Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Ein historischer Abriss über die Entwicklung des Intelligenzbegriffs unter der Genderbrille Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Lorraine Daston (1951) Wissenschaftshistorikerin Direktorin am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin Ihre Arbeit fokussiert auf epistemologische und ontologische Kategorien, die wissenschaftliche Untersuchungen und ihre Standards formen. Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Ausgangspunkt Weiblichkeit und intellektueller Rang unvereinbar Mühsames Lernen oder peinliches Grübeln, wenn es gleich ein Frauenzimmer darin hoch bringen sollte, vertilgen die Vorzüge, die ihrem Geschlechte eigentümlich sind, und können dieselbe wohl um der Seltenheit willen zum Gegenstande einer kalten Bewunderung machen, aber sie werden zugleich die Reize schwächen, wodurch sie ihre große Gewalt über das andere Geschlecht ausüben. Ein Frauenzimmer [...] mag nur immerhin noch einen Bart dazu haben, denn dieser würde vielleicht die Miene des Tiefsinns noch kenntlicher ausdrücken, um welchen sie sich bewerben. — Immanuel Kant, 1764 Überblick Geschichte einer spezifisch weiblichen Intelligenz — Geschichte von Denkstrukturen Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Die Polarität von männlich — weiblich Paare von Gegensätzen weitverbreitetes Denkmuster → in jedem Paar ist eine Seite die eindeutig (?) bessere → Erzeugung und Erhaltung von Stereotypen Das Weibchen ist sanfter im Charakter, ist leichter zu zähmen, ist Zärtlichkeit gegenüber zugänglicher, ist lernfähiger, — zum Beispiel ist bei den Lakonischen Hunden das Weibchen klüger als das Männchen. Andererseits ist das Männchen tatendurstiger, wilder, einfacher und weniger listig... Die Frau ist weniger optimistisch als der Mann, sie lügt mehr, sie täuscht mehr, und hat ein genaueres Gedächtnis — Aristoteles Vorstellung, dass Objekte Bilder von sich in das Gehirn einprägen, wie ein Siegel in weiches Wachs → Frauen: überlegene(s) Gedächtnis/Vorstellungskraft, leichter zu täuschen, aber zugleich imaginativer und erfinderischer Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Das Genie und die neue Polarität wesentliche Veränderungen des Inhalts, nicht der Struktur → Imagination (oder Vorstellungskraft), geistige Beweglichkeit bekommen neuen Wert; höchst erstrebenswerte Eigenschaften → Probleme für die klassische Polarität von männlich-weiblich → Imagination und Kreativität wechseln auf männlichen Pol Gedächtnis bleibt am weiblichen Pol Struktur ist Sieger It is generally true that the males are more active energetic, eager, passionate and variable, the females are more passive, conservative, sluggish, and stable. — Patrick Geddes und Arthur Thomson, 1889 Gründe sind physiologischer Natur (vgl. Darwinismus/Sozialdarwinismus) Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Die Erfindung der Intelligenz (1/2) intellektuelle und moralische Eigenschaften bisher noch immer verbunden → Ende 18. Jh. vermehrt unterschieden; intellektuelle Eigenschaften höher bewertet → Gegensatz zwischen dem konkret-weiblichen und dem abstrakt-männlichen Intellekt → bisher unterschiedene intellektuelle Fähigkeiten der Wahrnehmung, des Gedächtnisses, des Urteils und der Vernunft verschmelzen zu zu einer einzigen Rubrik der Intelligenz → männlich versus weiblich, nicht-weiße Rassen und Unterschichten It is generally admitted that with women the powers of intuition, of rapid perception, and perhaps of imitation, are more strongly marked than in man, but some, at least of these faculties are characteristic of the lower races, and therefore of a past and lower state of civilization. — Charles Darwin, 1870 Gemeinsam war ihr sozialer Status als Untergebene Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Die Erfindung der Intelligenz (2/2) Herrschaftsanspruch: bisher berief man sich auf überlegene Moral, nun auf überlegene Intelligenz Betonung von Quantifizierung; Vorliebe für Kraniometrie → physikalisch-quantitatives Verständnis von Intelligenz → Schluss, dass Männer intelligenter als Frauen; Weiße mehr als Schwarze und Hessen mehr als Bayern erste Intelligenztests, Normalverteilung der Intelligenz Erklärung: Bei Frauen verschlingen die erdrückenden Erfordernisse der Reproduktion Energie, die sonst in Körpergröße oder in geistige Fähigkeiten hätten umgesetzt werden können Die Quantifizierung der weiblichen Intelligenz Der Zusammenbruch der Polarität → zwei wesentliche Zugeständnisse 1. 2. nicht länger unmöglich für Frauen, intellektuelle Gleichheit mit Männern zu erreichen, nur sozial nicht erwünscht Polarität von männlichweiblich zerbröckelt bez. Intelligenz; jetzt Kontinuum → Intelligenz von Männern und Frauen wird einfach als gleich definiert → Vergleichbarkeit schafft Voraussetzung für Gleichheit → Konstruktivistischer Schluss: Lage der Dinge nicht von der Natur angeordnet Gesellschaft gab der Natur ihre Anordnungen Studien Studie: Eleanor Maccoby & Carol Jacklin, 1974 keine Geschlechtsunterschiede: allgemeinene intellektuelle Leistungsfähigkeit: Fähigkeit zum logischen Denken, zum Problemlösen, Fähigkeiten des Lernens und des Gedächtnisses Studie: Hans Jürgen Eysenck, 1986 Bei Intelligenztests (IQ-Messungen) erzielen Frauen und Männer gleiche Durchschnittswerte Studie: Bettina Srocke, 1989 Beide Geschlechter verfügen über vergleichbare allgemeine kognitive Fähigkeiten Studie: Eleanor Maccoby & Carol Jacklin, 1974 mathematische Fähigkeiten: Jungen ab dem Alter von 12 bis 13 Jahren im Durchschnitt bessere Resultate in den entsprechenden Tests Metaanalyse Janet Hyde, 1981 Unterschied in den mathematischen Leistungen, jedoch nicht so gravierend wie von Maccoby & Jacklin behauptet. Jungen vor allem bei den quantitativen Kompetenzen (z.B. Bearbeitung einfacher Rechenaufgaben, Schätzen von Größen oder Wahrscheinlichkeiten) höhere Werte; Mädchen bei den verbalen Testaufgaben besser Metaanalyse: Alan Feingold, 1988 Ähnliche Tendenzen. Mädchen der 8. bis 12. Klasse bessere Ergebnisse bei der Rechtschreibung und der Wahrnehmungsgeschwindigkeit Studien (Kurt A . Heller, 1990c, 1991b) Studien Studie: Diane Halpern, 1986 Im Bereich des mechanischen Denkens und der räumlichen Beziehungen übertreffen die Jungen die gleichaltrigen Mädchen, diese Unterschiede vergrößern sich mit zunehmendem Alter. Auffällig werden diese Leistungsdifferenzen zwischen dem 13. und 16. Lebensjahr Übersicht: Elizabeth Stage, Nancy Kreinberg, Jacquelynne Eccles & Joanne Becker, 1985 Jungen im Grundschulalter etwas bessere Ergebnisse bei Testaufgaben zum mathematischen Problemlösen keine Unterschiede bezüglich Algebra und mathematischem Grundwissen Rechenmethodische Aufgaben lösen Mädchen besser Metaanalyse: Janet Hyde, Elizabeth Fennema & Susan Lamon, 1990 keine Unterschiede bezüglich des Verständnisses von mathematischen Konzepten. Jungen besser bei Problemlöseaufgaben, Mädchen besser bei Rechenaufgaben; Leistungsunterschiede treten erst innerhalb höherer Schulstufen auf und waren am höchsten für mathematisch Hochbegabte Studie: SAT-M: Camilla Benbow & Julian Stanley, 1980a/b, 1983 Jungen konstant bessere Leistungen als Mädchen angeborene geschlechtsabhängige Unterschiede bezüglich mathematischer Leistungsfähigkeit zugunsten der Jungen 172 Studien durch Metaanalysen vergleichbar gemacht (Marcia Linn & Anne Petersen, 1985) Unterschiedliches räumliches Vorstellungsvermögen. Dabei wurden Unterschiede zugunsten der Jungen bestätigt, die nach Art und Weise der Testaufgaben unterschiedlich groß sind. Ende?
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