre Grundlagenforschungsinstitut IST Austria, für das sich die
Industriellenvereinigung maßgeblich eingesetzt hat.
Fünf Jahre danach hat das Institut bereits mehr
als 41 Millionen Euro an Drittmitteln aus kompetitiven Forschungsprogrammen einholen können,
davon 22 Millionen aus dem prestigeträchtigen
ERC- Programm der europäischen Kommission,
dem Gütesiegel für exzellente Forschungsarbeit.
2014 wurden 169 Publikationen in Fachjournalen
veröffentlicht (Quelle ISTA).
IST Austria beschäftigt aktuell 267 exzellente
Forscherinnen und Forscher aus dem Aus- und
Inland (51 verschiedene Nationalitäten) in sechs
verschiedenen Forschungsschwerpunkten (Mathematik, Neurowissenschaft, Physik, Evolutionsbiologie, Zellbiologie und Computerwissenschaften). Ein
Technologie-Spin-Off-Park soll wissenschaftliche
Kooperationen mit forschenden Unternehmen
intensivieren. IST Austria ist in die österreichische
Forschungslandschaft mit über 50 nationalen
Kooperationen mit anderen Forschungsinstituten
bestens eingebettet.
6 iv-positionen | Juli/August 2015
plinen wird zur Schicksalsfrage für den
Standort. Der wichtigste Hebel ist dabei die Neukonzeption des schulischen
MINT-Unterrichts und die Stärkung der
HTL als Standortasset Österreichs. Die
Frühförderung, insbesondere von Mädchen, im MINT-Bereich muss bildungspolitische Priorität haben. In ihren „Beste
Bildung“-Konzepten für eine umfassende
Bildungsreform widmet die Industriellenvereinigung diesen Herausforderungen
ausführlich Raum.
Ihre wichtigsten Anliegen:
•
•
MINT-Kompetenzen fördern
Klar ist freilich auch: Das Thema „Industrie 4.0“ betrifft nicht nur die Industrie,
sondern die gesamte Gesellschaft. Die
Bandbreite reicht von der Sicherheit –
Schutz geistigen Eigentums und kritischer
Infrastrukturen – bis hin zur Bildung. Ein
Schlüssel für den künftigen Standorterfolg ist der Ausbau insbesondere von
MINT- und IT-Kompetenzen. Neumayer:
„Mit anspruchsvolleren Produktionsmethoden wird auch die Komplexität steigen, sie zu beherrschen. Wir brauchen
mehr qualifizierte Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter mit ausgeprägten Fähigkeiten zum vernetzten, interdisziplinären
und lösungsorientierten Denken und
Arbeiten.“ Die Sicherung des Innovationsnachwuchses in den MINT-Diszi-
•
Österreich braucht eine Neukonzeption eines begeisternden, schulischen
MINT-Regelunterrichtes. Kernelemente dabei sind u.a. die Forcierung des „Forschenden Lernens und
Lehrens“, die stärkere Vernetzung
der MINT-Fächer durch fächerübergreifende Projektarbeiten bis
hin zu einem neuen Unterrichtsfach
„Science & Technology“, die Neukonzeption des Werkunterrichts als
MINT-Trägerfach mit hohem Praxisbezug, die Forcierung der digitalen
Kompetenzen der Schülerinnen
und Schüler sowie die Aufwertung
der MINT-Fachdidaktik und der
MINT-Bildungsforschung an Hochschulen.
Das Erfolgsmodell der HTL soll
auf allen Ebenen forciert werden,
u.a. durch kontinuierliche Frühförderung in MINT, Forcierung der
Ausbildungsqualität, international
sichtbare Anerkennung der Ingenieursausbildung, Sicherstellung des
qualifizierten Lehrpersonals für HTL
und Forcierung der Zusammenarbeit
mit Unternehmen.
Ausgebaut werden soll auch die
MINT-Hochschulbildung. Konkrete
Maßnahmen dafür sind u.a. die Etablierung einer gemeinsamen, einführenden Orientierungsphase von ein
bis zwei Semestern zur Erhöhung
der Treffsicherheit der Studienwahl
und Senkung der Drop-Out-Raten
nach dem Vorbild der TU in München und Berlin.
Auch bei der Weiterentwicklung der Sekundarstufe II zur „Spezialisierungsphase“ spielen MINT-Kompetenzen eine
zentrale Rolle: In Schulen ohne generelle
MINT-Ausrichtung soll die einschlägige
Interessensbildung gezielt unterstützt
Foto: IV/Prantl
renden Unternehmen gesteigert. Diese
Transformation wird von innovativen Geschäftsmodellen und neu entstehenden
Arbeitsformen begleitet.
werden. Besonders junge Frauen und
Mädchen sollen in der Wahl entsprechender Bildungs- und Berufswege bestmöglich unterstützt werden, wünscht sich
die Industrie (sh. Bericht Seite 16).
„Science for Industry“
Fotos: dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss, istockphoto.com/akindo
Zukunftsentscheidend für den Standort
Österreich ist natürlich auch die verbesserte Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie. IV-Präsident
Kapsch: „Die Ausgründung von Unternehmen und das ,Entlernen‘ gewohnter
Muster aus den Hochschulen ist weiter
zu forcieren, sowohl durch die Verbesserung von Infrastruktur und personeller
Flexibilität an den Universitäten sowie
mehr Venture Capital, als auch durch die
Unterstützung im Erlernen neuer Denkmuster. Dazu gehört auch die verstärkte
Integration von Entrepreneurship und
Managementkompetenz in die wissenschaftlichen Curricula.“
Besonders wichtig ist die intensive Zusammenarbeit bei der Erforschung, Entwicklung und Fertigung von Produktionstechnologien: „Science for Industry“ bietet für
Hochtechnologiestandorte große Potenziale. Der Vergleich zwischen den beiden
zentralen Forschungsförderungsfonds für
wissenschaftliche Forschung in Deutschland und Österreich, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und den
Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), zeigt freilich
den großen Handlungsbedarf: Während
bei der DFG in den letzten vier Jahren je-
weils etwa 22 Prozent ihres Budgets in ingenieurwissenschaftliche Forschung floss,
betrug dieser Anteil beim FWF gerade
einmal etwa 3,5 Prozent, unter Einbezug
der Informatik 8,5 Prozent. Neumayer:
„Eine spezifische Initiative zur Stärkung
der Grundlagenforschung in den technischen Disziplinen unter der Thematik
,Science for Industry‘ könnte diesen Anteil heben und den Grundstein für neue,
radikale Innovationen legen.“
Mehr Investitionen brauchen
mehr Reformen
relle Reformen erarbeiten. IV-Präsident
Georg Kapsch: „Wir gehen davon aus, dass
Österreich bei den Staatsausgaben durch
Reformen in den Bereichen Pensionen,
Gesundheit, Verwaltung und Förderungen
mindestens vier Prozent des BIP an Effizienzsteigerungen lukrieren könnte.“
Was der Standort sicher nicht brauchen
könne, sind Arbeitszeitverkürzung, mehr
Urlaub oder Maschinensteuern. Kapsch:
„Beim Wachstum haben wir bereits den
Anschluss an den Rest Europas verloren
– wir werden alles daran setzen müssen,
um nicht weiter Terrain zu verlieren. Die
Zukunft wartet nicht auf uns.“
Zwischen standortpolitischen Zukunftsthemen und strukturellen Reformen besteht ein enger Zusammenhang. Das eine
ist ohne das andere schwer möglich. Die
notwendigen Spielräume für mehr Investitionen etwa in Forschung und Entwicklung – die Forschungsquote
liegt bei drei Prozent,
Ziel sind 3,76 Prozent – muss sich
der
Standort
durch
struktu-
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7
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SE
P-
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Wie disruptive Technologien
Einzug in Konzerne halten
ERFOLGSKURS In nur zwölf Monaten wurde das Jungunternehmen courseticket der
führende Online-Marktplatz für Aus- und Weiterbildung mit mehr als 2.700 verschiedenen Anbietern und 16.000 Kursangeboten in Österreich. Der Sprung in die
Unternehmen war der logische nächste Schritt.
P
lattformen, die dem Prinzip
des offenen Markplatzes folgen, sind aus dem Internet
heute nicht mehr wegzudenken – ob Amazon, Alibaba,
Airbnb, Uber oder Booking.com. Sie
folgen alle dem gleichen Grundprinzip:
gleichzeitig Vertriebsprozesse für tausende Anbieter zu optimieren und neue Vertriebsmöglichkeiten zu eröffnen.
direkt aus der Bildungsbranche stammten, gestellt wurden, erklärt Alexander
Schmid, Geschäftsführer der courseticket
GmbH: „Unser Ziel war es, eine Technologie zu schaffen, die die wichtigsten Prozesse für alle am Marktplatz beteiligten
Mandanten – sowohl Anbietern als auch
für uns als Marktplatz-Betreiber – so weit
als möglich zu automatisieren. Jeder Anbieter kann über unsere Plattform Event-
menarbeit mit Unternehmen aus Wirtschaft und Industrie, wie beispielsweise
Festo, TÜV Academy oder HPS, haben
sich für uns neue Einsatzmöglichkeiten
eröffnet. Mittels der von uns entwickelten
cloud-basierten „Software-as-a-Service“Lösung kann schnell und effizient eine
eigenständige Plattform für interne Mitarbeiterschulungen, aber auch für externe
Kundenevents geschaffen werden.“ Das
Multi-Mandantenfähige System überlässt dem Betreiber, wie jeder einzelne
Mandant abgerechnet wird. Als Beispiel
kann eine buchhalterische Trennung nach
Abteilungen, geografisch verteilten Akademien oder zentralisiert erfolgen. Warum eine Trennung der partizipierenden
Mandanten Sinn macht: „Dieser Ansatz
ist nicht nur nachhaltig – er bietet totale
Flexibilität.“
Die Vision des Wiener Jungunternehmens courseticket war es, das „Amazon
für Aus- und Weiterbildung“ zu schaffen. – Mit diesem Ansatz wurde das Team
unter anderem durch die WKO mit dem
„Staatspreis für e-Business & Multimedia
2015“ und als „Born Global Champion
2015“ geehrt. Warum plötzlich vermehrt
Anfragen von Unternehmen, die nicht
INFORMATION
Unternehmen & Lösungen:
www.marketplace-as-a-service.com
(bzw. http://info.courseticket.com)
Aus- und Weiterbildungsmarktplatz:
www.courseticket.com
8 iv-positionen | Juli/August 2015
und Teilnehmermanagement, Ticketing
und Bezahlprozesse sowie Abrechnung
und Buchhaltung mittels weniger Klicks
administrieren.“ Auf dem im März 2014
ins Leben gerufenen Online-Marktplatz
können Erste-Hilfe-Kurse des Roten
Kreuzes wie auch Management-Kurse des
Hernstein-Instituts gebucht werden.
Internes Weiterbildungsmanagement
und Multi-Mandanten
Internes Weiterbildungsmanagement ist
in Unternehmen oft stark mit dem Personalwesen verknüpft und bestehende
Personalapplikationen verfolgen oftmals
eine andere Strategie. Dazu Alexander
Schmid: „Durch die konstruktive Zusam-
Nach einem äußerst erfolgreichen Jahr
am österreichischen Markt und einer
kürzlich abgeschlossenen Finanzierungsrunde mit einigen namhaften Investoren
wird courseticket noch 2015 in den deutschen Markt eintreten und den Vertrieb
weiter ausbauen. Das Investment und diverse internationale Erfolge trösten nicht
über die Tatsache hinweg, dass es immer
wieder schwierig ist, alteingesessene Unternehmensstrukturen
aufzubrechen.
„Oftmals ist es hart, sich als Startup gegen
große, etablierte Konkurrenten durchzusetzen. Diese profitieren von Markenbekanntheit und Netzwerk. Jungunternehmen müssen sich hingegen erst beweisen,
können dafür aber über Agilität und Pricing punkten. Disruptiven Technologien
sollte man jedenfalls eine Chance geben,
solange Kosteneinsparungen und Optimierungspotenziale gegeben sind“, so
Schmid.
Foto: courseticket
Neue Herausforderungen
Junge Industrie
Angst als
schlechter Ratgeber
Das Gemeinschaftsprojekt EU erlebt eine Belastungsprobe nach der anderen. Derzeit wird über den
Charakter einer EU der Zukunft entschieden.
wo sich eine Wahl an die nächste reiht, ohnehin
da in Brüssel“ nicht alles wieder verboten hätten.
schon gewohnt.
Österreich gestaltet mit in der EU, das müssen wir
aber auch im Inland erklären.
Sowohl in Österreich als auch in Europa besteht
Die Stimmung in Europa ist schlecht, eigentlich
offenbar die Gefahr, vor lauter Herausforderungen
In der EU gilt dasselbe: Weniger Beschäftigung mit
überall. Populistische Parteien, sowohl von rechts als
den Blick auf das große Ganze zu verlieren. So
nationalen Befindlichkeiten und ein stärkerer Fokus
auch von links, sind auf dem Vormarsch – in Ungarn
kann Österreich einmal kein Dasein im Sinne einer
auf die großen Fragen wären wichtig. Denn in der
soll sogar ein Grenzzaun gebaut werden – und das
isolierten Insel mehr führen. Wir stehen im interna-
Welt ist eine starke EU der einzige Garant dafür,
im Europa des 21. Jahrhunderts. Hinzu kommen die
tionalen Wettbewerb: Wenn wir unsere staatlichen
dass auch die einzelnen Mitgliedstaaten international
Schuldenkrise, Grexit oder gar der Brexit? Selten
Institutionen sowie Rahmenbedingungen nicht an
weiter eine Rolle spielen können. In Zeiten wie diesen
schien die Zukunft der EU so unsicher wie derzeit.
die Anforderungen der Zeit adaptieren, werden
sind Angst und Emotionen schlechte Ratgeber.
Wie und ob erfolgreich auf die aktuellen Herausfor-
wir weiter im internationalen Standortwettbewerb
Vielleicht bringt die politische Sommerpause ja
derungen reagiert werden kann, werden Charakter
absteigen. Schon klar, Reformen sind nie beliebt,
Abkühlung für einen produktiven Herbst.
und politische Ausrichtung der EU wesentlich prägen.
die Menschen haben immer Angst, dass man
ihnen etwas „wegnimmt“ – obwohl es ja ohnehin
Umso bedauerlicher zu sehen, dass auch in
ihr (Steuer)Geld ist, das in ineffizienten Strukturen
Österreich derzeit der Blick vor allem nach innen
verbrannt wird.
Herzlichst Eure
gerichtet ist. Zumal auch innenpolitisch hierzulande
sachliche Politik kaum eine Rolle spielt. Populismus
Außerdem können wir die wirklich großen Fragen,
und das Spiel mit der Angst dominieren auch
Beispiel Klimapolitik, alleine gar nicht lösen. Insofern
hierzulande. Schuld daran ist keineswegs nur eine
sollte sich die heimische Politik eben auch bei euro-
Partei, dies gehört längst bei allen zum ganz norma-
päischen Themen dringend in Sachlichkeit üben. Es
len Wahlkampfrepertoire. Und die österreichische
ist schwer, den Menschen Maßnahmen aus Brüssel
Therese Niss,
Nabelschau sind wir gerade in Jahren wie 2015,
zu erklären, wenn sie tagtäglich nur hören, was „die
Bundesvorsitzende der Jungen Industrie
JI-Delegation bei EXPO in Mailand
REISE Organisiert von der Jungen Industrie NÖ/Bgld., reisten rund 25 JI-Mitglieder aus ganz Österreich zur Weltausstellung EXPO in die italienische Industrie- und Modemetropole Mailand.
N
Fotos: JI, JI-NÖ
eben einer Betriebsbesichtigung beim Mischkonzern CANNON stand auch ein Treffen
mit dem Schwesternverband Confindustria sowie dem stellvertretenden Wirtschaftsdelegierten auf dem Programm.
Besonders beeindruckt zeigten sich die
Teilnehmer von den unterschiedlichsten
Pavillons auf dem EXPO-Gelände.
Die JI-Delegation beim Erkunden der Pavillons auf
der EXPO
Themen wie gefährdete Biodiversität,
Wasserknappheit, Fehlernährung und vor
allem die Frage, wie man eine steigende
Weltbevölkerung in Zukunft besser ernähren könnte, ziehen sich durch die gesamte Schau unter dem Motto „Feeding
the Planet, Energy for Life“. Fast jedes
Land zeigt seine spezifischen Lösungsversuche auf beeindruckende Art und Weise. Der österreichische Beitrag setzt mit
seinem Biosystem und dem Schwerpunkt
„Wald und Luft“ auf eine außergewöhnliche, gut gestaltete, authentische und
sehr komplexe Lösung.
Juli/August 2015 | iv-positionen
9
Kommentar von außen
Über den
idealen Politiker.
Man wird ja noch
träumen dürfen.
Nicht der Mangel an Ideen, den Wohlfahrtsstaat in
einer Aktion „Vorwärtsverteidigung“ zu sichern, ist
heute das Problem. Vielmehr fehlt es an Leuten, die
fähig sind, diese Ideen umzusetzen.
sen sich beschleunigenden Wandel reagieren, ist
Leute mit dem Häuptlings-Gen in Österreich an der
erhoben. Sie nehmen ihn an. Dabei paaren sie
Spitze? Oder werden diese Plätze nicht von Leuten
ausreichende Stabilität mit hoher Dynamik. Und
verstellt, die ganz anders sozialisiert worden sind, die
vermittelt wird diese Balance zwischen Heute und
also nicht fähig sind für diese Aufgaben?
Morgen durch Leute an der Spitze, die es schaffen,
Nur wer sich eine Hornhaut anerzogen hat, kann
Probleme zu benennen, aber zugleich Zuversicht zu
Was zeichnet einen guten und verantwortungsvollen
übersehen, wie gerade Eckpfeiler des österreichi-
vermitteln. Zuversicht ist alles.
Politiker sonst noch aus? Muss er es darauf anle-
schen Selbstbewusstseins ins Wanken geraten.
gen, das regelmäßig erscheinende Sympathie- und
Wir sind nicht mehr das Land mit der geringsten
Nicht anders sollte es an der politischen Spitze sein.
Vertrauens-Ranking zu dominieren? Muss er dazu
Arbeitslosenrate. Wir fallen in den Rankings zurück.
Die Eigenschaften, über die ein politischer Handels-
als Amtsträger hunderte Kinderwangen tätscheln,
Wir klagen über hohe politische Verdrossenheit. Die
reisender verfügen muss, werden am besten im
jede größere Menschenansammlung suchen, muss
Politik dreht sich um sich selbst. „Arbeit schaffen“,
Englischen unter dem Begriff „Leadership“ zusam-
er sich verbiegen und abstrampeln, oder läuft es
„Die Eigenschaften des ,aktiven Führens‘ unter Wettbewerbsbedingungen
müssen erworben worden sein. In einem
geschlossenen und geschützten System,
dem der Großteil der österreichischen
Politiker entspringt, wird das wohl
schwer möglich sein.“
Gerald Mandlbauer, Chefredakteur „OÖ Nachrichten“
nicht auf etwas Elementares hinaus: richtige Entscheidungen im Sinne einer höheren Verantwortung
zu treffen. Jedenfalls kann es nicht der politische
Endzweck sein, im Sympathieranking die erste Stelle
zu belegen. Ansonsten könnten wir gleich Kanzler
und Minister, Landeshauptleute und Bürgermeister
durch Hansi Hinterseers, Andreas Gabaliers und
Conchita Wursts ersetzen. Beliebtheit darf politisch
nicht alles bedeuten.
Und wer über einen solchen Popularitäts-Bonus
mengefasst: Es geht um Wille, um Tatkraft, um na-
effektive Politik umsetzen. Dazu braucht es Typen,
ganzen Gesellschaft gewesen. „Doch das ist heute
türliche Autorität. Die Österreicher wollen von Leuten
die bereit sind, sich aus dem klassischen Modus zu
nicht mehr so“, sagt der Linzer Konfliktforscher Hel-
geführt werden, denen sie diese Entschlossenheit
lösen, der da bedeutet: Grüßaugust sein, Kinder ko-
mutz Retzl. Mit anderen Worten: Wir neigen dazu,
zutrauen. Führung bedeutet auch, in Mimik, Gestik
sen, Rentner beruhigen, Geld verteilen, niemandem
bequem zu werden, weil es uns gut geht – und
und Wortwahl zum Ausdruck zu bringen, dass hier
weh tun und ein Amt für viele Perioden besetzen.
dieses Zurücklehnenwollen ist zutiefst menschlich.
nicht Zauderer und mausgraue Verwalter an den
Ja, noch deutlicher. Dauerhafte Beliebtheit sollte
Zugleich und paradox spüren wir jedoch die Angst
Hebeln sitzen. Diese Eigenschaften des „aktiven
Politiker verdächtig machen. Ihr Sympathie-Bonus
davor, das Erreichte verlieren zu können.
Führens“ unter Wettbewerbsbedingungen müssen
könnte mit Steuergeld erkauft sein oder durch
zuvor irgendwo erworben worden sein. In einem
Verzicht auf das Unpopuläre. Wenn also Politiker
Davon bedroht ist der wesentlichste gesellschaftliche
geschlossenen und geschützten System, dem der
in voller Blüte ihrer Popularität in Pension gehen,
Treibsatz: die Zuversicht. Ohne sie keine Kinder,
Großteil der österreichischen Politiker entspringt,
dann könnte das nicht weniger bedeuten als: Da hat
keine Gründer und Erfinder, keine Entdecker und
wird das wohl schwer möglich sein. Es geht also
einer im Sinne einer höheren Verantwortung einiges
Pioniere. Wie erfolgreiche Unternehmen auf die-
um nichts weniger als um die Kernfrage: Sitzen die
verkehrt gemacht.
10 iv-positionen | Juli/August 2015
Fotos: istockphoto.com/konradlew, OÖ Nachrichten
verfügt, muss diesen irgendwann einlösen und in
das ist jahrzehntelang die oberste Priorität der
5 Fragen
Porträt
1
Warum engagieren Sie sich als Bundesvorstandsmitglied in der Industriellenvereinigung?
Als Vorstandsvorsitzender einer der führenden Kommerz- und Investmentbanken
in Österreich, liegen mir der Standort und
die Wirtschaftsdynamik dieses Landes
schon aus Eigeninteresse am Herzen. Abgesehen davon halte ich es als Bürger für
wichtig, sich für den politischen Fortschritt
einzusetzen.
2
Foto: RBI AG
Was sind die drei wichtigsten standortpolitischen Herausforderungen für das Industrieland Österreich?
Erstens, die Schaffung eines wirtschaftsfreundlichen Klimas – Industrie, Banken
und Unternehmer insgesamt dürfen nicht
als die Parias der Gesellschaft gesehen
werden. Trotz einer Abgabenquote von
beinahe 50 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind Maßnahmen in Diskussion
oder bereits in Umsetzung, die den Wirtschaftsstandort Österreich und den Kapitalmarkt weiter schwächen. Dieses Umfeld
zeigt bereits Auswirkungen: Der Großteil
der in Österreich getätigten Investitionen
geht heute in den Ersatz von Industriegütern oder in Rationalisierungsprojekte.
Zweitens, die Wettbewerbsfähigkeit des
Landes muss durch eine vernünftige Steuer- und Abgabenpolitik, durch eine vorausschauende Bildungspolitik und durch eine
grundlegende Reform unserer Verwaltung
Dr. Karl Sevelda
an
Vorstandsvorsitzender der RBI AG
erhalten bleiben. Erweiterungsinvestitionen durch österreichische Unternehmen
finden heute größtenteils im Ausland statt
und machen hierzulande nur noch einen
Bruchteil des Gesamtinvestitionsvolumens
aus. Dass in Österreich die Arbeitskosten
zwischen 2008 und 2013 dreimal so stark
gestiegen sind wie im Rest der Eurozone
und doppelt so stark wie in Deutschland
im selben Zeitraum, hat ebenfalls zu einer
Verschärfung des Problems geführt.
Drittens, das Entwickeln einer Vision für
das Land: Wodurch soll Österreich in zehn
Jahren herausstechen können, nämlich sowohl innerhalb der europäischen Familie
als auch durch die global tätigen Leitbetriebe am Weltmarkt?
3
Was macht Ihr Unternehmen erfolgreich?
Kundennähe und Internationalität:
Die Raiffeisen Bank International
ist Österreichs „internationalste“ Bank,
über das Bankennetzwerk in Zentral- und
Osteuropa betreut die RBI mehr als 14
Millionen Kunden. Gleichzeitig sind wir in
allen Segmenten und Märkten für unsere
Kundenorientierung bekannt, dieser Servicegedanke macht uns erfolgreich.
4
Wie sehen Sie die Zukunft der österreichischen Industrie und der mit ihr verbundenen Sektoren?
Herausfordernd, aber mit Potenzial. Ich
sehe mit viel lokalem Know-how und gut
ausgebildetem Personal die Chance, weiter in einzelnen Märkten und Nischen
global erfolgreich zu bleiben und in neue
Bereiche vorzustoßen!
5
Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?
Ich glaube, ich bin ein geselliger
Mensch, d.h. ich bin gerne mit
Freunden und der Familie beisammen,
ich interessiere mich für Politik und die
Probleme des Alltags. Abschalten kann
ich am besten, indem ich klassische Musik und Opern höre. Außerdem bin ich
gerne draußen in der Natur – entweder
wandernd oder im Winter Schi fahrend.
Aber ehrlich gestanden: Viel Freizeit
bleibt mir seit dem 7. Juni 2013, als ich
die Funktion des CEO von Herbert Stepic übernommen habe, nicht …
FACTBOX
Dr. Karl Sevelda ist seit 7. Juni 2013
Vorstandsvorsitzender der RBI AG,
einer der führenden Bankengruppen in Österreich und Zentral- und
Osteuropa. Davor war er Mitglied
des Vorstandes, zuständig für das
Firmenkundengeschäft, und stellv.
Vorsitzender des Vorstandes.
www.rbinternational.com
Juli/August 2015 | iv-positionen
11
Arbeitswelt
Top-Sharing: Gemeinsam
an der Spitze!?
VERANSTALTUNG In den vergangenen Jahren gewann „Top-Sharing“ – ein Begriff,
der Jobsharing in Führungspositionen beschreibt – in der Arbeitswelt zunehmend
an Bekanntheit. Bei einer Veranstaltung im Haus der Industrie am 1. Juni 2015
wurde das partnerschaftliche Führungsmodell umfassend beleuchtet.
V.l.n.r.: Anna Helmy (IV), Anna Mertinz
(Rechtsanwältin), Helga Posch-Lindpaintner (GF Shell Austria), Bernhard
Einsiedler (Seniorberater gfp), Manuela
Vollmann (GF abz*austria)
INFORMATION
Julia Enzelsberger
[email protected]
Alexandra Schöngrundner
[email protected]
12 iv-positionen | Juli/August 2015
zwei Personen in Teilzeit, etwa einer
Person in Altersteilzeit und einer in Elternteilzeit, gemeinsam wahrgenommen
werden. Das Teilen von Verantwortung
ermöglicht es dabei, einerseits älteren
Führungskräften ihre über Jahre gesammelten Erfahrungen weiter gezielt
einzubringen und andererseits auch jüngeren Personen, häufig hochqualifizierten
Müttern und Vätern, familiäre Betreuungspflichten mit beruflichen Herausforderungen optimal zu verbinden.
Praxiserfahrungen
Es gibt bereits einige Unternehmen in Österreich, die das Top-Sharing als Arbeitsorganisationsmodell anwenden und ihre
Erfahrungen im Zuge der Veranstaltung
dem Publikum präsentiert haben. Helga
Posch-Lindpaintner, Geschäftsführerin
Shell Austria GmbH und HR-Manager
Austria & Switzerland: „Die sich verändernde Gesellschaft fordert unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer
mehr und auf immer mehr Gebieten. Das
Schlagwort der Work-Life-Balance gewinnt als Enabler für Leistungsfähigkeit
und Leistungsbereitschaft dabei stetig an
Bedeutung. Unternehmen können darauf
mit Flexibilität und Offenheit für neue
Arbeitsmodelle reagieren. Top-Sharing
erschließt bei sorgfältiger und durchdachter Anwendung völlig neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und kann für
alle Beteiligten sehr bereichernd sein.“
Neben arbeitsorganisatorischen Aspekten wurden an diesem Abend auch
die rechtlichen Rahmenbedingungen
nicht außer Acht gelassen. Anna Mertinz, Rechtsanwältin bei KWR Rechtsanwälte GmbH, ist überzeugt, dass die
Frage, ob Top-Sharing funktioniert oder
nicht, primär eine Frage der Unternehmenskultur und der Einstellung der Beteiligten ist: „Spezielle gesetzliche Regelungen gibt es in Österreich nicht. Es
sind vielmehr je nach Vertragsgestaltung
die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Top-Sharing-Modelle
sind meist als Teilzeitarbeitsverhältnisse
ausgestaltet, aber auch Gruppenarbeitsverträge sind denkbar.“
Fazit
Alle Expertinnen und Experten waren
sich bei der Veranstaltung einig, dass
die Aufteilung der Kompetenzen der
Top-Sharing-Partner sowie die zeitliche
und räumliche Aufteilung und die Kommunikationsregeln wesentlich sind, damit
Top-Sharing erfolgreich gelingen kann.
Foto: IV
V
or dem Hintergrund des
demografischen Wandels,
der modernen Arbeitswelt, des Fachkräftemangels und der Anhebung
des Pensionsantrittsalters entwickeln sich
neue Arbeitsorganisationsmodelle wie
etwa das Top-Sharing. Top-Sharing kann
als eine Möglichkeit gesehen werden, um
die Potenziale jüngerer, aber auch älterer
Arbeitskräfte bestmöglich zu nutzen und
eine lebensphasenorientierte Arbeitswelt
zu gestalten. Bei einem Top-Sharing-Modell kann zum Beispiel eine Position von
Interview
Im Gespräch mit Nikola Gruevski,
Premierminister von Mazedonien
REFORMWILLE Mit einer Vielzahl an Reformen, dem Fokus auf den Bildungsbereich
und einer kaum vergleichbaren, unternehmerfreundlichen Politik, gelang es Premierminister Nikola Gruevski, die Wirtschaft in Mazedonien zum Blühen zu bringen.
Foto: IV
Wie schätzen Sie die aktuelle wirtschaftliche
Lage in Mazedonien ein und was erwarten Sie
für die Zukunft?
Laut Einschätzung der Europäischen
Kommission wird Mazedonien heuer
und nächstes Jahr mit 3,8 bzw. 3,9 Prozent europaweit das höchste Wirtschaftswachstum aufweisen. Wir sind äußerst
vorsichtig, was die Staatsverschuldung betrifft. Mit einer Staatsschuldenquote von
36 Prozent des BIP sind wir in einer sehr
guten Position – einer der besten in ganz
Europa. Der Export steigt kontinuierlich,
in den vergangenen zwei Jahren um 15-20
Prozent monatlich, und das alles gibt uns
gute Hoffnung für die Zukunft.
Was sind die wichtigsten wirtschaftlichen Reformen, die Ihre Regierung vorgenommen hat,
und was planen Sie für die Zukunft?
In den vergangenen Jahren haben wir
eine Vielzahl an Reformen durchgeführt. 2006 lag Mazedonien im „Doing
Business Report“ der Weltbank noch auf
Platz 94, heute bereits auf Platz 30. Diese
Entwicklung verdanken wir einer Vielzahl an Reformen in unterschiedlichen
Bereichen. Zu den wichtigsten zählt der
Bürokratieabbau, den wir unter anderem in Zusammenarbeit mit über 300
Unternehmen und der Handelskammer
vornehmen. Dadurch ist es um ein Vielfaches einfacher, in Mazedonien unternehmerisch tätig zu sein. Europaweit sind
wir das Land mit den niedrigsten Kosten
für Geschäftstätigkeiten, beispielsweise
betreffend Steuern, Energie-, Logistikkosten etc. In Mazedonien betragen sowohl die Einkommensteuer als auch die
Ertragsteuer nur zehn Prozent. Firmen,
die ihren Ertrag reinvestieren, zahlen
keine Ertragsteuern, und Firmen, die in
der Freihandelszone investieren, sind auf
zehn Jahre steuerbefreit und genießen
auch über diesen Zeitraum hinaus viele
Privilegien (z.B. bei Zoll und Rohmate-
rialkosten). Zusätzlich konzentrieren wir
uns auch stark auf den Bildungsbereich.
Mit 6,5 Prozent des BIP investieren wir
mehr als der EU-weite Durchschnitt in
Bildung. Es ist wichtig, dass Firmen, die
in Mazedonien investieren, vor Ort auch
hochqualifizierte Arbeitskräfte vorfinden.
Investoren zu gewinnen, ist eine der Prioritäten
Ihrer Regierung. Welche sind Ihrer Meinung nach
die wichtigsten Maßnahmen in diesem Zusammenhang?
Wir bieten den Unternehmen viele
Spezialkonditionen an. Innerhalb der
Freihandelszone genießen sie neben
Türkei und der Ukraine, vergrößert sich
auch der Markt.
Mazedonien ist EU-Beitrittskandidat, aber die
Beitrittsverhandlungen haben noch nicht begonnen. Welche Entwicklungen erwarten Sie diesbezüglich in den kommenden Jahren?
Mazedonien ist politisch klar darauf
ausgerichtet, EU-Mitglied zu sein. 2008
haben wir alle Kriterien erfüllt, um NATO-Mitglied zu werden und 2009 empfahl
die Europäische Kommission, Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien aufzunehmen. Aufgrund des politischen Konfliktes mit unserem südlichen Nachbarn
Premierminister Nikola Gruevski (li.) mit IV-Präsidenten Georg Kapsch
Steuerbefreiung auch eine staatliche Kostenbeteiligung beim Bau von Fabriken,
bei der Ausbildung von Fachkräften
und sie bezahlen nur symbolische Mietpreise. Die Infrastruktur ist vollständig
entwickelt, weshalb auch hier keine
weiteren Kosten entstehen. Außerhalb
der Freihandelszone bieten wir Staatshilfe-Pakete, welche auch im Einklang
mit den Vorschriften der Europäischen
Kommission stehen. Aber im Gegensatz
zu den EU-Mitgliedstaaten sind wir bei
Steuern flexibler. Durch Freihandelsabkommen mit unter anderem der EU und
südosteuropäischen Staaten, wie der
bezüglich unseres Namens wurden diese
verschoben, da Griechenland blockiert.
Dennoch warten wir nicht ab, sondern
arbeiten weiter an Reformen und auch
daran, eine Lösung mit Griechenland zu
finden. Unglücklicherweise befindet sich
Griechenland seit mehreren Jahren in einer sehr tiefen Wirtschaftskrise, wodurch
sie nicht so auf dieses Thema fokussiert
sind. Wenn sie wieder Zeit dafür finden,
werden Gespräche stattfinden, um das
Problem zu lösen. Die Verhandlungen mit
der Europäischen Kommission und auch
mit dem österreichischen Kommissar
Hahn laufen sehr gut.
Juli/August 2015 | iv-positionen
13
Drei Industrieunternehmen sind
unter den Gewinnern.
Industrieunternehmen leben ihre
gesellschaftliche Verantwortung
TRIGOS Österreichs renommierteste Auszeichnung für verantwortungsvolles
Wirtschaften, der TRIGOS, wurde zum zwölften Mal vergeben.
Gewinnern finden sich viele Industriebetriebe. Mit dem TRIGOS werden Unternehmen gewürdigt, die sich kontinuierlich und auf innovative Art und Weise
mit ihren Auswirkungen auf Umwelt
und Gesellschaft auseinandersetzen und
Verantwortung in ihrem Kerngeschäft
verankern.
Die IV gratuliert den Gewinnern sowie den Nominierten des TRIGOS sehr
herzlich, allen voran den IV-Mitgliedunternehmen Rhomberg Bau für den
TRIGOS in der Kategorie „Ganzheitliches CSR-Engagement“, der OMV
Aktiengesellschaft sowie der Allianz
Gleich zweimal prämiert
wurden David Ungar-Klein
und Daniela Haraszti
(Mitte) beim Staatspreis
Marketing. Die Auszeichnungen übergaben
UBIT-Obmann Alfred Harl
(links) sowie Staatssekretär Harald Mahrer (rechts).
„com.sult“ erhält Staatspreis Marketing
Der Geschäftsführer von Create Connections konnte sich nicht nur über den
Staatspreis Marketing in der Kategorie Kleinunternehmen freuen, sondern bekam auch den Sonderpreis der Jury für Marketing-Leistungen für den Standort
Österreich verliehen. Die Initiative sei über die Grenzen hinaus aktiv und habe
Österreich bzw. Wien als „den Standort“ für Wirtschafts- und Politikkongresse
gefestigt, so die Jury-Begründung. Der „Wiener Kongress com.sult“, an
dem hochkarätige Gäste wie Mohamed ElBaradei, Vaclav Klaus und Victor
Yushchenko teilnahmen, fand zuletzt im Jänner im Haus der Industrie statt.
14 iv-positionen | Juli/August 2015
Elementar Versicherungen AG für den
TRIGOS in der Kategorie „Beste Partnerschaft“. Der TRIGOS wurde im Jahr
2003 gemeinsam von Vertreterinnen
und Vertretern der Wirtschaft und der
Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Als
Träger fungieren 2015 die Caritas, das
Österreichische Rote Kreuz, der Umweltdachverband, die Diakonie Österreich, die Industriellenvereinigung, die
Wirtschaftskammer Österreich, Business
Data Consulting Group, Global 2000 sowie respACT – austrian business council
for sustainable development.
Weitere Informationen: www.trigos.at
Sportprojekte als Wirtschaftsfaktor
Gestartet wird in Moskau, danach führt das Rennen entlang der legendären
Transsibirischen Eisenbahn in das 9.200 km entfernte Wladiwostok. Die Athleten, allesamt aus dem Marathon- und Ultra-Distanz-Bereich, durchqueren dabei
sieben Zeit- und vier Klimazonen. Unterstützt von Hauptsponsor Red Bull wird
das Projekt weltweit vermarktet. Sport-Großprojekte dieser Art sind nicht nur
eine organisatorische Herausforderung, sondern stellen auch einen bedeutenden
Wirtschaftsfaktor dar. Sie schaffen Geldflüsse zwischen Unternehmen und Medien, Arbeitsplätze und eine enorme Wertschöpfung für die Volkswirtschaft.
Red Bull Trans-Siberian Extreme
Fotos: Richard Tanzer, Bruck Consult, Create Connections
M
it rund 190 Einreichungen
verzeichnete der TRIGOS
2015 einen neuen
Einreichrekord und
setzt in seinem zwölften Jahr seinen erfolgreichen Weg fort. Am 2. Juni wurde
der begehrte Preis bei einer feierlichen
Gala an der WU Wien vor rund 600 Gästen an die Gewinner aus 28 bundesweit
nominierten Unternehmen überreicht.
Sowohl unter den Nominierten aus fünf
Kategorien (Ganzheitliches CSR-Engagement Groß-, Mittel- und Klein-Unternehmen, Beste Partnerschaft, Social
Entrepreneurship) wie auch unter den
Investitionsklima
„Schnelles Internet ist vielleicht
das wichtigste Infrastrukturprojekt“
INTERVIEW Mit Investitionen in Infrastruktur, Bildungs- und Justizreformen will
es Kasachstan im „Global Competitiveness Report“ unter die Top 30 schaffen.
Yerlan Sagadiyev, Vize-Minister für Investitionen und Entwicklung, ist zuversichtlich, dass das gelingen kann.
Foto: IV
Wie bewerten Sie die aktuelle wirtschaftliche
Situation in Kasachstan. Welche Entwicklungen
erwarten Sie für die nahe Zukunft?
Die aktuelle Lage ist durchaus zufriedenstellend. Befürchtungen hinsichtlich der
komplexen Situation mit Russland oder
des fallenden Ölpreises sind nun vorüber
und werden von einem deutlichen Gefühl
der Stabilität abgelöst. Die Voraussetzungen sind daher sehr gut. Wir müssen
unser Reformtempo weiter erhöhen, um
ein gutes Investitionsklima zu gewährleisten – das gilt unter anderem etwa im
Hinblick auf die Infrastruktur und das
Angebot an qualifizierten Fachkräften.
Was Letzteres betrifft, so stellen wir in der
schulischen Oberstufe sowie der universitären Weiterbildung die Unterrichtssprache auf Englisch um, was uns hinsichtlich
der Wettbewerbsfähigkeit unserer Arbeitskräfte sicher gut positionieren wird.
Wie sehen die wirtschaftspolitischen Pläne der
neu gewählten kasachischen Regierung aus?
Wir haben in den vergangenen 18 Monaten schon viel erreicht. Im „Global
Competitiveness Report“ waren wir
letztes Jahr noch auf Platz 50. In den
nächsten zwei bis drei Jahren hoffen
wir, unter die Top 30 zu kommen. Einige
entscheidende Gesetze, die Kasachstan
für ausländische Investoren attraktiv
machen sollen, wurden verabschiedet,
staatliche Unternehmen privatisiert, die
Visafreiheit deutlich ausgeweitet. Im
Rahmen unserer „100 steps“-Initiative
setzen wir noch substanziellere Reformschritte, welche die Effizienz der staatlichen Verwaltung sowie den Privatsektor
stärken werden. Wir möchten auch einen unabhängigen internationalen Gerichtshof mit bis zu 500 ausländischen
Richtern im Finanzzentrum Astana
etablieren, der absolute Transparenz
und volle Rechtssicherheit bei jeglichen
wirtschaftlichen Abläufen gewährleisten soll.
Welche sind die derzeit und auch kommenden
wichtigsten Infrastrukturprojekte in Kasachstan?
Wir investieren mehr als 20 Mrd. Dollar
in Infrastruktur, verteilt über fünf Jahre. Wir stützen uns dabei auf ein neues
Gesetz zur öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP), mit dem wir bestimmte
Infrastrukturprojekte realisieren – etwa
eine 75 Kilometer lange Straße rund um
die Stadt Almaty. Ein sehr wichtiges Projekt, das ich erwähnen möchte, ist vor
allem der Ausbau beim so genannten
„High-Speed-Internet“, das sämtliche
Orte und Dörfer mit mehr als 250 Einwohnern – und insbesondere alle Schulen im ländlichen Bereich – miteinander
verbinden soll. Schnelles Internet ist vielleicht das wichtigste Infrastrukturprojekt.
Kasachstan steht in Verhandlungen bezüglich
eines Beitritts zur World Trade Organization
(WTO). Wann werden diese voraussichtlich abgeschlossen sein?
Sicherlich noch vor Jahresende. So gut
wie alle Abkommen sind bereits unterschrieben. Es fehlen nur noch ein oder
zwei Länder.
Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAEU) ist mit
Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Welchen
wirtschaftlichen Effekt erwarten Sie sich von der
Mitgliedschaft für Kasachstan?
Es ist natürlich ein riesiger Markt. Daher
werden wir hart arbeiten müssen, um uns
hinsichtlich Wettbewerbsfähigkeit behaupten zu können. Wenn wir das aber
schaffen, dann können wir natürlich von
sämtlichen Vorteilen dieses Marktes profitieren. Innerhalb der EAEU konkurrieren die Länder vor allem beim Investitionsklima. Infrastruktur, Rechtssicherheit,
Bildung und Ausbildung sind daher einige der entscheidenden Kernthemen, bei
denen Kasachstan punkten muss – denn
dann werden die positiven Auswirkungen
enorm sein.
IV-Vizepräsident Hubert Bertsch begrüßt Vize-Minister Yerlan Sagadiyev im Haus der Industrie.
Juli/August 2015 | iv-positionen
15
Spezialisierungsphase
Von der Sekundarstufe II zur
„Spezialisierungsphase“
BESTE BILDUNG Nach ihren Reformkonzepten für die frühkindliche Bildung und
die „neue Schule“ legt die Industriellenvereinigung im Rahmen ihrer „Beste
Bildung“-Strategie auch ein Reformpaket für die Sekundarstufe II vor: Sie soll
zu einer „Spezialisierungsphase“ weiterentwickelt werden.
Defizite der Sekundarstufe II
Die Problemzonen auf einen Blick:
•
Die 9. Schulstufe bringt für viele
Jugendliche, insbesondere für angehende Lehrlinge, einen institutionellen und biografischen Bruch.
•
Lehrlinge, die zur Erfüllung der
Schulpflicht für ein Jahr eine andere
Schule (BHS, BMS oder AHS) besuchen, stellen für diese Schulen eine
Belastung dar. Sie sind mitverantwortlich für die hohen Abbruchquoten der BMS, die nach einem Jahr bei
rund einem Drittel liegen.
•
Die Polytechnischen Schulen erfül-
•
•
•
len ihre Aufgaben (Berufsorientierung, Vorkompetenzen und Vorbereitung für ein Lehrverhältnis) in
höchst unterschiedlicher Qualität.
Die Unterschiede bei Kompetenzen
und Chancen der verschiedenen
Lehrberufe sind groß. Industrielehrlinge zeichnen sich durch hohes
Kompetenzniveau und gute Arbeitsmarktperspektiven aus.
Das Feld der BMS ist äußerst unübersichtlich: Manche BMS, wie Schulen für Sozialberufe und manche
technische Fachschule, haben eine
wichtige Funktion. Andere Schulen
sind Auffangbecken für nicht erfolgreiche Schülerinnen und Schüler.
BHS und AHS können ihr Potenzial
nicht voll ausschöpfen. Die Chance
auf einen erfolgreichen Übertritt in
diese Schulen ist für große Gruppen von Schülerinnen und Schüler
aufgrund früher Bildungsentscheidungen und mangelnder Durchlässigkeit deutlich geringer.
Durchlässigkeit und Qualität
machen den Unterschied
Vor diesem Hintergrund plädiert die
Industriellenvereinigung dafür, die Sekundarstufe II zur „Spezialisierungsphase“ weiterzuentwickeln. Das große
bildungspolitische Ziel dahinter: Alle
Jugendlichen sollen zwischen differenzierten, aber gleichwertigen, gegenseitig
durchlässigen und hochqualitativen Bildungswegen wählen können. Die IV-Spezialisierungsphase berücksichtigt den vorliegenden Reformbedarf und entwickelt
Erfolgsfaktoren weiter. Durch die weitergeführte Modularisierung von Bildungsangeboten soll „Durchfallen“ endgültig
abgeschafft werden: Nur tatsächlich ne-
Fotos: istockphoto.com/DrAfter123
D
ie Sekundarstufe II
ist eine bildungspolitische Schlüsselphase für den Standort:
Von den 462.100
Schülerinnen und Schülern des
Schuljahrs 2013/14 haben rund
80 Prozent den Weg der beruflichen Bildung gewählt –
der entweder vollschulisch
oder im Rahmen der dualen
Berufsausbildung erfolgt.
IV-Präsident Georg Kapsch:
„Der berufsbildende Teil der
Sekundarstufe II ist bereits
heute ein internationales
Vorzeigebeispiel des österreichischen Bildungssystems.
Wenngleich
der Reformbedarf im
Verhältnis zu anderen
Bildungsphasen geringer
ausgeprägt ist, besteht
doch
Handlungsbedarf.“
Den sieht die Industrie vor
allem in der 9. Schulstufe, den Polytechnischen Schulen und den BMS.
gativ abgeschlossene Leistungen müssen
verbessert werden. Neben der Qualitätssicherung wird auch den MINT-Kompetenzen ein hoher Stellenwert eingeräumt.
•
Foto: istockphoto.com/LL28
Reformagenda für
„Spezialisierungsphase“
Für jedes Bildungsangebot in der Spezialisierungsphase sieht das IV-Konzept konkrete Reformmaßnahmen vor.
•
Die AHS soll ihr Potenzial besser
nutzen, Absolventinnen und Absolventen mit starken analytischen und
breit anwendbaren Kompetenzen
auszubilden. Die Lehrpläne der
MINT-Fächer sollen praxisrelevanter
gestaltet werden. Es soll ein kombiniertes und verschränktes Angebot
von AHS und dualer Berufsausbildung (Matura mit Lehre) geben.
•
Die duale Ausbildung (Lehre) soll ihren Stellenwert als gleichberechtigte
und gleichwertige Berufsausbildung
zurückbekommen. Ein vollschulisches
Berufsschuljahr als strukturierte, abgestimmte und sinnvolle Eingangsphase integriert die polytechnische
Schule und ersetzt das „Absitzen“ des
letzten Pflichtschuljahres in anderen
Schultypen. Die Inhalte der Lehrabschlussprüfung sind mit den in den
Betrieben vermittelten Lehrinhalten
stärker abzustimmen. Die Anrechnung von Kompetenzen erleichtert
den Zugang zu Hochschulstudien.
•
Die BHS sollen als weltweit einzigartiges, hoch attraktives Bildungsangebot gezielt gestärkt werden.
Dafür fordert die IV mehr Kooperationen von BHS und Industrie
ein. Lehrinhalte und -strukturen
sollen besser abgestimmt werden.
Die Anerkennung von in der BHS
bewiesenen Kompetenzen und
Lernergebnissen an Hochschulen
soll ausgebaut werden.
Der BMS-Bereich soll evaluiert
und bereinigt werden. BMS, deren
Abschluss am Arbeitsmarkt keine
Chancen eröffnet bzw. keine Anschlussmöglichkeit für weiterführende Ausbildungen bietet, laufen
aus. Bei den Reformen der anderen
BMS stehen die stärkere praktische
Ausrichtung und die bessere Durchlässigkeit zu anderen Angeboten
(Lehre, BHS) im Mittelpunkt. Sie
sollen zudem einen eigenständigen,
zentralen und standardisierten
Abschluss als Ausgangspunkt für
die weitere Bildungskarriere bieten und den Zugang zu zumindest
einem reglementierten Beruf eröffnen. Der MINT-Unterricht an BMS
soll besonders praxisnahe gestaltet
werden. Damit soll es auch an diesen Schulen geben, was die IV für
das gesamte System einfordert: Beste Bildung, die fit für die Zukunft
macht.
INFORMATION
Viktor Fleischer
[email protected]
Web-Tipp:
www.iv-net.at/b3596
Juli/August 2015 | iv-positionen
17
Mythen & Fakten
Der griechische Opfermythos –
MYTHOS Die griechische Tragödie und die öffentliche Debatte darüber sind ein
Lehrbeispiel für die Entstehung von ökonomischen Mythen. All das wird auch
dem gelernten Österreicher nicht unbekannt vorkommen…
Griechenland im „Würgegriff
der Finanzmärkte“
Zuerst zum Sündenbock: Er ist die unbarmherzige kapitalistische Marktordnung und deren willige Gehilfen – die
Finanzmärkte. Mythos Nummer eins ist
schnell gefunden: Griechenland befindet
sich durch Wucherzinsen im „Würgegriff
der Finanzmärkte“. Übersehen wird dabei
gerne, dass Griechenland die Jahre nach
dem Eurobeitritt 2001 einen künstlichen
Zinsvorteil genossen und sich schnell an
INFORMATION
Clemens Wallner
[email protected]
„Zinsfalle“ Euro?
Langfristige nominelle Zinssätze (10-jährige Staatsanleihe)
Griechenland
Österreich
25
20
Euro-Bonus
billiges Geld
15
Quelle: AMECO, Eurostat
10
18 iv-positionen | Juli/August 2015
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
0
1992
5
das billige Geld gewöhnt hat. Denn der
griechische Normalzustand waren nicht
die Jahre des EZB-Geldsegens, sondern
die Jahre davor. 1992 lag die Rendite
10-jähriger griechischer Staatsanleihen
noch bei knapp 25 Prozent und Griechenland musste noch beinahe ein Viertel (24
Prozent) seines Budgets für die Bedienung der Zinslast aufwenden. Nach der
Euroeinführung waren es nur mehr vier
Prozent des BIP, während der Krise stieg
sie kurzfristig auf sieben Prozent.
Der zweite Mythos betrifft die Verwendung dieses „Euro-Bonus“. Es wird gerne das Bild einer Armutsfalle durch das
Einbrechen der privaten Konsumausgaben geprägt. Nicht erwähnt wird jedoch,
dass der Einbruch nur eine Reaktion auf
den übermäßigen Konsum auf Pump der
Vorkrisenjahre war. Auch hier ist der
griechische Normalzustand in den 1990erJahren und nicht den 2000er-Jahren zu suchen. Die inflationsbereinigten privaten
Konsumausgaben sind heute genau auf
dem Niveau wie vor dem Euro-Beitritt im
Jahr 2001.
Der Mythos der
„Binnennachfrage“
Der dritte Mythos ist der Glaube an die Binnennachfrage als Allheilmittel. Griechenland befindet sich
angeblich deswegen in einer
„Wachstumsfalle“, weil notwendige Investitionen ausbleiben.
Dabei ist Griechenland das
Paradebeispiel einer „Transferfalle“: Seit dem EG-Beitritt 1981 bis zur Krise hat
Griechenland 60 Milliarden
Euro aus EG- bzw. EU-Töpfen erhalten – zusätzlich zu
den bereits erwähnten niedrigen Realzinsen seit dem
Euro-Beitritt. Allein diese
Transfers machten fünf Pro-
Fotos: IV/Prantl, istockphoto.com/anzeletti
D
ie Mythenbildung passiert
folgendermaßen:
Zuerst
muss ein Sündenbock gefunden werden, der für die eigenen Versäumnisse geradesteht. Dann werden die eigene Not
und
Ohnmacht
„Die Transferfalle
zu
Tugenden
schlägt immer zu. Es ist
hochstilisiert und
nur eine Frage der Zeit.“ schließlich werden
utopische AllheilClemens Wallner,
mittel propagiert,
Wirtschaftspolitischer Koordinator
die
notwendige
Kraftanstrengungen geschickt
auf die lange Bank schieben.
E
RI
SE
Mythen
Fakten
– und die Lehren für Österreich
niedrigen Zinsen nicht als Zeitfenster für
Reformchancen, sondern als willkommenes Füllhorn, um sich an notwendigen
Strukturreformen vorbeizuschummeln.
Und drittens werden auch hierzulande
nicht mehr Ausgaben unser Gesundheits-, Pensions-, Verwaltungs- oder Bildungssystem retten, sondern bessere und
effizientere Ausgaben. Es ist beruhigend
zu wissen, dass jeder noch so kreative Mythos ein zentrales Naturgesetz nicht außer
Kraft setzen kann: Eine Volkswirtschaft
kann auf Dauer nur so viel konsumieren, wie sie auch produziert. Irgendwann
schlägt die Transferfalle zu – unbarmherzig. Und das ist angesichts der sinkenden
Investitionen in Österreich dann doch
wieder nicht so beruhigend.
„Wachstums- und Armutsfalle“ Euro?
(real, index 100=1992)
Privater Konsum Griechenland
Investitionen Griechenland
Privater Konsum Österreich
Investitionen Österreich
250
Euro-Bonus
billige Investitionen
200
Konsum auf Pump
Quelle: AMECO, Eurostat
150
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
50
1995
100
1994
Das Fazit: Nicht zu wenige, sondern
falsche „Wachstumsausgaben“ haben zur
heutigen Abkehr der Investoren geführt.
Nicht der Euro ist die „Wachstumsfalle“, sondern der Umgang
mit dem billigen Geld. Umso
kritischer ist daher die Hauptforderung der Tsipras-Regierung zu werten, dass
noch
mehr
Ausgaben und
mehr Nachfrage
Griechenland retten würden.
Wir dürfen nicht mit dem Finger nach
Griechenland zeigen, ohne vor der eigenen Haustüre zu kehren, denn erste Sirtaki-Klänge sind auch bei uns zu hören. Erstens: Das Schicksal einer „Transferfalle“
zeichnet sich auch bei uns ab. Drei Viertel
aller Steuern und Abgaben werden heute bereits als Transferausgaben umverteilt. Zwei Drittel aller wahlberechtigten
Einwohner sind Nettotransferbezieher
und die Stimmung gegen notwendige
Strukturreformen wird auch in Österreich immer bedrohlicher. Österreich ist
nicht ohne Grund gemeinsam mit Griechenland das Wachstumsschlusslicht in
der EU. Zweitens sieht die Öffentlichkeit
auch hierzulande die derzeit künstlich
1993
Der Zugang zu den EU-Töpfen und dem
EZB-Geldhahn wurde zur „Krücke“ oder
zur Hängematte statt zu einem Sprungbrett zu mehr Wohlstand. Das betrifft
beide Teile der Binnennachfrage – den
Konsum und die Investitionen. Ein Beispiel gefällig? Für die olympischen Sommerspiele 2004 in Athen hatte das Organisationskomitee bei der Vergabe im Jahr
1997 ein Budget von 1,25 Mrd. Euro veranschlagt. Die im März 2004 abgewählte
Pasok-Regierung hatte noch versprochen,
nicht mehr als 4,6 Mrd. Euro für das Großereignis auszugeben. Offizielle Daten zu
den Gesamtkosten gibt es bis heute nicht,
doch ein Bericht der Wirtschaftsprüfer
von PricewaterhouseCoopers schätzt die
Kosten auf zehn Mrd. Euro. Heute sind
die meisten Sportstätten, für die teilweise
nicht einmal eine Baugenehmigung vorhanden war, verfallen.
Die Lehren für Österreich
1992
zent des jährlichen BIP aus, wurden aber
ebenso wie die billigen Kredite kaum sinnvoll eingesetzt. Es wurde verabsäumt, eine
exportfähige Industrie aufzubauen, den
Staatssektor zu modernisieren, den hypertrophen Militärapparat zu verkleinern und
die Transferleistungen zu normalisieren.
Juli/August 2015 | iv-positionen
19
Bücher
HR 2015
GEDENKJA
Wolfgang Neugebauer, Edition
Steinbauer, 352 Seiten, 25,00 Euro
Der österreichische Widerstand 1938-1945
Lange Zeit galt der Widerstand in Österreich gegen das Nazi-Regime als
umstrittenes Engagement, dem man voller Misstrauen begegnete, den man
vielfach anzweifelte, bagatellisierte oder schlichtweg leugnete. Schließlich war
ein großer Teil der Bevölkerung vom „Anschluss“ und von den Anfangserfolgen
des Nationalsozialismus beeindruckt gewesen. Doch auch unter der Maschinerie des Schreckens formierten sich trotz massiver Repression durch Gestapo,
Nazi-Gerichte und KZ sowohl linke als auch konservative Widerstandskräfte, die
ihr Leben riskierten, vielfach verloren und sich letztlich bemühten, den von den
Alliierten 1943 geforderten „eigenen Beitrag zur Befreiung“ Österreichs zu leisten.
Der österreichische Widerstand 1938-1945
Leopold Figl: Der Glaube an Österreich
GEDENKJAHR 2015
„Zu Haus ist es am schönsten!“, schreibt Leopold Figl am 8. Mai 1943
lapidar in sein Gästebuch. Wie hätte der KZ-Heimkehrer Worte für das
Entsetzliche finden sollen, das ihm widerfahren war? Der Grundkonsens der
Zweiten Republik, der Glaube an Österreich, wurde von Menschen wie ihm
getragen, die Extremsituationen erlebt hatten. Die prägendsten Momente im
Leben von Leopold Figl – die oft auch Schicksalstage für Österreich waren
– werden aus seiner Sicht und auf sehr persönliche Weise geschildert. Auf
der Basis bislang unveröffentlichter Gästebucheinträge, unbekannter Briefe
aus KZ- und Gestapo-Haft, Erinnerungen von Familienmitgliedern und
Mitarbeitern zeichnet die Autorin ein sehr persönliches Bild des beliebtesten
Politikers der Zweiten Republik.
Leopold Figl: Der Glaube an Österreich
Birgit Mosser-Schuöcker,
Amalthea, 256 Seiten, 24,95 Euro
Jahrbuch für Risikomanagement präsentiert
V.l.n.r.: Alexander Janda
(Kuratorium Sicheres
Österreich), Stefan Haas
(CEO TÜV AUSTRIA Gruppe),
Christoph Neumayer
(Generalsekretär IV)
20 iv-positionen | Juli/August 2015
TÜV AUSTRIA-CEO Stefan Haas präsentierte gemeinsam mit den beiden
Generalsekretären Christoph Neumayer (Industriellenvereinigung) und Alexander Janda (Kuratorium Sicheres Österreich) das Österreichische Jahrbuch für
Risikomanagement 2015. Mit den anwesenden Autoren Werner Müller (Allianz
Österreich Vorstand), Elisabeth Witzani (New Venture Scouting), Gerhart Ebner
und Thomas Goiser (Risk Experts), Brigitta John (RMA Österreich), Natalie
Glas (Umweltbundesamt) und Zoran Kostic (FH Campus Wien) feierten sie das
Erscheinen des Jahrbuchs. Unter den Gästen befanden sich weiters Johannes
Stern (Austrian Standards), Jochen Ressel (Senat der Wirtschaft) und Publizist
Claus Reitan.
Insgesamt 21 namhafte Autorinnen und Autoren haben Beiträge zu diesem Sammelband verfasst, der im TÜV AUSTRIA Fachverlag erschienen ist. (Preis: 35,00 Euro.)
Bücher
Geschichte des Westens
Mit dem Fall der Mauer vor 25 Jahren ging ein Zeitalter zu Ende. Heinrich
August Winklers Geschichte des Westens stellt die dramatischen Ereignisse
von 1989 in einen großen weltgeschichtlichen Zusammenhang und schildert
meisterhaft die ereignisreichen Jahrzehnte vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Untergang der Sowjetunion. Der Band macht deutlich, wie
nahe uns die Epochenwende von 1989 bis 1991 immer noch ist: Damals
wurden die Grundlagen unserer Gegenwart gelegt. Der Autor schildert all
jene Ereignisse, die gleichsam die Vorgeschichte unserer Gegenwart bilden.
Der Westen entschied zwar auf allen Ebenen den „Wettkampf der Systeme“
für sich. Doch Winkler zeigt auch sehr deutlich, dass aus den Umwälzungen
der Jahre 1989 bis 1991 eine Welt ohne Gleichgewicht hervorging.
Geschichte des Westens – Vom Kalten Krieg zum Mauerfall
Heinrich August Winkler,
C.H. Beck, 1.258 Seiten, 39,95 Euro
Der Akademisierungswahn
Die deutsche Bildungspolitik ist auf dem Holzweg: Die berufliche Bildung
wird vernachlässigt, die akademische Bildung wird immer beliebiger
und flacher. Mit dieser These trat Julian Nida-Rümelin, Philosoph und
streitbarer Kulturpolitiker, im Herbst eine Debatte los. Seinen Kritikern hält
Nida-Rümelin in diesem Essay starke Argumente entgegen: Er plädiert
für ein Bildungssystem, das sich konsequent an der Vielfalt von Begabungen, Interessen, Berufs- und Lebenswegen orientiert. Das kann durch
eine gute und gründliche universitäre Ausbildung geschehen, die natürlich
jedem begabten jungen Menschen, der studieren will, offenstehen soll. Zu
diesem System gehört aber auch die berufliche Bildung. Doch schwindet
die Anerkennung für diesen Weg in den Beruf – so entsteht eine Abwärtsspirale, die den Fachkräftemangel noch verstärkt, der aus demografischen
Gründen ohnehin droht.
Julian Nida-Rümelin, Edition KörberStiftung, 256 Seiten, 16,00 Euro
Der Akademisierungswahn – Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung
Im Orient zu Hause
Im Orient zu Hause ist das Österreichische Hospiz zur Heiligen Familie in
Jerusalem seit mehr als 150 Jahren. Seit 1988 fungiert es nach dem langen
Intervall der Nutzung als Krankenhaus wiederum als ein von der Katholischen
Kirche Österreichs betriebenes Pilgergäste- und Bildungshaus. Im vorliegenden Buch präsentieren Theologen, Historiker, Kunsthistoriker und Politikwissenschafter unterschiedliche Aspekte des Österreichischen Hospizes, seiner
Geschichte und seiner gegenwärtigen Bedeutung. Neben dem inhaltlich
hohen Anspruch der Beiträge hat das Buch von seinem äußeren Erscheinungsbild her die Form eines großzügig gestalteten Bildbandes, der die kunsthistorischen Schönheiten des Hauses und seine einmalige Lage in der Altstadt
Jerusalems zur Geltung bringt. Es ist ein Band zum Blättern und Betrachten
genauso wie zum Lesen und zum vertiefenden Studium.
Im Orient zu Hause – das österreichische Hospiz in Jerusalem
Markus St. Bugnyar,
Helmut Wohnout (Hg.),
Verlag Geschichte & Kunst,
320 Seiten, 39,90 Euro
Juli/August 2015 | iv-positionen
21
Wien
Mitterlehner und Hesoun
betonen Bedeutung der Industrie
FRÜHLINGSFEST Kluge Standortpolitik nötig – Bürokratische Hürden abbauen
V.l.n.r.: IV-Wien-Präsident Wolfgang Hesoun und
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner
22 iv-positionen Wien | Juli/August 2015
„Angesichts der herausfordernden wirtschaftlichen Situation benötigen Österreich und Europa insgesamt eine kluge
Standortpolitik, in der auch das Thema
der nationalen Wertschöpfung eine zunehmend wichtige Rolle einnimmt“, so
Hesoun. Der Industriesektor werde dabei vielfach unterschätzt. So gehe die Bedeutung der Industrie über den direkten
Wertschöpfungsbeitrag weit hinaus und
zeige sich eindrucksvoll an ihrem Anteil
an Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Darüber hinaus sei die Industrie
wesentlicher Treiber von Innovationen,
betonte Hesoun.
„Österreich braucht eine starke Industrie, die wir auf allen Ebenen vorwärts
bringen müssen“, unterstrich Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold
Mitterlehner. „Wir müssen die Unternehmen als Partner beim Ausbau ihrer Wettbewerbsfähigkeit unterstützen
und bürokratische Hürden abbauen.
Zudem gilt es, die Innovationskraft zu
stärken, indem wir sowohl die Grundlagenforschung als auch den Jungunternehmergeist an den Universitäten
forcieren“, nannte Mitterlehner wichtige Handlungsfelder. Hesoun abschließend: „Wenn wir weiter in Österreich
V.l.n.r.: Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl,
Isabelle Dorda von Leitner u. Leitner, IV-Ehrenpräsident Veit Sorger
produzieren wollen, muss dies auf internationalem Top-Level erfolgen. Nur so
können wir Standortnachteile, wie etwa
höhere Lohnkosten, ausgleichen. Als
IV-Wien stehen wir der Politik als Partner dabei gerne zur Verfügung.“
Nach der Eröffnung nutzten die Gäste
aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien die Gelegenheit zum Netzwerken und
inhaltlichen Austausch.
Fotos: IV-Wien
A
m 18. Juni 2015 lud die
IV-Wien zum Frühlingsfest im Kursalon Wien.
Rund 600 Gäste hörten
die
Eröffnungsworte
des Präsidenten der IV-Wien, Wolfgang
Hesoun, sowie die Keynote von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Wien
Österreich braucht
eine Vorwärtsstrategie
Österreich befindet sich in einer herausfordernden
wirtschaftlichen Situation. Dies ist unbestritten.
Dennoch macht es keinen Sinn, den Fokus nur
auf die Probleme und Schwächen unseres Landes
zu legen. Wir müssen uns wieder intensiver mit
unseren Stärken auseinandersetzen und alles
dafür tun, die reichlich vorhandenen Potenziale
optimal zu nutzen.
hochinnovativer und sehr produktiver Unterneh-
Bereichen (Bildung, Forschung & Innovation,
men aufweist. In Wien decken diese Unternehmen
Infrastruktur, moderne Arbeitswelt oder konkur-
vor allem Zukunftsbranchen wie IKT, Life Sciences
renzfähiges Steuer- und Abgabensystem) opti-
oder Mobility ab. Insgesamt ist es Österreich
male Rahmenbedingungen für den Arbeits- und
gelungen, sich als Land von Weltmarktführern
Wirtschaftsstandort herrschen. Zudem gilt es,
in zukunftsträchtigen Nischen zu positionieren,
künftig nicht nur unsere Schwächen zu bearbeiten,
was sich auch in internationalen Rankings nie-
sondern ebenso unsere Stärken zu fördern und
derschlägt. Im Bildungsbereich wiederum verfügt
in den öffentlichen Debatten vermehrt auf diese
Österreich – allen voran mit der Lehre sowie mit
hinzuweisen. Denn nur mit Mut, Motivation und
Österreich weist derzeit ein geringes Wirtschafts-
der HTL – über international sehr konkurrenzfähige
Erfolgserlebnissen können wir auch die schwieri-
wachstum auf und ist mit sehr hohen und weiter
und angesehene berufliche Ausbildungsschienen.
gen Themen erfolgreich meistern.
steigenden Arbeitslosenzahlen konfrontiert. Während hierzulande das Wachstum stagniert, ist in
Österreich und Wien haben also – trotz vorhan-
vielen Teilen Europas eine – zwar moderate, aber
dener Schwächen – auch viele ausgezeichnete
dennoch relevante – konjunkturelle Erholung spür-
Grundlagen, um die wirtschaftlichen Herausfor-
bar. Die Wachstumsschwäche basiert vielfach auf
derungen nicht nur zu meistern, sondern sogar
einer Investitionskrise und einem Vertrauensverlust
gestärkt daraus hervorzugehen.
Ihr
in die Verlässlichkeit und Zukunftsfähigkeit der
politisch definierten Rahmenbedingungen.
Alle Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft
müssen jetzt an einem Strang und in die richtige
Ein Blick in die Unternehmenslandschaft lässt
Richtung ziehen. Unser Land braucht eine zu-
Ing. Wolfgang Hesoun,
jedoch erkennen, dass Österreich eine große Zahl
kunftsfähige Gesamtstrategie, damit in sämtlichen
Präsident der IV-Wien
V.l.n.r.: JI-Wien-Vorsitzender Nikolaus Griller
und IV-Wien-Vizepräsident Christian C.
Pochtler (Vorstandsvorsitzender Pochtler
Industrieholding)
V.l.n.r.: Kurt Hofstädter
(Siemens), IV-Wien-Vizepräsident Günter
Thumser (Präsident
Henkel CEE)
V.l.n.r.: Rudolf Schicker
(SPÖ-Klubobmann
Wien), Gabriele
Zuna-Kratky (Direktorin Technisches
Museum), Susanne
Brandsteidl (Präsidentin Stadtschulrat)
V.l.n.r.: Fritz Aichinger
(ÖVP-Klubobmann
Wien), IV-WienGeschäftsführer
Johannes Höhrhan,
Manfred Juraczka
(ÖVP-Landesparteiobmann Wien)
Juli/August 2015 | iv-positionen Wien
23
Wien
Die Teilnehmer des
LehrerInnenseminars in
der Opel Wien GmbH
WIEN
IV-Wien-LehrerInnenseminar
im Opel-Werk in Aspern
PROJEKT Über 20 Lehrer nahmen am 28. Mai 2015 am „LehrerInnenseminar“ von
IV-Wien und Stadtschulrat im Rahmen des Projektes „Zukunftsschulen“ teil.
FACTBOX
„Wiener Zukunftsschulen“
LehrerInnenseminare
Block 1: „Bürger und Konsumenten“
Block 2: „Volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen“
Veranstaltungsorte: Unternehmen sowie sonstige
wirtschaftlich relevante Institutionen
Beide Blöcke beinhalten einen Theorieteil sowie
einen Praxisteil (Unternehmensführung und Diskussion mit Unternehmensvertretern).
Zielgruppe sind alle Lehrer der fünf „Wiener
Zukunftsschulen“:
- Polytechnische Schule 7, Burggasse
- KMS 10, Josef-Enslein-Platz
- KMS 11, Pachmayergasse
- KMS 12, Singrienerstraße
- KMS 22, Eibengasse
24 iv-positionen Wien | Juli/August 2015
anten diskutiert. Abgehalten wurde das
Seminar von IV-Chefökonom Christian
Helmenstein in Räumlichkeiten des Motoren- und Getriebewerkes der Opel
Wien GmbH. So hatten die Pädagogen
im Rahmen des halbtägigen Seminars
auch die Möglichkeit, das Werk und die
Lehrwerkstätte zu besichtigen sowie mit
der Leiterin der Lehrausbildung, Ulrike
Glas, über die Anforderungen an künftige
Lehrlinge zu diskutieren.
Organisiert wurde die Veranstaltung
im Rahmen des Projektes „Wiener Zukunftsschulen“ von IV-Wien und Wiener
Stadtschulrat. Im Rahmen dieser gemeinsamen Initiative werden und wurden seit
2012 in fünf Wiener Projektschulen zahlreiche Maßnahmen implementiert, um
den Austausch zwischen Industrie und
Schule zu intensivieren und die im Unterricht vermittelten Inhalte noch näher
an die künftigen Herausforderungen des
Arbeitslebens heranzuführen.
Neben dem Seminarteil „Bürger und Konsumenten“ wurde für die gemeinsame Initiative noch ein zweiter inhaltlicher Teil zu
den Themen „volkswirtschaftliche und be-
triebswirtschaftliche Rahmenbedingungen“
konzipiert. Ziel der LehrerInnenseminare
ist es, den Lehrern eine wirtschaftliche Weiterbildung zur Verfügung zu stellen, die es
ihnen ermöglichen soll, den Schülern ökonomische Zusammenhänge so praxisnahe
wie möglich vermitteln zu können.
Jeder Seminartermin besteht aus einem
Theorie- und einem Praxisteil. Im Praxisteil haben die Pädagogen die Möglichkeit,
Unternehmen zu besuchen und sich dort
mit Lehrlingsausbildnern und Personalverantwortlichen über zukünftige Herausforderungen für junge Menschen im
Arbeitsleben auszutauschen. Im Rahmen
der Seminare erhalten die Teilnehmer
auch Informationen zu weiterführenden
Materialien, die im Unterricht unterstützend herangezogen werden können. Inhaltlich vorbereitet und betreut werden
die Seminare vom Wirtschaftsforschungsinstitut ECONOMICA.
Insgesamt wurden seit 2013 drei LehrerInnenseminare innerhalb des Kooperationsprojektes „Wiener Zukunftsschulen“
abgehalten. Ein weiterer Termin ist für
diesen Herbst geplant.
Foto: IV-Wien
D
as LehrerInnenseminar
trug den Titel „Bürger
und Konsumenten“ und
beschäftigte sich intensiv
mit der volkswirtschaftlichen Rolle der privaten Haushalte, darüber hinaus wurden u.a. die Problematik
privater Verschuldung sowie unterschiedliche Formen der privaten Absicherung
bis hin zu Spar- und Veranlagungsvari-